1 Herzog Friedrich von Wirtenberg Der neue Landesherr



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sah,  daß  Friedrich  einige  Zeichen  von  Ungeduld  blicken  ließ, 

worauf  er  sich  an  ihn  wendete  und  sprach:  »Wenn  Eure 

Durchlaucht  es  erlauben,  so  geb’  ich  nur  eine  kleine  Probe 

meiner  Kunst;  in  dem  Kölbchen  habe  ich  etwas  von  meinem 

Goldpulver,  dort  liegt  ein  Stück  Blei  und  hier  sind  ja  Tiegel 

genug  bei  der  Hand.«  Wohlweislich  aber  ergriff  Honauer 

seinen  eigenen  Tiegel,  legte  das  Blei  hinein,  schüttete  das 

Pulver  darauf  und  zündete  ein  Kohlenfeuer  darunter  an. 

Darm  bat  er  Friedrich  und  alle  Anwesenden,  das  Gemach  zu 

verlassen,  schloß  dieses  ab  und  überreichte  den  Schlüssel 

dem  Herzog,  auf  welchen  die  Ruhe  und  Kaltblütigkeit  des 

Alchymisten  großen  Eindruck  machte.  Er  wandelte  mit  ihm 

einige  Zeit  im  Garten  auf  und  ab,  bis  Honauer  ihn  erinnerte, 

daß  jetzt  die  Verwandlung  vorgegangen  sein  werde.  Der 

Herzog  selbst  schloß  die  Türe  wieder  auf  und  trat  rasch  zum 

Tiegel,  aus  welchem  ihm  ein  Stückchen  Gold  entgegenglänzte, 

Keppler  mußte  es  sogleich  prüfen  und  versicherte,  daß  es 

vom  reinsten  Gehalt  sei.  Friedrich  war  hocherfreut;  »Ihr  dürft 

mich  sobald  nicht  verlassen,  Herr  von  Grabenschütz«,  sprach 

er,  »es  soll  Euch  bei  mir  gewiß  so  gut  gefallen,  als  in 

Spanien!  Ihr  seid  von  jetzt  an  mein  Gast  und  was  Ihr  wünscht 

oder  begehrt,  sollt  Ihr  erhalten.«  Der  schlaue  Goldmacher 

machte  anfangs  einige  Schwierigkeiten,  entsprach  jedoch 

zuletzt  des  Herzogs  Wunsche,  welcher  nun  sogleich  einigen  im 

Schloß  wohnenden  Räten  und  adeligen  Dienern  auszuziehen 

befahl,  damit  Honauer  ja  eine  recht  stattliche  Wohnung 

erhalte.  Auch  stellte  er  ihm  für  sich  und  alle  die  Seinigen 

einen  Schirm-  und  Freibrief  aus,  schloß  mit  ihm  einen 

Vertrag,  daß  beide  Verlust  und  Gewinn  gleich  teilen  wollen 

und  gebot  Keppler,  alles  nötige  herbeizuschaffen,  sonst  aber 

sich  nicht  in  des  Alchymisten  Sache  zu  mischen.



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Am  Abend  des  verhängnisvollen  Tages  saßen  der  Freiherr 

und  sein  Stallmeister  gar  traulich  beieinander  in  einem 

schönen  Gemache  des  Schlosses  und  freuten  sich  ihrer 

gelungenen  List,  wobei  sie  übrigens  auch  an  einen  Rückzug 

für  den  Fall  der  Not  dachten.

Wahrend  dieser  säubern  Unterhaltung  klopfte  es  an  der  Tür 

und  herein  trat  Morel;  er  trug  zwei  goldene  Ketten  mit 

Medaillen,  worauf  des  Herzogs  Bild  zu  sehen  war,  in  der 

Hand;  die  eine  mit  Edelsteinen  verzierte  übergab  er  Honauer, 

die 

andere 


dessen 

Stallmeister 

und 

sprach: 


