Lenke Schulze, University of Basel, Switzerland
Die Stellung der Tiere im Recht vor dem Hintergrund religiöser Überzeugungen. Das Alte Testament im Vergleich zum Pali-Kanon
Religion und Spiritualität haben – weil sie gesellschaftliche Ansichten widerspiegeln – immensen Einfluss auf das Recht. In anderen Worten: Religiöse oder spirituelle Regeln werden, je nachdem wie viele oder welche Menschen ihnen folgen, zu Recht und Gesetz.
So lässt sich die geltende schweizerische Rechtslage in Bezug auf Tiere in ihren Maximen verblüffend direkt aus Textstellen des Alten Testaments ableiten1. Diese Äquivalenzen existieren zwar nicht im Detail, wohl jedoch in ihren Grundsatzmaximen: Menschen dürfen Tiere für sich nutzen und töten, soweit sie die verschiedenen Arten erhalten und gewisse spezielle Bedürfnisse der Tiere respektieren. So schreibt Buch Genesis, Kapitel 9, 2-3 beispielhaft: Furcht und Schrecken vor euch sei über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel, über alles, was auf dem Erdboden kriecht, und über alle Fische im Meer; in eure Hände seien sie gegeben. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich's euch alles gegeben2.
Allerdings befindet sich das Verhältnis zur ethisch „richtigen“ Mensch-Tier-Beziehung aktuell in einem gesellschaftlichen Wandel. Die relativ junge, starke Verbreitung der Idee des Tierschutzes ist auch auf religiöse oder spirituelle Ansichten zurückzuführen und steht in massivem Konflikt mit der konventionellen Sicht auf das Mensch-Tier-Verhältnis, wie sie im aktuellen Recht und auch im Alten Testament festgeschrieben ist. Ich möchte den Leser als Einleitung zu diesem Konflikt einladen, zwei Internetseiten anzusehen, die sich leicht mit den Suchbegriffen „Mensch“, „Tier“ und „Spiritualität“ finden lassen.
1. www.wo-ist-gott.info/sites/beweise-fuer-gott/schoepfung/mensch-und-tiere.htm
2. http://der-spirituelle-veganer.npage.de/
Um das Spannungsverhältnis religiöser und spiritueller Überzeugungen in einen rechtlichen Kontext setzen zu können, werde ich in meinem Vortrag zunächst das schweizerische Recht in Bezug auf Tiere vorstellen und einige Vorschriften erläutern. Diese Übersicht richtet sich an Nicht-Juristen. Weiterführend möchte ich den Hintergrund dieser Rechtslage in Bezug auf Spiritualität und Religion im Ansatz beleuchten. Dazu werde ich einige Textstellen des Alten Testaments vorstellen und in einen Vergleich zu Textstellen des Pali-Kanons des Buddhismus3 setzen. Schliesslich werde ich mich grundsätzlich zur Problematik der Verrechtlichung von Religion äussern und für ein besonderes Bewusstsein für religiöse und spirituelle Überzeugungen in den Human-Animal-Studies aussprechen.
1 Vgl. Buch Mose Kapitel 1, 15; 1, 27-28; 1, 29-31; 6, 5-21; 9, 2-3.
2 http://bibel.pinwand.ch/1_Mose_9.aspx.
3 Bspw. Anguttara Nikaya, 2. Kapitel, A.VI. 18.
Lenke Schulze, ref. iur., Doktoratsstudentin der Juristischen Fakultät der Universität Basel
Jayandra Soni, University of Marburg, Germany, and University of Innsbruck, Austria
The Animal in Indian Thought
On the one hand, the status of the animal is elevated to the level of the gods with whom they are associated, and on the other, animals were and are slaughtered not only ritually but also for daily food. In this context key terms like the animal and religion, the animal and ecology, the awe, the neglect, the care, the exploitation of the animal, and the tension between violence and the principle of non-violence with regard to living beings will be briefly touched upon.
