5. Der Aufenthalt am Hof Herzog Sigmunds in Innsbruck (1485-1487)
5.1. Am Tiroler Hof Erzherzog Sigmunds
Nach ihrer Rückkehr aus Graz und den Aufregungen um die angebliche Entführung im
Winter 1481 verbrachte Kunigunde die nächsten Monate vermutlich bei ihrem Vater in
Wien. Als aber auch die Eroberung Wiens durch die Truppen des ungarischen Königs
drohte, mußten der Kaiser, seine Tochter und der Hofstaat in andere Städte
ausweichen.
189
Unter anderem diente die befestigte Burg in Graz als Residenz. Im
Februar 1484 wuchs allerdings auch in der Steiermark die Ungarngefahr, so daß sich
Friedrich wieder einmal dazu gezwungen sah, seine Tochter an einen sicheren Ort
bringen zu lassen, wie der Augsburger Gesandte Georg Wieser berichtet: Er sei am
42
Sonntag Invocavit (7. März) in Graz angekommen, aber schon vor 14 Tagen sei seine
gnädige Frau mit 24 Jungfrauen, ihrem Hofmeister Kasper Aspach
190
und der Dispotin,
ihrer Hofmeisterin, aus der Stadt abgereist. Dabei sei Kunigunde von Heinrich
Prüschenk
191
und Sigmund Niedertor
192
begleitet worden, die sie, soweit er informiert
sei, zum Schloß Weinburg bringen sollten.
193
Im selben Brief schrieb Wieser außerdem,
daß zum Troß Kunigundes auch 28 Wagen, beladen mit Teilen der kaiserlichen Kanzlei
und wichtigen Dokumenten des Hauses Österreich sowie Wertgegenständen gehört
hätten. Kunigunde sei zunächst nach Wels gebracht worden, wo sie Hof gehalten
habe.
194
Der Kaiser selbst reiste im Oktober 1484 von Graz aus weiter nach Linz.
195
Vermutlich kam es in einem der Wintermonate 1484/85 zu einem Treffen zwischen
Vater und Tochter in Neuburg am Inn, wo Kunigunde und ihr Gefolge mittlerweile
Aufenthalt genommen hatten.
196
Bestätigt werden diese Angaben durch Kunigundes
Biographie, in der nicht nur die Reiseroute, sondern auch die Anzahl der Damen des
„Frauenzimmers“ sowie das Treffen Kunigundes mit ihrem Vater in Übereinstimmung
mit der Schilderung Jägers genannt werden.
197
Anfang Juli des folgenden Jahres hielt sich der Kaiser am Hofe seines Vetters Erzherzog
Sigmund von Tirol in Innsbruck auf,
198
wo er erneut mit seiner Tochter zusammentraf,
die schon vorher den väterlichen Befehl empfangen hatte, sich mit ihrem Gefolge von
189
Der Einzug des ungarischen Königs in Wien erfolgte schließlich am 1. Juni 1485. Vgl. O
PPL
/P
ERGER
,
Friedrich III. und die Wiener, S. 15f.
190
Zu Kaspar Aspach vgl. Kap. 3, Anm. 90.
191
Zu Heinrich Prüschenk vgl. H
EINIG
, Kaiser Friedrich, Bd. 1, S. 206ff.
192
Der kaiserliche Rat Sigmund Niedertor. Zu ihm vgl. H
EINIG
, Kaiser Friedrich, Bd. 1, S. 301-304.
193
Gemeint ist vermutlich das ca. 30 km östlich von Linz gelegene Weinberg.
194
Vgl. StadtA Augsburg, Literaliensammlung, 8. März 1484. (25.02.1484): Item vor 14 tagen ist mein
gnädige fraw, unsers herrn kaisers tochter, hie zu Gretz abgeschiden mit 24 junckfrawen, herrn
Casparn Aspach, irem fofmaister, und Dispotin, irer hofmaisterin, sy hatt belait herr Heinrich
Prüschenck und herr Sigmund Nidertor.... Ähnlich auch Cgm 895 (Jägers Ehrenspiegel), fol. 357
v
und
F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 928, wo aber nicht von einem Aufenthalt Kunigundes in Wels,
sondern in Neuburg am Inn gesprochen wird: Dieser Zug / von Heinrich Prüeschenken und Sigmund
Niederthorern mit 600 Pferden begleitet / kame über Passau nach Neuburg am Ynn...
