sche, nächtliches Stillen, häufiges Naschen etc.) gelebt werden (Yüksel 2010). Obwohl
Kinderkaries in allen Sozialschichten vorkommt, zeigen dennoch zahlreiche Studien
überdurchschnittlich häufige und stark erhöhte Karieserfahrungs-Werte bei Kindern
aus sozioökonomisch benachteiligtem Elternhaus auf (Borutta 2010; GÖG /ÖBIG 2007).
Eine besonders schwere Form der Karies stellt die frühkindliche Karies (Early Childhood
Caries, abgekürzt ECC) dar, die schon kurz nach Durchbruch der ersten Milchzähne (im
frühesten Kindesalter) beginnt und meist das gesamte Milchgebiss – vor allem die
Glattflächen der Milchfrontzähne – bis zur vollständigen Gebisszerstörung massiv
befällt, was zu Platzmangel in den Kiefern und krankhaften Bisslagen für die
2. Dentition führt. Im internationalen Vergleich stellt man fest, dass die Vorkommens-
häufigkeit von ECC in Industrieländern gegenwärtig zwischen einem und zwölf Prozent
schwankt. In Entwicklungsländern beträgt sie 70 Prozent. Auch in einer Studie aus
Deutschland wurde die Prävalenz der „Nuckelflaschenkaries“ bei 3- bis 6-jährigen
Kindergartenkindern untersucht: „in
einzelnen sozialen Brennpunktgebieten beträgt
die EEC über 35 Prozent (Yüksel 2010). Wegen ihrer erheblichen Verbreitung und ihres
raschen Verlaufs wird EEC immer mehr zum Public-Health-Problem. Zur Lösung dieses
Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik
3
Problems bedarf es noch einiger Forschungsarbeit, vor allem über den Einfluss von
Risikofaktoren aus dem sozialen und dem Verhaltensbereich (Yüksel 2010).
Diese kurze Einführung verdeutlicht, dass Karies im Milchgebiss auch in Industrielän-
dern noch erheblich verbreitet und durch verschiedene Faktoren, wie Mundhygiene,
Ernährung, Fluoridanwendung, Zahnarztinanspruchnahme-Verhalten und sozioöko-
nomischen Status beeinflusst ist. Zu ihrer Vermeidung bedarf es gezielter Kontrolle
und Prophylaxe. Wichtige Basis dafür sind regelmäßige, epidemiologische Zahnge-
sundheitsuntersuchungen, um nähere Informationen zur Kariesverbreitung und zum
Einfluss verschiedener Risikofaktoren zu erheben.
2.2
Stichprobe
Die Stichprobe wird mithilfe eines zweistufigen Ziehungsverfahrens bestimmt. Zuerst
werden die Erhebungsorte (Schulen) ausgewählt und dann wird dort die nötige Anzahl
an Kindern gezogen. Dabei ist einerseits auf die Parität der Geschlechter, und anderer-
seits auf einen bestimmten Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund zu achten. Die
Teilnahme an der Untersuchung ist freiwillig und nur mit schriftlicher Zustimmung der
Eltern möglich (d. h. es ist auch in Betracht zu ziehen, dass Eltern von Kindern mit
besonders schlechten Zähnen aus Scham der Untersuchung nicht zustimmen).
