5. Anamnese (Quick Reference Card 1)
Die QRC 1 und 2 beinhalten auch Empfehlungen von Assessments. Dabei ist zu beachten, dass nicht
alle in validierter Form in Deutsch zur Verfügung stehen. Für Gütekriterien bezüglich Assessments
verweisen wir auf Schädler et al.
123
QRC 1 hilft, die wichtigsten Auskünfte bezüglich der parkinsonspezifischen Symptome und deren
Einfluss im Alltag auf verschiedenen ICF-Ebenen einzuholen. Vor allem die Auswirkungen von
primären Parkinsondefiziten im Alltag und die Wirkungen/Nebenwirkungen von parkinsonspezifischen
Medikamenten werden erfragt.
Ein bekanntes primäres Parkinsonsymptom ist die akinetische Phase oder das sogenannte „Freezing of
Gait“. In der Anamnese sollte deswegen die Zeitspanne des Freezings und die möglichen Auslöser gut
hinterfragt werden. Patienten fühlen sich durch Bewegungsblockaden sehr oft stark eingeschränkt und
reduzieren ihre sozialen Aktivitäten. Als Folge vermindert sich die Lebensqualität und Isolation kann
sich einschleichen
4
, was mit dem „Parkinson’s Disease Questionnaire 39“ objektiviert werden kann.
Freezing hat ausserdem sehr oft auch Stürze und Verletzungen zur Folge, da die normalen Reflexe und
die posturale Haltungsstabilität fehlen
124
. Hier darf eine Fallanamnese nicht fehlen. Der „Falls Efficacy
Scale-I“ als Selbstwirksamkeitsfragebogen kann dabei zusätzliche Informationen über vorhandene
Sturzangst geben.
Fragebögen
Sie können Zeit für die Anamnese sparen, indem PMP die Fragebögen bereits vor dem Erstkontakt
ausfüllen. So kann die Anamnese gezielter und spezifischer gestaltet werden. Zudem kann es als
objektiver Parameter dienen, um Veränderungen ersichtlich zu machen.
Freezing Of Gait Questionnaire (FOGQ)
Freezing ist ein Erstarren, charakterisiert durch die reduzierte Fähigkeit, das Gehen zu initiieren oder zu
erhalten
3
und wird mit einem erhöhten Fallrisiko in Bezug gebracht
4,90,125,126
. Während des Befundes ist
es schwierig, Freezing zu bewerten, weil es selten während der Befunderhebung auftritt.
Physiotherapeuten sind deshalb oft auf die subjektive Schilderung des Patienten angewiesen. Anhand
dieser Informationen kann man bestimmte Situationen im Befund überprüfen (z.B. Gehen und Drehen
unter Zeitdruck, Gehen und Drehen bei engen Raumverhältnissen
127
). Wenn Patienten kürzlich die
Erfahrung gemacht haben, dass ihre Füsse am Boden kleben blieben, bittet der Physiotherapeut den
Patienten, die 6 Fragen des „Freezing Of Gait Questionnaire“ zu beantworten
128
. Dieses Instrument
eignet sich, um das Freezing bei PMP zu identifizieren
123
. Der Fragebogen wurde durch Vogler et al
validiert
129
.
Falls Efficacy Scale-International (FES-I)
Vertrauen, das Gleichgewicht beibehalten zu können, scheint bei älteren Menschen ein Mediator
zwischen „Angst zu fallen“ und „funktionellen Fähigkeiten“ zu sein. Wenn Patienten im letzten Jahr
gefallen sind oder wenn es Situationen gab, in denen sie fast gefallen wären, ist es notwendig, die Angst
vor dem Fallen zu objektivieren. Die „Falls Efficacy Scale-I“ ist ein ausgedehnter
Selbstwirksamkeitsfragebogen, in dem die Patienten über ihre Angst zu fallen bei 16 verschiedenen
Aktivitäten befragt werden
123,130,131
. Das Testresultat, das sich aus der Summe der Punkte ergibt, liegt
zwischen 16 (keine Sturzangst) und 64 Punkten (maximale Sturzangst). Dieser Fragebogen wurde auf
Deutsch validiert
130
.
Parkinson‘s Disease Questionnaire-39 (PDQ-39)
Der Fragebogen „Parkinson‘s Disease Questionnaire-39“ erhebt in 39 Items die alltagsrelevante,
gesundheitsbezogene Lebensqualität und das Wohlbefinden von PMP
132
. Diese werden zu den
9
folgenden Subskalen zusammenaddiert: Mobilität, Alltagsaktivitäten, emotionales Wohlbefinden,
Stigma, soziale Unterstützung, Kognition, Kommunikation, körperliches Unbehagen. Dieser in Deutsch
übersetzte und validierte Fragebogen kann als übergeordnetes Verlaufsinstrument angewendet
werden
123
.
