Jessica Ullrich, Universität Erlangen
Interspezies-Mothering in der zeitgenössischen Kunst
Fürsorge ist weiblich konnotiert und wird u.a. mit aufopfernder Mutterschaft verknüpft. Dabei wird fürsorgliches Verhalten in der Regel als Mensch-zu-Mensch-Kontakt gedacht.
Einige zeitgenössische KünstlerInnen stellen sich jedoch mit ihren tierinvolvierenden performativen Arbeiten in einen Kontext von Care und kommentieren, reflektieren, analysieren oder affirmieren die Natürlichkeit dieser Zuschreibung. So möchte ich in meinem Beitrag solche Werke internationaler Künstlerinnen vorstellen, bei denen sich auf teilweise provozierende Weise weibliche Fürsorge auf nicht-menschliche Tiere erstreckt und Vorstellungen von der idealen Mutter in ihrer Anwendung über Speziesgrenzen hinweg überprüfen. Die diskutierten Künstlerinnen argumentieren dabei mit einem intimen Interspezieskontakt, der in der westlichen Welt als unangebracht gelten muss.
Liv Bugge aus Norwegen etwa kreiert mit ihrem Film Agitator die blasphemische Momentaufnahme einer nackten Frau mit einem Wolf im Schoss, die gleichermaßen Maria lactans- wie Pièta-Assoziation nahelegt und darüber hinaus in einem postkolonialen Diskurs interpretiert werden kann. In Catherine Bells Videoinstallation This Little Piggy fades to pink hingegen bemuttert die australische Künstlerin ein Ferkel und konterkariert das kitschige Konzept einer Mary Poppins-artigen Nanny auf beunruhigende Art und Weise.
Ausgangspunkt meiner Analyse werden vor allem die feministischen Animal Studies sein wie sie von Marti Kheel, Josephine Donovan und Carol Adams angestossen wurden, aber auch Vinciane Desprets und Donna Haraways Theorien zu einem möglichst unhierarchischen, empathischen Interspezieskontakt.
Jessica Ullrich, geb. 1969, studierte Kunstgeschichte, Kunstpädagogik und Germanistik in Frankfurt/Main sowie Kultur- und Medienmanagement in Berlin; 1997 Assistentin in der Galerie Leo Castelli, New York; 1998-2000 Stipendiatin des Graduiertenkollegs Praxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozesses an der Universität der Künste Berlin; 2001-2003 wissenschaftliche Volontärin im Georg-Kolbe-Museum, Berlin; 2001-2009 Online-Redakteurin für den Bereich Kunst-Medien bei der Internetzeitschrift kunst-texte.de; 2003-2004 Projektleiterin am Tempelhof Museum Berlin; 2004-2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik an der Universität der Künste Berlin; 2012 Lehrauftrag für Kunstgeschichte an der Friedrich Alexander Universität Nürnberg Erlangen; seit 2012 Herausgeberin der Tierstudien, Neofelis Verlag, Berlin; seit 2013 Leiterin der Kunstvermittlung am Kunstpalais Erlangen. Diverse Veröffentlichungen zur Gegenwartskunst, Kuratorin verschiedener Ausstellungen zu Bildhauerei und Fotografie (u.a. 2009 Tierperspektiven im Georg-Kolbe-Museum und Tier-Werden, Mensch-Werden in der NGBK Berlin), Mitglied des Senior Editorial Board von Antennae. The Journal of the Nature in Visual Culture, Repräsentantin von Minding Animals Germany, Gründungsmitglied von Animalität und Ästhetik (Berlin) und FiTT (Forschungsinitiative Tiertheorien), Mitglied CLAS Cultural and Literary Animal Studies (Würzburg), von Animals and History (Konstanz, Wien, Zürich) und von der interdisziplinären Arbeitsgruppe Mensch-Tier- Beziehung des Bündnis Mensch und Tier (München).
