§ (}. Thoorcllsche und prakllschc Bcdeutung der Phonetik.
Phonclik nls Wissenschaft hat sowolil thcorelische als auch prak-
tische Bedeutung. . . . r i ,
Die Ihcorclische Bcdeutung der Phonetik aufiertsich in lolgendem:
1. Die lautliche Form dierit, wie obeli gezeigt wurge, als Existenz-
miliel dor Sprache, d. h. die Existenz der Sprache ist ohne lautliche
Substanz, in der sic manifestiert ist, undenkbar. #
2. Die phonetischen Erkenntnissesind für historische, etymologische,
grammatische und stilistische Forschungen, für die Bestirnmung der
Sprachenverwandtschaft von grower Bcdeutung. _
. Praktische Bcdeutung der Phonetik besteht in dem Gebrauch ihrer
Forschungsergebnisse bci der Ancignung einer Mutter- und Frernd-
sprache und ihrer Aussprachcnormen. Auch in anderen Zweigen der
Wissenschaft und Technik finden ihre Forschungsergebnisse Verwen-
dung.
§ 7, Forschungsmethoden der Phonetik.
Die Phonetik hat wie andere Teilgebiete der Sprachwissenschaft, ei^ene Forscliungsmethoden.1 Im folgenden gehen v/ir auf wichtige rein phonetische und phonologische Methodcn ein.
I. Methodc der subjektiven Beobachtqng (auditiv und visuell).
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Die subjektiv-auditive Methode gehort zu den altesten phoneti-
.ir}’-1/,, schen Untersuchungsmethoden. Man nennt diese Methode, die beson-
ders im Sprachunterricht haufig angewandt wird und auf_dem Gehor,
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>des Beobachters Jberuht, die auHffive Methode. Die unmittelbare auditive Beobachtung setzt einen geschulten Beobachter voraus, l - rU- ‘ weil ein und dieselbe AuGerung von verschiedenen Menschen unier- schiedlich wahrgenommen wird. Trotz ihrer Subjektivitat ist diese Methode auch heute noch eine wissenschaftlich gultige Methods, weil sprachliche Erscheinungen nur durch das menschliche Ohr beobachtet und gewertet werden konrien.
Akademiker L. W. Stscherba betonte ih seinen Werken, daB der Sprachforscher nicht nur das Erzeugte, sondern auch das Wahrgenom-
Sehr oft Ribt es Uberkreuzungen zwischcn don Methoden der Phonolo<-'ie und zerB sCema M ifi AjSPisse,nschaft (Grammatik, Lexikologie u. a.), Wor tb i I dun e oft an pg wa rul t ’ f 'if 3 ?nthodc‘n widen in der Grammatik und
gie slehe unten. ‘r den Gcbrauch dieser Methoden in der Phono! o-
^ .;,
I in Geeens'ü? 711 nt visuellen Kanai nicht vemacblassitfen 3':' bachtung slelil 'die InMerwah"11en Alethoden der subiektTvtn Beo- ihren verschiedoncn wT^1'0^ E*peri,nental'phonetik mit Snrachlauie,m I,iL' 11 ,1'U\en und Gera,en zur Lnlersuchung der Instrumenta!uhonelikT° ' Cu sPracl™iflel zur VeriCgung. Die w ckeln Ah C .bl1®", s,fh seit dem ly- Jahrbundert zu ent- Roussebt In PnPNnl def >nst™mentalPhone,ik 4nl in Frankreich in DeukrhbnH D w ® In dleser Richtung V. A. Bogorodizki, rienШг Pvnpri , P,an“n«lli-Calzia.Es entstanden spater Laborato- 7 writ L p ^ " u , netik in verschiedenen Landern der Welt, S ПСД JelC?’ dann in Ru2|and. in Deutschland, in England, in den USA und anderen Landern. Zur Zeit gibt es solche Laboratorien
, s T1Tn . r Sowjetumon an der Aloskauer University, an der Lenin-grader Uniyersitat, an der Aloskauer Maurice Thorez-Hochschule üir
em prachen, .in Kiew, Odessa, Alma-Ata, Taschkent und an eren Stadten der Sowjetrepubliken. Die Ergebnisse der instnün&n- talphonetiscnen Untersuchungen tragen zur weiteren Entwickluno der Phonetik als Wissenschaft wesentlich bei. 15
2. Instrumental-phonetische Methoden. J
Die Alethoden, die die Instrumentalphonetik anwendet, konnen als instrumental-phonetische Alethoden 4 bezeichnet werden. Sie konnen ihrerseits in zwei Untergruppen eingeteili werden: ~
a) instrumenial-phys^ologische;
b) instrumental-akustische.
