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es sein höchstes Kleinod in Gefahr erblickt; dem Schutze
seiner Abgeordneten hat es dieses Kleinod anvertraut, von
ihnen wird es, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren,
Rechenschaft darüber verlangen. Unsere Väter haben in
Zeiten der Not dieses Kleinod erkämpft und bewahrt, wie wir
es von ihnen empfingen, laßt es uns auch unsem Kindern
überliefern, rein und unversehrt. Täuscht das Vertrauen
eurer Landsleute nicht, zieht den eitlen Glanz der Ehre und
des Geldes nicht dem echten Ruhm treuer Pflichterfüllung
vor, verschließt den Schmeichelworten listiger Verführer euer
Ohr und hört nur auf die Stimme des Gewissens.«
Diese Worte machten einen tiefen Eindruck in der
Versammlung; wenn hie und da auch einer es wagte, zur
Nachgiebigkeit zu raten, so geschah dies doch nur schüchtern
und so, daß man deutlich sah, der Sprechende erwarte keine
Wirkung von seinem Vortrag; bei weitem die meisten traten
der Ansicht des Ausschusses bei, der nun auch mit der
Abfassung
einer
Antwort
auf
die
fürstlichen
Anträge
beauftragt wurde. Während aber diese nun verfaßt ward,
waren auch die herzoglichen Kommissäre nicht müßig, und es
gelang ihnen, nicht nur die Amtleute wieder umzustimmen,
sondern sogar zwei Mitglieder des Ausschusses, Hoffmann
und Chonberger, auf ihre Seite zu bringen. Die Mehrzahl
jedoch blieb standhaft und unterschrieb die Antwort, worin es
heißt: die Landstände hielten den Tübinger Vertrag für ihr
höchstes und bestes Kleinod; dieser sei auch stets das Band
und
Mittel
eines
rechten,
beständigen,
ganz
gnädigen
untertänigen guten Vertrauens zwischen Herr und Land
gewesen, durch ihn habe das Herzogtum vor anderen
Ländern in gutem, friedsamen Wesen, Ruhe und Einigkeit
wohl floriert und zugenommen. Der Herzog selbst aber hätte
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den Vertrag nochmals aufs bündigste bestätigt und geboten,
keine Änderung darin vorzunehmen, sondern versprochen,
gleich seinen Vorfahren die Landschaft dabei zu lassen und
die seit einiger Zeit dawider eingerissenen Neuerungen und
Beschwerden gnädigst zu mildem und abzuschaffen.
Mit finsterer Miene empfing am 1. Februar der Herzog seine
Kommissäre, als sie ihm diese Antwort überbrachten; gegen
sie entlud sich zuerst die ganze Gewalt seines Zornes; sie
aber kannten ihn zu gut, als daß sie derselben gleich anfangs
entgegenzutreten
versucht
hätten;
ganz
behutsam
und
allmählich lenkten sie den brausenden Strom des fürstlichen
Unwillens auf die Landstände über, und bezeichneten den
Ausschuß, vornehmlich aber Broll, Bidembach und Mayer, als
die
Haupturheber
dieses
so
respektwidrigen,
die
landesherrliche Gewalt aufs höchste antastenden Benehmens.
- »Holzwürmer sind diese Landschäftler, die kein Gelenk im
Kopfe haben«, rief erzürnt der Herzog; »aber ich will sie
lehren, ihrem Herzog zu gehorchen, ich muß die verlangte
Erläuterung haben, sonst hebe ich den Tübinger Vertrag ganz
auf; denn ich bin gar nicht schuldig, ihn zu halten.«
»Lassen Eure Durchlaucht«, sprach Enzlin, »diesen Leuten
nur einmal Ihre Ungnade recht deutlich fühlen, dann werden
sie ganz gewiß anders sprechen. Es bedarf weiter nichts, als
daß man die Rädelsführer der Verschwörung entfernt, den
Ausschuß auflöst und ihm einen scharfen Verweis erteilt; die
übrigen werden dann schon nachgiebig werden.«
»Ich will aber gar nicht mehr mit ihnen verhandeln«,
entgegnete der Herzog; »sie sollen nach Hause gehen und die
Städte sollen mir andere Abgeordnete schicken, mit denen ich
besser auskommen kann, oder das ganze Land wird meine
Ungnade schwer fühlen. Euch beide habe ich zu meinen
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Kommissären ernannt; sorgt dafür, daß mein Wunsch erfüllt
werde, sonst sollt auch ihr mir dafür büßen.«
»Das war ein schwerer Sturm!« sprach, als der Herzog sich
entfernt hatte, der Kanzler.