195
Von einer Übersiedlung Kaiser Friedrichs und Kunigundes nach Linz war bereits im März 1484 die
Rede gewesen, vgl. O
PPL
/P
ERGER
, Friedrich III. und die Wiener, Regest 106, S. 56.
196
F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 928.
197
H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 45f.: Darnach schiket er die samt ainer antzal iunkhfrawen, tzu wissen
vier vnnd zwaintzigk, als irer furstlichen gnad frawenzimer, auch mit aim hofmaister vnnd
hofmaisterin in die obern lannd; als am ersten auf ain Gesloss genannt Newnburg, [...] Mit demselben
tzug hett man auch all klainat, gutt, freyhaitbrief, in summa was tzu des alten weissen kunig notturft
vnnd geuallen gewesst, verfuert; vnnd gienng also derselb schwer tzug auf passaw, vnnd verrer auf
das gemeldt Gsloss Newnburg.
198
Vgl. H
EINIG
, Kaiser Friedrich, Bd. 3, S. 1382.
43
Neuburg nach Innsbruck zu begeben.
199
Schon vor Kunigundes Ankunft hatte Erzherzog
Sigmund seinem kaiserlichen Vetter durch Hans Ramung erklären lassen, daß er und
seine Gattin gerne bereit seien, ihre junge Verwandte für einige Zeit bei sich aufzuneh-
men. Kunigunde könne entweder in den Gemächern seiner Frau, Katharina von
Sachsen, untergebracht werden oder aber in einer Stadt oder einem Schloß auf Tiroler
Gebiet: Sigmund schlug unter anderem Rotemburg, Hall, Fragenstam oder Umbst und
Sigmundspurg vor, bot aber auch Rotemburg am Neckar oder Veltkirch an. Die stets
knappe Kasse seines kaiserlichen Vetters genau kennend, bot Sigmund auch höfung und
cost für seine junge Verwandte und deren Hofstaat an.
200
Da die Ungarn im Sommer
1485 schon sehr weit nach Westen vorgedrungen waren und weite Teile Österreichs
besetzt hielten, blieb dem Kaiser, der sich auf der Suche nach Unterstützung in diesem
Krieg ins Reich begeben wollte, keine andere Wahl, als seine Tochter in der Obhut sei-
ner Tiroler Verwandten zurückzulassen. Daß die erneute Trennung beiden recht schwer
gefallen war, wie Clemens Jäger
201
und Kunigundes Biograph berichten,
202
ist sicherlich
nicht nur als Topos aufzufassen, durch den die Beschreibung dramatisiert werden sollte.
Das vorgerückte Alter des Vaters und die Kenntnis der weiteren Geschehnisse, also das
jahrelange Zerwürfnis zwischen Vater und Tochter, dürften beide Autoren aber dazu
bewogen haben, den sicherlich vorhandenen Trennungsschmerz in ihrer Erzählung
übertrieben heftig zu schildern.
In Innsbruck wurde Kunigunde vermutlich im „Frauenzimmer“ der Erzherzogin Katha-
rina untergebracht, zu dem eine Dienerschaft von etwa 50 bis 60 Personen gehörte.
203
Zum schon vorhandenen Personal Katharinas von Sachsen gesellte sich während Kuni-
gundes Aufenthalt nun auch das Gefolge, das die Erzherzogin nach Innsbruck begleitet
hatte. Dank der gut geführten Rechnungsbücher am Innsbrucker Hof lassen sich einige
ihrer Diener und Vertrauten sogar namentlich fassen, da sie nach Kunigundes Heirat von
199
Vgl. F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 931: Nachdem er daselbst 19 tage lang verharret / setzte er
seine Reise fort [...] nach Insbruck: dahin er seine Tochter / welche inzwischen mit ihrer Geleitschaft
zu Neuburg am Ynn verharret / zukommen beschieden hatte.
200
TLA Innsbruck, Kopialbücher Ältere Reihe H/7 (1485), fol. 80f sowie O
RTWEIN
, Innsbrucker Hof, S.
149.
201
F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 931: Zu Insbruck / empfahle er seinem Vetter / Erzh. Sigmunden /
seine Tochter / samt allem dem / was sie sonsten mitgebracht / in getreuen Schutz / Aufsicht und
Bewahrnis / liesse sie mit obgedachten Herren daselbst / und reisete von dar ins Bayrland: nachdem
er von der Prinzessinn / deren dieses ihres verlebten alten Vatters Unglückwesen schmerzlich zu
herzen gienge / mit bittren Threnen und betrübtem Seufzen abgesegnet worden.