Jayandra Soni is an Austrian citizen, of Indian origin, born and brought up in South Africa where he did his BA. He did his MA and and one PhD from the Banaras Hindu University in Varanasi, India (1978: Title of the dissertation: The Human Predicament. A Critique of Some Philosophical Perspectives). He was awarded a second PhD from the McMaster University in Hamilton, Ontario, Canada where he studied from 1982–1987. Der Title of this dissertation is: Toward an Understanding of Man in Shaiva Siddhaanta: A Study in Philosophical Anthropology. From 1991 till 2012 he was a full-time teacher in the Department of Indology and Tibetology, Phillips-Universität, Marburg an der Lahn, Germany, where he taught Indian Philosophy and Indian languages (Sanskrit, Hindi and his mother tongue Gujarati). Since his retirement in 2012 he returned to Innsbruck and since the winter semester 2012–13 he has been a part-time lecturer at the Institute for Philosophy, University of Innsbruck. His main area is Indian Philosophy and Indian Religions in which he has published books and articles. His publications can be seen here: http://www.staff.uni-marburg.de/~soni/.
Gary Steiner, Bucknell University, USA
Der Veganismus: Nicht bloß eine Entscheidung für einen Lebensstil
Für die meisten Menschen steht es außer Frage, dass der Mensch das Recht hat, Tiere als bloße Mittel zum Zweck zu benutzen und es gibt in der Tat in Verbindung mit der Tiernutzung keine Frage des Rechts, weil es gar keine Rechtsbeziehung zwischen Mensch und Tier gibt. So glaubt man, daß das Töten von Tieren, Tierversuche, Tiernutzung zur Unterhaltung (z.B. in Zirkussen, Filmen usw.), das Tragen von Leder, Wolle oder Seide und vergleichbare Nutzungen der Tiere keine moralischen Fragen aufwerfen, und zwar deswegen, weil Tiere keinen inhärenten Wert besitzen und keine Rechtsträger sind, sondern bloße "Sachen" (Kant) mit bloß instrumentalem Wert. Obwohl Tiere, genau wie wir Menschen, bewußtseinsfähige und sterbliche Lebewesen sind, bestehen wir Menschen darauf, daß wir von den Tieren wesentlich verschieden sind und sie im Grunde wie Steine oder Bäume behandeln dürfen. Wie sind wir zu dieser allgemein akzeptierten Sicht gekommen? Woher haben wir den Eindruck bekommen, daß z.B. das Töten von 53 Milliarden Landtieren jedes Jahr weltweit (nach der Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO) moralisch völlig unproblematisch ist? Die Wurzeln und die Logik dieses Vorurteils sind in der Philosophie der Antike und besonders im Denken des Aristoteles und der Stoiker zu finden, die behaupten, Tiere seien den Menschen insofern kosmisch untergeordnet, als jene zum Logos (d.h. zur Sprache und Vernunft) kategorisch unfähig seien. Aufgrund dieses angeblichen Mangels schließen Aristoteles und die Stoiker die Tiere aus der Rechtssphäre kategorisch aus. Das bringt mit sich die Folge, daß keine Behandlung der Tiere vom Menschen als Unrecht gelten kann. Nach dieser Logik sind unsere Pflichten gegenüber Tieren höchstens „indirekt,“ was bedeutet, wir sollten Tiere nicht mißbrauchen, doch nicht, weil Tiere das Recht hätten, nicht mißbraucht zu werden, sondern einzig deswegen, weil der Mißbrauch der Tiere einen vergleichbaren Mißbrauch von Menschen nach sich ziehen könnte. Der strenge ethische Veganismus geht davon aus, daß die traditionelle Logik der Mensch-Tier-Beziehung grundsätzlich anthropozentrisch ist und daß diese Logik darauf zielt, die grenzenlose Ausbeutung der Tiere durch den Menschen rational zu erklären. Viele Tiere verstehen Mittel-Zweck-Beziehungen und sind lernfähig und kommunikationsbegabt, was bedeutet, daß nicht nur Menschen sondern auch Tiere eine bewußte und sinnvolle Beziehung zum Leben und zur Welt haben. Genau wie Menschen haben Tiere inhärenten Wert, und das heißt, daß Tiere unsere moralische Achtung verdienen. Die allerbeste Art und Weise, Tieren Achtung zu zeigen, ist, uns ihnen gegenüber friedlich und behutsam zu verhalten, genau wie wir versuchen, uns unseren Mitmenschen gegenüber zu verhalten. Die Anerkennung unserer mit Tieren geteilten Verletzlichkeit und Sterblichkeit begründet das, was ich den Veganen Imperativ nenne. Gemäß diesem Imperativ müssen wir nichtmenschlichen Tieren genausoviel moralischen Wert zugestehen, wie wir uns selbst und unseren Mitmenschen zugestehen. Damit sollte es unbestreitbar werden, daß Gewohnheiten wie das Essen und Tragen von Tieren und Tierprodukten moralisch keinesfalls zu verteidigen sind und daß der Veganismus keine Entscheidung für einen Lebensstil, sondern eine strenge moralische Verpflichtung ist.
