14.1.3 Der Sturz des Hofmeisters Hieronymus von Stauf und die endgültige
Einigung der Herzöge Wilhelm und Ludwig
Knapp zwei Jahre nach den ersten Verträgen zwischen den Herzögen Ludwig und Wil-
helm schlossen diese im Frühjahr 1516 auf dem Landtag von Ingolstadt ein weiteres
1080
Vgl. BayHHStA, KÄA 4050, fol. 207
r
: ...unnd so ich ewr paider lieb aus mueterlicher trew meins
versten das pest zw raten schuldig pin, unnd damit die lanntschaft unnd menigklichen, die auch in
annder hannden darvonn gehört haben, ewr paider lieb nit peschuldigent, wankchelmuetig in den
reden vernemen zwsein, dardurch veracht unnd ring geschatzt, das mir ain groß hertzenlait wer...
1081
Vgl. BayHHStA, KÄA 4050, fol. 207
r
: ...das ist mein rat, freuntlich pit unnd spruch, das ewr paide
lieb wellent den pruederlichen vertrag nachkomen...
1082
Vgl. BayHHStA, KÄA 4050, fol. 207
r und v
.
242
Abkommen, das die Erbstreitigkeiten im Herzogtum Bayern endgültig beendete.
1083
Die
Rolle Kunigundes beschränkte sich auch in diesem Jahr nicht nur auf das Äußern ihrer
Zustimmung, wie das in ihrem Namen ausgestellte Konzept der Vereinbarung belegt, in
dem die Einzelheiten der künftigen Regierung festgelegt wurden und in dem sie sich als
dy muetter, spruchfrau vnnd ursacherin dises vertrags bezeichnete.
1084
Diese ab-
schließende Regelung aber konnte nicht gänzlich ohne Blutvergießen geschlossen wer-
den, dem engen Zusammenschluß Wilhelms und Ludwigs ging ein im Herzogtum ein-
zigartiger Hochverratsprozeß voraus, der hier nur in Kürze geschildert werden soll.
1085
Am 2. April 1516 erschienen die Brüder vor der in Ingolstadt versammelten Landschaft
und teilten dieser mit, daß der Hofmeister Hieronymus von Stauf aus dringenden Grün-
den in der vergangenen Nacht verhaftet worden sei. Gegen ihn, den ersten Mann im
Herzogtum, der bei der Landschaft und der Bevölkerung zunehmend unbeliebt gewor-
den war,
1086
wurden insgesamt 34 Anklagepunkte erhoben, die zwar auf einem brüder-
lichen Kompromiß beruhten, zum großen Teil aber von Herzog Ludwig ausgegangen
waren. Offensichtlich hatte er mit Unterstützung der Herzogin seinen Bruder überzeu-
gen können, daß Hieronymus von Stauf ein Verräter sei, womit dieser seine letzte Stütze
am Münchner Hof einbüßte.
1087
Man warf Stauf vor, er habe die Herzöge gegeneinander
aufgehetzt und außerdem versucht, Zwietracht zwischen Wilhelm und dem Land-
schaftsausschuß des Landtages von 1515 gesät zu haben, indem er die Herzogin Sabine,
die seit ihrer Flucht aus Württemberg in München lebte, über einen beabsichtigten
Putsch der Landschaft informiert habe.
1088
1083
Vgl. W
EINFURTER
, Einheit, S. 341f. sowie L
UTZ
, Konfessionelles Zeitalter, S. 301.
1084
Vgl. BayHStA, Kurbayern-Urkunden 7331, Zitat fol. 9. Das Konzept eines Einigungsvertrages
zwischen den Herzögen Wilhelm und Ludwig datiert vom 15. Mai 1516 (München, pfincztag nach
dem heiligen Pfingstferien).
1085
Zum Fall des Hofmeisters von Stauf vgl. kurz L
UTZ
, Konfessionelles Zeitalter, S. 301f. und
ausführlich R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S. 27-33. Hieronymus von Stauf war in der Vergangenheit als
eines der führenden Mitglieder des Löwler-Bundes schon einmal in herzogliche Ungnade gefallen und
1491 von Albrecht IV. sogar gefangen genommen worden. Nach der Einigung des Herzogs mit den
Löwlern wurde er allerdings in Gnaden wieder aufgenommen und diente Albrecht IV. im Landshuter
Erbfolgekrieg sogar als Hauptmann von Straubing. Sein Bruder Bernhardin gehörte zu den von
Herzog Albrecht bestimmten Vormündern für seinen unmündigen Sohn Wilhelm. Hieronymus wurde
auf dem ersten Münchner Landtag von der Landschaft zum täglichen Rat und Hofmeister beider
Herzöge bestimmt, begleitete im Sommer 1514 aber den älteren Wilhelm nach Burghausen.
Wahrscheinlich war er einer der treibenden Männer bei der vorläufigen Einigung der Brüder im
Anschluß an die Innsbruck-Reise im Herbst 1514. Vgl. R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S. 29f. Zu Hieronymus
von Stauf vgl. auch L
ANZINNER
, Fürst, S. 409f.
1086
Vgl. L
UTZ
, Konfessionelles Zeitalter, S. 302.
1087
Vgl. R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S. 31f.
