7.5 Reaktionen auf die Innsbrucker Hochzeit
Nach Abschluß aller Verträge im Zusammenhang mit der Heirat fand Erzherzog Sig-
mund an jenem 4. Januar 1487 auch noch die Zeit, dem Kaiser und dessen Sohn die
360
Vgl. StadtA Nürnberg, Rep. 54 a, Reichstadt Nürnberg, Stadtrechnungen Nr. 181, fol. 21r.: Item 1
c
XXII guldin landswerung 1 lb. novi II sol. II heller costet ein silbrin vergulte schewrn, die wag 9
marck 4 lot 3 qu, die marck für 13 guldin landswerung gerechent facit 120 guldin landswerung XVII
sol. II heller in gold und II lb. novi IIII sol. II heller fur ein futeral und sacklein dartzu und VI sol. des
goldschmids gesellen bibales, tut alles die obgenannte summ. Mit welcher schewren u.a.g.h.d.ro.k.
tochter, als die unserm g.h. herczog Albrechten zu bairn etc. vermehelt ward und beygeschlafen was,
von gemeiner statt wegen durch her Niclasen Groland zu München vererert ward.
361
Vgl. StadtA Regensburg, Cameralia 19, fol. 223v (1487): Es rayt Hanns Trainer, die zeit statcamrer,
unnd Wilhalm Frangk gen München an freitag nach sand Paulstag bekerung zw unser genedigen
frawen mit dem klainat, so man iren genaden von gemainer stat wegen schangkte unnd waren aussen
VIIII tag, vertzerten VI lb. LXVIII d. Rat. III haller.
362
Vgl. Adalbert E
RLER
: Erste Bitten, in: HRW, Bd. 1. Berlin 1971, Sp. 1008f. Zum Themenkomplex der
„Ersten Bitten“ vgl. auch Paul-Joachim H
EINIG
: Kaiser Friedrichs III. Preces-Register der Jahre 1473-
1475, in: Klaus Herbers/Hans Henning Kortüm/Carlo Servatius (Hg.): Ex Ipsis Rerum Documentis.
Beiträge zur Mediävistik. Festschrift für Harald Zimmermann zum 65. Geburtstag. Sigmaringen 1991.
363
Vgl. BayHStA, KÄÄ 973, fol. 44 (Schreiben des Lienhart Oblocher an Herzog Albrecht vom 24.
September 1491). Auch Kunigundes angeheiratete Verwandte Katharina von Sachsen machte nach
ihrer Vermählung von diesem Recht Gebrach, vgl. C
ARAMELLE
, Katharina, S. 150.
364
Vgl. BayHStA, KÄÄ 973, fol. 45 (Schreiben des Sigmund Prüschenk an Herzog Albrecht vom 24.
September 1491).
80
Vermählung Kunigundes anzuzeigen.
365
Daß Friedrich zu diesem Zeitpunkt über die
Ehe, von deren Vollzug er noch gar nicht informiert sein konnte, nicht begeistert war, ist
einem Schreiben Friedrichs an seinen Sohn vom 5. Januar zu entnehmen, in dem er sich
beklagt, durch den Verzug Maximilians sei er in den Schimpf mit dem heyrat unsrer
tochter kumen.
366
Die Vorwürfe des Kaisers an seinen Sohn mußten aber weitgehend
ungehört verfallen, da Maximilian weiterhin nichts gegen die Verbindung seiner Schwe-
ster mit dem Wittelsbacher einzuwenden hatte, wie sein Schreiben vom 14. Januar an
Erzherzog Sigmund beweist.
367
Einen Einblick in die Stimmung des Kaisers nach der unerwünschten Eheschließung
seiner Tochter vermittelt auch Kunigundes Biograph: Er schreibt, der Kaiser habe,
nachdem ihm die Nachricht angezeigt worden war, grossen vnlust darüber empfunden
und nicht gewußt, ob er pass über den frevel des newen hanndels oder der
regennspurgischen prackticken zurnen solle. Aber auch wenn er den Stolz Herzog
Albrechts nicht länger ertragen könne, sei er zu dieser Zeit nicht in der Lage gewesen,
etwas gegen den vnziemlich frevel zu unternehmen.
368
Das Mißfallen Friedrichs über das lange Ausbleiben seines Sohnes, der sich noch immer
in Brüssel aufhielt, und über die eigenmächtige Heirat der Tochter blieb am kaiserlichen
Hof in Speyer niemandem verborgen. Der brandenburgische Botschafter Dr. Pfotel
brachte die herzlich gross bekumbernus des Kaisers in einen Zusammenhang mit den
Gerüchten, die in Speyer kursierten, wonach es Albrecht gewagt habe, mit frawen und
wagen gein Inspruck zu ziehen, um dort den Beischlaf zu vollziehen. Diese Nachricht,
die der Kaiser soeben von seinem Vetter Sigmund erhalten habe, habe unter den Räten
große Diskussionen ausgelöst, da manche der Meinung seien, dies sei mit willen und
wissen des Kaisers geschehen, andere dagegen behaupteten, daß alles on sein wissen
und willen geschehen sei, was Friedrich im Rat bestätigte.
369
Einige Tage später ver-
größerte sich der Unmut des Kaisers nochmals, als Gesandte des Erzherzogs Sigmund,
365
Schreiben Erzherzog Sigmunds aus Hall an Kaiser Friedrich. Vgl. C
HMEL
, Regesta, Nr. 7897 und
L
ICHNOWSKY
, Haus Habsburg, Bd. 8, Regest Nr. 912.