Auswahl der Erhebungsorte sowie der Probanden/Probandinnen
Unter Berücksichtigung der Verteilung der erhobenen Altersgruppe im gesamten
Bundesgebiet muss pro Bundesland sowie pro Erhebungsort eine bestimmte Anzahl an
Probandinnen und Probanden untersucht werden (18 Kinder). Für die Ziehung lieferte
die Website des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) die
Erhebungsorte (www.schule.at – alle Schulen Österreichs mit Adressen und Telefon-
nummern usw. nach Bundesland). Dabei wurden nach dem „Schneeballverfahren“
(zufällig getroffen) ausgewählt. Auswahlkriterien für die Schulen waren Anzahl und
Größe von Klassen bzw. die Geschlechterverteilung in der vorgesehenen Altersgruppe
Nach der Ziehung der Schulen wurden die Landesschulrätinnen und Landesschulräte
aller neun Bundesländer informiert und um ihr Einverständnis zur Durchführung der
Untersuchung gebeten. Erfolgte eine Zustimmung, erhielten die Schulen per Postweg
ergänzende, informative Unterlagen. Die Ziehung der Probandinnen und Probanden
erfolgte am Untersuchungstag. Dazu übergaben die Direktoren bzw. die Direktorinnen
dem Untersuchungsteam zuerst eine vorbereitete Namenliste mit Klassenzugehörigkeit
aller in Frage kommenden Schüler/innen und in der Schule. Aus dieser Liste wählte das
Untersuchungsteam die für die Erhebung notwendige Stichprobe an Kindern zufällig
4
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
aus. Dabei wurde auf die Parität der Geschlechter sowie auf einen bestimmten Anteil
an Personen mit Migrationshintergrund geachtet.
Darstellung der Stichprobe
Insgesamt nahmen 3.376 Schüler/innen an der Erhebung teil. Wie sich das Studien-
sample nach den soziodemografischen Merkmalen verteilt, zeigt Tabelle 2.1.
Tabelle 2.1:
6- bis 7-Jährige – Stichprobe für bundesweite Auswertung
Stichprobenmerkmale
Stichprobengröße
n
%
Gesamt
3.376
100
Männlich
1.700
50,3
Weiblich
1.676
49,6
Kinder ohne Migrationshintergrund (ohne Mig)
2.319
68,7
Kinder mit Migrationshintergrund (Mig)
1.057
31,3
Kinder mit Eltern mit Matura
2.011
59,6
Kinder mit Eltern ohne Matura
1.264
37,4
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Durchschnittsalter der Probandinnen und Probanden
In die Stichprobe wurden nur diejenigen Kinder aufgenommen, die den sechsten
Geburtstag bereits hinter sich, den siebenten Geburtstag aber noch nicht erreicht
hatten. In der vorliegenden Studie beträgt das Durchschnittsalter der erhobenen Kinder
6,8 Jahre.
Migrationsstatus
31 Prozent der Untersuchten weisen einen Migrationshintergrund auf. Dies sind jene
Kinder, die nicht in Österreich geboren wurden (Migranten/Migrantinnen der ersten
Generation) oder die einen Elternteil haben, der nicht in Österreich geboren wurde
(Migranten/Migrantinnen der zweiten Generation).
Sozioökonomischer Hintergrund
Karies ist erwiesenermaßen mit typischen Verhaltensmustern verbunden. Da einige
Verhaltensweisen in bestimmten Sozialschichten bzw. Familien gehäuft vorkommen, ist
in der Regel ein Zusammenhang zwischen sozioökonomisch bestimmter Lebensweise
Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik
5
und dem Kariesbefall festzustellen (DMS III 1999). In der vorliegenden Untersuchung
repräsentiert der Bildungsstatus der Eltern (mindestens ein Elternteil mit Matura versus
kein Elternteil mit Matura) den sozioökonomischen Status.
2.3
Untersuchungsdesign
Auswahl und Definition der Untersuchungsvariablen erfolgen nach internationalem
Standard (WHO 1999, ICDAS II 2005, EGOHID 2008). Soziodemografische Parameter
(Wohnort, Migrationshintergrund, höchster Bildungsstatus der Eltern) werden von den
Eltern erfragt. Die Kinder selbst geben vor der klinischen Untersuchung der Datenein-
gabeperson ihr Geburtsdatum an. Zudem beantworten die Eltern (Elternfragebogen)
sowie auch die Kinder einige Fragen zur praktizierten Mundhygiene.
Der klinische (zahnmedizinische) Untersuchungsteil besteht in der
Beurteilung der
Mundhygiene
(Plaquemessung nach Ainamo), einer
Bewertung des Kariesaufkommens
und einer
kieferorthopädischen Begutachtung
(Kieferlagebeziehung, Bisslage, Platzver-
hältnisse etc.).