1088
Dieser Vorwurf entstammt einem Bericht des Grafen Wolf von Haag, der vor der Landschaft
referierte, was ihm die Herzoginmutter Kunigunde in München anvertraut habe. Als sich die
Landschaft in Landshut versammelt habe, sei der Hofmeister von Stauf zu ihrer Tochter Sabine
243
Die Herzoginmutter war offensichtlich von Beginn an in die Handlungen ihrer Söhne
eingeweiht, wie aus einem Schreiben der Herzöge an sie hervorgeht, in dem Ludwig und
Wilhelm berichteten, daß es der Landschaft gefalle, daß Kunigunde über alles Bescheid
wisse.
1089
Die Herzogin versuchte zudem, von München aus den Prozeß gegen den
Hofmeister zu beeinflussen. In zwei auf den Ostermontag (24. März 1516) datierten
Schreiben bat sie den Grafen Wolf von Haag und den Ritter Christoph von Laymingen,
der Landschaft gegenüber die Entsetzung des Hieronymus von Stauf aus dem Hof-
meisteramt zu betreiben, da sie wüßten, daß dieser für all meine Söhne, auch Land und
Leut nicht sei. Die Adressaten der Briefe wüßten schließlich, was Schad meinen Söhnen,
Land und Leuten aus des Staufers böser Handlung entstanden sei. Statt dessen sollte die
Landschaft einen frommen, gottsförchtigen, verständigen Mann als Hofmeister Wil-
helms einsetzen.
1090
Die Bemühungen der herzoglichen Familie, sich des Hofmeisters zu entledigen, waren
schließlich von Erfolg gekrönt, zumal die Herzöge den Kaiser auf ihre Seite ziehen
konnten. In einem parteiisch geführten Gerichtsverfahren, dessen tatsächlicher Hinter-
grund heute nicht mehr nachvollzogen werden kann, wurde Hieronymus als der eigent-
lich Schuldige an den Konflikten zwischen Wilhelm und Ludwig hingestellt und noch
während des Ingolstädter Landtages am 8. April 1516 hingerichtet.
1091
Nachdem sich die Herzöge auf diese Weise ihres Hofmeisters entledigt hatten, stand
einer endgültigen Einigung nichts mehr im Weg. Am 7. April verkündeten beide der
überraschten Landschaft, daß sie sich entschlossen hätten, künftig mit nur einer gemein-
samen Verwaltung und Hofhaltung zu regieren.
1092
Die einzelnen Punkte des brüder-
lichen Vertrages lassen sich dem schon genannten Konzept Kunigundes entnehmen, das
auch den Grund für die neuerliche Änderung des Vertrages nennt.
1093
Ihre Söhne hätten
aufgrund der hohen Schulden, die noch aus der Zeit des Landshuter Erbfolgekriegs her-
gekommen und habe sie in die Pläne der Landschaft, den Herzog zu stürzen, eingeweiht. Sabine sei
darüber sehr erschrocken gewesen und habe daher sofort ihre Mutter über den Inhalt dieses
Gespräches unterrichtet. Die Herzogin habe ihre Tochter beruhigt und sie angewiesen, den Reden des
Staufers keinen Glauben zu schenken, da die Landschaft treu zu den Fürsten stehe. Vgl. Franz von
K
RENNER
: Die Landtage im Herzogthum Baiern von den Jahren 1515 und 1516 als Fortsetzung der
Landtags-Verhandlungen vom Jahre 1514. München 1804, S. 298f. Vgl. ebenso R
IEZLER
, Baiern, Bd.
4, S. 31.
1089
Vgl. R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S. 29.
1090
Vgl. K
RENNER
, Landtag 1515/16, S. 299f. (Schreiben Kunigundes an Graf Wolf von Haag) und S.
300f. (Schreiben Kunigundes an Christoph von Laymingen) sowie R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S.
1091
Vgl. L
UTZ
, Konfessionelles Zeitalter, S. 301f. sowie R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S. 32.
1092
Vgl. R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S. 26.
1093
Erst am 16. Februar 1516 war der Vertrag vom 20. November 1514 für einen Zeitraum von fünf
Jahren (bis Maria Lichtmeß 1521) verlängert worden. Vgl. R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S. 26.
244
rührten, beschlossen, in Zukunft gemeinsam zu regieren und sich daher an ihre Mutter
gewandt, damit diese einen Regelung für die gemeinsame Hofhaltung aufstelle.
1094
Als ersten Punkt sah diese Regelung vor, daß die Fürsten in Zukunft zusammen eine
Hofhaltung haben und gemeinsam regieren sollten, wobei auch alle Räte, Diener und
Viztume beiden gemeinsam verpflichtet sein sollten.
1095
Sollten die Brüder nach einem
Zeitraum von zehn Jahren auf einer getrennten Hofhaltung und Regierung bestehen,
sollte Herzog Wilhelm die Rentmeisterämter von München und Burghausen, Herzog
Ludwig dagegen die Ämter von Landshut und Straubing erhalten, wobei jeder allein für
seinen Teilbereich zuständig sein sollte.
1096
Ein weiterer Artikel sah vor, daß Wilhelm
nach Ablauf dieser Frist von zehn Jahren vom herzoglichen Vermögen zwei Drittel
erhalten sollte, das übrige Drittel sollte an Ludwig gehen. Sollten die Schulden Herzog
Albrechts bis dahin nicht bezahlt worden sein, sollte der ältere zwei Drittel, der jüngere
ein Drittel davon übernehmen.