»Seine 

Durchlaucht  läßt  Euch  Ihren  gnädigen  Gruß  entbieten  und 

übersendet  Euch  diese  Ketten  als  ein  kleines  Andenken.«

»Seine  Durchlaucht  beweisen  uns  zuviel  Gnade«,  antwortete 

der 

Goldmacher, 



»ich 

werde 


derselben 

aber 


meinen 

untertänigsten  Dank  persönlich  abstatten.«

»Ja«,  fuhr  Morel  fort,  »der  durchlauchtigste  Fürst  ist  ein  gar 

generöser  Herr,  wenn  es  gilt,  Männer  von  wahrem  Verdienst 

zu  belohnen;  nur  gegen  Pfuscher,  Stümper  und  Betrüger  zeigt 

er  sich  scharf.  Daß  aber  Eure  Gnaden  dies  nicht  sind,  naben 

Sie  heute  bewiesen.  Wenn  ich  das  Geheimnis  wüßte,  ein 

solches  Pulver  zu  verfertigen,  ich  machte  mir  einen  ganzen 

Haufen  davon,  schaffte  etlich  tausend  Zentner  Blei  an  und 

wollte  dann  herrlich  und  in  Freuden  leben,  wiewohl  ich  mit 

meiner  jetzigen  Lage  auch  nicht  unzufrieden  bin.«

»Ei!  Herr  Leibdiener«,  entgegnete  der  Alchymist,  »man  muß 

auch  an  seinen  Nebenmenschen  denken;  das  ist  eben  ein 

Beweis 


unserer 

edlen 


vortrefflichen 

Kunst, 


daß 

wir 


Alchymisten  unsere  geheimen  wunderbaren  Kenntnisse  auch 

anderen  mitteilen.  Was  Ihr  bisher  gesehen  habt,  ist  nur  eine 

Kleinigkeit;  ich  vermag  noch  viel  größeres  zu  leisten.  Wenn 

ich  Zeit  bekomme,  will  ich  demnächst  Euch  einmal  wieder 



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aurutn  potabile  verfertigen;  das  ist  eine  Arznei  von  solchem 

Vermögen  und  solchen  Kräften,  dergleichen  kein  Mensch 

auszusprechen  vermag.  Auch  den  lapidem  philosophieum  oder 

den  Stein  der  Weisen,  das  große  Magisterium  oder  die  rote 

Tinktur  genannt,  versteh’  ich  zu  verfertigen,  wiewohl  das  eine 

nicht  nur  schwierige,  sondern  auch  langwierige  und  kostbare 

Sache  ist;  wenn  man  ihn  aber  einmal  hat,  so  ist  man  für  alle 

Mühen  und  Kosten  auch  genug  belohnt;  denn  dieser  Stein 

besitzt  die  wunderbarsten  Kräfte,  er  heilt  alle  Krankheiten  und 

verwandelt  alle  Metalle  in  Gold.«  Nach  diesen  Reden,  deren 

Eindruck  auf  den  Leibdiener  dem  Alchymisten  nicht  entging, 

verbreitete  sich  derselbe  über  andere  Mittel,  Gold  und 

dergleichen  zu  bereiten  und  gab  die  Rezepte  dazu  an.