202
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 48f.
203
Vgl. O
RTWEIN
, Innsbrucker Hof, S. 42.
44
Erzherzog Sigmund ausbezahlt wurden.
204
So diente ihr auch in Innsbruck der aus der
Steiermark stammende Ritter Kaspar Aspach als Hofmeister, wie mehrere Eintragungen
in den Innsbrucker Raitbüchern belegen.
205
Offensichtlich war es auch Kaspar Aspachs
Aufgabe, im Auftrage des Tiroler Landesherrn die übrige Dienerschaft Kunigundes zu
entlohnen.
206
Zum Hofstaat der Erzherzogin gehörte ferner der einkawffer Lienharth,
dem Erzherzog Sigmunds Hofmeister am 10. Januar 1487 sechs Gulden auszahlte.
207
Namentliche Erwähnung in den Rechnungsbüchern finden außerdem her Jörgen, der
kaiserin caplan
208
sowie Ulrichen, der kaiserin peydvater“
209
und Wolfgang Mair, der
Kaiserin gesindkoch.
210
Auch ein Goldschmied hat zumindest zeitweise, vielleicht im
Zusammenhang mit ihrer Heirat, für die Erzherzogin gearbeitet. „ Gotharth, der kaiserin
goldsmid wurde am 25. Januar 1487 mit vier Gulden für seine Arbeiten entlohnt.
211
Weitere Personen, beispielsweise die Namen von Kunigundes Dienerinnen, lassen sich
aus den Raitbüchern nicht fassen. Die Summe der Eintragungen zeigt aber, daß der
Buchhalter Erzherzog Sigmunds sehr genau zwischen der Dienerschaft des Erzherzoges
und seiner Frau einerseits und der Dienerschaft Kunigundes andererseits unterschieden
hat, wobei diese zur besseren Unterscheidung stets als die kaiserin bezeichnet wurde.
Interessant ist dabei aber, daß sich für die Zeit des Aufenthaltes der Erzherzogin in Tirol
keine Eintragungen in den Raitbüchern für die Jahre 1485 und 1486 finden lassen, die
auf eine Entlohnung der Dienerschaft Kunigundes hinweisen; alle Auszahlungen fanden
erst im Januar 1487, also nach ihrer Heirat und der Übersiedlung nach München statt,
können also als Begleichung der aus Kunigundes Aufenthalt resultierenden Schulden
aufgefaßt werden.
204
Der anonyme Biograph Kunigundes nennt bei seiner Beschreibung des Hofstaates keine Namen, er
berichtet lediglich, Kunigunde hielte sich mit viel edlen Iunckfrawen von art vnnd stamen die
allerdlistenn vnnd eerperisten, die der alt weiss kunig als obgemeldt ist, zu seiner tochter in ir
frawenzimmer getan hett, in des frolich weissen kunigs hauptstadt auf. Vgl. H
EYRENBACH
,
Kunigunde, S. 51.
205
Vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 20 (1486), fol. 36. Casparn Aspach ritter, der kaiserin hofmeister
erhielt am 14. Januar 1487 die Summe von 80 Gulden ausbezahlt.
206
Vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 20 (1486), fol. 36. So erhielt er ebenfalls am 14. Januar 1487 32
Gulden, um acht Personen, namentlich der kaiserin knaben, silberkammer und junkhfrawen, knecht
jeweils vier Gulden zerung zu zahlen. Am gleichen Tag erhielt Aspach weitere acht Gulden für
Kunigundes Koch und zwei weitere Knechte, vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 20 (1486), fol. 36v.
207
Vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 20 (1486), fol. 35v.
208
Caspar Aspach erhielt für die zerung des Kaplans am 14. Januar 1487 vier Gulden, vgl. TLA
Innsbruck, Raitbuch 20 (1486), fol. 36v.
209
Der Beichtvater Ulrich wird sogar zweimal erwähnt: Am 17. Januar 1487 erhielt er vier Gulden,
weitere acht Gulden wurden ihm und einem gewissen Nicolasch Turchner [...] zu hawszins am 20.
Januar ausbezahlt. Vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 20 (1486), fol. 37 und 37v.
210
Wolfgang Mair erhielt am 14. Januar zwei Gulden, vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 20 (1486), fol. 36v.