1097
Der vierte Punkt der Abmachung sah vor, daß in den
kommenden zehn Jahren keiner der Herzöge ohne Zustimmung des anderen die gesamte
Landschaft oder einen Ausschuß einberufen dürfe. Eine Ausnahme von dieser Regel
sollte nur dann gestattet werden, wenn sich einer der beiden Herzöge nicht im Land
befände, eine Einberufung der Landschaft aber nicht zu umgehen wäre.
1098
Der fünfte Paragraph legte fest, daß die Vitztume, Hauptleute, Räte und Rentmeister der
vier Bezirke München, Burghausen, Landshut und Straubing auf den brüderlichen Ver-
1094
Vgl. BayHStA, Kurbayern-Urkunden 7331, fol. 2f.
1095
Vgl. BayHStA, Kurbayern Urkunden 7331, fol. 3: Unnd nemlich zum ersten, das beide obbemelt
unnser lieb söne, hertzog Wilhelm unnd hertzog Ludwig, gebrüder, sich mit iren anwesen unnd
wonung zusammen thun, ain aynig regiment unnd hoffhalten haben sollen, ier hertzogthumb Ober-
unnd Niderbairen mitainander unvertailt, mit aynigem, ungesundert hoffhalten, gemainen rethen,
vitzdomen, habtleuten unnd renntmaistern, die iren liebden sammettlich unzertailt verpflicht sein
sollen, freuntlich unnd bruederlich zu regieren, [...] unnd ain hertzogthumb sein unnd haissen. Auch
von römischer khayserlicher Majestat dy furstlichen regalia, sammettlich mitainander entpfahen,
unnd bestettung über des furstenthumbs regalia und freihait auff gemainen khesten auss der
römischen cannzley erledigen, unnd irer lanndschafft gemaine lanndsfreyhaitt unnder irer beider
insigel sammettlich gnediklich geben unnd bestetten sollen. Auch dy erbhuldigung von inen dagegen
entpfahen, unnd also in allen sachen gleich unnd ainig regierendt fursten dy zeitt diss ieres werung
vertrags sein, haissen unnd pleiben...
1096
Vgl. BayHStA, Kurbayern Urkunden 7331, fol. 4f.: Zum andern, ob sich begeb, das bemelte unnser
lieb söne, beide fursten, gebruder, nach erscheinung beruerter zehen jar oberzelter mass nit mer
mitainander regieren wolten (das doch on peider beweglich ursach nit beschen), als dann soll ir yeder
seine zway renntmaiserambt, nemlich hertzog Wilhelm München unnd Burckhausen, unnd hertzog
Ludwig Lanndshuet unnd Straubing mit aller furstlichen oberkheit unnd zuegehörig fleckhen [...],
ambtleuten unnd dienern, als ir liebe ain zeitt her vor disem zehenjerigen vertrag gethan haben,
regieren, innhaben und geprauchen; unnd irer yglichen sein stett unnd merckht seiner verwaltung
allain verpflicht sein, wie dann ir erster vertrag der dreier jar desshalb weitter in sich helt unnd
vergreifft. Doch solle irer khainer der furstengebruder seine stet unnd merckht seiner verwaltung als
dann gegen unnd wider den andern zuhilff nicht bewegen noch geprauchen.
1097
Vgl. BayHStA, Kurbayern Urkunden 7331, fol. 5.
1098
Vgl. BayHStA, Kurbayern Urkunden 7331, fol. 5f.
245
trag vereidigt werden sollten, nachdem die Fürsten ihrerseits der Herzoginmutter ver-
sprochen hatten, diesen endgültigen Bescheid einzuhalten. An dieser Stelle wurde auch
die Erbhuldigung angesprochen, die in den vier Hauptstädten des Herzogtums zu erfol-
gen hatte.
1099
Im sechsten und letzten Punkt des Vergleichs wurde für den Fall, daß die
Herzöge doch einmal in einen Streit geraten sollten, den sie selbst nicht mehr bewäl-
tigen könnten, Bischof Philipp von Freising, ein geborener Pfalzgraf bei Rhein, zum
Schlichter erklärt. Für den Fall, daß Bischof Philipp vorher stürbe, sollten sich beide
Herzöge auf einen anderen unparteiischen Obmann einigen.
1100
Die tatsächliche Lebensweise der Herzöge, die sich mit diesem Vertrag zu einer
gemeinsamen Regierung und Hofhaltung verpflichtet hatten, entfernte sich in den fol-
genden Jahren und Jahrzehnten allerdings immer mehr von dieser Vorgabe, da Herzog
Ludwig einen Großteil seiner Zeit in seiner Landshuter Residenz verbrachte. Auch wenn
alle wichtigen Regierungsbeschlüsse in beider Namen herausgegeben wurden, behielt
das von Ludwig verwaltete Gebiet eine gewisse Selbständigkeit.