»Auf schweren Sturm folgt gewöhnlich Sonnenschein!«
erwiderte Enzlin, »jetzt willigt der Herr in alles, was wir ihm
vorschlagen, wenn er nur seinen Zweck erreicht; darum seid
nur jetzt recht wacker; noch eine letzte Anstrengung und der
Sieg ist unser.« Sie besprachen sich nun lange noch über das
jetzt zu beobachtende Verfahren und kamen darin überein,
daß, ehe man offene Gewalt versuche, noch alle Künste der
List und Überredung angewendet werden müßten.
Wie gut ihnen ihr Plan gelang, erzählt die Geschichte.
Obgleich
die
Landstände, durch
die
Absetzung Brolls,
Bidembachs und Mayers und durch die Auflösung des
Ausschusses ihrer kräftigsten Stützen beraubt, auf die scharfe
Antwort
des
Herzogs
mit
demütiger
Unterwürfigkeit
antworteten und sich mit ihrem »etwas ungenügsamen
Verstand« entschuldigten, wurden sie dennoch entlassen, und
Enzlin erbrach mit Gewalt die geheimen Gewölbe im
Landschaftshause, woraus er Akten und Geld wegnahm.
Kommissäre wurden ins Land hinausgeschickt und fanden die
meisten Magistrate wider Erwarten nachgiebig gestimmt. Sie
warfen alle Schuld des gegen den Herzog so feindseligen
Benehmens auf den Landschaftsadvokaten, auf die Prälaten
und den Ausschuß, versprachen, sich ganz nach dem Willen
des Herzogs zu richten und die Vollmachten für die
Abgeordneten nach der gegebenen Vorschrift abzufassen. So
kam im März eine Ständeversammlung zusammen, wie der
Herzog und seine Ratgeber sie sich nur wünschen konnten,
die Erläuterung des Tübinger Vertrags und eine ansehnliche
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Geldhilfe wurde bewilligt und niemand dachte mehr an
Widerstand. Friedrich war hocherfreut; er glaubte nun dem
erwünschten Ziele ganz nahe zu sein und er war es auch.
Doch war das Ziel, das er nun so schnell erreichen sollte,
nicht unumschränkte Herrschermacht, sondern das Ende alles
Herrschern, der Tod. Am Morgen des 29. Januar 1608 traf ihn
der Schlag, der nach 16 Stunden seinen Tod herbeiführte.
So starb, kaum an der Schwelle des Alters angelangt,
Herzog Friedrich. Seine Ratgeber aber traf nun die gerechte
Strafe für ihr frevelhaftes Beginnen. Reinhard kam am besten
weg, er wurde nur entlassen. Eßlinger aber, der »arge und
schändliche
Landesverderber,
Leuteschinder
und
Landesfreiheitenbrecher« büßte mit langer Haft, und Matthäus
Enzlin, der »Landes- und Landschaftsfeind«, zuerst nur mit
einem Fußfall, Schadenersatz und lebenslänglichem Gefängnis
bestraft, wurde, da er neue Umtriebe machte, am 22.
November 1608 auf dem Marktplatz in Urach enthauptet. -
Melchior Jäger bemächtigte sich mit seinem Anhang von
neuem der Herrschaft, Broll, Bidembach und Mayer aber
wurden wieder in alle Ehren und Würden eingesetzt.
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