211
Vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 20 (1486), fol. 38.
45
Zum ersten Mal in ihrem Leben bot sich Kunigunde bei ihrem Innsbrucker Aufenthalt
die Gelegenheit, eine längere Zeit mit einer gleichrangigen und etwa gleichaltrigen Frau
zu verbringen. Dies und die Tatsache, daß es am Innsbrucker Hof Erzherzog Sigmunds
recht gesellig zuging, scheint auch auf die junge Habsburgerin nicht ohne Einfluß
geblieben zu sein. An der Seite der jungen Erzherzogin Katharina, mit der sie sehr viel
Zeit verbrachte, war Kunigunde wohl auch in das rege gesellschaftliche Leben des
Tiroler Hofes eingebunden.
212
Daß die junge Frau an den glanzvollen, teilweise sogar
verschwenderischen Banketten teilnahm, die Erzherzog Sigmund an seinem Hof zu
besonderen Anlässen, beispielsweise anläßlich der Besuche seiner Münchner Nachbarn,
gab, zeigen mehrere Episoden, die in ihrer Biographie geschildert werden.
213
5.2 Erste Kontakte mit Herzog Albrecht von Bayern-München
Herzog Albrecht war für Kunigunde kein Unbekannter, als sie ihn am Hof ihres Ver-
wandten Sigmund von Tirol traf; mindestens einmal war es schon in der Vergangenheit
zu einem Treffen zwischen beiden gekommen, da Albrecht seinen Vetter Georg von
Bayern-Landshut zu dessen Lehensverleihung nach Wien begleitet hatte.
214
Zu diesem
Zeitpunkt, im Frühling des Jahres 1480, war aber von einer Heirat zwischen Kunigunde
und dem Wittelsbacher noch nicht die Rede, wenn auch Maximilian in Albrecht mög-
licherweise einen Kandidaten um die Hand seiner Schwester gesehen hat. Zu welchem
Zeitpunkt das erste Wiedersehen in Tirol stattfand, ist nicht bekannt. Bei den guten
Beziehungen zwischen den Höfen von Innsbruck und München liegt ein Besuch
Albrechts bei Erzherzog Sigmund bald nach Kunigundes Ankunft um die Mitte des Jah-
res 1485 nahe, ist aber nicht nachzuweisen. Vielleicht war auch der Tiroler für die erste
Zusammenkunft verantwortlich, indem er seinen Münchner Freund einlud, um diesem
die junge, heiratsfähige Verwandte vorzustellen.
215
Wie sich die Erzherzogin und Albrecht schließlich am Hof Sigmunds in Innsbruck oder
Hall oder einer anderen Residenz des Habsburgers,
216
näherkamen, ist in romantisch
verklärter Form der Biographie Kunigundes zu entnehmen. So sei Albrecht zu einem
212
Vgl. O
RTWEIN
, Innsbrucker Hof, S. 116-126.
213
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 53ff.
214
s.o. Kap. 3.3.
215
Eine Verknüpfung beider Möglichkeiten bietet Kunigundes anonymer Biograph. So war Kunigunde
nach Meinung Erzherzog Sigmunds recht zeitig vnnd irs leibs vnnd vernunft zum heyrat geschickt und
es sei ye schimpflich zu achten [...], solt sy in dem ledigen wesen verrer aufgehalten werden. Bei
einem seiner häufigen Besuche inn frünndtlicher vnnd nachpers weise habe Albrecht schließlich
Kunigunde kennengelernt. Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 51f.
216
S
TAUBER
, Herzog Georg, S. 317 spricht von Innsbruck oder Hall.
46
seiner zahlreichen Besuche in Innsbruck eingetroffen und inn fuesstapfen ward sein herz
gegen dem frawlein in eerperer lieb entzundt.
217
Die folgenden Aufenthalte Herzog
Albrechts bei Sigmund hätten demnach nicht mehr allein dem Erzherzog, sondern viel-
mehr dessen jungem Gast gegolten. Albrecht habe es aber zu Beginn der Beziehung
nicht gewagt, seine Gefühle für Kunigunde offenzulegen, bei der Sigmund während der
Abwesenheit Friedrichs III. eine Art Vertretung der Vaterstelle innehatte. Es gab zwar,
schenkt man Kunigundes Biographen Glauben, genug Anzeichen dafür, daß die junge
Frau die Gefühle des Münchners erwiderte, es wäre aber absolut nicht schicklich gewe-
sen, diese offenkundig werden zu lassen. Der Biograph der Habsburgerin schildert
anschaulich, mit welchen weiblichen Tricks sich seine Heldin um die Aufmerksamkeit
des Wittelsbachers bemühte:
Da gienng es an ain gruessen vnnd dancken vnnd als offt der blabweiss kunig
[Herzog Albrecht] kam, was frawlein Chungund in sunnderhait froliches gemuets.