366
K
RAUS
, Briefwechsel, S. 58.
367
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 281 ½, fol. 41. Maximilian erklärt sich hier ausdrücklich mit der Heirat
seiner Schwester einverstanden, wie aus verschiedenen Äußerungen des römischen Königs hervorgeht,
von denen hier eine besipielhaft zitert werden soll.: So nun der hyrat, also durch dein lieb beschlossen
und verkundet ist, das haben wir gern vernomen [...]. Zur Zustimmung Maximilians vgl. auch
U
LMANN
, Maximilian, Bd. 1, S. 51.
368
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 83f.
369
Vgl. Julius von M
INUTOLI
(Hg.): Das Kaiserliche Buch des Markgrafen Albrecht Achilles.
Kurfürstliche Periode von 1470-1486. Berlin 1850, hier S. 253f.: Bericht des Brandenburgischen
Gesandten Dr. Pfotel an beide Markgrafen vom 14. Januar 1487.
81
Herzog Albrechts Hofmeister Jörg von Eisenhofen,
370
Herzog Georg von Bayern-
Landshut und andere nach Speyer kamen, um den Kaiser über den Vollzug der Heirat zu
informieren. Zudem forderten sie die Herausgabe der c laynot, clayder und schmuck, den
die keyserin ir muter zu seiner mayestat gebracht und die Friedrich seiner Tochter als
Mitgift versprochen hatte. Der Kaiser verweigerte aber zumindest in den ersten Tagen
eine Antwort, der Schmuck Eleonores von Portugal blieb vorerst in seinen Händen.
371
Noch deutlicher zeigte sich die Verärgerung Friedrichs dadurch, daß er sich in der ersten
Audienz bei den Abgesandten weder über den Zustand seiner Tochter noch über das
Befinden seines Schwiegersohnes erkundigte; er teilte diesen nur mit, daß er nach-
denken wolle. In einer zweiten Audienz, bei der auch mehrere kaiserliche Räte anwe-
send waren, sagte Friedrich kaum mehr: Er werde sich mit König Maximilian wegen der
Heirat besprechen und dann Bescheid geben. Danach folgte eine, wie Riezler schreibt,
Abfertigung der Gesandten „ohne Dank und ungnädig“.
372
Ein wenig beruhigt wurden
Herzog Albrechts Gesandte allerdings von einigen Räten des Kaisers, die der soeben
erfolgten Heirat positiv gegenüberstanden, eine Meinung, die anscheinend auch von den
in Speyer anwesenden Kurfürsten geteilt wurde. So habe Veit von Wolkenstein in einem
Gespräch mit dem Hofmeister Eisenhofen die Meinung geäußert, daß die Heirat seiner
Ansicht nach ein Gewinn für beide Häuser, Österreich und Bayern, sei. Zudem gäbe es
vielleicht die Möglichkeit, daß Albrecht den Oberbefehl im Krieg gegen die Ungarn
übernehmen könnte, da Maximilian schließlich nicht an allen Fronten zugleich sein
könne.
373
König Maximilian, mit dem die bayerische Gesandtschaft gegen Ende des Monats in
Brügge zusammengetroffen war, äußerte sich ähnlich hoffnungsvoll. Er erklärte aufs
Neue, daß die Heirat sein Wohlwollen habe und daß nur deshalb um Aufschub gebeten
worden sei, weil er und der Kaiser gern selbst am Festakt teilgenommen hätten. Außer-
dem hoffe er zuversichtlich, den Kaiser bei ihrem Treffen auf dem Reichstag zu Nürn-
berg von seiner Meinung überzeugen zu können.
374
370
Jörg von Eisenhofen stammte aus der bayerischen Ministerialenfamilie Eisenhofer zu Pfaffenberg, die
seit 1374 den bayerischen Landständen angehörte, vgl. Heinz L
IEBERICH
: Die bayerischen Landstände
1313/40-1807. München 1990, hier S. 78 sowie Kurt M
ALISCH
: Eisenhofen, in: BBB, S. 171.
371
Vgl. M
INUTOLI
, Kaiserliches Buch, S. 263: Bericht des Dr. Pfotel vom 5. Februar 1487. Die
Gesandtschaft, welche die Herausgabe des Schmuckes erreichen sollte, war am 27. Januar ( Sambstag
vor purificationis) in Speyer eingetroffen und eine knappe Woche später, am 4. Februar, vom Kaiser
empfangen worden.
372
Vgl. R
IEZLER
, Vermählung, S. 392f.
373
Vgl. R
IEZLER
, Vermählung, S. 393.
374
Vgl. R
IEZLER
, Vermählung, S. 393.
82
Für die positive Haltung des Königs gegenüber der Eheschließung seiner Schwester
sprechen auch die Anweisungen an seinen Rat und Oberschenken Georg Rottaler, der
noch im Januar 1487 an die Höfe von München und Innsbruck gesandt wurde. In der
Instruktion, die Georg für den Besuch bei Herzog Albrecht erhalten hatte, meinte
Maximilian, daß er sölichen heirat zu volfürn und zu volbringen ganntz gut gevallen und
neygung gehabt, und noch hat,
was Albrecht aber ganz sicher vom Eichstätter Bischof
und dem Grafen von Sulz erfahren habe.