Goal Attainment Scale (GAS)
Zentral in der Anamnese steht die Zielformulierung, bei der kurz- oder langfristige Ziele formuliert
werden sollten.
Die Formulierung von Patienten-Rehabilitationszielen sollte ein interaktiver Prozess
sein und die Bedürfnisse und Erwartungen des Patienten (und/oder Angehörigen) wiedergeben.
Assessments wie z.B. GAS (Goal Attainment Scaling) sind dafür geeignet und sinnvoll für die
Quantifizierbarkeit der Zielerreichung. Sie helfen „SMART“ (Spezifisch, Messbar, Aktionsorientiert,
Realistisch, Terminiert) Ziele zu formulieren und die Therapieziele objektiv zu überprüfen
133
(z.B. „Die
kommenden 4 Wochen mache ich jeden Montag, Mittwoch und Freitag einen halbstündigen
Spaziergang“). Anhand der GAS kann dieses Ziel schriftlich und detailliert festgelegt werden (-2 bis
+2). Auf einer Skala von 0 bis 10 hat man eine andere Möglichkeit festzulegen, wie sicher der Patient
ist, dass dieses Ziel erreicht wird. Hier zeigen Studien, dass bei einer Patientenbewertung von 7/10 dieses
Ziel realisierbar ist
134
.
6. Befund Körperfunktions-, Aktivitäts- und Partizipationsebene
(Quick Reference Card 2)
Basierend auf den Informationen aus der Anamnese formuliert der Physiotherapeut eine Anzahl
Probleme, die im Rahmen der Befundaufnahme zu testen sind. Quick Reference Card 2 kann als
Leitfaden für eine strukturierte Befundaufnahme und Hinweise auf angemessene Assessments benutzt
werden. Möglichkeiten sind (siehe QRC 2) z.B.: physische Kapazität, Transfers-Lagewechsel,
Gleichgewicht und Gang.
Assessments
Outcomemessungen oder Assessments dienen dazu, Gesundheitsprobleme aufzuzeigen und objektiv zu
bewerten. Es sind zahlreiche Assessments verfügbar, um Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit
Parkinson zu identifizieren und evaluieren. Die Guideline–Entwicklungsgruppe wählte Assessments,
die für den „Alltagsgebrauch“ geeignet scheinen. Im Auswahlprozess wurden klinimetrische
Eigenschaften berücksichtigt
123
.
Durch die obengenannten Wirkungsfluktuationen ist es wichtig, dass Assessments jeweils zur gleichen
Tageszeit durchgeführt werden, in der Annahme, dass auch die Medikamente täglich zur selben Zeit
eingenommen werden.
Assessments
Ausgewählte Empfehlungen der LEG S.51:
Dokumentiere die Situation, in der die Assessments durchgeführt werden, und kopiere diese
Situation für die Wiederholung (Posttest) so genau wie möglich:
• Zeitpunkt und Müdigkeitsniveau der PMP und/oder Zeit nach der letzten Medikamenteneinnahme
und Dosis
• Falls möglich: „On oder Off-Phase“
• Kleidung und Schuhe der PMP, die getragen wurden
• Inanspruchnahme von Hilfsmitteln oder Hilfestellung durch eine andere Person
MDS-Unified Parkinson Disease Rating Scale (MDS-UPDRS)
Der MDS-UPDRS (der neue UPDRS, revidiert durch Mitglieder der Movement Disorder Society) misst
die Progression
135
. Der MDS-UPDRS gilt als Standard bei grossen klinischen Studien und ist in sechs
Subskalen unterteilt. Für Physiotherapeuten ist Teil III (motorische Untersuchung), II (ADL) und IV
(Komplikationen der Behandlung) relevant. Die motorische Untersuchung erfasst klinische
Parkinsonsymptome (Akinese, Tremor, Rigor, posturale Stabilität) sowie einfache Bewegungsabläufe
(u.a. Aufstehen, Gang, Körperhaltung)
123
. Teil II und IV beurteilen anamnestisch Beeinträchtigungen
10
im Alltag, respektive die Dyskinesien, klinische Fluktuationen und andere Komplikationen. Für die
Einteilung wird eine Ordinalskala angewendet: 0 = normal, 4 = deutliches Symptom.