Vnnd so sy bey dem frolichen weissen kunig [Sigmund] miteinannder den imbiss
einnnamen, da liess frawlein Chungund ye tze weilen ein gäblein, oder ein
tischmesserlein ab den tisch falen; da ybertraff der blab weiss kunig all diner
vnnd dienerinn an behenndigkait, wolt sich den dienst nit nemen lassen, hob das
auf vnnd gab das mit sitlichen geberden, vnnd mit seiner hofart dem frawlein
wider, dess sie sich hinwider gar schon vnnd höflichen bedannkhet.
218
Erzherzog Sigmund, so der Biograph weiter, habe recht bald erkannt, daß das füncklein
an bayden ennden gloset
219
, seiner Nichte durch geschicktes Nachfragen ein Geständnis
ihrer Liebe entlockt und sich bei Kaiser Friedrich für die Jungverliebten eingesetzt.
220
So einfach, wie in der Biographie geschildert, dürfte sich die Beziehung allerdings nicht
entwickelt haben. Wenn auch die Möglichkeit nicht ganz von der Hand gewiesen wer-
den kann, daß sich beide zwar nicht sofort und auf den ersten Blick, aber immerhin
relativ schnell ineinander verliebt hatten, ist zu beachten, daß eine Ehe auch im späten
Mittelalter vor allem ein Geschäft war, das beiden Partnern bzw. deren Familien Vor-
teile bringen sollte. Albrecht konnte sich durch eine mögliche Eheschließung mit der
217
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 52. Ähnlich romantisch wird das Kennenlernen Albrechts und
Kunigundes auch in der Originalfassung des Fuggerschen Ehrenspiegels von 1555 geschildert. Vgl.
Cgm 895 (Fuggers Ehrenspiegel
)
, fol. 370: ... unnd aber hertzog Albrecht von Bayern, welcher von
jugent auf bey gemelten hertzog Sigmunden inn groser kundtschaft, ja demselben vast lieb unnd
angenem gewesen, zu dem offtermalen gen Ynspruck kommen, unnd hertzog Sigmunden haimgesuecht
etc. Auch alsdann inn der ertzfürstin frawenzimmer, von kurtzweyl wegen, sich gethan, durch welchen
bey wanndert hertzog Albrecht (der auch von person ain gar schöner, lannger unnd wolberedert fürst
was) mit des kaysers tochter, der ertzfürstin von Österreich, zu mermalen inn ain lieplichs gespräch
gerathen, aus dem auch nicht annderst entstannden, dann das irer bayder gemueter inn eerlicher
lieben zublüeen unnd wachsen angefanngen haben...
218
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 53f.
219
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 55.
220
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 55ff.
47
einzigen Tochter des Kaisers erhoffen, das Erbe über zumindest einen Teil der Besitz-
tümer der Habsburger anzutreten, zumal der engere Familienkreis des Kaiser Friedrichs
zum damaligen Zeitpunkt nur aus ihm selbst, Maximilian mit seinen Kindern Philipp
und Margarethe sowie Kunigunde bestand. Für Albrecht konnte dies unter Umständen
den Erwerb Tirols bedeuten, auf den er schon in den Jahren zuvor hingearbeitet hatte;
auf alle Fälle konnte er hoffen, daß seine außenpolitischen, territorialen Ziele durch die
Eheschließung mit der Kaisertochter leichter zu erringen seien, besonders, wenn es ihm
gelänge, sich die Rückendeckung des Kaisers zu sichern. Daher ist es durchaus ver-
ständlich, daß Albrecht, beeindruckt von der äußeren Erscheinung Kunigundes, die nicht
nur von ihrem Biographen hervorgehoben wurde,
221
und den Möglichkeiten, die sich
durch diese Verbindung ergeben konnten, bald nach Kunigundes Ankunft in Innsbruck
um deren Hand zu werben begann.