375
Zwar sei Maximilian, wie auch sein Vater,
nicht begeistert über Albrechts Vertrag, den dieser mit der Stadt Regensburg abge-
schlossen hatte, er hoffe aber, in den nächsten vierzehn Tagen nach Abfertigung des
Botschafters selbst zum Kaiser aufbrechen zu können, um mit diesem persönlich über
die Heiratsangelegenheit verhandeln und eine Einigung erreichen zu können.
376
Albrecht möge aber immer bedenken, daß Maximilian von Anfang an, seit er im Februar
1486 in Frankfurt durch den Eichstätter Bischof von Albrechts Ansinnen unterrichtet
worden war, und auch aufgrund ihrer alten Freundschaft diese Heirat unterstützt habe.
377
Maximilian sei, so heißt es weiter, über das Zustandekommen dieser Ehe sehr erfreut
und auch davon überzeugt, daß diese Verbindung zwischen den Häusern Österreich und
Bayern dem ganzen Reich nützen könne.
378
Er ließ daher durch Georg Rottaler irer
gnaden swager hertzog Albrechten und seiner swester vil glücks“ wünschen.
379
Zudem
könne diese Ehe dazu beitragen, die lang andauernden Streitigkeiten zwischen beiden
375
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol 10ff., hier fol. 10
r
. Außer den Punkten, die die Heirat Herzog
Albrechts mit Kunigunde berühren, wird in der Instruktion Maximilians dessen weiteres Vorgehen
gegen Frankreich angesprochen. Zudem werden Albrechts Räte zu einem Tag in Zürich eingeladen,
auf dem Widerstand und Verhalten gegen den König von Frankreich diskutiert werden sollte, was für
die Bedeutung Albrechts in den Plänen seines Schwagers spricht.
376
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 10
v
: Und die königlich wirde in ganntzer hoffnung und in
willen was, in den nechsten 14 tagen nach abscheid der bottschafft sich zu der kaiserlichen Majestät
zu erheben, und in aigner persone den heirat zuverhanndeln und zu enntlichem besluss zu bringen
[...].
377
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol 12
r
: Dann hertzog Albrecht mag solhs bedenncken: Hette die
königclich Maiestat solichen heirat nicht wöllen bewilligen, das sein gnad solichs heirats halben,
durch den von Eystet zu Frannckfurt, bey seiner lieb nicht hette lassen handeln. Wann sein königclich
Maiestat geneigt ist und will, hertzog Albrechten, ir beider allten gesellschafft und fruntschafft, so ir
gnad in verganngner zeyt zu einannder gehabt haben, und sein königliche Majestät noch hat, solichen
heyrat für alle anndere gern vergonnen [...].
378
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 11
r
: [...] seinen königlichen gnaden von ertzhertzog
Sigmunden ein brief überanntwurt, darinn die königliche wurde besluss und beyslaffens des heirats
auf den heiligen jartag nechstverganngen zwischen der königlichen wurde swester und hertzog
Albrechten vernommen hat, unnd die königclichen wurde des von ganntzem hertzen hoch erfrewet.
Und hat solichn heirat lanng zeit begert in unzweifenlicher hoffnung, der dem Heiligen Reiche, beiden
loblichen haisern, Österreich und Beirn, auch der ganntzen teuschen nacion zu wolfart und nutze
enntsten würde [...].
379
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 11
r
.
83
Häusern zu beenden, zumal sich Albrecht um eine bessere Beziehung zwischen Maxi-
milian und seinem Vetter Georg von Landshut bemühen könne.
380
Ähnliche Gedanken Maximilians finden sich in einer weiteren Instruktion für Georg
Rottaler vom 29. Mai 1487.
381
Er plane, so ließ der König seinem Schwager berichten,
demnächst mit dem Kaiser in Nürnberg zusammenzutreffen und bei dieser Gelegenheit
mit dem Vater über den Vollzug der in der Heiratsabrede festgelegten Punkte zu spre-
chen, um den Herzog Albrechts Botschafter bei ihrem letzten Besuch gebeten hatten.
382
Albrecht und seine Gemahlin würden selbstverständlich alles, was ihnen aufgrund der
Heiratsabrede zustünde erhalten, also auch die Herrschaft Abensberg.
383
Allerdings
sollten die Verschreibungen, die Albrecht und auch Kunigunde von Erzherzog Sigmund
erhalten hatten, rückgängig gemacht werden und seine Schwester den bisher verwei-
gerten Erbverzicht leisten.
384
Abschließend versicherte Maximilian seinem Schwager,
dem er von jugennt auf [...] in frewntschafft und gesellschafft bekannt ist, und ime seiner
gnaden einige swester für alle annder vergunnet,
385
daß er, da er ja am Zustande-
kommen der Verbindung nicht ganz unschuldig sei, sich bemühen werde, die Zwietracht
zwischen beiden Familien zu beenden.
386
Außerdem ließ Maximilian seinem Schwager
nochmals mitteilen, daß er versuchen werde, den Vater zum Vollzug der in der Heirats-
abrede angesprochenen Punkte zu bewegen.
387
380
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 11
v
.
381
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 19f sowie S
TAUBER
, Herzog Georg, S. 320.
382
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 19
r
: Darauf sein königliche gnade,seiner lieb potschafft
gnadiclich und fruntlich abgeferttigt; und die zeit in willen was, sich von stund zu der kaiserlichen
Maiestat gen Nuremberg zufuegen, mit seinen kaiserlichen gnaden solichen heyrat, nach lautt des
heyratszetls, zuvolziehen, zuhanndlen, und sovil sein kaiserliche gnaden in crafft des heyratzetls thun
sollte, hertzog Albrechten des gnadiclich und fruntlich zuvergnugen.