1101
Die Auseinandersetzungen des Jahres 1514 bezeichnen auch im Leben der Herzogin
einen Wendepunkt. Während sie in den Jahren zuvor kaum wirklich aktiv in die Politik
eingegriffen und ihren Bruder auch nur dann heftig bedrängt hatte, wenn es die Zukunft
und die Stellung ihrer Familie betraf, zeigte Kunigunde in diesem Jahr, wie beharrlich
sie sich für eine Sache einsetzen konnte, wenn sie ihr wirklich am Herzen lag. Wenn
auch die Rolle und die Bedeutung der bayerischen Landstände im Streit den beiden
Herzöge nicht unterschätzt werden darf, steht doch ebenso sicher außer Frage, daß auch
Kunigunde einen wichtigen Beitrag in dieser Auseinandersetzung leistete. Durch ihre
Parteinahme für Ludwig konnte sich dieser zumindest ermutigt fühlen, gemeinsam mit
der Landschaft seine Regierungsbeteiligung zu fordern. Sie selbst hielt die Ansprüche
Ludwigs sogar für so wichtig, daß sie persönlich mit den Vertretern der Landschaft und
ihres Bruders verhandelte; diese Aktivität ist um so höher einzuschätzen, da sie zu Leb-
zeiten ihres Mannes lediglich repräsentativen Aufgaben nachgekommen war und ihren
1099
Vgl. BayHStA, Kurbayern Urkunden 7331, fol. 6f.: ...dann wir sunderlich genaigt seien, unnser lieb
söne in friden unnd gueter ainikhaitt (dardurch irer lieb ere, nutz unnd wolfart sich hoch meren mag)
zu behalten, haben wir nach fleissiger underhanndlung sovil bey ine beiden erhebt unnd vermugt, das
ir baider lieb auss khintlicher lieb unnd zucht disen streit vermelts artikels unns frey zu unnsern
hannden unnd willen gesetzt unnd gestelt haben; unnd unns darauff beide unnd yglicher in
sunderhaitt mit handgebung treue angelobt, was wir desshalb zwischen ine beid guettlich sprechen...
1100
Vgl. BayHStA, Kurbayern Urkunden 7331, fol. 7ff.
1101
Vgl. L
UTZ
, Konfessionelles Zeitalter, S. 301.
246
Wunsch nach Zurückgezogenheit durch ihren Eintritt in das Münchner Pütrich-Regel-
haus zum Ausdruck gebracht hatte.
Auffallend ist zudem, daß Kunigunde, die sich Zeit ihres Lebens ihres Ranges als
Tochter und Schwester eines Kaisers bewußt war, in diesem Fall den Traditionen des
Mittelalters bezüglich der Erbteilung folgte, obwohl sie mit ihrer Haltung eine erneute
Teilung des Herzogtums Bayern riskierte, die erst wenige Jahre zuvor durch einen blu-
tigen Krieg überwunden worden war. Obwohl Albrecht IV. die Primogeniturordnung
durchgesetzt hatte, um die Einheit des Herzogtumes in Zukunft zu sichern, wandte sich
seine Frau gegen diesen Plan, da sie es mit ihrem Standesbewußtsein nicht vereinbaren
konnte, ihre jüngeren Söhne als Grafen degradiert zu sehen. Sie setzte also in dieser
schwierigen Zeit den Rang ihrer Söhne höher ein als die Einheit des Landes, die
schließlich nur gewahrt blieb, weil Herzog Ludwig ohne eheliche Nachkommen ver-
starb.
14.2 Kunigunde und ihre Tochter Sabine von Württemberg
Der Einsatz der Herzogin für ihre Kinder war jedoch nicht allein auf das Gebiet der
bayerischen Politik und ihre Söhne beschränkt; vielmehr bemühte sich Kunigunde, auch
ihren Töchtern zur Seite zu stehen, wenn dies ihr erforderlich schien. Ein Beispiel dafür
ist das Eingreifen zugunsten ihrer Tochter Sabine, als sich diese nach dem Scheitern
ihrer Ehe mit Herzog Ulrich von Württemberg zu ihrer Familie nach München
flüchtete.
1102
Diese Ehe war im März 1511 hauptsächlich aus politischen Erwägungen
heraus geschlossen worden und von Beginn an nicht glücklich verlaufen, woran Sabine
aufgrund ihres aufbrausenden, heftigen, teilweise sogar groben Temperamentes
sicherlich nicht schuldlos war.
1103
Auch Ulrich trug durch sein wildes, jähzorniges
Verhalten, das teilweise sogar in körperliche Mißhandlungen gegenüber seiner Frau
1102
Zu Herzogin Sabine von Württemberg und ihrer Ehe vgl. D
ECKER
-H
AUFF
, Frauen, S. 59-70; S
AUTER
,
Sabine, S. 298-355; B
ELLI
, Sabine, S. 76-100, sowie R
IEZLER
, Baiern. Bd. 4, S. 39-45. Zu Herzog
Ulrich von Württemberg vgl. Franz B
RENDLE
: Dynastie, Reich und Reformation. Die
württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich
(Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe
B, Bd. 141). Stuttgart 1998, bes. S. 25-74; Volker P
RESS
: Herzog Ulrich (1498-1550), in: Robert
Uhland (Hg.): 900 Jahre Haus Württemberg. Leben und Leistung für Land und Volk. Stuttgart 1984,
S. 110-135 sowie allgemein: Dieter M
ERTENS
: Württemberg im Sog Habsburgs, in: Meinrad
Schaab/Hansmartin Schwarzmaier (Hg.): Handbuch der Baden-Württembergischen Geschichte. Bd. 2:
Die Territorien im Alten Reich. Stuttgart 1995, S. 55-82; Christoph Friedrich von S
TÄLIN
:
Wirtembergische Geschichte. 4. Theil: Schwaben und Südfranken vornehmlich im 16. Jahrhundert.
Zeit der wirtembergischen Herzoge Eberhard II., Ulrich, Christoph, Ludwig. 1498-1593. Stuttgart
1873.
1103
Vgl. S
AUTER
, Sabine, S. 309.
247
ausartete, seinen Teil zum Scheitern der Ehe bei.