222
Gleichzeitig aber mußte sich der Herzog der
Tatsache bewußt sein, daß der Kaiser eine Erweiterung der wittelsbachischen Territorien
auf Kosten seines Hauses niemals dulden würde. Daß die Bemühungen Herzog
Albrechts um die Hand Kunigundes zumindest anfänglich von Berechnung bestimmt
waren, zu der erst zu einem späteren Zeitpunkt Zuneigung hinzukam, war auch die Mei-
nung, die in den Kreisen vertreten wurde, die dem Münchner Herzog nicht wohlge-
sonnen waren. Ein Beleg dafür findet sich im historischen Volkslied über die Einnahme
Regensburgs, wo der Verfasser anklingen läßt, daß Albrecht bewußt die Bekanntschaft
mit Kunigunde als eine Art taktische Maßnahme gesucht habe.
223
Kunigunde scheint die Heiratspläne Erzherzog Sigmunds und Herzog Albrechts zumin-
dest in den Anfängen mit stillschweigender Zustimmung akzeptiert zu haben. Die
Gründe dafür sind relativ leicht nachzuvollziehen: Immerhin war sie bei ihrer Ankunft
221
Daß Erzherzogin Kunigunde zwar keine so strahlende Schönheit wie ihre verstorbene Mutter
Eleonore, aber durchaus ansehenlich war, zeigt ein zeitgenössisches Gemälde der Erzherzogin, auf
welchem sie mit dem Schmuck ihrer Mutter zu sehen ist. Dieses Gemälde wurde vermutlich an den
verschiedenen Höfen, an denen über eine Heirat Kunigundes verhandelt wurde, vorgezeigt. Vgl.
Z
IERL
, Eleonore, S. 185. Eine Abbildung des Kunigunde-Portraits, das aus der Schule des Wiener
Schottenmeisters stammt und um das Jahr 1480 entstand, findet sich in: Ausstellung Friedrich III.,
Abb. 31 und Beschreibung S. 373. Zum Meister, der den Altar des Wiener Schottenklosters schuf, vgl.
Rupert F
EUCHTMÜLLER
: Der Schottenmeister und seine Nachfolger, in: Ausstellung Friedrich III., S.
414-420.
222
Von einer Verbindung zwischen politischen Motiven und „wahrer Herzensneigung“ spricht auch
R
IEZLER
, Vermählung, S. 378, der die aufrichtige Zuneigung der beiden Ehepartner mit ihrem späteren
ungetrübten Eheglück begründet.
223
Vgl. L
ILIENCRON
, Volkslieder, Bd. 2, S. 186, Verse 51-56: Des wär auch herzog Albrecht gar not /
der auch gehoft hat auf des kaisers tod. / Er [Herzog Albrecht] hub sich auf und tet sich schbingen /
da er gund frauen Kunigunden finden / in Inspruck pei herzog Sigmund / auß furschlag seines herzen
grund
.
Der Plan der bayerischen Herzöge Georg und Albrecht ir gut ze meren, wozu auch die Heirat
mit Kunigunde beitragen sollte, klingt auch an früherer Stelle des Liedes an, vgl. Verse 31-34.
48
in Tirol schon zwanzig Jahre alt und wollte, wie es bei der abwartenden Politik ihres
Vaters und den vielen Absagen an die verschiedenen Bewerber fast zu erwarten war,
wohl nicht als „alte Jungfer“ enden.
224
Zudem erlebte sie in Tirol vermutlich täglich,
welch relativ freies Leben die Gattin Sigmunds, Katharina von Sachsen führen konnte,
die nur wenige Jahre jünger als Kunigunde war.
5.3. Spätere Kontakte Kunigundes zu ihren Tiroler Verwandten
Während der 18 Monate, die Kunigunde bei ihren Tiroler Verwandten verbrachte, hatte
sie familiäre Kontakte zu Erzherzog Sigmund, aber auch zu dessen Ehefrau Katharina,
in deren „Frauenzimmer“ sie lebte, aufbauen können. Auch in den Jahren nach ihrer
Heirat, als Kunigunde längst in München lebte, hielt sie, teils brieflich, teils mittels
Boten, stets den Kontakt zum Erzherzogspaar von Tirol.
225
Daß man die Nachbarn und Verwandten am Innsbrucker Hof über die Geburt der Kinder
benachrichtigte, war selbstverständlich und läßt sich an mehreren Beispielen belegen.