383
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 19
v
: Item antreffend die belehnung mit Abensperg, auch die
verttigung meiner gnädigen frauen, seiner gnaden gemahel, nach innhallt des heyratzedls, wie die
königliche würde, durch irer gnaden eigen person oder briflich potschafft, an der kaiserlichen
Maiestat, solichen heyrat zubewilligen, allen vleis ankern. Und ob sein kaiserlich gnad den nit
zulassen, so wollt die königlich wurde deßhalb mit herzog Albrecht in kainen unwillen kumen, sunder
ine, auf seiner lieb anzeigung und rate, sovil der königlichen wurde muglich wär, des heyrats
versichern, und das herzog Albrecht, das so ime in craft des heyratzedls zustet, auch volziehe.
384
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 19
v
: Und auch solich verschreibung, er von ertzhertzog
Sigmund über die vier slösser für 80.000 guldin innhat, und dartzu den verzighten, das sich der
königlichen Majestät swester nach gewonhait des haws Österreich verzihe, widerumb herausgebe.
385
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 20
r
.
386
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 20
r
: [...] auch solichen heyrat selbs angezaigt hat. Begert sein
königliche gnad, daß sein lieb solichen vleis ankere und furnemden welle, das ertzhertzog Sigmund,
sein lieb und herzog Georg, mit der kaiserlichen Majestät in einen fruntlichen verstanndt kumen,
damit beide hewser, Österreich und Beyrn, nu und in künftig Zeit in ainem genntlichen verpundt
bleiben und einander hilflichen und besrenndig sein mögen.
387
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 212, fol. 20
v
: Item hertzog Albrechten furtter zusagen, ob unnser
allergnadigister herr, der kaiser, ainich stucke des heyratzedls, nicht zulassen oder volziehen wollt,
will die königliche wurde, umb die fruntschafft zu unnderhalten, hertzog Albrechten des, wie der
heyratzedl innhalltet, vermugen und zufriden stellen.
84
König Maximilian befürwortete also vorläufig noch die Heirat seiner Schwester mit
Albrecht, weil er die Bedeutung seines Schwagers für die zukünftige Politik des Hauses
Österreich erkannt hatte. Im Gegensatz zum Kaiser, der seinem Schwiegersohn völlig
ablehnend gegenüberstand, hatte Maximilian nichts gegen eine Verbindung der Häuser
Bayern und Österreich einzuwenden, wenn er auch einige Aktionen Albrechts, so bei-
spielsweise die Annexion der Reichsstadt Regensburg oder die aggressive Politik der
Wittelsbacher gegen das Territorium Erzherzog Sigmunds von Tirol, mißtrauisch
beäugte und diesen Plänen als Sproß und Erbe des Hauses Habsburg ablehnend gegen-
überstand.
Gedanken über die Bedeutung der Hochzeit Kunigundes und Albrechts machte sich aber
nicht nur die Familie, wie das Beispiel des Freisinger Bischofs Sixtus von Tannberg
zeigt, der urteilte, durch die Heirat sei es in Anbetracht der äußeren Gefahren zu einer
Annäherung des Kaisers an die Wittelsbacher gekommen.
388
7.6 Zum Problem der angeblich gefälschten Einverständniserklärung
Kaiser Friedrichs
Während sich aufgrund der recht guten Aktenlage in Bezug auf die Verhandlungen und
den zeitlichen Ablauf der Heirat Kunigundes und Albrechts in der Forschung kaum
nennenswerte Unterschiede feststellen lassen, gibt es einen Punkt, der beinahe ab dem
Moment der Eheschließung im Januar 1487 umstritten war. Ausgehend von der Überle-
gung, warum Erzherzogin Kunigunde, die bis zu ihrem Aufenthalt in Tirol stets bemüht
war, den Wünschen ihres Vaters zu entsprechen, plötzlich so offen gegen dessen
Anordnungen handelte, gelangten schon zeitgenössische Autoren zu dem Ergebnis, daß
man Kunigunde getäuscht habe und ihr eine gefälschte Einverständniserklärung des
Vaters vorgelegt wurde, um so auch ihre Zustimmung zu der geplanten Eheschließung
zu erhalten.
389
In der Diskussion um diese Frage finden sich in der Forschung zwei
Hauptrichtungen: Während sich ein Großteil der österreichischen Historiker den Vor-
würfen gegen Herzog Albrecht anschloß, gab es auf bayerischer Seite immer wieder
Stimmen, die den Münchner Herzog vom Vorwurf der Urkundenfälschung freizuspre-
chen versuchten. Schon in der von Birken bearbeiteten Fassung des „Fuggerschen
388
Vgl. S
TAUBER
, Herzog Georg, S. 320.
389
Einer der ersten Vertreter dieser Anschuldigung ist wohl Cuspinian, der in seiner „Austria“, S. 52f.
behauptet, die Heirat sei zustande gekommen, nachdem Albrecht literis a se fictis nomine Imperatoris
vorgelegt habe. Vgl. W
IESFLECKER
, Maximilian, Bd. 1, S. 498, Anm. 15.
85
Ehrenspiegels“ finden sich diese Vorwürfe,
390
die in späterer Zeit immer wieder aufge-
griffen wurden. Albert Jäger beispielsweise vertrat die Ansicht, es habe zwar eine Voll-
macht des Kaisers gegeben, die aber nach der Annexion Regensburgs zurückgenommen
worden sei. Albrecht habe daher ein Dokument, in dem der Kaiser seine erneute
Zustimmung gab, fälschen müssen, um damit Sigmund und Kunigunde zu täuschen.