Martin Ullrich, Hochschule für Musik, Nürnberg
Musik für das zoon politikon: Zur Wirkungsgeschichte des menschlichen Musizierens für nichtmenschliche Zuhörer
Die Idee, dass Musik politische Wirkung entfalte, ist spätestens seit Platon etabliert. Indem er die Tonarten in staatstragende und staatsgefährdende auseinanderdifferenziert, nimmt Platon der antiken Musik die Unschuld des ästhetischen Spiels und weist sie der politisch-gesellschaftlichen Sphäre zu. Von da an entfaltet sich ein bemerkenswerter Paralleldiskurs zu der Frage, ob das Politische spezifisch menschlich oder auch anderen Tierarten zu eigen sei: die Diskussion, ob Musik ihre Wirkung (‚Macht‘!) nur auf das ästhetische Wesen Mensch entfalte oder ob sie diese auch – zumindest in Ansätzen – auf andere Spezies ausüben könne. Schon antike Autoren spekulieren, angeregt u. a. von Beobachtungen musizierender Hirten, die ihre Weisen zur Kommunikation mit ihren Herden einsetzen, über die affektive Wirkung von menschlicher Musik auf ein nichtmenschliches Publikum. Von da an changieren die Praxen der musikalischen Interaktion zwischen Menschen und Tieren entlang eines gedanklichen Kontinuums, das an einem Ende vom (zumindest scheinbar) herrschaftsfreien Dialog zwischen verschiedenen Arten, am gegenüberliegenden Pol von der unterwerfenden Zurichtung des nichtmenschlichen Tieres bestimmt ist. Zu letzterer Position tendieren frühneuzeitliche Praktiken wie der ‚Musikunterricht‘ für Singvögel mittels Flöten, Vogelorgeln etc. Die strukturelle Gewalt bei der kunstvollen Deformation der natürlichen Lautäußerung zur humananalogen Musizierpraxis lässt sich metaphorisch als Befestigung von patriarchalen und imperialistischen Herrschaftsverhältnissen lesen. Es erscheint folgerichtig, wenn mit dem aufklärerischen Impetus der französischen Revolution die Performanzrichtung umgekehrt wird: Das Konzert für die Elefanten im jardin des plantes soll nicht mehr die Imitation menschlichen Musizierens initiieren, sondern im Gegenteil die These einer speziesübergreifenden Rezeptionshaltung empirisch erproben. So erweist sich menschliche Musik besonders dann als eminent politisch, wenn sie sich an nonhumane Zuhörer wendet: In diesem Fall kann sie als Werkzeug eingesetzt werden, um Anthropozentrismus zu befestigen – oder ihn subversiv zu untergraben.
Martin Ullrich studierte Klavier an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main und an der Universität der Künste Berlin sowie Musiktheorie und Gehörbildung, ebenfalls an der Universität der Künste Berlin. 2005 wurde er im Fach Musikwissenschaft zum Thema „Kontrapunkt bei Schumann“ promoviert. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Musik Robert Schumanns, die Theorie der populären Musik und das Verhältnis von Musiktheorie und digitalen Medien. Sein besonderes wissenschaftliches Interesse gilt der Rolle von Musik und Klang im interdisziplinären Kontext der Animal Studies. Er ist Gründungsmitglied der Forschergruppen Animalität und Ästhetik (Berlin) und Minding Animals Germany sowie Mitglied der FITT (Forschungsinitiative Tiertheorie, Konstanz) und der Interdisziplinären AG Mensch-Tier-Beziehung (München). Als Vortragender und/oder Chair war er unter anderem an den Konferenzen Animals in History (Köln 2005), Minding Animals I (Newcastle/Australien 2009), Arte e Natureza (São Paulo 2011), Animals and Aesthetics (Berlin 2011) und Minding Animals II (Utrecht 2012) beteiligt. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Zeitschrift Tierstudien.
Martin Ullrich unterrichtete Musiktheorie und Gehörbildung als Lehrbeauftragter bzw. Gastdozent an der Hochschule für Musik und Theater Rostock und an der Universität der Künste Berlin. Von 2005 bis 2013 war er Professor für Musiktheorie an der Universität der Künste Berlin (dort beurlaubt seit 2009).
