Die Rolle des Botenstoffs Dopamin für Lernen und Gedächtnis



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Die Rolle des Botenstoffs Dopamin für Lernen und Gedächtnis
PD Dr. rer. nat. habil. Holger Schulze; Abteilung Akustik, Lernen, Sprache; Leibniz-Institut für Neurobiologie, Magdeburg
In der modernen Wissensgesellschaft wird die Fähigkeit des Einzelnen zum schnellen und nachhaltigen Aneignen von Fakten immer wichtiger. Schlagworte wie lebenslanges Lernen, PISA-Studie oder auch Altersdemenz im Zusammenhang mit der aktuellen Bevölkerungsentwicklung beherrschen zunehmend Politik und Medien. Ratgeber mit neuen Lernstrategien und Gedächtnistrainings füllen die Buchläden. Ein „normales“ Funktionieren unserer Lern- und Gedächtnisleistungen bis ins hohe Alter gewinnt mehr und mehr an Bedeutung für das „Funktionieren“ des Einzelnen in der Gesellschaft.
Die moderne Neurobiologie hat in den vergangenen Jahren eine Fülle von Erkenntnissen zu Lern- und Gedächtnisvorgängen in den Gehirnen von Mensch und Tiermodell zusammengetragen. Auf unterschiedlichsten Betrachtungsebenen, von molekularen bis hin zu systemischen Ansätzen, wurden dabei Mechanismen des Lernens und der Informationsspeicherung aufgeklärt. Diese Forschungsergebnisse erlauben inzwischen Einblicke in die Lern- und Gedächtnisvorgänge ebenso im Kindes- und Jugendlichen- wie auch im Erwachsenenalter. Insbesondere auch Defizite in diesen neurobiologischen Vorgängen, wie sie natürlicherweise im Alter oder auch pathologisch bedingt auftreten, lassen sich nun durch unser vertieftes Verständnis der Hirnmechanismen, die Lernen und Gedächtnis zu Grunde liegen, erklären.
Bei einer Vielzahl derartiger Untersuchungen kristallisierte sich in diesem Zusammenhang mehr und mehr die zentrale Rolle des hirneigenen Botenstoffes Dopamin für Lern- und Gedächtnisvorgänge heraus. Der vorliegende Beitrag soll einen kurzen Überblick über diese Rolle des Dopamins, illustriert an einigen ausgewählten Beispielen, liefern.
Die meisten dopaminhaltigen (= dopaminergen) Neurone befinden sich in zwei Kernstrukturen des Mittelhirns, der sogenannten Substantia nigra (SN) und dem ventralen Tegmentum (VTA). Diese Strukturen sind evolutiv recht alt aber hochkonserviert, haben sich also in der Entwicklung etwa von einfachen Säugetieren hin zum Menschen kaum verändert. Während die Nervenzellen der SN ihre Projektionen ins Striatum entsenden (um dort Dopamin auszuschütten) und so eine Rolle bei der Bewegungskoordination spielen, projizieren die Neurone der VTA einmal zum Nucleus accumbens, der funktionelle Bedeutung für die Motivationskontrolle besitzt, zum anderen aber auch in den sogenannten präfrontalen Kortex des Vorderhirns, der von zentraler Bedeutung für Aufmerksamkeitskontrolle und besonders auch für eine spezielle Form des Kurzzeitgedächtnisses, nämlich des Arbeitsgedächtnisses (engl. ‚working memory’), ist.
Dieses Arbeitsgedächtnis dient der kurzzeitigen Speicherung von Gedächtnisinhalten, etwa während momentan ablaufenden Lernprozessen oder auch bei der Entwicklung von Problemlösungsstrategien. So sind wir dank unseres Arbeitsgedächtnisses beispielsweise in der Lage, Zwischenergebnisse einer längeren Rechenaufgabe kurz zu behalten und mit weiteren Rechenoperationen zu manipulieren, eine Telefonnummer zum Zwecke des Wählens derselben kurz zu speichern, oder auch verschiedenste sensorische Reize, Töne oder visuelle Muster, zu speichern und mit weiteren, später wahrgenommenen Reizen zu vergleichen. Letzteres ist dabei auch mittels Tierversuchen experimentell zugänglich:
So konnten beispielsweise Stark und Mitarbeiter (2004) zeigen, daß bei Mäusen, die in einem Verhaltenstest lernen, zwei akustische Reize voneinander zu unterscheiden, genau dann - und nur dann - eine erhöhte Dopaminausschüttung im präfrontalen Kortex nachgewiesen werden kann, wenn die Tiere begreifen, was sie in dem Verhaltenstest tun sollen und eine neue Verhaltensstrategie ausbilden. Die Tiere zeigen also gewissermaßen so etwas wie einen aha-Effekt, der mit einer Dopaminausschüttung im präfrontalen Kortex, dem Sitz des Arbeitsgedächtnisses (vgl. Goldman-Rakic, 1995), korreliert ist. Das ausgeschüttete Dopamin hat dabei eine Doppelfunktion: Zum einen bedingt es über die Projektion zum Nucleus accumbens eine euphorisierende Wirkung, ist also gewissermaßen ein internes Belohnungssystem: Das Gehirn belohnt sich selbst für seine gute Leistung, die Belohnung muß nicht von außen kommen. Zum anderen bewirkt das Dopamin einen besseren Übergang der gelernten Information ins Langzeitgedächtnis. Letzteres konnte durch Experimente belegt werden, in denen durch Rapamycin spezifisch die durch das Dopamin ausgelöste Proteinbiosynthese als notwendige Voraussetzung für die Ausbildung von Langzeitgedächtnis blockiert werden konnte (Tischmeyer et al., 2003).
Besonders interessante Einblicke in die Rolle von Dopamin für Lern- und Gedächtnisprozesse liefern Untersuchungen an Parkinsonpatienten. Diese an Dopamin-Unterproduktion leidenden Patienten zeigen nicht nur, wie allgemein bekannt, motorische Defizite auf Grund gestörter Projektionen der SN (vgl. oben), sondern leiden auch wegen der ebenfalls gestörten VTA-Projektionen unter definierten kognitiven Defiziten. Wie unlängst gezeigt werden konnte, lernen unbehandelte Patienten vorwiegend aus Fehlern, nicht mehr aber aus Erfolgen (Frank et al., 2004). Interessanterweise verkehrt sich dieses Bild bei solchen Patienten, die mit hohen Dopaminsubstitutionen behandelt wurden, ins Gegenteil: Diese Patienten lernen kaum noch aus Fehlern, sondern hauptsächlich aus Erfolgen. Im Vergleich zu gesunden Probanden konnte so gezeigt werden, daß es bei normalen Lernleistungen offensichtlich auf die genaue Dosierung der Dopaminausschüttung im präfrontalen Cortex ankommt.
Schließlich deuten bei altersbedingten, nicht-pathologischen kognitiven Einbußen immer mehr Befunde darauf hin, daß auch hier ein gestörter Dopaminhaushalt im Gehirn ursächlich beteiligt zu sein scheint: Eine Erhöhung der Dopaminausschüttung im Gehirn ist hier nachweislich zur Verbesserung der Lern- und Gedächtnisleistungen therapeutisch wirksam (Ihl, 2003).