Gary Steiner ist John Howard Harris Professor of Philosophy an der Bucknell Universität in Lewisburg, PA, USA, wo er seit 1987 unterrichtet. Er hat zahlreiche Aufsätze und Bücher veröffentlicht, einschließlich Anthropocentrism and Its Discontents: The Moral Status of Animals in the History of Western Philosophy (University of Pittsburgh Press, 2005/2010); Animals and the Moral Community: Mental Life, Moral Status, and Kinship (Columbia University Press, 2008); und Animals and the Limits of Postmodernism (Columbia University Press, 2013). 2010 hat er den Aufsatz "Tierrecht und die Grenzen des Postmodernismus: Der Fall Derrida" bei ALTEXethik veröffentlicht. Seit 2008 hat er Vorträge in deutscher Sprache in Heidelberg, Berlin und Wien gehalten.
Franz Straubinger, University of Innsbruck, Austria
Zu den Tieren selbst!
Als interdisziplinäre Forschungsrichtung versprechen die Human-Animal-Studies eine fruchtbare Verknüpfung und gegenseitige Ergänzung der Einzelwissenschaften. Neben einem konkret inhaltlichen Beitrag kann die Philosophie sich in meinen Augen hier gerade als Grundlagenwissenschaft dienlich machen. Zwischen widerstreitenden Geltungsansprüchen zu moderieren und einen gemeinsamen Grund aufzuweisen, soll eine systematische Klarheit schaffen, die das Zusammenspiel der Forschungsgebiete nicht schwächt, sondern umso fruchtbarer macht. Davon ausgehend, dass unsere Wahrnehmung gewöhnlich innerhalb einer im Vorhinein verstandenen Gliederung der Welt verläuft, wird in der Frage nach der Mensch-Tier- Beziehung diese Ordnung selbst zum Thema. Wie wir Tiere wahrnehmen, hängt zunächst davon ab, wie wir über sie denken. Zwei gegensätzliche Wirklichkeitsbegriffe bilden dabei einen Horizont, der „die Tiere selbst“ gar nicht erst zur Sprache kommen lässt. Unter den Namen Naturalismus und Rationalismus will ich diese zunächst destruieren, um stattdessen für eine irreduzible, offene Phänomenalität zu plädieren. Freilich können deren Probleme nur pauschalisierend umrissen werden, nichtsdestotrotz sollte dadurch die Systematik der Frage nach der Stellung „des Tieres“ deutlicher werden. Der Naturalismus, der besagt: „wirklich ist, was messbar ist“ reduziert die Dimension der erfahrenen Wirklichkeit zum Epiphänomen objektivierbarer Prozesse. Als bloße Nebenwirkung der „eigentlich wirklichen“ Welt disqualifiziert er die Gültigkeit jeder Moralität, das „Gute“ ethischer Normen ebenso wie die Negativität des Leidens. Zwar mag ein naturalistisches Wirklichkeitsbild empirische Beweise gegen die Hybris eines reinen Anthropozentrismus finden, sie begibt sich aber des Raumes, innerhalb dessen sie argumentative Kraft entfalten: Werden doch Argumente nicht durch Ursachen, sondern durch Gründe stichhaltig – diese reduziert der Naturalismus aber gerade auf Ursachen. Dass das Epiphänomen eigentlich das Primäre ist und die Qualität unserer Erfahrung nicht beliebig reduziert werden kann, dafür plädiert auch Hans Jonas in Das Prinzip Leben, das sich um eine philosophische Grundlegung der Biologie bemüht. Auch Heidegger weist in Sein und Zeit einen vorschnellen Geltungsanspruch der Einzelwissenschaften zurück: Was „Wirklichkeit“ bedeutet, bleibt eine Frage der Philosophie; auf Grundlage der je phänomenalen Gegebenheit versucht sie deren Natur