Seit Oktober 2009 ist Martin Ullrich Präsident der Hochschule für Musik Nürnberg und seit Oktober 2011 Vorsitzender der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM). 2013 wurde er zum Professor für Interdisziplinäre Musikforschung mit Schwerpunkt Human-Animal Studies an der Hochschule für Musik Nürnberg berufen.
Daniela Francesca Virdis, University of Cagliari, Italy
Hybrid Animals and Hybridising Representational Strategies in R. Bach’s Jonathan Livingston Seagull: An Ecostylistic Investigation
In several genres and text-types in both popular literature and global media, particularly in those texts explicitly aimed at children, animals are linguistically, visually and discursively represented mainly in two distinct ways. On the one hand, they are physically and mentally anthropomorphised. The most remarkable and famous instances of this first type of depiction are a number of Disney cartoons and films, whose main characters are animals standing upright that think, feel, behave and even dress like prototypically good or bad human beings (see the notion of ‘disnification’ (Baker 1993: 174)). On the other hand, they are physically described as non-human creatures, but they are attributed certain appealing or even human characteristics, especially Mental, Verbal and Behavioural processes in Hallidayan (Halliday & Matthiessen 2004) terms. An example of this second type of portrayal is a 1903 American reader for elementary school children (Jones 1903/04) I analysed a few years ago (Virdis 2009): the reader features such animal protagonists as a horse wishing for an apple, Mrs Seal looking at her baby, a big dog loving a baby. In my view, the latter type of animal representation and conceptualisation is the more notable of the two, since it is the more hybrid — a living being that is physically an animal but mentally and emotionally a human. This heterogeneous depiction actually and easily conveys a sentimental ideology and an idealised world where all creatures, both human beings and humanised animals, are necessarily happy, healthy and with no physical or mental disabilities.
In this paper, I would therefore like to examine a text showing such hybridity in animal description, namely, the well-known novella Jonathan Livingston Seagull: A Story by R. Bach (2003 [1970]), by applying the theoretical frameworks and the methodologies of ecostylistics (Goatly 2010; Wales 2010). Ecostylistics has recently developed as an independent investigational approach and research area combining ecolinguistics (Myerson & Rydin 1996; Harré, Brockmeier & Mühlhäuser 1999; Coupe 2000; Fill & Mühlhäusler 2001; Mühlhäusler 2003; Garrard 2004) and mainstream stylistics (Douthwaite 2000; Toolan 2001; Carter & Stockwell 2007; Leech & Short 2007 [1981]; Leech 2008; Jeffries 2009). Within the current cross-disciplinary scholarly debates on landscape and its human and animal dwellers, ecostylistics is particularly concerned with the stylistic examination of environmental themes in various text-types through diverse linguistic frameworks and methodologies (in this paper mostly, but not exclusively, functional grammar (Halliday & Matthiessen 2004; Thompson 2004)), and embraces such different issues as those ranging from the portrayal of, for instance, real or fictional countryside in literary and non-literary texts to academic environmental activism (see also the articles on critical ecolinguistics and ecocritical discourse analysis reprinted in Fill & Mühlhäusler 2001: 175-285).
Given the hybrid and ideological nature of animals in Jonathan Livingston Seagull and the scholarly militancy advocated by ecostylistics, the main research purpose in this paper will be to identify and scrutinise the linguistic, visual and discursive strategies which represent and conceptualise the inner being of animals as hybrid. Unscientifically and unobjectively, these strategies hide, disguise or even deny their distinctively animal aspects and qualities, and deceive the addressees of the novella into inclemently judging them by human standards of thought, feeling and behaviour.