391
Die bayerischen Historiker, allen voran Sigmund von Riezler, wiesen diese gegen Her-
zog Albrecht erhobenen Vorwürfe dagegen entschieden zurück.
392
Die Frage nach Fäl-
schung oder Nichtfälschung hat die Forschung auch in jüngerer Zeit immer wieder
beschäftigt: Hermann Wiesflecker hält es für möglich, daß ein Brief Kaiser Friedrichs
und König Maximilians vom 11. November 1486, dessen Echtheit umstritten ist, und
der als Zustimmung beider zu der Heirat gedeutet werden kann, als Grundlage für die
Fälschungsgerüchte diente.
393
Leider gehört auch dieser Brief zu den verloren-
gegangenen Schriftstücken im Zusammenhang mit der Heirat, so daß die Frage nach der
Echtheit wohl nicht mehr endgültig zu klären ist. Heinz Angermeier dagegen weist alle
Anschuldigungen gegen Herzog Albrecht mit der Begründung zurück, daß die Heirat
von Maximilian initiiert worden sei, Friedrich III. diese Ehe zwar nicht gewünscht, aber
schließlich gebilligt habe. Das deutliche habsburgische Interesse mache eine Fälschung
der Zustimmung überflüssig, wenn auch die Frage aufgrund des Verlustes der entspre-
chenden Bestände der „Korrespondenz-Akten“ nicht mehr eindeutig zu klären sei.
394
An dieser Stelle sollen die Belege, die von den Anklägern Herzog Albrechts immer
wieder vorgebracht wurden, vorgestellt und untersucht werden. Die Befürworter der
Fälschungstheorie stützten sich in ihrer Argumentation vorwiegend auf zwei Quellen:
Zum einen ist dies die zeitgenössische Biographie der Habsburgerin, deren Verfasser in
einer sehr poetischen Schilderung dem Münchner die Hauptschuld an der Fälschung der
390
Vgl. F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 963: Herz. Albrecht wußte wohl / daß er von K. Friedrichen /
der wegen Regensburg / einen unwillen auf ihn geworfen / das jawort nit zuerhoffen hätte. Demnach
lehrte ihn / wie etliche wollen / die Liebe / die meisterinn vieler Künste / mit hülfe Erzh. Sigmunds / K.
Friederichs Hand und Insigel nachmahlen und nachmachen / und in dessen namen einen Brief
schreiben / darinn der Tochter wegen dieser Heurat / das Vätterliche Vollwort gegeben wurde.
391
Vgl.
J
ÄGER
, Übergang, S. 321: [...] und nun begann ein trugvolles Spiel, bei welchem Herzog Albrecht
selbst zu Siegel- und Urkundenfälschung seine Zuflucht nahm.
392
Vgl. R
IEZLER
, Baiern, Bd. 3, S. 503 sowie
DERS
., Vermählung, S. 387. Riezler meinte, es sei keine
Fälschung zur Täuschung der Erzherzogin notwendig gewesen, da diese vollkommen davon überzeugt
gewesen sei, daß alles mit der Zustimmung ihres Vaters geschehe. Dabei „vergaß“ Riezler aber in
diesem Zusammenhang den Brief Kaiser Friedrichs an seine Tochter vom August 1486 zu erwähnen,
in dem er ihr sehr eindeutig seine Ablehnung zu verstehen gab.
393
Vgl. W
IESFLECKER
, Maximilian, Bd. 1, S. 498, Anm. 15. Wiesflecker bezieht sich auf ein bei
L
ICHNOWSKY
, Haus Habsburg, Bd. 8, Regest Nr. 888 abgedrucktes Schreiben.
394
Vgl.
A
NGERMEIER
, RTA 1486, S. 72f. Eine ähnliche Meinung vertritt auch S
TAUBER
, Herzog Georg,
S. 319.
86
kaiserlichen Zustimmung gab. Der Kaiser, so heißt es, habe vom regennspurgisch
hanndl erfahren,
395
weswegen der Abschluß der Heiratsabrede bei ihm auf keine sonder-
lich große Zustimmung gestoßen sei. Auch Albrecht habe von der Verärgerung des Kai-
sers erfahren und festgestellt, daß er ane dess alten weissen kunigs gunnst vnnd
verwilligung die braut leichtlichen nit werden kunnt.
396
Also habe er sich mit der Bitte
um Hilfe an Frau Minne gewandt. Wie diese Hilfe aussah, schildert Kunigundes
Biograph folgendermaßen:
In dem so kheret er sich an Fraw Minne, der maynung die solt ime raten, wie den
dingen allen mit ainannder zu helffen wer. Nw hett Fraw Minne einen Knaben,
der bey ir ain dreyschlachtigen dienst versah: dann er was ir khunndtschafter, ir
bogenschuz, vnnd ir gehaimschreiber: [...] Derselb knabe was in der kunnst des
schreibenns der massen wol geübt, dass er allerhannd geschrift von wem die halt
wer, auf das allerrichtigist nachmachet: wie dann in Fraw Minnen schreibstuben
sölich hänndel fast oft vnnd dick vorkumet.
397
Frau Minne habe, so heißt es weiter, ihrem Knaben befohlen, für des alten weissen
kunigs tochter heyrat einen willbrief herzustellen, als wer der von des alten weissen
kunigs geheimschreiber ainem geschriben vnnd mit des alten weissen kunigs Innsigel
gefertiget.