Retropulsionstest / Push and Release Test
Es sind mehrere Tests verfügbar, um Gleichgewichtsprobleme zu testen, jedoch misst kein
Messinstrument das ganze Spektrum der Gleichgewichtsreaktionen. Für eine vollständige Sturzrisiko-
Einschätzung sollten also mehrere Tests durchgeführt werden (z.B. Berg Balance Scale, Functional Gait
Assessment, Timed Up and Go). Am meisten gebraucht, schnell und einfach durchführbar ist der
Retropulsionstest, bei dem ein unerwarteter Stoss an der Schulter (schnell und bestimmt nach hinten)
angewendet wird
136
. Der „Push and Release Test“ bewertet die Gleichgewichtskontrolle im ruhigen
Stand
137
. Beide geben Auskunft über die Funktion der unwillkürlichen Bewegungsreaktionen, die
wichtig sind für das Aufrechterhalten des Gleichgewichtes, zum Rückwärtsgehen und um auf einer
glatten Oberfläche spazieren zu gehen. Beim „Push and Release Test“ steht der Physiotherapeut hinter
dem Patienten, die Hände sind an den Schulterblättern. Er bittet den Patienten sich zurückzulehnen,
dann werden die Hände plötzlich entfernt. Die Gleichgewichtsreaktionen werden auf einer Fünf-
Punkteskala bewertet im Intervall von 0 (PMP ist „in der Lage, unabhängig einen Schritt mit normaler
Länge und Breite zu machen“) zu 4 (PMP „fällt ohne einen Schutzschritt zu machen“ oder „ist unfähig
ohne Hilfe zu stehen“
).
Timed Up and Go Test (TUG)
Der TUG Test ist ein kurzer, praktischer Test, bei dem Gang und Gleichgewicht getestet werden
123
. Der
TUG ist ein reliables und valides Instrument für Patienten mit MP
138,139
. Es ist wichtig, dass der Patient
bei allen Messungen die gleichen Schuhe trägt
140
.
Functional Gait Assessment (FGA)
Der FGA ist ein valider und reliabler Test, um die Anpassungsfähigkeit des Gangbildes zu
evaluieren
141
,
142
(z.B. rechts-links schauen während des Gehens, Tempowechsel, Hindernisse
übersteigen, auf einer Linie gehen etc.). Jedes Item wird bewertet von 0 bis 3, wobei 3 der bestmögliche
Skore ist. Insgesamt kann ein maximaler Skore von 30 Punkten erreicht werden.
Five Times Sit to Stand (5TSTS)
Der 5TSTS ist eine schnelle Möglichkeit, das Gleichgewicht und die Sturzgefahr zu messen. Es wird
die Zeit gemessen, die der Patient braucht, um sich von einem 43cm hohen Stuhl zu erheben. Die LEG
empfiehlt, den 5TSTS bei Patienten anzuwenden, die beim Durchführen des Transfers Probleme in der
Balance haben. Er wird in Kombination mit dem ‘Push and Release Test’ durchgeführt. Im Vergleich
zum FGA und Berg Balance Scale gibt dieser Test jedoch keine ausführliche Auskunft über die
Gleichgewichtseinschränkungen im Stand oder beim Gehen.
6 Minuten Gehtest (6MGT)
PMP haben die Tendenz weniger aktiv zu sein. Um die körperliche Leistungsfähigkeit bei Patienten, die
nicht durch Freezing beeinträchtigt sind, zu identifizieren und zu evaluieren, wird der 6MGT
angewendet. Dieser Test ist funktionell, leicht anzuwenden und reliabel für diese Patientengruppe
143
.
Ausserdem kann der 6MGT Veränderungen aufgrund des Trainings zeigen
143
. Wird dieser Test auf einer
markierten Strecke ausgeführt, sollte der Therapeut nicht mit dem Patienten gehen
144
. Wird der Test auf
einem Laufband durchgeführt, muss die Neigung 0 sein und wenn der Patient es verlangt, kann die
Geschwindigkeit gesteigert werden (dies sollte nicht durch den Patienten selbst durchgeführt werden)
144
.
Es ist wichtig, dass der Patient bei allen Messungen die gleichen Schuhe trägt
140
und dass der Therapeut
den Patienten in gleichem Ausmass ermutigt
144
.
10 Meter Gehtest (10MGT)
Der 10 MGT Gehtest ist ein reliables Instrument, um die angenehme Gehgeschwindigkeit von
selbständig gehfähigen PMP zu ermitteln. Ausserdem wird die Anzahl benötigter Schritte in
angenehmer Gehgeschwindigkeit für 10 Meter benutzt um die Schrittlänge zu bestimmen (in
Verbindung mit einem möglichen Gebrauch von visuellen „Cues“). Während der Ausführung des Tests
kann, wenn nötig eine Gehhilfe benutzt werden.