Daniela Francesca Virdis holds a Doctorate in English Studies from the University of Genoa, and is a Lecturer in English Language and Translation at the University of Cagliari, Department of Philology, Literature and Linguistics, where she teaches Gender & the Media, Stylistics, Pragmatics, Functional Grammar and Structural Grammar in First and Master’s Degree Courses. She is the author of the books Serialised Gender: A Linguistic Analysis of Femininities in Contemporary TV Series and Media (2012) and “A spectacle of strangeness”: Diavoli e streghe nel teatro giacomiano (Devils and Witches in the Jacobean Theatre, 2004), a co-editor of the volume Ricerca e didattica nei Centri Linguistici di Ateneo (Research and Language Teaching in University Language Centres, 2006), and the editor of the Italian translation of B. Jonson’s The Devil Is an Ass (2003). She has published widely, both nationally and internationally, on the language of English Jacobean plays and treatises about witchcraft and demonology, and the characters of witches, devils and women in those texts, and, more recently, on the language of contemporary American films and TV series, and the conversational styles of their female and male protagonists. She is currently researching language & sexuality, national-ethnic stereotypes and ecostylistics.
Kate Walters, artist, United Kingdom
Animals and Art (Workshop)
Embodying animals – looking at, feeling the animal within; do artists work with the animal form in order to understand something about being alive in the world?
10 mins: Introduction to the history of animals and art (including brief look at poems which salute animals), looking at images from prehistoric caves; images from the Renaissance e.g St. Francis preaching to the Birds, by Giotto; more modern representations of animals in art, for example by Picasso, Liz Frink, Eileen Cooper, Frida Kahlo. Looking briefly at why animals feature so strongly in art – beauty, symbolism; species close to us which we do not fully understand, but are captivated by?
25 mins: Then focusing more on my work –with actual examples and a Powerpoint- on why I have chosen to include animals in my pictures. My work is about relationships. Since a small child animals have been part of every household I’ve lived in. I would speak about their qualities which I particularly admire, such as friendship, loyalty, humour and courage. For me the animal forms symbolise beauty and embody truth and power. Animals live the instinctual knowing that we have lost; becoming closer to them may help us the recover something of our missing senses. According to Henry Beston (The Outermost House) “Remote from universal nature, and living by complicated artifice, man in civilization surveys the creature through the glass of his knowledge and sees thereby a feather magnified and the whole image in distortion. We patronize then for their incompleteness, for their tragic fate in having taken form so far below ourselves. And therein we err, and greatly err. For the animal shall not be measured by man. In a world older and more complete than ours they move finished and complete, gifted with extension of the senses we have lost or never attained, living by voices we shall never hear….”
I would refer (through showing my pictures) to experiences of connection with animals, for example: “When I saw a Deer in the flood”; “White deer appearing to me in Dorset”; “Wild cat”; “Horses and motherhood, courage, loyalty”; “Dogs and courage, loyalty, sensitivity in times of bereavement; being watched over”; “How animals may reveal themselves to us in various ways”.
20 mins: Participants write down or draw pictograms of their own particularly memorable/touching experiences with animals, followed by discussion if time allows.
Kate Walters’ works in watercolour and oil are concerned with the interaction of the animal, plant and human worlds; depicting in raw and graphic immediacy a relationship that is both intimate and nurturing.
Walters studied fine art at Brighton University. She spent some time teaching before completing a postgraduate fine art diploma at University College Falmouth. Around 2000 Kate was elected to be a member of the Newlyn Society of Artists (she was recently invited to become a director of the new branch of the NSA which is called the New Orion).
Walters was the recipient of two major awards (2004 & 2007) from the Arts Council England South West for the development of her work. She was also awarded travel bursaries to the Venice Biennale, and research trips to London and Berlin. She has recently received funding from The Juliet Gomperts Trust for the development and production of work for her solo show at Newlyn Art Gallery, ‘The Secret Worth a Thousand’. In May 2013 Kate was selected to attend the Venice Biennale Launch weekend with funding from a-n’s ‘Go and See’ initiative.
She has had works short-listed for the Jerwood Drawing Prize in 2003 and 2008; selected for the Royal Academy Summer Exhibition in 2006, the Discerning Eye exhibition at the Mall galleries in London in 2002/6/11, the Sefton Open in Southport, Artsway Open 09/05, curated by Peter Bonnell, Sway, Hampshire; Visual Exhibition for Art of Ideas II curated by Stephen Snoddy in Birmingham(2009),the Royal West of England Academy, the Exchange Drawing show, and her solo show at Newlyn Art Gallery. This show was well reviewed in The Guardian and the Spectator. Links are below.