2.3.1
Kariesbefundung
Die Kariesprävalenz (der Kariesbefall) wird international in DMFT/dmft- und
DMFS/dmfs-Werten ausgedrückt. Mit Großschreibung der Indexbezeichnung sind die
Werte im bleibenden Gebiss gemeint, mit Kleinschreibung jene im Milchgebiss. Der
Buchstabe T/t (Tooth) bezieht sich auf den ganzen Zahn als Bewertungseinheit, der
Buchstabe S/s (Surfaces) verdeutlicht, dass jede einzelne Zahnfläche bewertet wird.
Demnach stellt der dmft-Index die Summe der kariösen (decayed), wegen Karies
gezogenen (missing) und gefüllten (filled) Zähne (teeth) im Milchgebiss pro Kind dar.
Der dmfs-Index gibt die Summe der kariösen, wegen Karies gezogenen und gefüllten
Zahnflächen (surfaces) des Milchgebisses pro Kind an.
Um den Schweregrad der kariösen Veränderung eines Zahnes bzw. einer Zahnfläche
darzustellen, findet nach WHO-Methodik folgende Schreibweise Verwendung: d
0
=
gesunde Milchzahnoberfläche; d
1
= opak oder braun verfärbte Schmelzoberfläche, das
bedeutet beginnende, reversible Schmelzkaries; d
2
= sichtbarer Schmelzdefekt, der auf
den Schmelz beschränkt ist (Dentin ist nicht sichtbar); d
3
= Defekt, der sichtbar ins
Dentin reicht (Kavität), es besteht unbedingter Füllungsbedarf (vgl. Tabelle 2.2).
In den d
3
mf/s-Index gehen nach WHO nur die sichtbaren, irreversiblen kariösen
Dentindefekte ein. D. h. d
1
und d
2
gelten als Kariesvorstufen. Zwar werden dabei auch
6
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
bereits kariöse Veränderungen registriert, diese bedürfen aber noch nicht einer
herkömmlichen, invasiven Füllungstherapie, sondern erfordern lediglich eine „minimal
invasiv Dentistry“-Behandlung (professionelle Fluoridapplikation z. B. durch lokale
Fluoridlackversiegelung, erweiterte Versiegelung etc.). Werden Kategorien gemeinsam
ausgewertet, so wird dies z. B. als d
1+2
oder d
1+2+3
gekennzeichnet (Pitts 2005).
Die Befundung von Karies erfolgt nach den Kriterien von ICDAS II (International Caries
Detection and Assessment System, www.dundee.ac.uk/dhsru/news/icdas.html 2005;
www.icdas.org 2012-07-19). Mit den von renommierten Kariesepidemiologen neu
entwickelten ICDAS-Standardcodes werden die verschiedenen Stadien des Kariesbefalls
(stages) visuell einheitlich bewertet. Somit ist die Basis geschaffen, Kariesdaten inter-
national zu vergleichen und zu vernetzen. Die ICDAS-II-Scores (Kariesdiagnosen)
reichen in Abhängigkeit des Kariesschweregrades (Eindringungstiefe in die Zahn-
schichten) von 0 bis 6 (vgl. Tabelle 2.4). In Tabelle 2.4 sind auch die entsprechenden
Behandlungsmethoden angeführt, die die einzelnen ICDAS-Scores erfordern. Tabelle
2.3 veranschaulicht die Einordnung der neuen ICDAS-Scores in das WHO-DMF/dmf-
System. Danach entsprechen die ICDAS-Scores 4, 5 und 6 dem WHO-Kriterium D
3
/d
3
(füllungsbedürftige Karies) und fließen somit in die Berechnung des D
3
MFT/d
3
mft-
Indexwertes ein.
Mit der Bewertung der einzelnen Zahnflächen werden die Kariesdaten dokumentiert.
Die Seitenzähne (Vormahlzähne und Mahlzähne) werden anhand von fünf Flächen
bewertet, die Frontzähne (Schneidezähne und Eckzähne) anhand von vier Flächen. In
der vorliegenden Untersuchung wurden alle sichtbaren Zähne und Zahnflächen des
Gebisses nach den in Tabelle 2.4 angeführten Diagnosekriterien bewertet.