So 

weihte 


der 

Alchymist 

den 

Leibdiener 



in 

seine 


geheimnisvollen  wunderbaren  Künste  ein  und  dieser  unterließ 

nicht, 


dessen 

große 


Kenntnisse 

dem 


Herzog 

gehörig 


herauszustreichen.  Sobald  der  philosophische  Turm  fertig 

war,  begann  Honauer,  anscheinend  mit  großem  Eifer,  seine 

Arbeit  und  Friedrich  besuchte  ihn  fleißig  dabei.  Der  listige 

Goldmacher  wußte  diese  Besuche  klug  zu  benützen,  um  seine 

Gunst  immer  mehr  zu  gewinnen,  seine  Begierde  immer  höher 

zu  entflammen;  dafür  erhielt  er  von  Zeit  zu  Zeit  reiche 

Geschenke  von  Friedrich  und  wurde  mit  seinem  Gefolge  aufs 

beste  traktiert.  Die  stolzesten  Hofleute  bewarben  sich  um 

seine  Gunst  und  er  ging  mit  ihnen  wie  mit  seinesgleichen  um, 

trank  auch  »auf  den  Dauz«  mit  ihnen  und  unterhielt  sie  mit 

mancherlei  Kunststücken.  Einmal  legte  er  mittags  ein  Ei  in 

Sonnenschein, 

welches 

sich 


zur 

Verwunderung 

aller 

Zuschauer  frei  in  die  Luft  erhob;  ein  andermal  beschüttete  er 



die  Wurzeln  eines  Apfelbaumes  mit  einem  gewissen  Pulver 

und  nach  kurzer  Zeit  fiel  ein  Apfel  nach  dem  andern  vom 



-  69  -

Baum;  er  bewirkte,  daß  Fische  in  einem  Teich  ihm  von  selbst 

zuschwammen,  fing  sie  und  bereitete  sie  in  einer  papiemen 

Pfanne  zu.  Bei  den  Hoffräulein  empfahl  er  sich,  indem  er  die 

Sommersprossen  vertreiben  und  eine  schöne  Schminke 

bereiten  lehrte.  Bald  war  ganz  Stuttgart  voll  vom  Lob  des 

großen  Tausendkünstlers,  in  Gesellschaften  und  Wirtshäusern 

erzählte  man  die  unglaublichsten  Dinge  von  ihm,  und  sein 

Stallmeister  -  denn  ihn  selbst  sah  man  nur  in  der 

Gesellschaft  von  Adeligen  und  Hofleuten  -  der  mit  Morel  die 

Zusammenkünfte  der  Bürger  besuchte,  trug  durch  seine 

Erzählungen  treulich  dazu  bei,  die  hohe  Meinung,  welche  man 

von  seinem  Herrn  hatte,  noch  mehr  zu  steigern.

Aber  der  Krug  geht  so  lange  zum  Wasser;  bis  er  bricht;  die 

Wahrheit  dieses  Sprichworts  sollte  auch  Honauer  erfahren.  Er 

beeilte  sich  natürlich  bei  seinem  Hauptwerke  nicht  sehr; 

obwohl  der  Herzog  der  Beendigung  desselben  mit  gespannter 

Erwartung  entgegensah;  denn  nicht  weniger  als  fünf  Zentner 

Hei-denheimer  Eisen  sollten  dadurch  in  Gold  verwandelt 

werden.  Friedrich  wurde  ungeduldig  und  als  Honauer  alle 

andern  Ausflüchte  und  Entschuldigungen  erschöpft  hatte, 

erklärte  er  auf  einmal,  das  Heidenheimer  Eisen  sei  zu  weich, 

er  müsse  anderes  aus  Mömpelgard  haben.

Sogleich  erging  dorthin  der  Befehl,  alles  im  Zeughaus 

daselbst  vorrätige  Eisen  nach  Stuttgart  zu  liefern  und  der 

Goldmacher  gewann  eine  neue  Frist,  welche  er  wohl  zu 

benützen  wußte.  Vom  Herzog  hatte  er  neben  den  reichen 

Geschenken  mehrere  Edelsteine  erhalten,  welchen  er  einen 

schönen  Glanz  verschaffen  zu  können  sich  rühmte;  sein 

Stallmeister  aber  hatte  da  und  dort  bei  wohlhabenden  Bürgern 

der  Stadt  unter  allerlei  Vorwänden  Geld  entlehnt,  von  einigen, 

welche  eine  so  gewinnreiche  Kunst,  wie  das  Goldmachen, 



-  70  -

auch  lernen  wollten,  Vorschüsse  empfangen  und  so  brachten 

die  beiden  Betrüger  über  20  000  Gulden  an  Geld  und 

Geldeswert  zusammen.  Ihre  Pferde  hatten  sie  bis  auf  drei 

verkauft  und  ihre  Diener  beschlossen  sie,  bis  auf  einen, 

welcher  auch  in  den  Betrug  eingeweiht  war,  ihrem  Schicksal 

zu  überlassen.  Ehe  noch  das  Eisen  aus  Mömpelgard 

angekommen  war,  bat  Honauer  den  Herzog  um  die  Erlaubnis, 

einen  Ritt  nach  Reutlingen  machen  zu  dürfen;  sie  wurde  ihm 

nicht  verweigert;  denn  er  ließ  ja  mehrere  schwere  Kisten  von 

beträchtlichem  Umfang  zurück,  von  denen  der  Stallmeister 

dem  Leibdiener  und  andern  ganz  im  Vertrauen  mitgeteilt 

hatte,  daß  neben  andern  kostbaren  Sachen  auch  eine 

beträchtliche  Quantität  des  berühmten  Goldpulvers  darin 

enthalten  sei.  Ganz  wohlgemut  verließ  Honauer  mit  seinem 

Stallmeister  und  einem  Diener  an  einem  trüben  Novembertage 

Stuttgart,  hielt  sich  aber  in  Reutlingen  nicht  lange  auf, 

sondern  eilte  weiterzukommen.  Als  er  zu  lange  ausblieb,  ließ 

der  Herzog  sich  nach  ihm  erkundigen  und  so  wurde  der 

ganze  Betrug  entdeckt.  In  den  Kisten  fand  man  nichts,  als 

Sand, 

Steine 


und 

anderes 


unnützes 

Zeug; 


