Gwohn’et.
O
nd hôt ma s endlich so weit brôcht,
ond könnt ma schöner lebe,
nô will ganz gwieß en koiner Wand
koi Nagel nemme hebe.
Ond hôt ma so vergwohnt sich scho
en seine Krômereie,
daß oin, dervo was ufzgä, no
verdrieße dät ond gheie.
Ma lôßt s voll sei, wie s bisher gwä,
s ist jô lang gnueg so gange —:
für die paar Jährle lohnt sich s net,
no ebbes nui’s a’zfange.
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4 3
D’r Hôge!
D
es mach i grad, gelt! wie me s freut
ond ohne ebber z frôge;
ond wann die Gschicht en Hôge hôt,
no hôt se halt en Hôge!
Wam~ma sich älles kömmere ließ,
no ließ ma s gscheidter bleibe,
ond dät viel besser sich sei Zeit
em goldne Lamm vertreibe.
E~s sei e Sach au no so guet,
s hôt älleweil en Hôge;
des woiß i sell, ihr guete Leut,
dô brauch i euch net z frôge!
Was gôht denn glatt uf dere Welt?!
ond kracht s, no k a s jô krache!
ond kracht s k aput — no jô! was duet s?!
nô hent ‘hr au was z lache!
4 4
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.
Zom — merke!
A
u grob mueß oiner könne sei,
ond saugrob, wann s grad nötig!
sonst hôt ‘r nex wie Scheererei —
au grob mueß oiner könne sei,
denn s hatt’ nie viel, blos zahm ond fei,
verheirat’t od’r ledig!
au grob mueß oiner könne sei,
ond saugrob, wann s grad nötig!
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4 5
Oigesenn.
W
ie s stôht, so stôht s,
wie s gôht, so gôht s,
ob s maie wurd, ob schneie!
ond was i gwöllt,
des hau~n i gwöllt;
ond weil i s gwöllt,
drom soll s me au
mei Lebtig nemme gheie.
4 6
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.
Von onderwegs.
1 .
D
es duet ma~n oimôl, mit Vergnüege,
ond freut sich dra, on fendet s schö,
e zwoits~môl mecht ma sich erst bsenne,
ond duet s no überhaupt net meh.
2 .
W
er net en Spa’ z wenig hôt
od’r oin z viel,
bleibt ällweil e nutzlicher
— Besestiel.
3 .
E
n Sammet ond Seide
ond Omghängs ond Butz
ond des was dronter
koin Pfifferleng nutz!
4 .
D
rei Reng am Fenger,
Hergott! wie fei!
ond net e~n oiziger
Eh’reng derbei!
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4 7
5 .
D
ue net so, Mädle,
als läg d’r nex dra!
mechtest wie älle
jô doch blos en Ma!
6 .
N
o emmer recht nobel
ond fürnehm ond fei —
ma mueß doch was Bessers
wie ander Leut sei!
7 .
L
ôß tröpfle, lôß regne!
was macht des, mei Sechs!
wer zue seim Schatz will,
frôgt dôdernôch nex!
Ond gießt s wie mit Züber,
ma bleibt drom net weg!
zue seim Schatz, Schätzle, gôht ma,
hôt s no so viel Dreck!
4 8
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.
E Weile nôchher!
W
orom denn emmer denke:
wie s gwä!
guck:
blos om de mit z kränke,
no meh
guck:
blos om de mit z kränke:
s sei heut nemme so!
wie wann heut was anderst wär,
äls älleweil scho!
I han de grad so gern doch,
liebs Kend,
äls wie an sellem Obed,
liebs Kend,
äls wie an sellem Obed
von dômôls em Moi,
wo m’r d’s erst môl gfonde~n ons
am Haselnußroi.
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4 9
No koi Angst!
O
nd wann dei Vatter, Schatz,
ond wann dei Mutter au
ond älle Base no
d’zue sagtet: noi!
wam~mir zwoi oinig blos
ond fest na’standet, woißt,
nô wurd s scho recht zom End
ond von alloi!
Ond wenn d’r König nô
mitsammt ‘m Herrgott käm,
ond dauset Deufel no
versesse druf;
i dät blos lache, guck:
‘hr kommet z spôt e Stond,
wer so e Mädle will
stand früher uf!
Ond z’erste gscheidt sei, gilt!
nôchher k a s jeder, narr!
ond d Lene rausgä, jô!
fiel grad m’r ei!
wann i net i wär . . . ond . . .
ond nô erst recht net! denn:
des ist mei Mädle jetzt,
ond mei ghört mei!
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.
E klois bisle Sonn.
E
klois bisle Sonn
ond leit s rengs au voll Schnee,
e klois bisle Sonn . . . ond
s duet scho net so weh.
E klois bisle Sonn
ond ist s Herz au voll Loid,
glei fend’t s wieder ebbes
druf s doch sich au freut.
E klois bisle Sonn
ond s Eis bricht; jô, jô:
e klois bisle Sonn . . . ond
d’r Früehleng ist dô!
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5 1
D’r Emmy
„Des k a’st net blos äll Jôhr emôl,
des k a’st äll Dag verlebe!“
O
nd guck: s ist doch schö Wetter gworde~n
ond i han Recht ghett, äls i s gmoi’t,
ond i han s gmoi’t, wie s Schnee no gä
ond wie no arg wüest Wenter gwä,
ond kois no traut, des gäng verbei,
ond etzet ist s, äls hätt ma Moi.
Stoht ebbes drom au no so kromm
ma woiß nie, wie s k a gange,
e Na’le no lauft glei dervo
ond lôßt de Kopf glei hange.
Ond ist au ebbes no so schlemm,
ond fürcht’ ma, daß s oim älles nemm
ond duckt s oin no so nonter,
e Weile so, e Weile so,
ond eh ma s guckt, ist irgedwo
au scho e Vögele monter.
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.
Oimol Sonn.