398
Der Knabe habe sich auf diese Anordnung hin unverzüglich nach München
in des weissblaben kunigs briefgewelb
399
begeben und seine Arbeit verrichtet. Das
Ergebnis dieser Fälschung sei so perfekt gewesen, dass alle, den der brief vorkam,
annders nit glaubten dann der wer des alten weissen kunigs rechter brief vnnd
Innsigl.
400
Frau Minne habe den gefälschten Brief Herzog Albrecht übergeben, verbun-
den mit dem guten Rat, diesen Erzherzog Sigmund vorzulegen. Albrecht sei aber mit
der Lösung Frau Minnes nicht einverstanden gewesen, weil er meinte dass ein sölicher
valsch dem alten weissen kunig in die lenng verborgen nit bleiben mocht.
401
Frau
Minne, die das Zögern Albrechts bemerkt hatte, habe diesem dann gut zugeredet. Er
solle so handeln, wie sie es vorgeschlagen habe, denn sei die Braut erst einmal
heimgeführt, würde sich sicherlich jemand finden, der dem Kaiser seinen Zorn
ausredete. Wenn dann erst die Enkelkinder geboren seien, würde die ganze Sache
schließlich ein Ende finden. Durch diese Rede habe sich der Herzog letztendlich
bewegen lassen, nach Innsbruck zu reisen und dem Erzherzog die Fälschung
395
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 74.
396
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 75.
397
398
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 76.
399
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 76.
400
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 77.
401
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 77.
87
vorzulegen, der die Echtheit des Schreibens nicht weiter überprüfte, sondern mit den
letzten Vorbereitungen für die Hochzeit begann.
402
Diese Darstellung der Ereignisse ist nicht nur aufgrund des Auftretens der fiktiven Per-
sonen „Frau Minne“ und „ihres Knaben“ als Beweis für die Beschuldigungen gegen
Herzog Albrecht nur eingeschränkt brauchbar. Der anonyme Autor der Biographie ver-
fügt zwar an manchen Stellen über ein bis in kleinste Detail reichendes Wissen über das
Leben Kunigundes, was darauf hinweist, daß er sich zumindest zeitweise im näheren
Umfeld der Erzherzogin oder deren Familie aufhielt.
403
Diese enge Bindung an Kuni-
gunde und die Familie Habsburg aber brachte es mit sich, daß die Hauptperson seiner
Biographie so positiv wie möglich dargestellt werden mußte. In dieser Situation bedeu-
tet dies konkret, daß jede Beteiligung Kunigundes oder Sigmunds an der angeblichen
Fälschung negiert wird. Sogar der spätere Ehemann Kunigundes, Herzog Albrecht, wird
durch sein Zögern, mit dem Brief, den nicht er, sondern der fiktive Knabe geschrieben
haben soll, nach Innsbruck zu reisen, zumindest teilweise entschuldigt. Die Alleinschuld
an der Fälschung der Urkunde und der Täuschung Kunigundes und Sigmunds tragen
nach dieser Darstellung Frau Minne und ihr Knabe. Im übertragenen Sinne meint der
Autor damit sicherlich, daß allein seine Verliebtheit Herzog Albrecht zu diesem Han-
deln zwang, was sich auch hervorragend in den romantisierenden Stil der gesamten
Biographie einpassen würde.
Schon Riezler stellte fest, daß der Verfasser der Biographie in manchen Dingen zwar
auffallend gut unterrichtet sei, sein Poesie und Geschichte vermengendes Werk aller-
dings den Übergang zwischen Geschichte und Roman oft nicht erkennen lasse. Daher
sei es offenkundig, dass sich mit einer derartigen Erzählung kein historischer Beweis
führen lasse.
404
Als weiteres Indiz für die Anschuldigungen gegen Herzog Albrecht wurde von den
Vertretern der Fälschungsthese immer wieder ein Gedicht genannt, das die Einnahme
der Stadt Regensburg durch den Münchner Herzog zum Thema hat.
405
In diesem
Zusammenhang erzählt der ebenfalls unbekannte Verfasser dieses Spruches auch, wie
der Münchner Herzog die Kaiserstochter kennen und lieben gelernt habe. Weil Herzog
Albrecht aufgrund anderer, höherstehender Rivalen - angespielt wird auf die angeblich
402
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 78f.
403
Vgl.
R
IEZLER
, Vermählung, S. 391.
404
Vgl. R
IEZLER
, Vermählung, S. 390f.
405
Vgl. L
ILIENCRON
, Volklieder, Bd. 2, S. 179. Vgl. zu diesem Gedicht auch S
CHANZE
, Regensburg, Sp.
1090ff.
88
geplante Verbindung mit dem türkischen Sultan Mechmet oder dessen Sohn -
406
keine
Chance gesehen habe, Kunigunde heiraten zu können, habe er zu einer List gegriffen:
Er hats erborben durch hochen list,
wann er auch wol geleret ist,
brieflein schreiben und selber tichten
und im di heirat selbs zuerichten,
als habs der kaiser selbs getan;
das stet eim fursten doch nit wol an!
Damit er frawen Konigunden hat erborben, -
peßer wärs, er wär im ersten pad gestorben!
407
Obwohl der Verfasser dieses Gedichts teilweise sehr gut informiert war und sich an den
Orten des Geschehens, in Regensburg und später auch in Innsbruck, aufhielt, kann man
seinen Anschuldigungen gegen Herzog Albrecht nicht vorbehaltlos Glauben schenken.