die 

zurückgelassenen  Diener  aber  wußten  über  ihren  entflohenen 

Herrn  nichts  anzugeben,  da  dieser  sie  erst  kurz  vor  seiner 

Ankunft  in  Stuttgart  angenommen  hatte,  und  man  ließ  sie 

daher  nach  kurzer  Haft  frei.

Als  Friedrich  sich  so  arg  betrogen  sah,  geriet  er  in  heftigen 

Zorn  und  schwur,  den  Goldmacher  bis  in  die  fernsten  Länder 

Europas  verfolgen  zu  lassen.  Der  Kloster-Hofmeister  zu  Weil, 

Daniel  Müller,  der  mit  den  Personen  der  Entflohenen  wohl 

bekannt  war,  und  Georg  Porcell,  Amtsknecht  zu  Knittlingen, 

welcher  die  Niederlande  schon  mehrmals  bereist  hatte, 

wurden  sogleich  abgeschickt,  mit  dem  Befehl,  den  Land-  und 



-  71  -

Leutebetrüger,  wo  sie  ihn  treffen,  »niederwerfen  zu  lassen«, 

mit  einem  offenen  Briefe  an  alle  Stände  und  Obrigkeiten, 

welche  gebeten  wurden,  den  Abgesandten  alle  Hilfe  zu  leisten, 

damit  sie  Honauer,  dessen  Person  genau  beschrieben  wurde, 

einfangen  könnten  (den  17.  November  1596).

Sie  zogen  lange  umher,  bis  sie  endlich  die  Spur  der 

Entwichenen  auffanden  und  erfuhren,  daß  diese  sich  zu  dem 

Grafen  Adolf  von  Holstein  und  Schaumburg  begeben  hatten. 

Sogleich  wurde  nun  Benjamin  von  Bouwinghau-sen  an  den 

Grafen  geschickt,  um  Honauers  Auslieferung  zu  begehren.  Der 

gewandte  Betrüger  aber  hatte  diesen  schon  so  sehr  für  sich 

zu  gewinnen  gewußt,  daß  der  Graf  die  Auslieferung  geradezu 

verweigerte.  Jetzt  begehrte  der  Herzog  vom  Kaiser  ein  Mandat 

zur  Auslieferung  Honauers,  schrieb  auch  an  den  Herzog  von 

Braunschweig  und  an  den  Landgrafen  von  Hessen  und  bat  sie 

ihm  hiebei  behilflich  zu  sein.

Hierauf  ward  Bouwinghausen  zum  zweitenmal  zum  Grafen 

von  Holstein  geschickt.  Diesmal  hatte  die  Sendung  auch  einen 

besseren  Erfolg;  das  kaiserliche  Mandat  und  die  Vorstellungen 

der  beiden  Fürsten  machten  den  Grafen  nachgiebiger  und  er 

lieferte  nach  kurzen  Unterhandlungen  Honauer  aus,  welcher 

nun  nebst  seinem  Stallmeister  auf  einen  Wagen  geschmiedet 

und  unter  starker  Bedeckung  nach  Stuttgart  geführt  wurde, 

wo  er  im  März  1597  ankam.  Die  Untersuchung,  die  man  nun 

anstellte,  und  die  im  Ausland  gemachten  Nachforschungen 

zeigten,  daß  der  angebliche  Freiherr  der  Sohn  eines 

Goldschmieds  aus  Olmütz  und  ein  gar  arger  Betrüger  war,  der 

seine  falschen  Künste  schon  an  manchen  Orten  in  Polen  und 

Deutschland  ausgeübt,  und  namentlich  den  Herzog  von 

Teschen  und  einen  Freiherm  von  Dietrichstein  um  große 

Geldsummen  geprellt  hatte.  Man  machte  daher  ihm  auch  ohne 



-  72  -

weiteres  den  Prozeß  und  das  Stadtgericht  zu  Stuttgart  tat  den 

Ausspruch: 

Honauer 


solle 

wegen 


seiner 

vielfältigen 

Betrügereien  und  Diebereien,  auch  wegen  Meineids  und 

anderer  schlechten  Handlungen,  dem  Nachrichter  übergeben, 

ihm  von  diesem  auf  dem  Schloßplatz  die  Hand  abgehauen  und 

er  hierauf  gehängt  werden.