O
imôl Sonn ond oimôl Rege~n
oimôl wüest ond oimôl schö,
oimôl O’glück, oimôl Sege~n,
ond emôl nô gar nex meh.
Ond de k a’st koi Stond lang hebe,
was net selber hebe will;
uf ond a’ ond wieder ebe~n
ist s e~n oiziger April:
Oimôl Sonn ond oimôl Rege~n,
oimôl wüest ond oimôl schö,
oimôl O’glück, oimôl Sege~n,
ond emôl nô gar nex meh.
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5 3
I müeßt koi Schwôb sei!
‘m Wolfgang Drück
D
e Böndel gschnürt! uf d Eisebah’!
bhüet Gott üch, recht ond schlecht!
wona’ s grad fahrt! ond wie s au gôht,
koi Angst! i komm scho z’recht!
So schö s jô en d’r Hoimet ist,
so viel au Liebs oin hält,
i müeßt koi Schwab sei, mecht i net
au naus emôl en d Welt!
Es bisle Glück häb jeder, hoißt s!
i also drom woll au;
ond wann d’r Hemmel no so trüeb
er wurd au wieder blau.
E lustig Herz ond guete Muet,
en Schatz z Haus treu wie Gold,
hotz noi! i wießt net, was oim so
nô viel passire sollt!
Ond gäng s ällzeit au no so wüest
durch Stopple blos ond Gflecht,
i müeßt koi Schwôb sei, wann i s net
trotzdem zue ebbes brächt;
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.
Ond brächt i s nô zue no so viel
an Geld ond Ehr ond Lieb,
i müeßt koi Schwab sei, wam~m’r net
doch d Hoimet s Beste blieb!
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5 5
Von
Derhoim ond Drauße
Dichtungen
in schwäbischer Mundart
von Cäsar Flaischlen.
Quelle:
Stuttgart und Berlin
Deutsche Verlagsanstalt
1924
5 6
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.
Einleitung
„Das Schwäbische hat verschiedene Stufen oder Grade
der Abweichung vom Hochdeutschen. Der Dialekt wird
durch alle Stände gesprochen, doch von Gebildeten
relativ feiner, von Ungebildeten gröber.“
Friedrich Theodor Vischer
Im Weltkrieg hat ein Landsmann, in Indien gefangengehal-
ten, unter einem selbstgezimmerten Verschlag aus Kisten-
holz, der ihn gegen die Sommerglut ein wenig schützte und
ihn von den übrigen Lagerinsassen absonderte, ein Schwabe
natürlich — seine ersten Gedichte geschrieben: Verse in
schwäbischer Mundart. Heimweh und Hoffnung beflügelten
ihn — die poetische Ader, die fast jeder von uns mitbe-
kommt, regte sich.
Dieser Schwabe k ann als ein Beispiel für viele gelten.
Auch Cäsar Flaischlen hat seine ersten schwäbischen
Versuche nicht in der Heimat geschrieben. In Berlin, im
Tiergarten, entstanden die leichtgefügten Strophen seines
Büchleins „Vom Haselnußroi, e Zopfete Bloeme~n ond Nüß“
...
... In einer für den Bruder Hugo gefertigten Abschrift
(von „Von Derhoim ond Drauße“) spricht sich Cäsar
Flaischlen über Sinn und Ziel seiner Dichtung aus:
Sie sei, schreibt er in der Gebildeten~Mundart,
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5 7
„entstande~n em Zammehang mit „Z Weihnachte“ ond mit
ällerloi, was ma henter sich hot . . . aus Ärger über die
bodelos jammervoll Anekdötlesdichterei onserer schwäbi-
schen Dialekt“künstler“ . . . nach Genuß des: „schwäbi-
schen Deklamators“ . . . ond:
om z zoige, daß ma~n au schwäbisch
ganz gut e bisle höher ka’, wam~ma . . .
wam~ma~n~ebe ka’!
ond om mi selber wieder emol
en d Zügel z kriege . . .“
Es ist bezeichnend für Flaischlen, daß er aus Ärger, aus
Ehrgeiz, Selbstbewußtsein und dem Bedürfnis der Selbstbe-
stimmung, der Klärung und Festigung - aus dieser zufällig
erregten Grundstimmung seines Wesens heraus schwäbisch
zu musizieren beginnt, auf der Mundartharfe der Heimat,
des Jagsttals und der Stuttgarter Luft.
Flaischlens Schwäbisch ist nun durchaus nicht etwa die
Bauernsprache oder Volkssprache, wie man sie von Einhei-
mischen - immer seltener mehr unverfälscht - hören k ann.
Was er schreibt, ist ein lautechtes Schulbubenschwäbisch,
das - mit landschaftlichen Abwandlungen - allenthalben, am
dicksten und gröbsten in den kleinen Landstädtchen gespro-
chen wird, wo die Kinder der Gebildeten und des handwerk-
enden, fabrik arbeitenden und bäuerlichen Volkes sich bei
ihren Spielen auf der Gasse zusammenfinden. Es entsteht
daraus, landauf, landab, jenes Honoratiorenschwäbisch, das
nach Bedürfnis und Laune abgeschwächt oder unterstrichen
werden k ann. So schwäbeln die Schwaben unter sich.
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.
Flaischlen hat diese Prosastücke in ganz entsprechen-
der Weise rhythmisiert, stilisiert, komponiert wie seine sonst
bek annten Dichtungen. Sie sind von einer Melodie getragen
und wollen laut gelesen sein. Wie aber sie vorlesen? Aus
dem Munde eines Rollenträgers gesprochen - eines räsonie-
renden Stuttgarter Originals etwa -, wirken sie ungemein
echt und überwältigend komisch. Zweifellos aber sind sie
pathetisch gemeint. Ob ich nun komisch-malend vortrage,
der dichterische Wert der Sachen verliert nichts daran. Aber
man wird unwillkürlich abgezogen. Denn wenn uns selbst
gute Gedanken, gescheite Gedanken ein drolliger Mensch
vorträgt, dann hat man bei seiner Einstellung zu solch komi-
schen Figuren einen ganz anderen Abstand zur Sache
überhaupt, zur Wichtigkeit einer Sache.