zu bestimmen. Die erkenntnistheoretische Position des Rationalismus, die Mensch-Tier-Beziehungen grundsätzlich ausschließt, ist hingegen argumentativ nahezu unangreifbar. Im Gegensatz zum materialistischen Naturalismus nämlich verabsolutiert sie das von ihm reduzierte Bewusstsein und behauptet die Unmöglichkeit, Nichtidentisches wahrzunehmen. Alles Wahrgenommene begegnet nämlich durch unseren Erkenntnisapparat gefiltert – etwas ihm Fremdes können wir gar nicht wahrnehmen – sodass wir in Tieren letztlich nur unsere eigene Projektion erkennen. Ungeachtet der Komplexität dieser Strömung kann ihre argumentative Grundrichtung vielleicht so skizziert werden. Dabei ist jedoch bemerkenswert, dass die Vernunft den Menschen (und hier historisch sehr variabel) zugeschrieben wird und nicht dem erkenntniskritischen Individuum – eine willkürliche Grenzziehung, die zeigt, dass ein radikaler Rationalismus im Solipsismus enden, ein gemäßigter aber sich an die Phänomene halten muss. Beide Positionen aber marginalisieren den philosophischen Status der Tiere: der Naturalismus öffnet nicht nur die Mensch-Tier-Grenze, er ebnet sie ein. Und nicht nur die zwischen Mensch und Tier, sondern die zwischen Leben und Unbelebtem überhaupt – als messbarer Prozess ist alle Natur einerlei. Der Rationalismus hingegen lässt es in anderer Richtung gar nicht erst zu einer Grenze kommen, weil das Tier als Anderes, gleichsam als Ding an sich in die Transzendenz entäußert wird. Gehen wir hingegen von den nicht reduzierten Phänomenen aus, dann stellen wir fest, dass sie sich in einem dynamischen Verhältnis von Selbstständigkeit und sozialer Konstruktion entfalten. Eine solche offene Phänomenalität, wie Jacques Rancière sie untersucht, lässt die Frage nach der Mensch-Tier-Beziehung neu stellen: Wenn zwar die Sinnlichkeit durch unsere verstandene Ordnung aufgeteilt ist, gleichzeitig aber immer einen Überschuß birgt, der diese Ordnung aufheben kann, dann gilt es, eben diesem Überschuß nachzuspüren. In einer Welt, in der Tiere „weltarm“, wenn nicht weltlos sind, könnte die Welt, Vernunft oder Sprache der Tiere just dieser Rest sein, den es gegen den Strich des Selbstverständlichen fruchtbar zu machen gilt. Tiere anders zu denken könnte so der philosophische Dienst sein, sie auch anders sehen zu können.
Franz Straubinger, aufgewachsen in Deutschland, in der Nähe von München, bin ich für mein Bachelorstudium der Philosophie (Hauptfach) und der Neueren Deutschen Literatur (Nebenfach) nach Freiburg gegangen. Dort habe ich neben der Arbeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Arbeitsbereich von Prof. Lore Hühn auch ein Tutorat für einen zweisemestrigen Interpretationskurs zu Heideggers Sein und Zeit übernommen. Nach Abschluss meiner Bachelorarbeit während einem Semester in Paris bin ich nach Innsbruck gekommen, wo ich zunächst die Ausbildungen zum Bergwanderführer und Naturführer absolviert habe, um dann im Wintersemester 12/13 das Masterstudium Philosophie zu beginnen. Ausschlaggebend für die Wahl der Universität Innsbruck war die rar gewordene Lehre in Phänomenologie ebenso wie die Nähe zur Natur, mit der ich Philosophie schon seit langem zu verbinden suche. Die Human-Animal-Studies liegen daher sehr nah bei meinem philosophischen Hauptinteresse.