Den  Galgen  aber,  welcher  zur  Hinrichtung  des  Betrügers 

bestimmt  wurde,  ließ  der  Herzog  aus  dem  von  Mömpelgard 

herbeigeführten 

Eisen 


verfertigen. 

Er 


war 

schön 


rot 

angestrichen,  18  Fuß  hoch  und  erhob  sich  aus  einem 

Fußgestell  von  starken  Quadersteinen.

Oben  auf  ihm  stand  ein  zweiter,  13  Fuß  hoher  Galgen,  der 

gleich  einer  Wetterfahne  vom  Wind  herumgetrieben  werden 

konnte.


An  dem  zur  Hinrichtung  bestimmten  Tage,  den  2.  April 

1597,  sah  man  von  allen  Seiten  her  Scharen  Neugieriger  nach 

Stuttgart  strömen,  in  Wagen,  zu  Roß  und  zu  Fuß,  von  nah 

und  fern,  selbst  aus  Ulm,  Nürnberg  und  Augsburg;  die  Wirte 

bekamen  einen  guten  Tag,  der  Goldmacher  aber  einen  desto 

schlimmem.  Zuerst  führte  man  ihn  aufs  Rathaus  und 

publizierte  ihm  das  Urteil;  da  schwand  aller  Trotz,  den  er  bis 

dahin  gezeigt  hatte;  demütig  flehte  er  um  Gnade,  und  da  all 

sein  Flehen  umsonst  war,  fing  er  an  zu  weinen  und  zu 

jammern;  allein  er  fand  wenig  Mitleid  unter  den  Zuschauern, 

selbst  als  man  auf  dem  Schloßplatz  ihm  zwei  Finger  abhieb. 

Der  Hofprediger  Osiander,  der  ihn  zur  Richtstätte  begleitete, 

hatte  große  Mühe,  ihn  daliin  zu  bringen,  daß  er  sich  nur 

einigermaßen  faßte.  »Herr  Gott!  in  Deine  Hände  befehl’  ich 

meinen  Geist!«  waren  die  letzten  Worte  des  Verbrechers;  still 

bestieg  er  hierauf  die  Leiter  und  bald  hing  am  obem  Galgen 

die  Leiche  des  Herrn  zu  Brunnhof  und  Grabenschütz,  gar 


-  73  -

stattlich 

mit 

einem 


Federhut 

und 


einem 

Kleide 


von 

Goldschaum  geziert,  wie  der  Herzog  es,  um  Honauers 

doppelten  Betrug  dadurch  anzudeuten,  befohlen  hatte.  Unten 

an  den  Galgen  hin  kam  folgende  Inschrift:

Hier  hangt  der  Bösivicht  weit  bekannt,

Georg  Honauer  ist  er  genannt,

Aus  Mährenland  kam  er  hieher.

Betrug  und  Hochmut  übte  er;

Aus  Eisen  wollt  er  machen  Gold,

Welches  doch  niemand  ihm  glauben  Sant’,

Er  hat  verleugnet  seinen  Stand,

Wollt’  sein  ein  großer  Herr  genannt.

Hoffärtig’s  G’müt,  leichtfertig’s  Herz 

Fand  sich  bei  ihm  nur  wie  ein  Scherz.

Fürsten  und  Herrn  hat  er  betrogen,

Daß  er  auch  Land  und  Leute  belogen,

Groß’  Büberei  hat  er  begangen,

Also  hat  er  sein  Lohn  empfangen.

Er  war  nicht  wert,  daß  er  auf  Erd’

Sollt  haben  sein  Begräbnis  wert,

Sondern  da  hangen  in  der  Luft 

Zwischen  Himmel  und  Erdenkluft,

Zur  wohlverdienten  Straf  und  Lohn,

Andern  zu  einem  Exempel  schon.