a) Instrumental-physiologische Alethoden.
Die somatische Methode (griech. som. «Korper»). Sie zielt auf die Fixierung der Tafigkeit der Sprechorgane ab. Es sol! die genaue Arti- kulation der Laute festgestellt werden: Verwendung des künstüchen Gaumens, Rontgenpholographie und Ronfgenfilm. Ш-МЛ
b) Instrumcntal-akustischc Methoden.
Die pneumatische Methode ist cine Kombinalion von akusllschcr und physiologiscfier Methode. I3ei Anwenduug der pneuinatisclieü Methode (griech. pneum. «Hauch») benutzt man den pneumntischcn Kymographen (Kyino «Welle», grapho «ich schreibe»), mit (lessen Hilfe die Lautscliwingungen bei der Artikulation der Laute graphisch als Kurven dargestellt werden. Neuerdings verwendet man auchElek. trokymographen. Die Eleklrotechnik eroffnet der Experünentalpho- netik neue Moglichkeiten, indem sie пене, vollkommenere Inslru- mente zur Analyse der Sprache zur Verfügung stellt.
Die instrumental-akustischen Methoden haben das Ziel, die Fre- quenz und die Intensitat der Schwingungen, die Dauer lautlich'er Ersch- einungen und die aus besonders intensiven Teiltonen (Partialtonen) bestehenden Formanten der Laute festzustellen. JVlit Hilfe des Schle, - fenoszillographen kann man die Schwingungskurven ermitteln. Bei dor Spektralanaiyse werden die untersuchten Laute mit Hilfe elektrischer Filter in ihre Teilt5ne zerlegt. Auf derQrundlage des Lautspektrums entsteht das Spektrogramm. ,Mit Hilfe neuester elektroakustischer Gerate (z. B. Voders oder Vocoders) ist es moglich, Laute, Lautfolgen, ganze Satze'mit sprachrichtiger Intonation synthetisch herzustellen' d. h. künstlich zusammenzustellen.
3. Distributive Methode.
Diese Methode wurde von den Vertretern der amerikanischen des¬
- knptiven Linguistik entwickelt.JB. Bloch, Z. S. Harris, Ch. Hockett, K. L Pike). Unter der Distribution, versteht man die Summe aller Umgebungen (aller Kontexte), in denen ein sprachliches Element ^erscneint, lm Gegensatz zu jenen, in denen es nicht erscheinen kann. Auf solche Weise wird jedes sprachliche Element distributiv charak-
ekmente* Unterscheidet drei Abarten der Distribution der Sprach-
a) Freier Wechsel;
b) Kontrastive Distribution; *
c) Komplementare Distribution. '
a) Freier Wechsel.
Zwei Elemente stehen im Ireien Wechsel, wenn sie in derselben
IbnfST8-™1гкоЦп"еп und gegenseitig ausgetauscht1 werden konnen, ohne dabereine Anderung der Bedeutung hervorzurufen. Z.B.:Zun- genspitzen-Gaumen-oder Zapfchen-r wechseln im Deutschen frei: Radio, Regen, bringen, beharren.
b) Kontrastive Distribution.
Wenn zwei Elemente in derselben Umgebung vorkommen und beim Austausch dieser Elemente ein Bedeutungsunterschied entsteht, so haben wir es mit der kontrastiven Distribution zu tun, z. B.: [k J und
1 Diese Methode (Austausch eines Elements durch ein anderes Element) nennet man in der desknptiven Linguistik Substitution.