Kate is also organizing and curating artists’ group shows; the first was held at the Stephen Lawrence Gallery (University of Greenwich) in March 2013 and in October 2013 a larger group is taking over the Art Pavilion in Tower Hamlets for 2 weeks. This show is called Like/don’t like/don’t care and will open on October 23rd. In November Kate is organising a large fund-raising drawing show for the charity Freedom from Torture to be held at Millennium in Cornwall.
Kate is currently working towards a solo show/residency at the New Schoolhouse Gallery in York in 2014. She has exhibited extensively throughout the UK and has work in private collections in the UK, Australia and Europe.
Julia Eva Wannenmacher, University of Erlangen-Nürnberg, Deutschland
Das Tier in der Theologie – Ambivalenzen einer Beziehung
Unde, cum homo sit supra cetera animalia, utpote ad imaginem Dei factus, convenienter eius gubernationi alia animalia subduntur. (Thomas von Aquin, Summa Theologica, prima pars, quaest. 96) Wenn vom Tier in der Theologie die Rede ist, endet diese oft allzuschnell mit dem Hinweis auf die von Thomas von Aquin maßgeblich festgeschriebene und schöpfungstheologisch begründete Überlegenheit und den göttlichen Herrschaftsauftrag des Menschen über das Vieh.
Dabei ist es längst nicht so einfach – nicht einmal, wenn man sich nur auf diese einzige Quaestio 96 des ersten Teils der Summa Theologica des Thomas beschränkt und den Satz im Kontext betrachtet. Dann nämlich wird aus der göttlichen eine naturrechtliche Begründung, und die Autorität, die dies bekräftigt, ist nicht mehr Gott und die Heilige Schrift, sondern Aristoteles und die Alltagspraxis.
In der Geschichte der Theologie, der Religion überhaupt, spielte das Tier immer eine Rolle, wenn auch oft nur als kontrastierende Folie, von der sich der Mensch in seiner Gottebenbildlichkeit und Vernunftfähigkeit abhebt. Für die Philosophie definiert Platons Sokrates ähnlich: „Dieser Name Anthropos, Mensch, bedeutet, daß die andern Tiere von dem was sie sehen nichts betrachten noch vergleichen oder forschend erwägen, der Mensch aber sobald er gesehen hat auch forschend betrachtet, anathrei, und erwägt. Daher wird unter allen Tieren der Mensch allein Anthropos, Mensch, genannt, weil er betrachtet was er gesehen hat, anathron ha opopein.“ (Platon, Kratylos, 399C, Übersetzung F. D. E. Schleiermacher)
Ähnlich anthropozentrisch argumentieren auch Texte der meisten anderen Religionen, denen zufolge mit großem Selbstbewußtsein das Tier als um des Menschen willen geschaffen, ihm unterlegen und unterworfen beschrieben wird. Dass in einigen Schlüsseltexten des Alten und Neuen Testaments der paradiesische Friede zwischen allen Geschöpfen, die Endlichkeit des Lebens und die Unsicherheit über das Fortleben im Jenseits wie auch die Sehnsucht nach Erlösung auf alle Geschöpfe, menschliche und nichtmenschliche Tiere, ausgedehnt wird, scheint in der Geschichte des theologischen Denkens bis zur Gegenwart meistens ausgeblendet worden zu sein. Immer wieder fanden und finden sich Stimmen innerhalb der christlichen Kirchen, die eine eindeutige Dominanz des Menschen feststellten, Stimmen auch, die den christlichen Kirchen genau diese Dominanz zum Vorwurf machten, während sich andererseits von den Anfängen der christlichen Theologie an immer auch gegenläufige Meinungen fanden, die sich mit ebenso viel Recht auf Bibel und Theologie beriefen.
In meinem Vortrag möchte ich diese Ambivalenz der Haltungen in den Quellen hervorarbeiten und zeigen, wie komplex und vielstimmig die Aussagen und Haltungen zum Thema Tier in der Theologie bis heute tatsächlich sind.