1104
Schon in den ersten Jahren trug
sich Sabine daher mit dem Gedanken, ihren Ehemann zu verlassen. Offenbar teilte sie
diese Pläne auch ihrer Mutter mit, die ihrer Tochter allerdings vorerst nur den Rat geben
konnte, ihren Gemahel mit Erzaigung aller Freundschaft in Geduld und Demüthigkeit
zu überwinden, und soviel ihr möglich sey, zu lieben.
1105
Kunigunde, die mit Albrecht
eine sehr glückliche Ehe geführt hatte, vermochte sich die Behandlung ihrer Tochter
durch ihren Schwiegersohn Ulrich oder gar eine Trennung der Ehepartner in diesen
ersten Jahren offensichtlich nicht vorzustellen. Nach Aussage ihrer Söhne habe sie
wegen der Behandlung ihrer Tochter sogar eine überbeschwerlich Bekümmerniß, und
Trübsal [...] leiden und tragen müssen
1106
und ihr daher den oben zitierten Ratschlag
gegeben. Nach der Ermordung des Stallmeisters Hans von Hutten durch den Herzog
1107
und dem Verlauf des Stuttgarter Landtages im Juli 1515
1108
mußte Sabine, die zur dieser
Zeit in Urach Hof hielt, das Schlimmste befürchten, als ihr Gemahl sie im November
dieses Jahres anwies, mit ihren beiden Kindern nach Stuttgart überzusiedeln.
1109
Nachdem Dietrich Spät, ein ehemaliger Rat Albrechts IV. und zugleich
württembergischer Erbtruchsess, den Kontakt zu den bayerischen Herzögen
aufgenommen hatte, die diese Behandlung ihrer Schwester nicht länger dulden wollten,
verließ Herzogin Sabine am 25. November 1514 in aller Heimlichkeit, aber mit
Billigung ihres Onkels Maximilian, das Schloß zu Nürtingen, wo sie auf ihrer Reise
1104
Vgl. S
AUTER
, Sabine, S. 311.
1105
Vgl. S
AUTER
, Sabine, S. 312 sowie R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S. 40. Dieses Zitat erscheint in einem
Ausschreiben der Herzöge Wilhelm und Ludwig an die württembergische Landschaft vom 21.
Dezember 1515. Vgl. HStA Stuttgart, G 41, Bü. 2 sowie hier zitiert nach K
RENNER
, Landtag 1515/16,
hier S. 105 (Ausschreiben der Herzöge Wilhelm und Ludwig S. 103-109).
1106
Vgl. K
RENNER
, Landtag 1515/16, S. 105.
1107
Die Ermordung Huttens, dessen Ehefrau Ursula Thumb von Neuburg die Geliebte Herzog Ulrichs
gewesen war, führte zu einer schweren Krise zwischen dem Herzog und seiner Ritterschaft, zumal der
Vetter des Ermordeten, der Humanist Ulrich von Hutten, immer wieder Stellung für seinen Vetter
bezog. Vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 33-39. Zu Ulrich von Hutten und dessen Bedeutung vgl. Wilhelm
K
REUTZ
: Die Deutschen und Ulrich von Hutten. Rezeption von Autor und Werk seit dem 16.
Jahrhundert (Veröffentlichungen des Historischen Instituts der Universität Mannheim). München
1984
.
1108
Um mit der Landschaft zu einem Ausgleich zu kommen, hatte Herzog Ulrich, der inzwischen am Hof
Kaiser Mamimilians weilte, für den 1. Juli einen Landtag nach Stuttgart ausgeschrieben. In
Abwesenheit Ulrichs kam es nun zu einer weiteren Verschärfung der Situation, da es Herzogin Sabine
gelang, mit Dietrich Spät einen Verbündeten für ihre Flucht zu gewinnen, der als Verwandter des Hans
von Hutten dem Herzog diese Tat nicht verzeihen konnte. Auch die Herzöge von Bayern schickten
ihre Vertreter nach Württemberg, die ursprünglich finanzielle Klagen Sabines vorbringen sollten.
Nachdem sie aber von den Plänen der Landschaft erfahren hatten, die vorsahen, daß Herzog Ulrich
zugunsten seines neugeborenen Sohnes Christoph und einer Vormundschaftsregierung unter der
Leitung der Herzogin Sabine auf die Regierung verzichten sollte, sah die bayerische Delegation von
einer Vorsprache auf dem Landtag ab. Vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 39f.
1109
Vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 41. Die Anordnung Ulrichs geschah scheinbar aus Kostengründen,
tatsächlich aber, um eine Flucht Sabines zu verhindern.
248
nach Stuttgart einen Halt eingelegt hatte. Ihre Kinder sowie ihre jüngere Schwester
Susanne, die zu jener Zeit bei ihr zu Besuch war, ließ sie bei Herzogin Elisabeth, der
Witwe Herzog Eberhards, zurück, der sie später ein erklärendes und entschuldigendes
Schreiben sandte. Begleitet wurde Sabine nur von ihrer Hofmeisterin und einer weiteren
jungen Frau. In der Stadt Ehingen wartete schließlich eine Eskorte des Kaisers, die sie
nach Bayern geleitete.
1110
In München wurde die Herzogin von Kunigunde empfangen,
die sich ebenso wie die beiden Herzöge und die Vertreter der bayerischen Landschaft
auf die Seite Sabines stellte.