Erst nachher sagt man sich: Der Kerl ist erst gar nicht so
dumm! Den Kerl muß ich doch ernst nehmen! Die Färbung,
die in den Dialekt einfließt, bringt in das Verhältnis, das
beide zueinander haben, der redet und der ihn anhört,
gleich etwas Besonderes. Spricht der Vorgesetzte mit dem
Untergebenen schwäbisch, so teilt sich sogleich etwas Ver-
traulicheres mit. Sobald der Schwabe schriftdeutsch spricht,
zeigt er den Abstand.
Was will nun Cäsar Flaischlen? Ausdrücklich nicht
möchte er mit dem Lustigmacher verwechselt werden.
Durchaus nicht ist sein Bestreben, so zu schreiben, als
hörten wir das Volk unter sich sprechen - echt in jedem Zug,
in Wort, Blick Gebärde, wie es vor ihm und nach ihm von
Schwaben versucht worden ist.
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5 9
Er erinnert an keinen andern Mundart-Schwaben.
Er erinnert nicht im geringsten an Hebel oder Klaus Groth.
Er ist - wie in seinem Lebenswerk - ganz er selbst. In diesem
Sinne sind die Wirkung und der Wert seiner schwäbischen
Dichtungen zugleich gesteigert und umschrieben.
Martin Lang.
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.
Ond ma kommt hoim! . . .
W
ürzburg . . Osterburke . . .
ha jo: e~s ist doch wie~n~e Donnerwetter,
daß des durchs Land fahrt . . .
ond ma k a se oigentlich gar nemme vorstelle
wie s gwä sei mueß,
wo s no koine Eisebahne gä hot!
Fönf Tag hent se do braucht
von Berlin ronter!
onser alte Tante domols hot äls dervo verzählt!
en Nürnberg hättet se s letzt mol übernachtet!
Herrgott, was hot ma domols no für Zeit ghett!
heut ist ma en oim Dag do
ond schempft erst no, daß ds so langsam gang!
. . .
Wo des no na soll?! . . .
ond: was des für en K atzejammer gä wurd,
wann d Welt emol wieder a’fangt
vernönftig z werde!
ond wanns wieder Leut gibt,
die saget:
worom oigentlich?! isch dr Mensch für äll die
neue Erfendunge do?
oder send die Erfendunge für de Mensche do?
was ist d Hauptsach?!
was will ma~n oigentlich vom Lebe?
blos schnell fahre oder ebbes han?
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6 1
Wempffe . . Jagstfeld . .
Heiland, ha jo! etzt sem mer em Ländle!
s isch doch nett!
ond d Sonn scheint!
s Fenster uf!
jowoll! hurra! Grieß Gott! . .
dr Necker!! . . hotz Guguck . .
fast zwölf Johr hot ma~n nemme gsehe!
dr Necker! dr Necker! . .
e bisle kloi kommt ‘r oim vor! . . was?
so . . so . . dönn! so . . so . . aber
er wurd wol älleweil so gwä sei!
e~s liegt blos an oim selber!
Jo ond etzet:
de alte Türm von Wempffe:
wo ma~n als Bue emol gwä ist
en~ere Vak anz! . .
Himmel Heiland: Wempffe~n~ufm Berg
ond em Tal! . .
ja, do ist ma~n~äls romgloffe~n
ond hot Wolfsmilchraupe gsuecht!
dreißig Johr k a des sei! . . .
ond d Neckerbrück
ond drübe d Salzwerk
wo ma~n emol hot nonterfahre derfe
en s Schacht!
des Stückle Steisalz hat ma no’!
Des hoißt . . halt! ufm Eckschrank drobe
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.
hots glege . . bei de Zennkrüg . .
richtig, so . . die ganz Zeit über . .
aber . . ha, des hent se wieder weggschmisse!
zu was denn au äll des Zeugs!
natierlich! dr Deufel solls holle!
s ist wirklich nex mit so Wirtschaftsweiber!
entweder send se saufaul
oder se pfefferet ois oms ander en Of~en oder
en d Kutterkist!
jo . . . es müeßt allmählich ebe~n~e Frau en s
Haus!
Zeit wär s jo! aber . . .
ma hot halt nie Zeit zu so was ghett!
Was? Heilbronn? wahrhaftig! . . .
der Götzeturm! Donnerwetter!
des send no Kerle gwä domols
Eise von obe bis onte!
mir . . . send blos no . . . K albleder!
ond ufm Marktplatz drin s Haus vom Kätle,
mit dem Erkerstüble! . .
mitm Vatter ist ma~n~emol do gwä . .
ond hot neue Wei drenke derfe . .
ond hot gar nex gmerkt,
beim Auffstande~n aber ist ma~n~ompurzelt
wie~n~e drei~Tag~alts Hondle!
ond älles hot glacht . . .
ond Weinsberg!
ond s Kernerhaus!
ond d Weibertreu!
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6 3
wo ma z erstmol Äolsharfe gsehe hot!
ond dr Bah’hof, ha jo!
des ist natierlich älles ombaut worde . . .
„Bier! warme Würstle! Laugebrezle!“
au jo: Laugebretzle! natierlich! zwoi!
Laugebrezete!
wie lang hot ma des nemme gesse! . .
e guets . . aber oigentlich . .
e~n~elend trockes Gfräs! jo! aber . .
echt . . Schwobe! . .
Lauffe . .
Besigheim . .
Bietigheim . .
Ludwigsburg . . .
wam ma Ludwigsburg hört, no gähnt ma,
aber s mueß au sottige
Vergnügungsstädtle gä!
worom net? . . ond . . vielleicht . . . . .