So wurde Erzherzog Sigmund unmittelbar nach der Geburt der ersten Tochter Sidonie
am 1. Mai 1488 durch Herzog Albrechts Sattelknecht Peter über das glückliche Ereignis
unterrichtet;
226
Erzherzog Sigmund antwortete ebenso prompt mit einem Schreiben, in
dem er Albrecht und seiner Nichte, der lieben mumen, seine Glückwünsche
übermittelte.
227
Auch zur Verlobung Sidonias mit Ludwig, dem Sohn des pfälzischen
Kurfürsten Philipp, die ein knappes Jahr später am 27. Juli 1489 erfolgt war, liegt ein
Glückwunschschreiben des Tiroler Erzherzogs vor.
228
Die Geburt der zweiten Tochter
Sybille am 16. Juni 1489 wurde ebenfalls nach Innsbruck gemeldet, wie ein Eintrag im
Raitbuch dieses Jahres zeigt. Clemens Dachssner erhielt, als er potschafft hat bracht,
224
Nach kanonischem Recht lag das Mindestalter für eine Eheschließung bei 12 Jahren. Im
Spätmittelalter lag das durchschnittliche Heiratsalter adeliger Mädchen bei 17 Jahren. Vgl. S
HAHAR
,
Kindheit, S. 255. S
PIESS
, Familie, S. 414-420 stellte für das späte Mittelalter bei der ersten
Eheschließung der jungen Mädchen ein durchschnittliches Heiratsalter von deutlich unter 20 Jahren
fest. Durch diese frühe Verheiratung sollte einerseits eine möglichst hohe Zahl von Geburten und
damit von Nachkommen sichergestellt werden, andererseits konnten die häufig durch Verlobungen
angebahnten Bündnisse oft nur durch den Vollzug der Ehe nach einer Heirat bekräftigt werden, was
natürlich relativ bald nach dem von der Kirche gestatteten Heiratsalter erfolgen sollte.
225
Vgl. zu diesem auch Ebba S
EVERIDT
: Struktur und Entfaltung von Verwandschaft im Spätmittelalter:
Die Beziehungen der Gonzaga, Markgrafen von Mantua, zu den mit ihnen verwandten deutschen
Fürsten. Diss. masch. Freiburg/Br. 1998, S. 146-152, die ähnliche Beispiele im Umgang der Gonzaga
aufzeigt.
226
Der Sattelknecht Peter erhielt am Freitag vor Invectio Crucis, am 2. Mai, seinen Botenlohn ausbezahlt.
Vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 22 (1488), fol. 55 sowie C
ARAMELLE
, Katharina, S. 207.
227
Vgl. BayHStA München, KÄA 974, fol. 269.
228
Vgl. BayHStA München, KÄA 974, fol. 311.
49
das seiner gnaden gemahel ains frewleins nyderkomen ist, am 22. Juni die Summe von
zwei Gulden zu ainem potenbrot ausbezahlt.
229
In den Jahren nach dem Regierungsverzicht Erzherzog Sigmunds gab es weiterhin
Kontakte zwischen dem Innsbrucker und dem Münchner Hof. Im November 1493,
einige Tage nach der Geburt des ersehnten männlichen Erbens Wilhelm am 13. Novem-
ber, sandte Kunigunde ihrem Onkel Sigmund ein wildes swain, das sich dieser zusam-
men mit seiner Gattin Katharina schmecken lassen sollte.
230
Der Dank des Erzherzogs
für dieses Geschenk kam prompt, schon drei Tage später wurde der Fußbote Wolfgang
Valkner den Wagenknechten, die Kunigunde ein Faß Wein nach München bringen
sollten, mit einem Brief nachgeschickt.
231
In diesem Antwortschreiben bedankte sich der
Tiroler auch im Namen seiner Frau Katharina für das willpret und kündigte als Gegen-
geschenk ain trunckh an, den Kunigunde und Albrecht von unsern wegn mitainander
zuverzeren sollten.
232
An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, wie gut das Prinzip von
Geschenk und Gegengeschenk zwischen den Höfen von München und Innsbruck funk-
tionierte. Bei einer anderen Gelegenheit überraschte Katharina ihre Münchner Ver-
wandte mit zwey zimel mit weinperen und melonen, so uns an der Etsch gewachsen.