Eberhart Theuer, University of Vienna, Austria
Menschenrechtliche und menschenaffenrechtliche Begründungsdiskurse. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Begründungsdiskurse von Menschenrechten haben mittlerweile eine lange Tradition. Die Gültigkeit von Menschenrechten ist jedenfalls in westlichen Demokratien so unbestritten, dass sich die Debatten darüber weniger um das Warum sondern mehr um das Wieweit drehen, respektive sich im weitgehend akademischen Bereich bewegen. Anders sieht es mit der Frage nach Rechten für andere Menschenaffen aus. Hier wurden entsprechende Forderungen erst in jüngerer Zeit erhoben und die öffentlichen wie akademischen Diskurse darum gehen viel mehr ins Grundsätzliche. Das Great Ape Project gilt gemeinhin als so etwas wie die Geburtsstunde der öffentlich erhobenen, politischen Forderung von subjektiven, durchsetzbaren Rechten für Menschenaffen. Zur Begründung wird keine spezifische Ethik herangezogen; vielmehr werden die Gemeinsamkeiten zwischen Homo sapiens und anderen Menschenaffen hervorgehoben, die es rechtfertigen würden und notwendig erscheinen ließen, auch letztere in den Genuss subjektiver, durchsetzbarer Rechte kommen zu lassen. Auch die Bemühungen, auf Basis der geltenden Gesetzeslage für einen Personenstatus von Menschenaffen zu argumentieren, etwa mittels Analogieschlusses, nehmen – notwendigerweise – den Homo sapiens als paradigmatischen Träger von Rechten zum Ausgangspunkt und argumentieren mit Ähnlichkeiten. Der Fall des in Österreich lebenden Schimpansen Matthias „Hiasl“ Pan ist dafür ein gutes Beispiel.
Auf der anderen Seite des Spektrums stehen Tierrechtsphilosophien, die Menschenaffen wohl zwangsläufig miteinschließen, ihnen aber keinerlei Sonderstellung im Vergleich zu anderen Tieren zubilligen. Jene Tierethiken, für die kognitive Fähigkeiten über einem bestimmten Niveau einen moralischen Unterschied ausmachen, befinden sich einen Schritt näher an menschenaffenrechtlichen Begründungsdiskursen. Das Missing Link zwischen Tierrechts- und Menschenrechtsphilosophie, zwischen Tier- und Menschenethik haben jedoch auch sie noch nicht gefunden.
Der Vortrag will dem Missing Link ein Stück näher kommen, in dem er aufzeigt, wo es Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der argumentativen Begründung von Menschen- respektive Menschenaffenrechten gibt und wo sich Begründungsmuster von Menschenrechten für das Nachdenken über Menschenaffenrechte nutzbar machen lassen. Kursorisch soll auch auf die Unterschiede zu Begründungstopoi von Tierrechten schlechthin eingegangen werden, sowie auf den Speziesismusvorwurf, mit dem sich die Forderung nach Rechten für Menschenaffen bisweilen konfrontiert sieht. Auch die bislang wenig beachtete Frage zur Begründung von Rechten für die kleinen Menschenaffen, die Gibbons, soll behandelt werden.
Eberhart Theuer, University of Vienna, Austria
Die Erforschung rechtlicher und sozialer Rahmenbedingung von Tierschutz- und Tierrechtsaktivismus als Teilbereich von Human-Animal-Studies – dargestellt an konkreten Beispielen.
