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Ärzteblatt Sachsen 12/1999
Berufspolitik
Der Zell- und Molekularbiologe Blobel,
M.D., Ph.D., Professor an der Rocke-
feller-Universität in New York, erhielt
am 11. 10. 1999 den Nobelpreis. Das
Stockholmer Karlolinska-Institut wür-
digte die zellmolekularbiologischen Ar-
beiten des Forschers, die für das Ver-
ständnis bestimmter Erbkrankheiten und
auch für die Produktion neuer Arzneien
beigetragen haben.
Prof. Blobel und seine Mitarbeiter be-
schäftigen sich seit 1967 mit dem
„Adresszettel” für Proteine. An der
Rockerfeller-Universität entdeckte Prof.
Blobel, daß neugebildete Proteine ein
eingebautes Signal haben, das entschei-
dend für die Steuerung der Proteine zu
den Membranen des endoplastischen
Retikulums und ihre Durchdringung ist.
In den Jahren 1975 bis 1995 untersuch-
ten Prof. Blobel und sein Team die mo-
lekularen Details mit dem Ergebnis:
Jedes Organell besitzt Rezeptoren, die
das Adress-Signal des Protein lesen und
das Protein durch Kanäle in das Or-
ganell einschleusen kann.
Prof. Blobel hat unter anderen Aus-
zeichnungen 1987 den Louisa Gross
Horwitz Prize, 1992 den Max-Planck-
Forschungspreis und 1993 den Albert
Lasker Basic Medical Research Prize
erhalten. Für Prof. Blobel ist der verlie-
hene Nobelpreis eine „tolle Auszeich-
nung. Keine Frage. Aber die wirkliche
Begeisterung kommt mit der täglichen
Arbeit im Labor”, sagte er der Deut-
schen Presseagentur in New York am
11. 10. 1999. Sein Ziel ist „das grundle-
gende Verständnis von der Organisation
der Zelle”. Professor Blobel sieht sich
erst am Anfang der Forschung. Es gibt
noch „wahnsinnig viele Geheimnisse”.
Prof. Blobel wurde am 21. 5. 1936 in
Waltersdorf/Schlesien geboren. Er kam
als Achtjähriger auf der Flucht mit sei-
ner Familie 1945 nach Freiberg. Mit Er-
griffenheit erzählt er, wie er am 13. Fe-
bruar 1945 von einem Dorf aus die Stadt
Dresden brennen sah.
Prof. Günter Blobel
Medizin-Nobelpreisträger 1999
Er besuchte die Oberschule in Freiberg
und legte 1954 hier das Abitur ab. Weil
er in der DDR nicht Medizin studieren
durfte, ging er 1954 nach dem Westen
Deutschlands.
Nach dem Medizinstudium in Frankfurt,
München, Kiel und dem medizinischen
Staatsexamen in Tübingen bekam er
eine Anstellung als Assistenzarzt im
Allgäu.
Seit 1962 lebt Prof. Blobel in den USA.
1987 hat er die amerikanische Staats-
bürgerschaft angenommen. Er fühlt sich
aber nach wie vor als Deutscher.
Der 63jährige Nobelpreisträger ist Di-
rektor der US-amerikanischen Organi-
sation „Friends of Dresden”. Vor einem
Jahr lud Prof. Blobel Persönlichkeiten
der Stadt New York in das älteste italie-
nische Restaurant „Barbetta” von Man-
hattan ein und warb für Dresden mit den
Worten: „Eine großartige Stadt mit einer
großartigen Geschichte und einer groß-
artigen Frauenkirche.” Als Prof. Blobel
bei einer spontanen Feierstunde an der
New Yorker Rockerfeller-Universität
von seinen Studenten, Kollegen und
Mitarbeitern am 11. 10. 1999 gefeiert
wurde, zeigte er Diapositive von Dres-
den.
Prof. Blobel spendete fast die gesamte
Summe des Preisgeldes für den Wieder-
aufbau der Dresdner Frauenkirche, für
den Neubau der Dresdner Synagoge und
für die Restaurierung der Altstadt des
italienischen Ortes Fubine.
Die Ärzte des Freistaates Sachsen und
die Mitarbeiter der Sächsischen Landes-
ärztekammer gratulieren Herrn Prof.
Blobel ganz herzlich zu der Verleihung
des Nobelpreises 1999 und bedanken
sich für sein besonderes Engagement
und die umfangreiche Unterstützung für
den Wiederaufbau der Frauenkirche und
für den Neubau der Dresdner Synagoge.
Wir wünschen dem herausragenden
Wissenschaftler unserer Zeit weiterhin
beste Gesundheit, Schaffenskraft, Wohl-
ergehen und weitere revolutionäre wis-
senschaftliche Erkenntnisse, die es mög-
lich machen, Medikamente und Gen-
therapie gegen bislang unheilbare
Krankheiten zu entwickeln.
klug
Foto: M. Lauffer, Dresden