Kornwestheim . . Zuffehause . .
Feuerbach . .
hurra!
ma hots! . . .
d Prag . .
wo dr Vatter liegt!
— —
s ist gwieß wohr: lebe duet ma blos oimol . .
ond was ma domm macht, des bleibt domm!
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.
ond was ma naus loßt, des ist naus! . . .
ond s . . . Postdörfle!
ond dr Kriegsberg mit der Stäffelesfurch!
Donnerwetter aber, ist des älles anderst gworde .
.
lauter neue Stroße~n . . ond . . .
Donner wetter!
E~s Herz zittert oim . . .
ond ma kriegts wie mit~e~rer Angst uf oimol:
äls könnt no ebbes kromm gange~n . .
äls könnt . . äls . .
könnts no e~n Oglück gä . .
ma woiß jo nie . . ond . . .
e~s ist drom blos vernönftig,
wenn se langsamer dent bei Eifahre!
De Koffer ronter!
Stuegert!
ha, ma glaubts fast net!
aber s ist scho so!
s ist scho so!
mer send em Bah’hof!
natierlich!
Grieß Gott! . . . Grieß Gott!
Himmel Heiland!
Stuegert!
Grieß Gott . . . jo! . . . jo!
Jo . . ha jo!
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6 5
der Königsbau! guck au!
ond der Schloßplatz
ond d Sprengbronne~n~onds Musikhäusle . .
älles wie dozmol!
ond s Schloß
ond s alte . . drübe! famos!
ond d Königstroß!
mit elektrische Pferdebahne! hotz Heide!
ond s Theater!
abbrennt . . jo! ma hots glese!
schad, jo! . . . obscho . . e~s ist am End alt
gnueg gwä!
ond e neus ist au guet!
Ufm Juchhe obe~n ist ma ghockt
für vierzig Pfennig
ond selig
wie scho lang en koim theater meh!
ond stondelang ist ma gstande~n
om den oine~n~Eckplatz z kriege . .
ond d Räuber send s erst gwä,
wo ma hot ens Hoftheater derfe . .
„In vierzehn Tagen müssen wir in Franken sein!“
jo . . die send oigentlich am ganze~n Oglück
schuld gworde . . .
Ond s Café Marquardt! . . . aber . . sag emol!
wo isch n? . . was isch n? . . waß? . .
jo, was hent r denn do für en K aste na’baut?!
o du heiliges Gwitter Strohsack!
des . . des . . noi, des ist wirklich e Sönd! . .
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.
eifach e Sönd! . . . ha . . des geht doch gar net:
s Café Marquardt abreiße!
mit dene gelb und weiß gstreifte Marquise!
ha . . noi! des kränkt me! des mueß oin kränke! . .
ond mit dem Gärtle ond dem Sprengbronne
heute dromme!
so was! so was!
dene K astaniebäum
ihre gelb ond weiß gstreifte Marquise
wegznemme!
dest e Dommheit gwä, do hilft nex!
hoffentlich aber blos die oizig!
Aber schö isch! —
ond d Planie
mit dr K arlsschuel . . . ond mitm Woisehaus
ha jo! dest wirklich älles no, wie dozmol!
ufs Hoor na’
blos . . .
blos . . i woiß net, aber . .
e~s kommt mr e bisle arg eng beienander vor!
i moi: i hätts weiter ond größer em Kopf ghet!
aber ma ist ebe selber größer gworde, natierlich!
jo . . ond woißt . . . aber . . .
noch Eßlenge fahret mr au emol nüber!
ond noch Tübenge!
ond uf de Lichtestoi!
des mueß eifach sei!
i lad euch ei derzue!
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6 7
ond noch Ulm!
s Mönster mueß i doch sehe~n~ond . . überhaupt:
s ganz Ländle will i mr a’gucke . . .
ma ist jo überall fast z Haus gwä . . .
ond hot jo überall fast en Vetter odr e Bäsle . .
odr sonst ebber!
ond noch Ellwange!
ha natierlich!
de~n~alte Gramling z bsueche!
ond d Rosewirte . . .
ond no ganget mr uf de Buecheberg:
was aus onserem Garte geworde~n~ist!
wo dr Vatter so gern e Häusle baut hätt! woisch no?
obe~n~ufm Berg . . aus dr Stadt hauß z sei!
ond ufs alt Schloß!
ond en de Galgewald
ond uf d Maus ond noch Rendelbach! ha jo!
aber . . .
aber . .
schwätz:
wie gohts denn oigentlich?
ond was machet hr denn älle?
i ha no net emol gfrogt!
Ha, guet gohts . . so weit! mr könnet net klage!
mr send gsond! ond d Buebe send s au! o’bruefe!
ond dest oigentlich d Hauptsach . .
ond d’Mutter k a s k aum meh verwarte
bis de kommst
ond schwätzt überhaupt nex meh
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vor lauter Freud!
ond seit acht Tag wurd nex äls Kueche backe~n
ond putzt ond grompelt,
wie wann sonst was los wär!
Ond sonst! ond . . . de andere,
die ma~n äls so kennt hot!
. . . Ha jo! wart emol! wer denn älles glei?!
wart emol:
e par send gstorbe!
der Vetterle zom Beispiel! ond dr Alfred!
ond . . der Lotter ist Pfarrer gworde . .
ond dr Staudinger ist Leutnant!
wo? woiß i net! Oberleutnant . .
Ond dr Julius hot sei’s Vaters G’schäft
übernomme . .
ond dr Siegle . . ha jo!
des mueß e~n elend gscheidter Kerle sei,
der ist Finanzrat . . .
aber . . dr Viereckmayerle,
den de~n au kennt host,
der ist vor d’ Hund gange!
Koi Schad!
was net rauf will, soll ronter!
des ha~n~i älleweil scho gsagt, ond zerste mir
selber!