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nein-^einetl~<"‘аг*еп' 11 nc* te:): loben—leben; In] undlz]:
c) Koraplementarc Distribution.
saeen'wir^'daR ^|®n’.en*e nie dcrselben Umgebung vorkommen, so fzl und hl n.llTr k°mPlenienlar verlcilcn, z. B. 1?) und [x], Das konnm' vuir • verteilen sicli im Deutschen komplementar.
?n emem Beispiel zeigen. Wo das (91 vorkommt,
Huron Pn’i I'j' Wir' ^ kommt nach den Kokalen der vor- ,«f j1}3? 1 Konsonanten I, n, r sowie nach den Diphthon¬g i laej und ] vor (echt, welche, manche, durch, euch, Teich), das-
lx] steht hingegen nach den Vokalen der hinteren Reihe (Buch) und nach dem Diphthong [ao] (brauchen),
Es ist haufig der Fall, daB bestimmte Elemente ejnerseits in dersel- ben Umgebung vorkommen konnen (sich also kontrastiv verteilen), andererseits jedoch nie in derselben Umgebung vorkommen (sich aJso- komplementar verteilen). In solchen Fallen sprechen wir von der teilkomplementaren Distribution dieser Elemente. Z. B. [n] und [g] Is] und [J]: singen—sinnen (gemeinsame Umgebung), nah, sang,, trinken (komplementare Verteilung); wiBt—wischt (gemeinsame Umge- bung), schein—Skalp (komplementlre Verteilung).
Zur Rolle des semantischen Kriteriums bei der ldentifikation der
kleinsten distinktiven Einheiten,.
Bei der Bestimmung der kleinsten distinktiven Einheiten (Phoneme)' ist das semantische Kriterium von entscheidender Bedeutung.
Phonetisch verwandte Elemente, welche keine phonologische Op-position bilden, sind eben phonologisch gleich, unabhangig davon, ob- sie komplementar, teilkomplementar oder im freien Wechsel vorkomm0 Wir schliefien uns dabei folgender Meinung von N. Morciniecan: «Es muB mit Nachdruck hervorgehoben werden, daB anhand der dist- Hhntivpn Kriterien ohne Voraussetzungen, die die semantische Seite der SDrache betreffen, Phoneme im Sinne «Klemste distinktive Einhei- der bP> nirht festgestellt werden konnen. Anhand des Stel-
SESttX distributive Einheiten festgestellt wer- dm Für die Erkenntnis der kleinsten distinkhven Einheiten dagegen j Lmflnütfhe Kriterium von wesenthcher BedeutungV z. B.: Yz] und si verteilen sich komplementar.- Sie sollen deshalb als Vari-
anten eines Phonems behandelt werden, aber es gibt Umgebungeü.in- amen cm n ition sichen: Mufle—Muse, reisen—reiBen,
Bei der ldentifikation der kleinsten distinktiven Einheiten werden. in der Praxis weltgebend semantische und distributive Kriterien ver- Unrrinlec Distinktive Spracheinheiten im Niederlandischen unci'.
* Г, , M, S. 32. Ahnllchen Standpunkt vertrltt M. Adnraus, ,
PUonemlnventar, Wroclaw. 1967, S. 24.
bundcri angcwandt, Л1з Muster solcber Untersuchungen konnen die VVerltc dur sowjcffschen Pfronolouen und der Vertreler der Prager Sdmlc dienen (L, R. Sindcr, A. A. JReformatzki, R. I. Awanessow, P. S. Küsnczmv, S. I, Bernstein, N. S. Trubetzkoy, N. Morciniec, W.PiJch u. a,).
Die primare Stellüng soil dabei dem erster) (semantlschen) Krife- rlum zugesprochen werden. Davon zeugen die Untersuchungen der lautlichen Systenie von Vertrefern verschiedener linguistischer Schulen und Riclitimgen, die das semantische Kriteriurn bei der Identifikation der kleinston distinktiven Einheiten in bestimmter Form in Betracht ziehen.