1111
Am 21. Dezember verfaßten Wilhelm und Ludwig ein
Schreiben an die württembergischen Landstände, in dem sie die Gründe ihrer Schwester
für die Flucht vor ihrem Ehemannes und aus dem Herzogtum nannten. Gleichzeitig
wollten sie versuchen, die württembergischen Landstände für die geplante Absetzung
des Herzogs zu gewinnen. Viel Platz nimmt in diesem Schreiben auch die Meinung
ihrer Mutter ein, die offenbar von ihren noch unverheirateten Söhnen in diesem Bereich
als Autorität anerkannt wurde.
1112
Drei Tage später formulierte die württembergische Herzogin selbst ein Ausschreiben, in
dem sie der Landschaft ihres Herzogtums, anderen fürstlichen Höfen und der in Ehingen
versammelten schwäbischen Ritterschaft die Mißhandlungen schilderte, denen sie in
ihrer Ehe ausgesetzt war, um damit ihre Flucht aus Württemberg zu erklären.
1113
Die
Bemühungen der bayerischen Herzöge um die Landschaft waren allerdings nicht von
Erfolg gekrönt, da die Schreiben teils von Ulrichs Gefolgsleuten abgefangen, teils aber
1110
Vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 41f. sowie S
AUTER
, Sabine, S. 314f. Die Drahtzieher der Flucht Sabines
dürften, neben Dietrich von Spät, wohl vor allem ihre Brüder, die Herzöge Wilhelm und Ludwig,
gewesen sein, da sich neben württembergischen Rittern auch ein bayerischer Edelmann an der Aktion
beteiligte. Vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 42. Für eine Mitwirkung Kaiser Maximilians, der zwar in
einem Schreiben an Herzog Ulrich seine Unschuld beteuerte, spricht u.a., daß Sabine selbst diese in
einem Brief erwähnte, daß die Herzogin nach ihrer Flucht bei dem kaiserlichen Sekretär Hans Renner
übernachtete, und daß ihr der Kaiser für den Weg nach München eine Eskorte zur Verfügung stellte.
Vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 44.
1111
Vgl. S
AUTER
, Sabine, S. 318.
1112
Vgl. HStA Stuttgart, G 41, Bü. 2 sowie K
RENNER
, Landtag 1515/16, S. 103-109. Zu Kunigundes Rolle
als Ratgeberin ihrer Söhne vgl. beispielsweise den oben schon genannten und von ihren Söhnen
zitierte Ratschlag an Sabine, ihren Mann zu überwinden und zu lieben. Daß die alte Herzogin von
ihren Söhnen an erster Stelle genannt wurde und der hochachtungsvolle Ton, in dem Wilhelm und
Ludwig über ihre Mutter sprechen, spricht ebenfalls für diese Überlegung (Zitiert nach K
RENNER
,
Landtag 1515/16, S. 106ff.: ...Als aber über solches alles unser gnädige Frau Mutter und Uns durch
mannich gründlich Anzeigen angelangt ist [...], das derselben unser gnädigen Frauen als der Muetter,
auch Uns Gebrüdern ganz nit geziemen woll, [...] ...dann daß Sie als ein fromme Fürstin, und ihrer
Kinder Mutter [...] dieselben, wie sich gegen Gott und der Welt gebührt, mit eurer Hilf gern Fürstlich
zu allen Tugenden auferziehen wollt helfen... [...] ....und unser gnädigen lieben Frauen Muetter K.Mt.
Schwester, und Unns hierinn Mitleiden tragen...).
1113
Vgl. HStA Stuttgart, G 41, Bü. 2 sowie K
RENNER
, Landtag 1515/16, S. 110-114. Zum Ausschreiben
der Herzöge von Bayern und der Herzogin Sabine vgl. auch S
AUTER
, Sabine, S. 318f.
249
von den angeschriebenen Städten an den Herzog weitergeleitet worden waren.
1114
Zusätzlich angeheizt wurde die Situation noch durch ehrenrührige Gerüchte, die nach
der Flucht Sabines überall im Herzogtum Württemberg Verbreitung fanden. Nachdem
Sabine die Namen der dafür Verantwortlichen in Erfahrung hatte bringen können,
wandten sich Sabine, ihre Mutter sowie Wilhelm und Ludwig an den Kaiser, um die
Auslieferung der Schuldigen zu erbitten.
1115
Kunigunde äußerte sich erst einige Monate später „offiziell“ zu den Eheproblemen ihrer
Tochter. Ihre Meinung brachte sie am 29. März 1516 in einem Schreiben an die bayeri-
sche Landschaft zum Ausdruck.
1116
Darin erklärte sie ihre Tochter, die in den Jahren
ihrer Ehe stets guten Willen gezeigt habe, für unschuldig am Scheitern der Ehe; die
volle Schuld käme vielmehr Herzog Ulrich zu, der sich so grausam gegenüber Sabine
verhalten hätte, daß diese ihres Leibs, Ehren und Lebens unsicher gewesen sei. Daher
habe sie keine andere Wahl gehabt, als sich aus gewisser Warnung zu Abzug, Rettung
ihres Leibs, Ehren und Lebens gedrungen, von ihren unerzogen liebsten Kindlein mit
herziglichen und mütterlichen Schmerzen zu trennen, was sie selbst als Mutter nicht
unbillig fände.
1117
An die Landschaft richtete sie nun den Apell, ihre Söhne und Sabine,
die sich allweg von ihrer Kindheit auf bisher ehrlich züchtiglichen fromlich gehalten
habe, nicht im Stich zu lassen, sondern die von Wilhelm und Ludwig geforderte Hilfe zu
leisten.