Ond dr Stengele ist en Amerik a!
ond de Leinsle . .
abr i glaub die send jönger . . jo . . ond
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6 9
oigentlich nemme aus deire Zeit . .
ond s Oberforstrats Marie ond Lisbeth
hent gheiratet! scho lang, natierlich!
d Marie ischt Frau Amtsrichter en Reutlenge~n
ond d Lisbeth hot en Doktor bei Ulm rom
ond hot scho zwoi mol Zwilling ghett!
zerste zwoi Mädle ond no zwoi Buebe!
ond . . .
Dest recht! dest recht!
Kenderkriege ist d’ Hauptsach,
no hot d’ Frau was z do
ond dr Ma hot sei Ruh!
Ond der Fischer ist en dr Schweiz! noi en Rom!
ond em Major seiner ist Leutnant
ond noch China!
ond s Lisle Lutz von Ellwange~n~ist gstorbe! . . .
scho lang!
Ond d Hedwig?
Ha die ist hier! . . ha~n~i des net gschriebe?
die däts elend freue, wann de~n~emol na’gängst . .
ihr Ma kennt di von ere B~Klaß her!
ha jo, des mueßt do’! . . .
ond . . jo . . i glaub:
mr send etzt rom an deine alte Schätz . .
ond drom, sag emol:
wie stohts denn mit de neue? en Berlin?
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.
ist drs no emmer net z langweilig gworde,
so alloizecht romzlaufe? . .
de derfst mr s net übel nehme~n~aber . . .
woißt, e~s ist oigentlich traurig . .
ond de duest mr älleweil loid,
wann i dra denk . . .
woißt . . . ond . . .
i moi halt, des ghör au zom Lebe . .
i k a mr net helfe!
ond wo s so viel nette Mädle gibt,
ond Mädle mit Geld . . .
des hoißt: du muesch am End selber wisse, was
de witt . .
aber . . i moi ebe . .
zu eme rechte Ma ghör au e rechte Frau! . .
ond . . .
i wießt oine . . .
jo! nett ond lieb . . ond lustig . . . ond
was oiner verlange k a! wie für die gmacht!
So . .
Jo, jo, jo! de host jo Recht! ond
manchmol denkt ma so was jo selber au!
aber . . guck: heirate mueß ma halt:
entweder vorher oder nochher . . .
aber net so mitte dren! de’sch nex!
ond bei mir isch älleweil no mitte dren! ond . .
vorher han is verpatzt . . ond . . ond . .
ander Leut hent überhaupt guet schwätze:
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7 1
heirat! heirat!
jo aber do’ mueß ma s selber . . .
ond was ma hot, des mueß ma no han!
No jo! i mois jo net bös!
i denk blos, de . . . könnst e bisle weniger . .
abgschafft aussehe . .
de bist oigentlich elend mager!
ond e paar graue Hoor host au scho em Bart!
I woiß! i woiß! aber . . .
erstens ist des ebe so . . ond zwoitens:
Herrgott, wo soll ma se sonst han!
Ach was! gang! i will de jo net glei trüebselig
mache,
i moi no’ . . . verzähl was!
i schwätz sowieso scho die ganz Zeit . .
verzähl was! von Berlin! ond was de machst!
ond wie s dr goht!
wam~ma so lang fort gwä ist
ond grad en Berlin, wo doch . . . älle Fäde
zammelaufet von der ganzen Welt
Bisch~e~n net gern en Berlin?
Wer? i? . . en Berlin . . gern? . . noi!
des hoißt: i k a au ja! sage:
en Berlin ist koiner gern!
aber wo soll ma sonst na?
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.
Ha, des glaub i eifach net! dest dr au gar net ernst!
des sechst etzt blos om mi z örgere!
Berlin! ha jo, wamma do emol na könnt!
Dag ond Nacht träum i dervo’:
ond wie des sei müeß:
onter de Linde~n~ond en dr Friedrichstroß?!
Do be~n~i seit eme Johr nemme gwä!
Was? de hockst en Berlin ond bist . . .
ha noi! do dät i äll Dag spaziere gange
e paar Stonde lang
odr en dr Siegesallee . .
des mueß so ganz wonderbar sei!
onds Bismarckdenkmol
ond der Dom . .
ond wann dr K aiser en de Tiergarte reitet . . .
ond . . . woißt: i denk mr Berlin wie . . .
wie . . . jo, i woiß net! . . . elend großartig! . .
ond älleweil älles fidel ond vergnügt ond . . .
wie am Sonntag . . .
oi Fest am andere~n . . ond Fahne~n~ond Mu-
sik ond . . .
Jo, k a sei! aber . . .
für onseroin . .
für oin, der was schaffe will . .
isch nex!
Stuegert freile ist do no nexer äls nex! . . aber . .
Berlin? guck:
Berlin ist oifach e Marktplatz,
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wo se von älle Seite zammekommet,
wie morgeds d Baure von der Omgegend en d
Stadt fahret,
om ihr Butter, ihr Kraut ond ihre Rüebe z ver-
k aufe . . .
wachse duet in Berlin nex . . .
wachse mueß älles drauße . . .
en Berlin . . . k a’st blos verkaufe . . .
dest s Ganz!
e~s k a oiner natierlich iebott emol was mache,
de’st klar!
Zwiebel ond . . Knoblauch wachst schließlich en
Berlin au . . . aber . .
des, womit er ’s macht ond was ds Best ist:
des hot r net von Berlin,
des hot r von drauße . . .
ond mitbrocht . . von do, wo~n~r her ist,
von seire Hoimet!
Aber für oin der des, was er k a,
an de Ma brenge will . . .
der derf überhaupt net en dr Hoimet bleibe . .
ond der bleibt au net . .
ob r aus Schwobe~n~oder aus Pommere~n~oder
sonst woher ist!
Jo ond jetzt mueß i doch emol
e bisle ernst schwätze,
weil s älleweil hoißt:
ma hätt hier bleibe solle,
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ma hätt s au hier zu ebbes bracht! . . .