4. Die Kommufationsmelliode.
Diese Methode wurde von den Vertretern der Glossematik (der so- gcnannleü danischen linguistischen Schule) en t w ick eJLjD a r unter verMclit man den Ersatz einer sprachlichen ‘Einheü durch eine andere auf i L , u-™ruckscbene (Figuren), dem zugleich eine Anderung in der Jnhallsebene entspricht, z. B,: _Rabe—habe. Jji_dLesem _Wortpaar jonunjüicren. _ULLund_lh_],_d. h. sfelilndjv’ertauschbar. Der Austausch ruit flie Anderung in der Bedeutung hervor. Deshalb sollen sie (diese werden U verscll,edenen Sprachinvarianten (Spracheinheiten) gezahlt
1 der^gleichen^SpracbeinüeiJen (in unserem Falle—
der Phoneme) зргисЩЖап^оп. deiuSubstitutiou..der_Sprachelemente.
и deJl'oblSen Darlegungen kann man folgern, dafi fast a He euro- Pdischen Phono logen (unbeachtet mancher sekundarer Meinungsun- terschiede) ihre Auffindungsprozeduren auf den bekannten Phonem- bes11 mmungsregeln von N. S. Trubetzkoy a ufbauen. Gleiche Prinz™ pien liegen ubrigens, wie es schon gezeigt wurde, den glossematischen und den meisten amerikanischen Auffindungsprozeduren zugrunde Sie werden in der Phonologie entsprechend mit den Namen- Oppo- sitions*Kommutations-bzw. Kontrastverfahren gekennzeichnet.
5. Statistlsche rtlethode in der Phonetik.
Pie sprach lichen Erscheinungen haben nicht nur qualitative ГЬя- rakferistik, sondern auch eine quantitative. Deshalb werden statis
Die nhon?/3 ь" /nuden jeüdisziPÜnen tier Linguistik oft angewandt Die phonetische (phonologische) Statistik berechnet die theoreS
mogfichen Phononemhaufigkeiten, untersucht die tatsachliche Phonem-
frequenz-und ermittelt das Verhaltnis der tatsachlichen zur mofflichen
Frequenz. Das Ergebnis stellt den Ausnutzungsgrad (in %) eines Pho-
nems, bestim inter phonologischer Oppositionsarten, der Sübenstruk- turen, der Phonemkombinationen usw. dar. Phonolosisch-statistische Arbeiten Üegen bisher nur in geringer Zahl vor. К Verfahren wird auch in den historisch-vergleichenden und in den typologischen Un- tersuchungen verwendet.1 "
6. Vergleichende Alethoden.
Die vergleichende Methode hat 3 Abarten.
a) Vergieichende-historische Methode. Diese Methode wurde von den Vertretern der vergleichenden-historischen Sprachwissen- schaft entwickelt und dient zum Vergleich der sprachlichen Erschei- nungen (lautlichen, grammatischen und lexikalischen) der verwandlen Sprachen im diachronischen (historischen) Plan. Auf solche Weise wird ihr Verwandschaftsgrad bestimmt. Mil Hilfe dieser Methodeglaub- te man sogar, die ursprungliche Form (Ursprache) der indoeuropa- isclien und andertr Sprachen erschlieBen zu konnen.
b) Hislorisch-vergleichetulc Methode. Sie unteischeidet sich von der vergleichenden-historischen dadurch, daB sie die Erse leinungen nur einer Sprache diachronisch miteinander vergleicht und versucht, eine genaue Beschreibung der historischen Fakten der LinzelspraUit zu eeben und ihre ursprunglichen Fornien zu rekonslruieren.
c) Kontrastiv-vergleichende Melhode. Das Wesen dieser Ме[Ше besteht im synchrony Sttruklurvergleich der sprach ichen Erschei gen in verschiedeneü Sprachen, unabhängig von den genealogischen Be/iebungen und der Zugehörigkeit dieser Sprachen zu einer Sprach- fam lie oder zu mehreren Sprachfamilien. Die brgebnisse solder nnlprsuchuneen sind für den Sprachunterricht, besonders für die Me- thodik des Fremdsprachenunterrichts und die Sprachtypologie, von groBer Bedeutung.
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