Dieser Vortrag plädiert dafür, die Untersuchung rechtlicher und sozialer Rahmenbedingungen von Tierrechts- bzw. Tierschutzaktivismus, wie die Erforschung von Rahmenbedingungen von Tierschutz- bzw. Tierrechtsaktivismus schlechthin (also beispielsweise auch politische und ökonomische) als Forschungsbereiche der Human-Animal-Studies im weiteren Sinne zu verstehen. An Beispielen aus der Forschung wird demonstriert, dass sich dieses Verständnis von Human-Animal-Studies im weiteren Sinne offenbar allmählich durchzusetzen beginnt. Etwa lassen sich im vom Chimaira – Arbeitskreis für Human-Animal Studies herauggegebenen Sammelband Human-Animal Studies (2011) immerhin drei Beiträge identifizieren, die dem hier vertretenen weiten Verständnis von Human-Animal-Studies zuzurechnen sind.
Die Untersuchung von rechtlichen Regelungen, welche direkt oder indirekt den Rahmen für tierschutz- bzw. tierrechtsaktivistisches Handeln setzen, ist – anders etwa als Fragestellungen zum rechtlichen Status von Tieren – keine unmittelbare Analyse der Stellung des Tieres bzw. des Verhältnisses Mensch – andere Tiere. Sie ist aber wichtig, um den Stellenwert und die Möglichkeiten, konkret die Entfaltungsmöglichkeiten der Tierrechts- und Tierschutzbewegung abzuschätzen und damit jener Bewegung, die unmittelbar auf eine mehr oder weniger fundamentale Änderung des Mensch – Tierverhältnisses in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht abzielt.
Verdeutlicht werden soll dies u.a an einigen konkreten Fällen. Dem österreichischen Tierschützerprozess, der voraussichtlich in den nächsten Monaten im zweiten Rechtsgang neu aufgelegt wird (das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat jenen Teil der Freisprüche, der von der Staatsanwaltschaft bekämpft worden war aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen), soll dabei besondere Beachtung gewidmet werden.
Die Europäische Menschenrechtskonvention und nationalen Grundrechte gewähren ein Recht auf tierrechtliches und tierschützerisches Engagement, vor allem durch die Garantien von Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit und dem aus dem Recht auf Privatsphäre abgeleiteten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Verstärkt wird dies durch den Umstand, dass die EU sowie zahlreiche Europäische Rechtsordnungen Tierschutz als rechtlich bedeutsamen Wert etabliert haben, wie etwa in Art 13 Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV), Art 120 Schweizerische Bundesverfassung (BV) oder in dem neu geschaffenen § 3 B-VG Nachhaltigkeit, Tierschutz, Umweltschutz (noch nicht kundgemacht; Nationalratsbeschluss vom 13.6.2013, Bundesratsbeschluss vom 26.6.2013) deutlich zum Ausdruck kommt.
Tendenziell eingeschränkt wird das Recht auf tierrechtliches und tierschützerisches Engagement durch verwaltungsrechtliche Regelungen (insbesondere das Versammlungsgesetz), Privatrechte anderer (etwa wenn es um die Frage geht, wann ein Protest in einem Kaufhaus eine Besitzstörung darstellt), durch Verwaltungsstrafrecht (beispielsweise Ordnungsstörung, Anstandsverletzung) bzw. gerichtliches Strafrecht.
Idealerweise sollte hier eine Balance zwischen Rechten Dritter bzw. berücksichtigungswürdigen öffentlichen Interessen einerseits und den Interessen von für Tierschutz bzw. Tierrechte Engagierten andererseits hergestellt werden. Diese Balance ist zumindest in zwei Bereichen gefährdet:
Einerseits besteht im Bereich des Privatrechts die Gefahr, dass durch Klagen wegen Geschäfts- oder Kreditschädigung legitime Aufklärungsarbeit von Tierrechtlerinnen und Tierrechtlern bzw. Tierschützerinnen und Tierschützern be- wenn nicht sogar verhindert wird. Klagen, mit hohen Streitwerten, die selbst bei geringen Erfolgschancen schon deshalb geführt werden, den Gegner durch das Prozesskostenrisiko einzuschüchtern sind ein Phänomen, das im englischsprachigen Raum unter dem Akronym SLAPP (Strategic Lawsuit against Public Participation) bekannt ist.