Noi! en Dreck hätt me!
i woiß, wie s mir gange~n ist
ond i woiß,, wie s andere gange~n ist
ond no goht!
Wam~ma s henter sich hot
isch jo wurst! ond . . .
vielleicht sogar ganz guet gwä . .
aber weh do’ hot s! . . . ond lang gnueg!
Wer gonnt oim denn was en eurer . . „Hoimet“?!
dr Vatter hot des scho gsagt!
ond scho en dr Schuel isch des so gwä! . . .
ond . . wam~ma do net älleweil glei
so gscheit gwä,
wie dr Lehrer verlangt hot . . .
des goht oim s ganz Lebe lang noch!
aber gholfe . . hot oim neamerds!
e~r will ebe net! e~r ist z faul!
romdisle, Versle mache! mole!
Gschichte lese! jo . .
aber oin e Sach emol von~eme~n~andere Zipfel
afange losse,
äls oim diktiert wurd . . .
noi, des gibt s net!
ond wann dr Vatter net älleweil blos derzu glacht
hätt:
„aus meine Buebe wurd scho emol was“
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des woiß i von mir!“
wäret mr heut au net, wo mr send!
Ond nochher:
en der Zeit no, wo s druf a’kommt,
ond wo man~n om so wirrer ist,
je meh s oim en dr Seel treibt ond drängt . .
do wurd von älle Seite so lang
an oim romzärkt ond romdreckelt,
bis ma se ois Tags an de Kopf greift:
ob ma denn wirklich des Rendvieh sei,
des se aus oim machet . . .
ond de ganze Krempel über de Haufe schmeißt!
ond . . goht! . . . . . adjeh! . . . .
Jo, ma hot höher naus wölle!
hr hent ganz Recht!
ond s ist e Sege, daß hr oin net hent brauche
könne!
ma wär blos versimpelt, wam~ma bliebe wär!
Beispiel send gnueg do!
Aber s ischt au drauße no
die gleich Gschicht:
de k a’st mache, was de witt!
de k a’st de ploge, bis d k aput gohst . .
en Henterhalt an derhoim
odr Hilf an derhoim
hot ma nirgends
ond wann oim mit e paar Wort vielleicht
e johrlangs Duecke~n~ond Drucke~müesse
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erspart bleibe dät!
noi! noi! noi!
a Herz k a oim weh do’, so weh s will!
bis ma schließlich
au des über Bord schmeißt:
no ebe net! . . .
i pfeif druf! . . . . .
Noch lange Johr aber . . .
paß uf jetzt! . . .
noch lange Johr aber,
wann s oiner drauße no wirklich so weit brocht
hot —
daß r sei Hoimet nemme braucht,
zu nex meh!
no . . no könnet hr komme!
no hoißt s: dest e Schwob!
der ist von Stuegert!
der ist von Ulm!
den han i au kennt!
ond i han älleweil gsagt: aus dem wird no emol
ebbes!
ond sei Vater . . . mit dem be~n~i äls bei dr
Rosewirte zammegsesse!
ond s ist wohr:
was so naus goht, ist nie s schlechtst!
Ond no soll ma zrückkomme~n~ond
wieder em Ländle bleibe! natierlich!
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Aber noch eme Weile . . .
paß no emol uf jetzt! . . .
noch eme Weile
gäng älles grad wieder von vorne~n~a’
uf de Tupfe na’:
sobald ma~n~emol e Wurst am lenke Zipfel
a’schneidet statt am rechte ...
ma soll mache, was ihr wöllet,
ond soll denke, wie ihr denket,
ond des ond des könnt der ond der übelnehme,
ond d Hauptsach sei doch:
vom Fleck z komme
ond Geld z verdiene! . . . . .
noi! deßdewege ha~n~i mi net abgschonde!
desdewege han i net ufgä
was i ufgä han!
noi! dest koi Gschäft!
do müeßt no viel anderst werde vorher!
e~s kommt j blos druf a’:
wer s länger aushält? ihr oder i?
ond i? . . . i? . .
i müeßt koi Schwob sei, wann i woich gä tät:
noi: i halt s no e ganz Weile aus!
i k a verdammt lang warte!
i han s glernt! durch euch mit! . .
i wurr no hondert Johr alt
ond no e paar Tag . .
ond leb no, wann ihr älle längst scho
de Löffel weggschmisse~n~ond
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s Zeitlich mit em Ewige verwechselt hent,
verstande?! . . .
ond wann s au langsam goht!
om so langsamer ebbes goht,
om so länger hebt s!
ond mir isch om morge z do’ ond net om heut!
Aber woißt: i denk: mr wöllet s so halte:
meine Maschine standet etzt emol en Berlin,
do isch nex anders z mache!
aber i schlag vor:
i komm äll Johr emol her für e paar Woche . .
des ist no viel schöner,
für mi ond für euch!
Es ist oigentlich jo blos e K atzesprong
von Berlin nach Stuegert . . .
d Welt wurd jo emmer kloiner
ond ma müeßt scho en Amerik a sei
oder en . . . Japan
jo: woißt . . .
wie oim übrigens onser liebs Schwobeländle
oigentlich vorkommt,
em Große~n~ond Ganze . . .
drauße, wamma so über d Welt he’denkt?
wie~e~n Art: China von Deutschland
I woiß: en de Zeitonge hoißts von China älleweil
blos:
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„rückständig!“
weil se Zöpf traget!
weil se koine Eisebahne wöllet!
weil se koine Soldate drillet!
weil se an~e~n~andere Herrgott glaubet,
äls den mir für de richtige haltet!
weil se von obe noch onte denket,
anstatt wie mir von lenks noch rechts! . . .
Ond stemmt s oi . . . stemmt au s ander!
oder gibts en Schwobe net au Zöpf?!
hot ma en Schwobe denn freiwillig Eisebahne
baut?
denkt ma en Schwoba denn älleweil blos von
lenks noch rechts?
ond hot ma~n en Schwobe net au
e großgnuege Mauer oms Ländle?