Um den dmft-Index pro Kind zu berechnen, aggregiert man die Flächen-Diagnosen
(vgl. Tabelle 2.3) zu einem Wert für den ganzen Zahn. Dabei wurde wie in Tabelle 2.5
dargestellt vorgegangen.
Tabelle 2.2:
6- bis 7-Jährige – Kariesdiagnosen nach WHO
Kariesdiagnose
Anmerkungen
Gesund
d
0
Verfärbter Zahnschmelz
d
1
Schmelzdefekt (Dentin ist nicht sichtbar)
d
2
Dentinkaries (Dentin ist sichtbar) = Kavität, Behandlungsbedarf
d
3
(decayed)
Zahn fehlt wegen Karies
m (missing)
Füllung
f (filled)
Quelle: WHO; Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik
7
Tabelle 2.3:
6- bis 7-Jährige – Einordnung der ICDAS-Scores in das WHO-DMF-System
Kariesdiagnose
WHO-dmf-
System
ICDAS-Score
Gesund
d
0
0
Reversible beginnende Schmelzkaries, Verfärbung
d
1
1, 2
Mikrokavität (Schmelzdefekt 0,5 mm Durchmesser, Sonde steckt)
d
2
3
Dunkel durchscheinender Dentinschatten (sichtbare Dentinkaries)
d
3
4
Eindeutige, einflächige Kavität (mit sichtbarer Dentinbeteiligung)
d
3
5
Exzessive, mehrflächige Kavität
d
3
6
Quelle: WHO, Arbeitsgruppe ICDAS;
Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Tabelle 2.4:
6- bis 7-Jährige – ICDAS II (International Caries Detection and Assessment System) und
erforderliche Behandlung
ICDAS-Scores
Diagnosen
Erforderliche Behandlung
0
Keine kariöse Veränderung; gesund
Keine Behandlung notwendig
1
Kariös verfärbte aber nicht defekte Schmelz-
oberfläche; ganz oberflächliche Schmelzka-
ries, Verfärbung ist nur nach Lufttrocknen
sichtbar
Lokale Fluoridierung; kontrollieren
2
Kariös verfärbte aber nicht defekte Schmelz-
oberfläche; oberflächliche Schmelzkaries,
eindeutige Verfärbung, auch ohne Lufttrock-
nen sichtbar
Lokale Fluoridierung; kontrollieren
3
Ganz kleiner Schmelzdefekt (tiefe Schmelz-
karies; WHO-Sonde steckt; die darunter
liegende Dentinschicht ist nicht betroffen),
Mikrokavität
Minimal invasive Behandlung; (erweiter-
te Fissurenversiegelung)
4
Durchscheinender dunkler Schatten im
Dentin (underlying grey shadow from dentin)
sichtbar
Füllung
5
Eindeutige Kavität (eindeutiges Loch sichtbar
bis ins Dentin reichend, die WHO-Sonde ist
frei beweglich)
Herkömmliche Einflächen-Füllung
6
Mehrflächige Kavität mit sichtbarem Dentin
(Extensiv Cavity)
Höckerdeckung, Onlay oder Krone ist
notwendig
1
Die ICDAS-Scores 1 und 2 bedeuten unterschiedliche Stufen von oberflächlicher Schmelzkaries, wobei
Score 1 eine sichtbare Schmelzverfärbung nach Lufttrocknen des Zahnes darstellt, während Score 2 eine
sichtbare Schmelzverfärbung ohne Lufttrocknen des Zahnes bedeutet.