Julia Eva Wannenmacher, 2000-2001 Stipendiatin des Hochschulsonderprogramms III der FAU Erlangen-Nürnberg, 2002 Promotion ebd.bei Prof. Dr. Berndt Hamm zum Dr. sanctae Theologiae, bis 2009 Mitarbeit an verschiedenen Editionsprojekten (Schelling-Forschungsgesellschaft Berlin, DFG-Projekt Joachim von Fiore), 2009-2013 Lehrtätigkeit am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, 2012 Visiting Fellow am Internationalen Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung "Schicksal, Freiheit und Prognose. Bewältigungsstrategien in Ostasien und Europa"IKGF der FAU Erlangen-Nürnberg, 2012-2013 Habilitationsstipendium der FAU Erlangen-Nürnberg. Forschungsinteressen: (nicht nur) mittelalterliche Exegese und Apokalyptik, Paradies- und Jenseitsvorstellungen, Prophetie und Prophetenbilder, der Millenniumsgedanke, seine Herkunft und Nachwirkung, Ordensgeschichte und -reform in der frühen Neuzeit, Tiere und Tierbilder und ihre Entwicklung in Theologie und Philosophie.
Irina Wenk, University of Zurich, Switzerland
Conceptualizing Human-Animal Relations through Ethnographic Research
Imagine the following two settings:
… The winter riding hall in Vienna, a dozen white stallions performing so called „schools above the ground“ and perfectly choreographed steps and figures under their riders, on looking tourists deeply impressed, enchanted, some also bored. If not for the classical music that accompanies the performance there is silence. Some may be thinking: is this natural, is this what horses do? Others: this is wonderful, how do they do that?
… Mountainous tropical terrain, open land because the forest is gone. A bamboo fence, a mare, two stallions, an on looking crowd of dozens of men, women and children. The stallions fight, bang into one another on their hind legs, kick, bite, tear each others skin, fall over, get on their feed again, sweat, blood. The mare in between trying to stay safe. The crowd cheers for the stallions, people obviously enjoy the fight, they enjoy the animals’ strength, spirit and performance. Me, the only western onlooker thinking: how brutal!
Based on these two ethnographic vignettes I reflect on how empirical ethnographic research can contribute to conceptualizing human-animal relations as culturally embedded practices that merit our attention beyond their ostensibly obvious compulsivity or brutality. What do horses in each of these diverse settings mean for the human individuals and groups that engage in performative or ritualized acts with them? How and for what purposes are they (ab)used or deployed by their human caretakers and how do the actors to the relationship – both humans and animals – engage? How might this engagement and underlying conceptions be ethnographically/empirically studied? Beyond the outcry about what some might term animal abuse in either or both the cases presented, I seek to anthropologically contribute towards an understanding of the sociocultural and socio-political processes that underlie these various phenomena of human-horse interaction. The fundamental philosophic-anthropological questions that drives my research is how humans conceptualize animals and what the foundational relationship is between nature and culture in any particular context in which humans and animals jointly engage.
Observing such multi-species phenomena, I recognize that what I know about animal behavior, about the people I study, about their history and their present socio-economic and political situation as well as my personal relationship with animals all decisively shapes my observations, data and scientific interpretation. It is therefore not scientific objectivity in a positivist sense that should be aimed at in such an ethnographic undertaking. Rather, it is the reflection on and critical discussion of human and animal dispositions, including that of the researcher him- or herself that helps advance both the theoretical and practical challenges at hand.
Irina Wenk is studies coordinator, lecturer and researcher at the Department of Social and Cultural Anthropology of the University of Zurich. As a post-doc researcher she is currently designing a project on human-equine relations at the Spanish Riding School in Vienna. She is interested in human-animal relations with a particular focus on the role of animals in political contexts, i.e. their influence on political elites and these elites use of animals to retain, establish or perpetuate power. Between 2003 and 2010 she has done ethnographic fieldwork in Mindanao, the southern Philippines, where she observed and was fascinated by human-arranged horse fights. She has this year taught a course on humans and animals in anthropology and as such introduced the wider field of Human-Animal Studies at the Zurich Department where she works.
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