Dest aber net schö, des hätt i net von dir denkt,
so von seiere Hoimet abzkomme!
deim freigeistige Berlin z lieb ond . .
i will lieber nex sage weiter!
dest wirklich net schö! so z verberlinere!
Jo du lieber Gott! e~s ist aber doch so!
i k a doch nix derfür!
i für moin Toil denk jo anders . . .
aber s ist doch so!
i für mein Toil i frog blos:
wer ist denn sch en China gwä,
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von äll dene Kerle, die des schreibet?
ond wann? was hot r denn viel z sehe kriegt,
äls was obe dranne liegt?!
ond was obe dranne liegt
ist älleweil blos Schaum?! ond nie s Wesentlich!
i be natierlich au no net do gwä,
aber i be aus Schwobe~n
ond doher woiß i s?
was sieht e Chines en Deutschland viel
ond dest no viel leichter!
Also was hoißt des älles?
was hoißt denn rückständig?
e~s frogt se jo blos: was ist d Hauptsach!
isch s der Zopf oder ists dr Kopf?
ist s d Eisebah’ oder s Ziel?
was ist d Hauptsach:
von obe noch ont~n oder überhaupt denke?
Ond do moi~n~i, guck, seiet se en China
trotz ällem
trotz älle Rückständigkoite
am End e ganz Stückle weiter,
äls mir älle mitenander!
se brauchet koine Soldate,
weil se Krieg für e Schand haltet ond für was
Onötigs!
se brauchet koine Eisebahne
weil se net brauchet, was mit de
Eisebahne~n~erroicht werde soll . .
se brauchet koine Missionar . .
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weil se . . weil se . .
mit e bisle Reis ond Thee gnueg hent!
ond ist des so was schlimms?
I möcht drom no lang koi Chines sei,
Schwob ist mr grad gnueg!
aber . . aber . . i moi:
ma sott halt en Onterschied mache . .
die hent des ond mir hent des . .
die hent d Mandarine ond mir d
Sozialdemokrate,
die send so ond mir send so!
mir spielet mit K anone ond die mit Drache —
ond s ist eifach Blech:
von~eme Ma en de Fufzig oder Sechzig verlange:
daß r wie~n~e Jonger mit Fönfezwanzig
uf älle Tanzböde romhopft,
ond se uf älle Kirmesse mit romschlägt,
wer de größte Ochse häb
oder wer s schönst Mädle krieg?
Des hot er au emol do’,
wie~n~r jong gwä ist
ond wie s für ehn derzue ghört hot,
mit send do no tief en de Wendle glege . .
etzet aber hot er s henter se
ond überloßt s de andere . .
ond worom net!?
es macht em etzet ebe meh Vergnüege:
Drache steige z losse
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ond z philosophiere~n~ond sei Rueh z han
äls sich mit dr Welt rom z haue!
was ist do rückständig?
Wam~mir emol so alt send,
macht ons hoffentlich
au was Ernsters Spaß, äls heut . . .
ond mir en Schwobe send wol de allernächste
derzue!
*
Aber woißt:
du könntst etzt omkehre~n
ond i gang mit de Buebe no e paar Menute
de Bopser nuf ond e Stückle Stoig!
i will mr Stuegert e bisle von obe~n~a’ gucke
ond mi freue,
desdewege be~n~i jo blos komme!
e~n~ere zeh Menute sem~mer derhoim!
en schöne Gruß . . enzwische!
i sei do ond es gang älles prächtich
ond: i säh famos aus!
Also:
allons, Buebe, dalli! . .
„dalli?! au, wie du schwätzst, Onkel! aber — du, i
möcht . . die ebbes froge, Onkel! . . aber . .
ha noi, i frogs lieber net?“
worom denn net?
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„ha, weil i denk: s ist domm!“
des mueßt du wisse!
„ha . . i moi, ob . . ob du en Berlin . .
ob du do . . de Bismarck no gsehe host?!“
Natierlich! oft! aber . .
was wisset ihr vom Bismarck?
so kloine Buebe!
„Was? mir? . . . mir nex vom Bismarck wisse?
ha, des wär no emol schöner!
do müeßt ma sich jo schöme!
do hem~mer jo scho en Aufsatz drüber gmacht!
. . . ond . . .
gut bis recht gut han i derfür kriegt!“
So, Donnerwetter! . . . dest recht!
dr wievielt send ‘hr denn en dr Schuel?
„I? ha . . i be vorige Woch om drei nonterkomme
ond be blos no der fönft!
aber dr Adolf ist no der Erst!“
No ganget ihr also gern en d Schuel?
„Natierlich! ma mueß doch!
ond was ma mueß, mueß ma~n au gern do’!
ond überhaupt onser Klasse~Lehrer ist
e feiner Kerle!
au woißt, für den schwärmet mr älle . . .
weil r so gar net so . . so . . so . . jo, woißt:
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der sitzt net uf de K atheder wie d andere,
der sitzt älleweil zu ons uf d Bank
ond lacht, wam~mer nex wisset
ond secht: mir seiet em viel z domm,
äls daß r ons des sage dät!
mr solltet selber drüber nochdenke
ond wam~mer~s net könntet,
no solltet mr n en Rueh losse~n~ond
en d’ Volksschuel gange . . .
ond wie~n Deufel lacht r no derbei! . .
aber de andere
ha, die send au net so . .
des send trockene kerle —
ond mir send bei dene oigentlich
blos dem z lieb brav!
Aber halt, Onkel!
wann de d Stadt sehe witt,
no müesset mr etzt rechts . . .
dohomme hent se älles zuebaut
en de letzte zwoi~drei Johr!