Quelle: WHO, Arbeitsgruppe ICDAS; Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
8
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
Tabelle 2.5:
6- bis 7-Jährige – Aggregierung von Flächendiagnosen zu Zahnwerten
Zahn-Wert
1
Flächenwerte
d
0
Wenn alle Flächen eines Zahnes mit d
0
bewertet wurden.
d
1
Wenn mindestens eine Fläche mit d
1
und alle anderen mit d
0
bewertet wurden.
d
2
Wenn mindestens eine Fläche mit d
2
und alle anderen mit d
0
oder d
1
bewertet wurden.
d
3
Wenn mindestens eine Fläche mit d
3
bewertet wurde – d. h. die behandlungsbedürftige
Dentinkaries wird höher bewertet als alle anderen Kategorien, da sie im Sinne des
Kariesindex die „gravierendste“ Diagnose darstellt.
f
Wenn mindestens eine Fläche mit f, alle anderen mit d
0
, d
1
, oder d
2
, aber keine Fläche mit
d
3
bewertet wurde (da eine gefüllte Fläche einmal kariös war, wird eine Füllung „schwe-
rer“ als eine Verfärbung oder eine Schmelzkaries eingestuft).
m
Der Milchzahn fehlt wegen Karies, d. h. alle Flächen wurden mit m bewertet.
1
Alle anderen Diagnosen (Zahn fehlt aus anderem Grund, versiegelte Fläche, nicht bewertbare Fläche,
traumatisierte Fläche usw.) gehen nicht in den Kariesindex (d
3
mf-Index) ein.
Quelle und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
2.3.2
Beurteilung der Mundhygiene
Der ursächliche Zusammenhang zwischen Zahnbelag (Plaque) und Erkrankungen der
Zähne und des Zahnhalteapparates ist zweifelsfrei längst bewiesen (Hellwege 1999).
Bei den Sechsjährigen wird der Plaquebefall der Zähne mit dem VPI (Visible Plaque
Index) nach Ainamo (Hellwege 1999) gemessen. Er ist ein kindgemäßer Index, der
hinreichend genau den Mundhygienezustand bei Kindern bis zum zehnten Lebensjahr
erfasst. Die Untersuchung ist absolut schmerzfrei und einfach auszuwerten. Es werden
die buccalen (der Wange zugewandten) Flächen der rechten Unterkiefer- und linken
Oberkieferzähne ohne Einfärbung mit einer Kaltlichtquelle ausgeleuchtet und nach
sichtbaren Zahnbelägen gesucht. Die Bewertung erfolgt in einer einfachen Ja-/Nein-
Entscheidung (Plaque vorhanden / keine Plaque). Das Ergebnis wird als Prozentanteil
der mit Plaque behafteten Zähne ausgewiesen.
2.3.3
Kieferorthopädische (KFO-)Untersuchung
Für gute Lebensqualität müssen Zähne nicht nur frei von Karies sein, sondern die
Kieferbögen müssen auch im richtigen Verhältnis zueinander stehen, damit alle
Funktionen der Mundhöhle (Nahrungsaufnahme, Kommunikation) gewährleistet sind
und sich auch ein ästhetisch zufriedenstellendes Aussehen ergibt.
Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik
9
Kinder zwischen sechs und sieben Jahren befinden sich im Zahnwechsel (die Milchzäh-
ne gehen nach und nach verloren, während bleibende Zähne durchbrechen). Anomalien
hinsichtlich der Platzverhältnisse in den Kiefern und/oder abnorme Lagebeziehungen
der beiden Kiefer zueinander sind bereits feststellbar. Bei besonders gravierenden
kieferorthopädischen Fehlentwicklungen (z. B. bei verkehrtem Überbiss oder bei
Kreuzbiss) ist es oft günstig, schon im frühen Alter mit kieferorthopädischer Korrek-
tur-Behandlung zu beginnen. Aus diesem Grund scheint es wichtig, auch die Sechsjäh-
rigen kieferorthopädisch zu erheben.
In der vorliegenden Untersuchung wurde der kieferorthopädische Befund bei maxima-
ler Interkuspitation (die Zahnreihe des Oberkiefers beißt auf die gegenüberliegenden
Zähne des Unterkiefers) rein visuell (mit dem Auge) nach in Tabelle 2.6 angeführten
Parametern erstellt.