Drum  wer  hier  vorübergeht,

Dies  Exempel  ihm  vor  Augen  steht,

Er  sei  jetzt  gleich  frei  oder  Knecht,

Der  soll  bedenken:  Gott  ist  gerecht,

Der  läßt  kein  Übel  ungerochen.

Daß  kein  Urteil  werd’gesprochen,



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Dafür  behüt  uns  Gott  allsammen;

Wer  hier  vorübergeht,  sprech:  Amen

Der  eiserne  Galgen  stand  in  der  Wolframshalde  bei  der  von 

ihm  benannten  Galgensteig  und  wurde  erst  1748  abgebrochen. 

Der  letzte  Verbrecher,  welchen  man  daran  aufhängte,  war  der 

berüchtigte  Jude  Süß.

Honauers  Stallmeister  wußte  anfangs  alle  Mitschuld  von  sich 

abzuwälzen;  nach  weiteren  Erkundigungen  fand  sich  aber 

dann,  daß  derselbe  sich  fälschlich  für  einen  Edelmann 

ausgegeben,  vielmehr  ein  Juwelier  sei,  dessen  Namen  man 

wegen  mannigfacher  Betrügereien  schon  früher  in  Ungarn  an 

den  Galgen  geschlagen  hatte.  Jetzt  machte  man  wenig 

Umstände  mit  dem  edlen  Herrn  von  Werden,  er  wurde  an  den 

neben  dem  eisernen  stehenden  hölzernen  Galgen  aufgehängt.

Durch  diese  abschreckenden  Beispiele  aber  wurden  andere 

Betrüger  ebensowenig  gewitzigt,  als  der  Herzog  selbst  durch 

den  Schaden,  welcher  ihm  von  Honauer  zugefügt  worden  war. 

Der  nächste  Goldmacher,  welcher  den  Galgen  zierte,  war  der 

blinde  Johann  Heinrich  Neuscheler  von  Zürich,  auf  ihn  folgten 

Peter  Montanus  und  Johann  Heinrich  Müller.  Dieser  letztere, 

aus  Wasseln-heim  im  Elsaß  gebürtig,  seines  Gewerbes  ein 

Barbier,  welcher  früher  in  der  benachbarten  Reichsstadt 

Eßlingen  in  Diensten  gestanden  und  auf  der  Wanderschaft  zu 

Florenz  die  Alchymie  erlernt  hatte,  übertraf  Honauer  noch  an 

Klugheit  und  List.  Kaiser  Rudolf,  damals  einer  der  eifrigsten 

Freunde  der  Alchymie,  erhob  den  geschmeidigen,  mit 

körperlichen  und  geistigen  Vorzügen  in  nicht  geringem  Maße 

ausgestatteten  Mann  unter  dem  Namen  von  Mühlenfels  in  den 

Adelstand  und  Herzog  Friedrich,  der  von  seinem  großen  Rufe 

hörte,  berief  ihn  im  Jahre  1603  zu  sich.  Mühlenfels  trat  noch 


-  75  -

großprahlerischer  auf  als  Honauer.

Im  Frühjahr  1606  kam  der  Alchymist  Michael  Sendivogius, 

welchen  der  Herzog  durch  große  Versprechungen  aus  den 

Diensten  des  Königs  von  Polen  in  die  seinigen  gelockt  hatte, 

nach  Stuttgart  und  wurde  nach  Neidlingen  geschickt,  um  hier 

gemeinschaftlich  mit  Mühlenfels  zu  laborieren.  Diesem  jedoch 

war  der  neue  Ankömmling  gar  nicht  willkommen,  weil  er  von 

ihm,  der  wirklich  große  Kenntnisse  in  der  Chemie  wie  in  der 

Alchymie 

besaß, 

eine 


Entdeckung 

seiner 


Betrügereien 

fürchtete.  Daher  suchte  er  ihn  baldmöglichst  fortzuschaffen, 

was  ihm  dadurch  gelang,  daß  er  demselben  eine  gewaltige 

Angst  vor  der  Rache  beizubringen  wußte,  welche  ihn  treffen 

würde,  wenn  er  die  Hoffnungen  und  Wünsche  des  Herzogs 

nicht  schnell  und  genügend  befriedige.  Mühlenfels  wußte  es 

dahin  zu  bringen,  daß  er  verhaftet  wurde,  half  ihm  aber 

selbst  in  der  ersten  Nacht  aus  dem  Gefängnis  zur  Flucht. 