Jo, jo! . . . e~s ist o’heimlich,
was en Stuegert baut worde~n ist!
i glaub, i tät mi nemme zrechtfende~n! aber
schö isch do hobe, Donnerwetter ja!
so was gibts wol überhaupt koi zwoits mol . . .
so e Rondsicht:
die ganz Stadt onds halb Ländle!
Ihr wisset gar net, Buebe, wie schö~n ‘hrs hent!
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ond wam~ma do derbei an di arme Berliner
Kender denkt . . .
nex äls Häuser ond Häuser
ond Stroße~n~ond Stroße~n
ond nirgends emol e greane Wies
odr e~n Garte~n~oder . . . ond
nirgends en Ponkt,
wo ma~n emol, wie do, s Ganz onter sich hätt,
wo ma~n emol drüber ständ
über äll dem Genudel ond Gedudel!
So was mueß natierlich andere Mensche gä . . .
hie Wingert, hie Marktplatz!
ond wie d Welt, so s Geld . . .
e~s ist oigentlich net zom sage schö!
d Stiftskirch do ont~n
ond drübe, guck, d alt K asern . . vom Vatter!
ond dr Feuersee mit dr Johanniskirch
wo ma konfirmirt worde~n~ist
ond d Silberburg . . .
wo ma s erst mol danzt hot
do müesset mr morge~n emol romlaufe . .
durch d Stadt
d Hauptstätterstroß naus . .
ond no zoig i euch,
wo anno Eisesiebzig dr Triumphboge gstande hot
beim Eizug . . .
ond no gam mer über Heslach uf de Haseberg!
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.
Hotz Heide Guguck, jo!
do send jo ganz neue Viertel entstande . .
fabelhaft!
ond wie des an de Berg nauf wachst
rondom . . hübe~n~ond drübe . .
Stuegert! Stuegert! Jessos jo:
wer hätt des denkt!
no vor zwölf ond fufzeh Johr!
dr Bopser . . Degerloch . . dr Haseberg . .
Botnang zue . . .
ond dr Kriegsberg . . ond hübe d Uhlandshöh . . .
älles glattweg vollbaut!
Jo Herrgott, wo kommet äll die Leut uf oimol her?!
ond äll des Geld?
wann des so weiter goht,
send se en zeh Johr uf dr Haid drobe!
Des mueß euch doch au scho merkwierdig vor-
komme, Buebe?!
„Ha noi! worom? dest gar net merkwierdig!
onte~n ist halt koi Platz meh
ond drom müesset se nauf!“
Guet! guet! aber . .
merkwierdig ist s deßdewege doch . . denn . . .
gucket, Buebe: früher
vor zwoi~drei~hondert Johr
do isch ganz Stuegert vielleicht
k aum größer gwä
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als ds Bohneviertel oms alt Schloß rom . .
ond überhaupt
ganz zerste
wie d Mensche~n überhaupt agfange hent . .
net blos hier, überhaupt:
wenn se do baut hent, hent se ufenander nufbaut
ond send ufenander nufghockt,
so noh s gange~n ist,
wie d Schof beieme Gwitter!
ond hent Maure~n om sich rombaut
ond Wäll ond Gräbe~n
ond Wache~n ufgstellt ond Nachts d Tor
gschlosse . .
vor lauter Angst älleweil! . . .
jo, vor was oigentlich?! . . . vor ällem
vor wilde Tier
ond vor feindliche Überfäll
ond vor Sturm ond Wetter
ond vor em liebe Gott ond vor em Deufel
ond vor Gspenster ond vor Hexe~n~ond . . .
ma begreift s k aum meh!
Ond so ists johrhondertlang gange . .
bis se allmählich koin Patz meh ghett
ond über ihre Maure nausgwachse send
ond oigsehe hent:
daß des älles oigentlich ganz domm ond über-
flüssig . . .
daß ma sich mit seire Nachbarschaft
ganz guet vertrage k a,
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wam~ma vernönftig ist,
daß des sogar für boide Toil blos von Nutze . .
ond daß se überhaupt gar koi Angst z han
brauchtet
vor nex:
weder vor em Deufel
no vor em liebe Gott! no vor sonst was!
Aber em Tal onte send se trotzdem
älleweil no bliebe,
denn so ganz hent se doch net traut . .
vor ällem sich selber net! . . . . .
bis jetzt
seit fufzig Johr vielleicht
uf oimol
älles . .
raus will aus em Tal,
raus aus dr Stadt,
ond uf de Berg nuf . .
emmer höher ond höher ! . . . . .
isch des net merkwierdig?!
E paar oizechte Gartehäusle zerste
über die älles glacht hot:
dr nächst Wend tät se omschmeiße~n
ond en d Stadt müeß ma doch!
ond was ma do Zeit verlier!
ond vollends em Wenter! noi, des sei nex!
ond .. noch ond noch . .
e paar richtige Wohnhäuser
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ond uf oimol etzt Stroße~n~ond:
ganze Viertel!
en dr Stadt dronte
köm~ma~n überhaupt net wohne!
wegem Gschäft müeß ma jo nonter!
des gang net anders!
ufgä köm~ma~s natierlich net!
aber: s Haus . . ond d Hoimet ond . .
d Frau . . ond d Kender . .
ond überhaupt des: wofür ma leb ond
wofür ma schaff ond se ablog . . .
des müeß drobe stande~n ufm Berg!
net mitte~n~en äll dene kloinliche
Pfennig~Händel ond en äll dem Gstank ond
Zank . .
sondern . . möglichst weit weg . .
drobe~n ufm Berg . .
luftig ond lustig
mitm Gsicht zur Sonn . .
mitte~n~em Garte~n~ond . .
ond mit Fenster,
so weit s gang, über s Land he . . .
‘s Gschäft ghör ens Tal,
ond d Seel uf de Berg!
„Worom bischt denn uf oimol so still, Onkel?
mir hent guet verstande,
was de gmoit host!
mir send jo scho do hobe uf d Welt komme!“
* * *
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