Er berichtet, nur wenige Zeilen vor den Albrecht belastenden Zeilen, über den Plan Kai-
ser Friedrichs, seine Tochter mit einem kunig in fremden landen zu vermählen,
408
um
diesen zum Christentum zu bekehren. Diese Überlegungen Kaiser Friedrichs sind aber
wohl ins Reich der Legenden zu verweisen,
409
der Verfasser berichtet das, was er als
Gerücht gehört hatte, so, als entspräche es den Tatsachen. Warum sollte er im Falle der
gefälschten Einverständniserklärung nicht ebenfalls ein weit verbreitetes Gerücht aufge-
griffen und wiedergegeben haben, das vielleicht auch deshalb entstanden war, weil man
sich das Handeln der Beteiligten anders nicht erklären konnte?
Auch die Tatsache, daß der anonyme Verfasser des Gedichtes, der sich selbst als einen
seins landes armer man bezeichnet,
410
ein pro-habsburgisch gesinnter Angehöriger des
Regensburger Sprengels war, wie Riezler vermutet,
411
spricht nicht gerade für seine
Objektivität Herzog Albrecht gegenüber.
Neben den oben genannten Belegstellen in Kunigundes Biographie und im Regensbur-
ger Volkslied existiert mindestens noch eine weitere Quelle, die weder von Herzog
Albrechts Anklägern noch von seinen Verteidigern angesprochen wurde; in dieser wird
der Münchner Herzog aber ebenfalls der Urkundenfälschung beschuldigt. Im 16. Jahr-
hundert verfaßte der aus einer Augsburger Patrizierfamilie stammende Matthäus
Langenmantel eine Chronik seiner Heimatstadt, die sich auch mit Ereignissen beschäf-
406
Vgl. L
ILIENCRON
, Volkslieder, Bd. 2, S. 186, Verse 63-65.
407
Vgl. L
ILIENCRON
, Volkslieder, Bd. 2, S. 186, Verse 71-78.
408
Vgl. L
ILIENCRON
, Volkslieder, Bd. 2, S. 186, Vers 63.
409
Vgl. oben, Kap. 4.
410
L
ILIENCRON
, Volkslieder, Bd. 2, S. 187, Vers 80.
411
Vgl. R
IEZLER
, Vermählung, S. 389f.
89
tigt, die die Stadt Augsburg nicht unmittelbar betrafen.
412
In Verbindung mit seiner
Schilderung der Übernahme der Stadt Regensburg durch Herzog Albrecht berichtet
Matthäus Langenmantel auch von weiteren „Schandtaten“ des Herzogs:
Wayter understandt sich derselb hertzog Albrecht von Minichen. Der kaysser
Friderich hett ain thochter, hieß Kungünd und was des kunigs Maximilianus
schwester, die hett hertzog Sigmundt von Österreych zw Inspruck bey im. Da ließ
hertzog Albrecht ein sigell graben, gleych wie das kaysser Friderichs sigell und
ließ ain Ppieff schreyben on wissen des kayssers, gleych als aber von dem kaysser
ausgieng an hertzog Sigmündt von Osterreych: daß hertzog Sigmündt dem hertzog
Albrecht sein thochter, fraw Küngündt, in angesicht des prieffs solt vermachen
und zwsamen geben. Und kam hertzog Albrecht mit vill pferden hinain gen
Inspruck geriten und antwurt hertzog Sigmünd den prieff, der was heftiklichen
gestalt. Da hertzog Sigmundt den prieff und das sigall sach, dawas es allerding
gleych gemacht des kayssers, sein veters. Da thet er dem prieff volg und gabs zw
samen. Hertzog Albrecht het auch ain solichen falschen prieff gemacht an des
kayssers tochter, daß sy solt den Willen darzw geben; die wist auch nit anderst,
dan solichs wer ires vaters will und maynung.
413
Diese Beschuldigungen, welche die Darstellungen sowohl in der Biographie Kuni-
gundes als auch im Gedicht über die Einnahme der Stadt Regensburg bestätigen, sind
allein schon deswegen ernst zu nehmen, weil hier die Meinung einer „neutralen“ Person
ausgedrückt wird. Obwohl die Bürger der Reichsstadt Augsburg traditionell eher auf
Seiten des Kaisers standen, wofür die spätere enge Bindung zwischen Kaiser Maxi-
milian und dieser Stadt ein Beleg ist, ist diese Sympathie allein noch kein Grund, den
Münchner Nachbarn einer solchen Straftat zu beschuldigen. Möglicherweise gab
Langenmantel an dieser Stelle seiner Chronik nur ein Gerücht wieder, das in der Bevöl-
kerung verbreitet war. Vielleicht hatte ein Augsburger Gesandter am Kaiserhof diese
Version der Geschichte gehört und in seine Heimatstadt gemeldet, ohne dabei auf deren
Wahrheitsgehalt einzugehen. In einer anderen zeitgenössischen Augsburger Quelle fin-
den sich jedenfalls keine derartigen Vorwürfe an den Münchner Herzog. Hector Mülich
erwähnte in seiner Chronik im Zusammenhang mit der Heirat nur die Kosten für das
Geschenk der Stadt Augsburg, das der Herzog wegen der ungnad, die er gegen die Stadt
412
Die Chronik des Augsburger Patriziers Matthäus Langenmantel liegt nicht in gedruckter Form vor.