Mühlenfels  meldete  dem  Herzog  alsbald  seine  Flucht  und 

dieser  war  über  den  Betrüger  sehr  erbost.  Nach  einiger  Zeit 

jedoch  kam  ein  Schreiben  des  Königs  von  Polen,  worin  er 

über  die  Behandlung  seines  ehemaligen  Dieners  bittere  Klage 

führte  und  nun  fiels  wie  Schuppen  von  Friedrichs  Augen. 

Sogleich  ward  Mühlenfels  verhaftet  und  nach  Stuttgart 

gebracht.  Er  leugnete  zwar;  aber  die  Folter  brachte  ihn  bald 

zum  Geständnis,  daß  er  ein  Betrüger  sei.  Jetzt  wurde  er  auch 

verurteilt  und,  nachdem  man  ihm  zuvor  drei  Finger 

abgehauen  hatte,  ebenfalls  an  den  eisernen  Galgen  gehängt. 

Er  verschmähte  allen  geistlichen  Zuspmch  und  starb  als 

verhärteter  Bösewicht  (30.Junius  1606).

Das  Laborieren  im  alten  Lusthaus  aber  hörte  deswegen 

nicht  auf  und  noch  nach  des  Herzogs  Tod  wurde  ein 

Alchymist  namens  Schüler  wegen  seiner  Betrügereien  zur 


-  76  -

Strafe  gezogen.  Auch  Abenteurer  und  Projektenmacher 

anderer  Art  besuchten  damals  häufig  den  Hof  zu  Stuttgart, 

wo  des  Herzogs  Vorliebe  für  geheime  Künste  und  seine 

Begierde,  sich  schnell  und  leicht  die  Mittel  zu  seinen 

hochfliegenden  Plänen  zu  verschaffen,  ihnen  stets  eine  gute 

Aufnahme  versprach,  wenn  sie  ihre  Rolle  nur  einigermaßen 

gewandt  zu  spielen  wußten.

Im  Jahre  1598  erschien  hier  einer  dieser  Menschen, 

Abraham  Calomo  aus  Ferrara,  der  große  Judenkünstler 

genannt,  welcher  den  Wundermann  mit  viel  Kühnheit  und 

Glück  zu  spielen  wußte  und  in  allerlei  Gauklerkünsten  trefflich 

erfahren  war.  Wenn  er  mit  seinem  langen  weißen  Barte  im 

faltigen  Talar,  den  ein  mit  wundersamen  Zeichen  gestickter 

Gürtel  zusammenhielt,  auf  der  Straße  erschien,  liefen  die 

Kinder  vor  Schrecken  laut  aufschreiend  davon,  die  alten 

Mütterchen  versteckten  sich  im  nächsten  Hause  und  die 

Frommen,  Verwünschungen  vor  sich  hinmurmelnd,  wandten 

sich 

schnell 


auf 

die 


andere 

Seite. 


Denn 

es 


waren 

schreckliche,  wunderbare  Dinge,  welche  man  von  ihm 

erzählte;  daß  er  einen  Bund  mit  dem  Teufel  habe,  war  ganz 

ausgemacht,  auch  sollte  er  sich  mehrere  Jahrhunderte  in  den 

Pyramiden  Ägyptens  aufgehalten  haben  und  hier  in  der 

geheimen 

Weisheit 

des 


großen 

Hermes 


Trismegistos 

unterrichtet  worden  sein;  einige  hielten  ihn  sogar  für  den 

leibhaften  ewigen  Juden.  Seine  geringsten  Wundertaten  waren, 

daß  er  Wasser  in  Wein,  Steine  in  Brot  verwandelte  und  einen 

Stab  auf  den  Boden  warf,  der  dann  als  zischende  Schlange 

umherfuhr,  bis  der  Zauberer  diese  am  Kopf  faßte  und  so 

wieder  als  einen  Stab  emporhob.  Dem  Herzog  empfahl  er  sich 

hauptsächlich  dadurch,  daß  er  seiner  Versicherung  nach  aus 

jeder  unter  freiem  Himmel  liegenden  Erde  einen  trefflichen 


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