1118
Mittlerweile hatten aber die Angehörigen und Anhänger der Familie von Hutten die
Chance erkannt, die sich für ihre Familie aus den Eheproblemen ihres Herzoges ergab,
und Kontakt mit den bayerischen Herzögen aufgenommen, um ein gemeinsames Vor-
gehen gegen den Württembergischer zu erreichen. Federführend war hier Ulrich von
Hutten, der die durch die unstandesgemäße Behandlung Sabines erschütterten Bezie-
hungen zwischen den bayerischen Herzögen und ihrem Schwager für seine Zwecke zu
nutzen versuchte.
1119
1114
Vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 46.
1115
Vgl. S
AUTER
, Sabine, S. 319f.
1116
Vgl. K
RENNER
, Landtag 1515/16, S. 320-323 (Schreiben Kunigundes vom 29. März 1516). Vgl.
außerdem S
AUTER
, Sabine, S. 321.
1117
Vgl. K
RENNER
, Landtag 1515/16, S. 321.
1118
Vgl. K
RENNER
, Landtag 1515/16, S. 322f. (Zitat S. 321).
1119
Zum Vorgehen Ulrichs von Hutten vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 46f. Den bayerischen Herzögen schien
aber in dieser Angelegenheit Vorsicht geboten, da eine Verurteilung Herzog Ulrichs die Einheit des
Reichsfürstenstandes gesprengt hätte; die bayerischen Räte waren sich einig, daß man vor allem auf
das Einverständnis Kaiser Maximilians angewiesen war, wobei man den Kaiser mit der Weigerung,
Truppen für den italienischen Feldzug zu stellen, unter Druck zu setzen versuchte. Der Kaiser ließ sich
allerdings nicht zu einer unüberlegten Handlung drängen, so daß seine bayerischen Neffen, die sich
250
Nachdem einige Vermittlungsversuche gescheitert waren, wurde die Regelung beider
Fälle zunächst erfolglos von Matthäus Lang, dem Erzbischof von Salzburg, übernom-
men. Nach dem Scheitern des italienischen Feldzuges wurde der Kaiser im Reich mit
einer Oppositionspartei gegen Herzog Ulrich konfrontiert, die immer heftiger auf dessen
Verurteilung drängte. Die bayerische Herzogsfamilie, darunter auch Kunigunde, wandte
sich nun gemeinsam mit Ulrich von Hutten an den Kaiser, um diesen zu einem rechtli-
chen Vorgehen gegen Ulrich zu bewegen, was sie formal mit der Nichteinhaltung kai-
serlicher Mandate durch Herzog Ulrich begründeten.
1120
Der Kaiser setzte schließlich einen Schiedstag in Augsburg an, wobei es sein erklärtes
Ziel war, den Prozeß gegen den Herzog nicht bis zum Ende durchzuführen, sondern
möglichst zu einem Vergleich zwischen den beteiligten Parteien zu gelangen.
1121
Zu
diesem Schiedstag reiste auch Kunigunde an. Ihr Auftreten, dem ein gewisser Hang zur
Theatralik auch in diesem Fall nicht abzusprechen ist, schildert der Gesandte Giacomo
Malatesta in einem Schreiben an Ptolomeo Gonzaga: Der Kaiser habe heute im
Gerichtsgebäude von Augsburg eine öffentliche Audienz abgehalten. Plötzlich sei die
Schwester des Kaisers in der Kleidung einer Nonne eingetreten, welche die Witwen
dieses Landes zu tragen pflegten.
1122
In ihrer Begleitung hätten sich ebenso gekleidete
Dienerinnen sowie ihr Sohn, der Herzog von Bayern, befunden. Der Kaiser habe seiner
Schwester zuerst einen mit schwarzem Damast bezogenen Stuhl angeboten und sich
zunächst mit seinem Kanzler Sernteiner unterhalten. Durch diesen habe er schließlich
mitteilen lassen, daß er über das Kommen der Herzogin sehr verwundert sei. Kunigunde
sei anstelle einer Antwort vor ihrem Bruder in die Knie gesunken und habe gesagt, daß
sie den Kaiser nur um Gerechtigkeit bitten wolle. Ein Anwalt Kunigundes habe danach
dem Kaiser geschildert, welche Verletzungen der Herzog von Württemberg seiner Frau
zugefügt habe, was etwa eine Stunde gedauert habe. Ein Anwalt des Herzogs habe
inzwischen auch offiziell mit der Familie von Hutten verbunden hatten, vorerst nichts unternehmen
konnten. Vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 47.
1120
Vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 48f.
1121
Zum Verlauf der Verhandlungen gegen Herzog Ulrich von Württemberg, wo neben der Herzogin
Sabine auch Ulrich von Hutten seine Klage vortrug, vgl. B
RENDLE
, Dynastie, S. 49ff. sowie S
AUTER
,
Sabine, S. 322f.
1122
Vgl. WMR 16/IX/21 (a). Mit der Behauptung, die Nonnentracht sei typisch für die Witwen des
Landes, irrt sich Giacomo Malatesta; seine Schilderung, Kunigunde habe eine Nonnentracht getragen,
bestätigt allerdings die Schilderungen in der Chronik des Pütrich-Regelhauses, daß sich die Herzogin
bezüglich ihrer Kleidung nicht von ihren Mitschwestern habe unterscheiden wollen. Da laut dem
Bericht Malatestas die „Dienerinnen“ Kunigundes ebenso gekleidet waren, liegt die Vermutung nahe,
daß die Herzogin von einigen Schwestern, darunter vielleicht ihre persönliche Dienerin Magdalena,
nach Augsburg begleitet wurde, was der Augsburger Patrizier Matthäus Langenmantel in seiner
Chronik bestätigt. Vgl. L
ANGENMANTEL
, Chronik, S. 583.