FAZIT
Dem Botenstoff Dopamin kommt eine Schlüsselrolle bei Lern- und Gedächtnisvorgängen in unseren Gehirnen zu. Es bewirkt bei Lernerfolg nicht nur den euphorisierenden, selbstbelohnenden Effekt, sondern verbessert auch die Abspeicherung der gelernten Information im Langzeitgedächtnis. Störungen des Dopaminhaushaltes im Gehirn, sei es krankheits- oder altersbedingt, führen zu definierten kognitiven Einbußen. Hier scheinen therapeutische Ansätze, die das Ziel einer Normalisierung und Stabilisierung der Dopaminausschüttung im Gehirn verfolgen, besonders vielversprechend.
Referenzen
Frank MJ, Seeberger LC, O’Reilly RC (2004) By carrot of by stick: Cognitive reinforcement learning in Parkinsonism. Science, 306, 1940-1943

Goldman-Rakic PS (1995) Cellular basis of working memory. Neuron, 14, 477-485

Ihl R (2003) The impact of drugs against dementia on cognition in aging and mild cognitive dementia. Pharmacopsychiatry, 36 Suppl 1, S38-S43

Stark H, Rothe T, Wagner T, Scheich H (2004) Learning a new behavioral strategy in the shuttle-box increases prefrontal dopamine. Neuroscience, 126, 21-29



Tischmeyer W, Schicknick H, Kraus M, Seidenbecher CI, Staak S, Scheich H, Gundelfinger ED (2003) Rapamycin-sensitive signalling in long-term consolidation of auditory cortex-dependent memory. Europ. J. Neurosci, 18, 942-950



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