Tabelle 2.6:
6- bis 7-Jährige – KFO-Diagnosen
Diagnose
Beschreibung
Angle Klasse I, II, III
Bisslage: Neutralbiss, Distalbiss, Mesialbiss
Regelrechtes Milchgebiss
Unauffälliger Befund
Engstand / Weitstand
Abnorme Platzverhältnisse
Offener Biss
Bei Kieferschluss überdecken die Oberkieferschneide-
zähne nicht die Unterkieferschneidekanten
Tiefbiss mit Gingival
Bei Kieferschluss treffen die Schneidekanten der oberen
Frontzähne die Gingiva der Unterkieferzähne
Maxillärer Overjet über 4 mm
Der Unterkiefer liegt gegenüber dem Oberkiefer zu weit
distal (hinten)
Mandibulärer Overjet
Verkehrter Überbiss; Der Unterkiefer liegt gegenüber
dem Oberkiefer zu weit mesial (vorne)
Kreuzbiss
Abnorme Lagebeziehung der beiden Kiefer zueinander
Mittellinienverschiebung
Asymmetrie der Zahnbögen
Quelle und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
2.4
Untersuchungsablauf
Vor Beginn der Erhebungen zwischen November 2011 und März 2012 absolvierten die
Untersucher/innen und Dateneingabepersonen das zweitägige, verpflichtend zu
absolvierende Kalibrierungsseminar, um reproduzierbar zu diagnostizieren. Dadurch
ist sichergestellt, dass alle beteiligten Untersucher/innen vergleichbare Diagnosen
stellen.
10
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
Erhebungstag in den Schulen
Die Direktorin bzw. der Direktor der Schule begleitete das Erhebungsteam zum
Untersuchungszimmer (Schularztzimmer oder eine sonstige Räumlichkeit) und übergab
die Liste mit den Namen und der Klassenzugehörigkeit aller für die Untersuchung in
Frage kommenden Schüler/innen. Aus dieser Liste zog das Untersuchungsteam die für
die Erhebung benötigte Probandenstichprobe nach dem Zufallsprinzip (unter Berück-
sichtigung der Geschlechterparität und eines bestimmten Anteils an Kindern mit
Migrationshintergrund). Pro Schule wurden insgesamt achtzehn Mädchen und Buben
für die Erhebung ausgewählt.
In den meisten Schulen forderte die Direktorin oder der Direktor die ersten vier
ausgewählten Kinder auf, in das Untersuchungszimmer zu kommen. Das jeweils
mutigste Kind meldete sich freiwillig zur Erhebung und beantwortete zuerst die von
der Eingabeperson gestellten Fragen zum Geburtsdatum und zum Mundgesundheits-
verhalten.
Zur klinischen Begutachtung legte sich das Kind mit dem Rücken auf die Untersu-
chungsliege. Die Zahnärztin bzw. der Zahnarzt standen am Kopfende des liegenden
Kindes und schauten von hinten und oben mit Hilfe der WHO-Sonde und Mundspiegel
unter standardisierter Beleuchtung (Kaltlichtlampe) in den Mund des Kindes. Zuerst
beurteilten die Untersucher/innen den Mundhygienestatus mit dem VPI nach Ainamo.
Dann inspizierten sie mit Hilfe eines Mundspiegels und der Kaltlichtlampe jede Zahn-
fläche des Gebisses und bewerteten sie nach Kariesdiagnosekriterien (ICDAS II).
Abschließend begutachteten die Untersucherinnen und Untersucher die Gebisse nach
kieferorthopädischen Parametern (vgl. Tabelle 2.6). Bestand Behandlungsbedarf,
bekam das Kind eine schriftliche Mitteilung für die Eltern.
Zur Überprüfung der Befund-Genauigkeit war vorgesehen, ein zufällig ausgewähltes
Kind ein zweites Mal zu untersuchen. Diese Doppeluntersuchungen waren aber aus
unterrichtstechnischen Gründen meist nicht möglich. In vorangegangenen Erhebungs-
jahren erreichten die Doppeluntersuchungen einen Übereinstimmungswert über
Dostları ilə paylaş: |