251
anschließend einige Schriftstücke als Antwort auf die Klagen übergeben, danach habe
der Kaiser nach Rücksprache mit seinen Räten ein Urteil gefällt.
1123
Von einem theatralischen Auftritt der Herzogin findet sich in der Schilderung des
Matthäus Langenmantel dagegen keine Spur; aus seinem Bericht geht lediglich hervor,
daß sie beim Verlesen der Klageschriften gegen Herzog Ulrich im Augsburger Rathaus
anwesend war.
1124
Die von Malatesta beschriebene Geste, daß Kunigunde sich vor
ihrem kaiserlichen Bruder auf die Knie geworfen habe, ist sicherlich als Einhaltung des
Bittritus zu betrachten; zugleich aber stimmt diese Geste mit einigen Charakterzügen
Kunigundes überein: In ihren Briefen an den Kaiser im Erbstreit von 1514 läßt sich
ebenso ein gewisser Sinn für Dramatik und ein Hang zu Inszenierungen erkennen wie
bei ihrem Aufreten in Augsburg im Jahr 1505.
Am 11. Oktober 1516 verkündete der Kaiser schließlich die Acht über den Herzog von
Württemberg; auch bei dieser Rechtshandlung war die Mutter der Klägerin anwesend,
wie aus einem weiteren Schreiben Giacomos Malatestas hervorgeht. Nachdem der Kai-
ser zusammen mit seinen Räten den Gerichtssaal des Augsburger Rathauses betreten
und sich niedergesetzt habe, sei die Herzogin von Bayern in Begleitung ihres Sohnes
Wilhelm eingetreten. Der Kaiser habe sich erhoben, ihr und ihrem Sohn die Hand
gereicht und die Herzogin eingeladen, auf einem mit schwarzen Samt bezogenen Stuhl
Platz zu nehmen. Nachdem der Kaiser die Acht gegen Herzog Ulrich verkündet habe,
habe sich die bayerische Herzogin ebenso wie die Angehörigen des Ermordeten Hans
von Hutten beim Kaiser bedankt.
1125
Die Acht gegen den württembergischen Herzog wurde jedoch nicht lange aufrecht
erhalten. Schon am 22. Oktober 1516, nach Fertigstellung des Blaubeurer Vertrages,
eines Vergleichs, der durch die Vermittlung des Kardinals Lang zustande gekommen
1123
Wesentlich sachlicher und kürzer ist die Schilderung über den Auftritt Kunigundes am 18. September
in der Augsburger Chronik des Clemens Sender, vgl. S
ENDER
, Chronik, S. 134. Einen kurzen Bericht
über die äußere Erscheinung Kunigundes und ihr Vorhaben gibt auch der Augsburger Patrizier
Langenmantel in seiner Chronik: ...und sain muter, hertzog Albrechts loblicher gedechtnuß gemahl,
die nach absterben ires gemachels in ain closter, des man nent die samlung, zw Munchen gangen
wass, den selben orden sy auch an hett auß genomen. Ain schwartzen mantell drug sy, darob die kam
mit drey nunen desselben ordens. Dieselb alt hertzogin was des kaysers Maximilians leybliche
schwester, die lag dem kaysser, irem bruder, so gantz strengklich an, daß er iren tochterman, hertzog
Ulrich von Wirtemberg, solt straffen und die acht iber in ausgen lassen. Vgl. L
ANGENMANTEL
,
Chronik, S. 583.
1124
Vgl. L
ANGENMANTEL
, Chronik, S. 584: Und als der kaysser mitsampt den fürsten auff das rathaus
kam, da was die alt hertzogin von Munchen, die closterfraw mit iren nunen, auch ir sun, hertzog
Wilhalm, auch herr Ludwig von Hüten mit seinem beystand dar.
1125
Vgl. WMR 16/X/12 (e).
252
war und in dem Sabine u.a. ein jährlicher Unterhalt zugestanden worden war, wurde die
Acht gegen Herzog Ulrich wieder aufgehoben.
1126
Auch in dieser Angelegenheit fällt auf, daß Kunigunde sehr gerne bereit war, ihre
selbstgewählte klösterliche Zurückgezogenheit vorübergehend aufzugeben, um einem
Mitglied ihrer Familie zu seinem vermeintlichen Recht zu verhelfen. Ähnlich wie im
Fall des Erbstreites von 1514 zögerte sie auch in dieser Situation nicht, persönlich ein-
zugreifen und an Maximilian zu appellieren, als sie anläßlich der Verhandlung gegen
Herzog Ulrich von Württemberg mit ihm in Augsburg zusammentraf. In der Eheangele-
genheit ihrer Tochter Sabine spielte Kunigundes Standesbewußtsein ebenfalls eine
wichtige Rolle; auch wenn ihre Söhne Wilhelm und Ludwig sowie ihr Bruder aus der
Verurteilung Herzogs Ulrichs vor allem politisches Kapital zu schlagen versuchten, war
für die Herzogin in erster Linie die in ihren Augen verletzte Ehre der Tochter der Anlaß
für ihr massives Eintreten zugunsten Sabines.
Dostları ilə paylaş: |