Das von mir benutze Exemplar befindet sich in der Stadtbibliothek Augsburg (Signatur: Aug. 51). Zu
Matthäus Langenmantel (†1551) vgl. auch Christoph B
ÖHM
: Die Reichsstadt Augsburg und Kaiser
Maximilian I. Untersuchungen zum Beziehungsgeflecht zwischen Reichsstadt und Herrscher an der
Wende zur Neuzeit (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 36). Sigmaringen 1998, S.
142, Anm. 132.
413
Vgl. L
ANGENMANTEL
, Chronik, fol. 404. Von einem gefälschten Brief des Kaises an seine Tochter ist
allerdings in den anderen Quellen nicht die Rede. Möglicherweise erfand Langenmantel ein solches
Schreiben, um auf diese Weise zu erklären, warum Kunigunde gegen den Willen ihres Vaters
geheiratet hatte.
90
hegte, nicht habe annehmen wollen.
414
Daß sich der Münchner die Hand seiner Braut
durch eine Fälschung erschlichen haben könnte, wird in Mülichs Chronik dagegen nicht
erwähnt.
Daß sich die Anschuldigungen gegen Herzog Albrecht aber nicht nur in den beiden oben
genannten, pro-habsburgischen Quellen, sondern auch an einer weiteren Stelle finden,
zeigt zumindest, daß das Gerücht weit verbreitet war, bei der Heirat der Kaisertochter
sei etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen. Dies läßt sich sicherlich daraus
erklären, daß die Autoren, die das Gerücht aufgriffen, eine Begründung für das Handeln
Kunigundes suchten, die sich bisher immer nach den Wünschen ihres Vaters gerichtet
hatte, und die nun plötzlich einer Heirat zustimmte, die offensichtlich nicht die Billi-
gung des Kaisers gefunden hatte. Die intensiven Verhandlungen, die der Hochzeit vor-
ausgegangen waren und die Tatsache, daß Friedrich III. ursprünglich seine Zustimmung
gegeben und diese erst nach den Ereignissen um die Reichsstadt Regensburg zurückge-
zogen hatte, waren mit Sicherheit weder dem Verfasser des Regensburger Volksliedes
noch Matthäus Langenmantel in allen Einzelheiten bekannt. Die Stellung des Vorwurfes
innerhalb der Erzählung Langenmantels, in enger Verbindung mit der Schilderung der
Übernahme der Reichsstadt Regensburg durch Herzog Albrecht, deutet auf einen even-
tuellen Zusammenhang der Ereignisse hin. Möglicherweise wurde das Gerücht von
Angehörigen des Regensburger Sprengels, die den Münchner Herzog und dessen Politik
ablehnten, zusammen mit den Berichten über die Annexion ihrer Stadt weiterverbreitet.
Erstaunlich ist auch die Tatsache, daß in allen drei Versionen gewissermaßen ein
„Freispruch“ für Erzherzog Sigmund erfolgt, der von Albrecht ebenso getäuscht worden
sein soll wie die junge Braut. Diese Beschreibung der Ereignisse ist jedoch sehr ein-
seitig, denn selbst wenn der Tiroler Erzherzog nach all diesen Schilderungen nicht
unmittelbar am Vorgang der Fälschung beteiligt gewesen sein sollte, mußte er doch die
ablehnende Haltung des Kaisers gut genug kennen, um ein von Albrecht vorgelegtes
Dokument als Fälschung erkennen zu können.
Trotz dieser Quellenbelege, die Herzog Albrecht der Urkundenfälschung beschuldigen,
ist seine Schuld in dieser Frage noch nicht bewiesen, weisen doch alle drei Schwächen
in der Argumentation oder Voreingenommenheiten auf. Obwohl Kunigunde durch das
Schreiben ihres Vaters hatte wissen müssen, daß dieser zumindest zu diesem Zeitpunkt
414
Vgl. M
ÜLICH
, Chronik, S. 376. Herzog Albrecht grollte der Stadt vor allem deshalb, weil deren Bürger
seine Brüdern Christoph und Wolfgang im Zusammenhang mit der Ermordung seines Freundes Niklas
von Abensberg Aufenthalt gewährt hatte.
91
im August 1486 die Vermählung ablehnte, war sie doch wohl der Überzeugung, daß
Erzherzog Sigmund nichts unternehmen würde, was dem Willen ihres Vaters entgegen-
liefe. Eine schriftliche Fälschung, um ihre Einwilligung in die Heirat zu erlangen, war
somit nicht nötig.
Auffällig ist auch, daß Kaiser Friedrich gegen seinen Schwiegersohn aus allen mögli-
chen Gründen Zorn und Wut empfand, daß aber von Seiten Friedrichs der Fälschungs-
vorwurf nie ausgesprochen wurde, auch dann nicht, als den sogenannten „bösen Räten“
Herzog Sigmunds vom Kaiser und den Tiroler Landständen der Prozeß gemacht
wurde.
415
Dies ist allerdings kein endgültiger Beleg dafür, daß Herzog Albrecht in die-
sem Punkt unschuldig ist, da der Kaiser auch sonst gewisse Dinge gerne unter den Tisch
fallen ließ. Die freundliche Behandlung, die König Maximilian seinem Schwager in den
ersten Monaten nach der Eheschließung zukommen ließ, spricht allerdings gegen die
Fälschungsvorwürfe, gleichgültig, ob er für das Zustandekommen der Ehe verantwort-
lich war oder nicht.
416
Man kann also davon ausgehen, daß die Ehe zwischen Herzog
Albrecht und Erzherzogin Kunigunde zwar gegen den Willen des Kaisers, aber ohne
Fälschungen geschlossen wurde.
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