233
Verbunden mit guten Wünschen für das kommende Jahr sandte Kunigunde ihren Tiroler
Verwandten zum Ende des Jahres 1494 sechs lachsvörchen mit der Anweisung nach
Innsbruck, Sigmund möge die drey unnser lieben mümen, ewr lieb gemahl antwürtten
lassen, und Ir die drey behallten. Für einen häufigeren Austausch kulinarischer Spezia-
litäten spricht in diesem Brief die entschuldigende Aussage Kunigundes, sie hätte ewrn
lieben gern seltzamers geschickt, zu dieser Jahreszeit sei allerdings nichts vorhanden,
Sigmund und Katharina sollten sich aber dennoch ihres guten Willens bewußt sein.
234
Im März 1496 ließ die bayerische Herzogin der Gattin Sigmunds durch Martin Metzger
als eine weitere kulinarische Aufmerksamkeit Fische überbringen.
235
Die Beziehungen zwischen Innsbruck und München beschränkten sich allerdings nicht
nur auf den Austausch von Glückwunschschreiben und Geschenken, auch mit Bitten
229
Vgl. TLA Innsbruck, Raitbauch 24 (1489), fol. 28 sowie C
ARAMELLE
, Katharina, S. 207.
230
Brief Kunigundes vom 23. November 1493, vgl. TLA Innsbruck, Sigmundiana IVa, fol. 228,8: Wir
schicken ewr liebe und ewr lieben gemahl, unnser lieben muemen, hiemit ain willdes swain, das
wöllen ewr beder liebde mit ainander verzeren, und unnser in gut dabei gedenncken... Vgl. auch
C
ARAMELLE
, Katharina, S. 206.
231
Vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 35 (1493/II), fol. 128
v
.
232
Vgl. BayHStA, KÄA 973, fol. 70.
233
Vgl. BayHStA, KÄA 973, fol. 67 (Schreiben der Erzherzogin Katharina vom 28. Juli 1494).
234
Vgl. TLA Innsbruck, Sigm. IVa, fol. 205 sowie C
ARAMELLE
, Katharina, S. 206f.
235
Vgl. TLA Innsbruck, Raitbuch 40 (1496), fol. 128
v
sowie C
ARAMELLE
, Katharina, S. 207.
50
wandte sich das bayrische Herzogspaar an die Tiroler Nachbarn. Kunigunde und
Albrecht waren von Sebastian von Rohrbach, dessen Tochter dem Hofstaat der Herzo-
gin angehörte, um Förderung für eine seiner weiteren Töchter gebeten worden. Deshalb
wurde der Tiroler Erzherzog in einem Schreiben vom 4. Juli 1493 gebeten, eine Tochter
Sebastians in das „Frauenzimmer“ Katharinas aufzunehmen.
236
Im selben Jahr baten
Albrecht und Kunigunde Sigmund um Unterstützung und freundliche Aufnahme für
ihren Diener Paul Marquard, der soeben aus der kaiserlichen Acht entlassen worden
war, da dieser nach Tirol reisen wolle.
237
Der Kontakt Kunigundes und Albrechts zu ihren Tiroler Verwandten blieb, wie die oben
geschilderten Beispiele zeigen, auch nach dem Scheitern der Tiroler Pläne Herzog
Albrechts bestehen und beruhte somit nicht allein auf politischem Kalkül. Bis zum Tod
Erzherzog Sigmunds im Jahr 1496 wurden immer wieder Geschenke und Briefe ausge-
tauscht; dies geschah zum einen bei familiären Anlässen, wie beispielsweise bei der
Geburt von Kunigundes Kindern, zum anderen zu bestimmten Gelegenheiten, wie etwa
Glückwünsche anläßlich des neuen Jahres, machmal aber auch scheinbar ohne äußere
Notwendigkeiten. Die Bitten an die Nachbarn, aus Bayern stammende Personen in den
Tiroler Hofstaat aufzunehmen, waren für die damalige Zeit zwar nicht außergewöhnlich,
belegen aber immerhin, daß sich die Höfe in Innsbruck und München auch nach dem
Regierungsverzicht Erzherzog Sigmunds noch recht nahe standen. Möglicherweise war
das Verhältnis Kunigundes und Albrechts zu den Tiroler Verwandten auch aus einem
„romantischen Gesichtspunkt“ recht ausgeprägt, denn schließlich hatten sie sich am Hof
Erzherzog Sigmunds kennengelernt und ihre Heirat auch den Handlungen des Tirolers
zu verdanken.
Dostları ilə paylaş: |