Im Bereich des Strafrecht ist indiziell festzustellen – eingehende empirische Untersuchungen fehlen hier noch –, dass vor allem Organisationsstraftatbestände dazu verwendet werden, Engagement bzw. Aktivitäten für Tiere zu kriminalisieren.
Die unter den Bezeichnungen Tierschutzprozess, Tierschützerprozess oder Tierschutzcausa bekannt gewordene Verfolgung von Tierschützern in Österreich u.a. nach § 278a StGB (Bildung einer kriminellen Organisation) ist dafür paradigmatisch.
Doch auch nach der am 5. Juli 2013 im Nationalrat beschlossenen geringfügigen Novellierung des § 278a ist eine Instrumentalisierung desselben gegen Tierschutz- bzw. Tierrechtsgruppen nicht ausgeschlossen.
Außerhalb des Organisationsstrafrechts ist es der Nötigungsstatbestand, von dem ein erhöhtes Instrumentalisierungs- bzw. Repressionspotential ausgeht. Die Frage wird im zweiten Rechtsgang der Tierrechtscausa zentral werden.
Die expliziteste Form der Kriminalisierung von Engagement für Tiere ist bislang durch die sogenannten AG-Gag Laws (Animal Group Gag Laws) in den USA erfolgt. Hier ist unter anderem der bundesweite Animal Enterprise Terrorism Act, der North Dakota farm animal and field crop and research facilities protection act und der Montana Farm Animal and Research Facilities Protection Act zu nennen.
Die gegenständliche Präsentation wird auf die beschriebenen Gefährdungstendenzen beispielhaft eingehen und Lösungsmöglichkeiten andiskutieren.
Eberhart Theuer, Studium der Rechtswissenschaften und der Philosophie; Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für internationales und ausländisches Strafrecht. Studien- und Forschungsaufenthalte an den Universitäten Harvard und Berkeley; zahlreiche Vorträge im In- und Ausland, unter anderem an den Universitäten Harvard und Kent; Schwerpunkte: rechtliche Rahmenbedingungen von Tierschutzaktivismus (einschließlich der Problematik der Kriminalisierung der Tierschutzbewegung insbesondere durch Organisationsstrafrecht); Tierschutzrecht; Rechtsstatus von Menschenaffen; Menschenrechte; Strafrecht; Rechtsethik; Zivilgesellschaft.
Wilhelm Trampe, University of Duisburg, Germany
Die ökologische Relevanz von Sprache im Umgang mit Tieren
Aus ökolinguistischer Perspektive werden anthropogene ökologische Systeme primär als Kommunikationssysteme betrachtet. Zentrales Merkmal dieser Kommunikationsprozesse ist das Prinzip der Wechselseitigkeit: Mensch und Mitwelt sind wechselseitig aufeinander bezogen.
Wird die ökologische Krise auch als Kommunikationskrise im Umgang mit der natürlichen Mitwelt aufgefasst – und davon geht die ökologische Linguistik aus – , so kommt dem Sprachgebrauch eine wesentliche Rolle zu. Dieser ist Ausdruck unserer sprachlichen Lebensform (Wittgenstein). Nach Auffassung der ökologischen Linguistik liegt ein wesentlicher Grund dafür, wieso die sog. ‚ökologische Krise‘ nicht stärker in das Bewusstsein der Allgemeinheit dringt, dass sprachliche Perspektivierungen von Natur vorliegen, die von einem öko-/biozentrischen Standpunkt aus als naturfeindlich bezeichnet werden können.
Diesen Tendenzen wird in diesem Vortrag nachgegangen. Es wird eine Typisierung der Formen der Denaturierung des Sprachgebrauchs im Umgang mit Tieren vorgenommen und deren ökologische Relevanz thematisiert.
Wilhelm Trampe, Schwerpunkte: ökologische Semiotik, Informations-, Kommunikations- und Sprachökologie.
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