11
Lindop Parkinson’s Disease Mobility Assessment Scale (LPS)
Der LPS umfasst 2 Teile mit insgesamt 30 Punkten für Gehfähigkeit und Bettmobilität. Es ist ein
reliabler und valider Test für Gehfähigkeit und Bettmobilität
145
. Teil 1 (18 Punkte) beinhaltet das
Aufstehen, der TUG und freier Stand. Ebenfalls wird das Freezing oder Festinieren beim Drehen an Ort
(rechts und links) und beim Gehen durch eine Tür bewertet, wobei die Anzahl Schritte, respektive die
Anzahl Freezing-/Festinationsepisoden gezählt werden. Teil 2 misst die Zeit, welche benötigt wird für:
Abliegen, aus der Rückenlage links oder rechts drehen und aufsitzen. Jede Aufgabe wird auf einer
ordinalen 3 Punkt Skala ausgewertet wobei 0=“unmöglich durchzuführen oder Hilfe von 2 oder mehrere
Personen“ und 3=“ohne Hilfe innerhalb 5 Sekunden“ bedeutet. Für Teil 2 bedeutet ein totaler Skore von
12 Punkte „keine Beeinträchtigungen in der Bettmobilität“.
MDC und Cut-Off Werte
Weil alle Assessments Messfehlern unterliegen, ist es wichtig, die „Minimal Detectable Change“-Werte
zu kennen. Nur so kann ein Messfehler ausgeschlossen und die klinisch relevanten Veränderungen
festgelegt werden.
„Cut-off“ Werte sind Werte, die die Patienten in die eine oder andere Kategorie einstufen. In Tabelle 2
werden die aktuellen Cut-off Werte gezeigt, welche ein erhöhtes Sturzrisiko bedeuten bei PMP.
Assessment
Cut-Off
MDC-Wert
Berg Balance Scale
≤ 45/56 Pkt.
(wurde bei älteren Personen
erfasst)
5 Pkt.
143
Functional Gait
Assessment
≤ 15/30
141
5 Pkt. (wurde bei Personen mit CVI
erfasst)
146
TUG
≥ 8 Sek.
147
3.5-4.85 Sek.
139,148
5TSTS
≥ 16 Sek.
149
/
6 MGT
82 Meter
143
10 MGT
0.18 Meter/s
143
Tabelle 2: Cut-off und Minimal Detectable Change (MDC) pro Assessment
12
7. Physiotherapeutische Behandlung bei PMP (QRC 3 und 4)
Die aktuellen therapeutischen Strategien fokussieren vor allem auf die Kontrolle der Symptome
(symptomatische Behandlung) und Kompensationsmöglichkeiten. Die symptomatische Behandlung
beinhaltet eine Vielfalt medikamentöser Therapien und Rehabilitation (Siehe Tabelle 3). Mittlerweile
bestehen ausreichende Daten, welche physiotherapeutische Massnahmen bei PMP für Transfer,
Mobilität, Gehen, Vermeiden von Stürzen und FOG belegen
150
.
Kompensationsstrategien werden in vielen Situationen in den Therapien umgesetzt, häufig in einem
späten Krankheitsstadium
Tabelle 3: Die vielfältige symptomatische Behandlung bei PMP auf therapeutische und medizinische Ebene
7.1.Stadien-spezifische Behandlungsziele (Quick Reference Card 3)
Eine rechtzeitige Überweisung in einem frühen Krankheitsstadium ist erforderlich, da Schwierigkeiten
in den ADL’s auch ohne Verlust der Selbständigkeit entstehen können. Einen weiteren Grund für eine
frühe Überweisung ist der Erhalt eines ausreichenden Fitnessniveaus, um sekundäre Komplikationen zu
vermeiden.
• In den ersten Stadien stehen intensives Kraft-, Ausdauer-, Gleichgewichts- und
Koordinationstraining im Vordergrund, um Inaktivität vorzubeugen und die körperliche
Leistungsfähigkeit zu verbessern. Patienten müssen von Anfang an gecoacht und informiert
werden über Krankheitsverlauf und Therapiemöglichkeiten. Sie brauchen Unterstützung im
Selbstmanagement, um ihren Sport und die Bewegungen selbständig und konsequent
durchzuführen.
• In späteren Stadien werden Bewegungsstrategien priorisiert, um Freezing Episoden zu
reduzieren und um die Selbständigkeit zu erhalten. Im H&Y Stadium 4 und 5 bleibt der Erhalt
der Gehfähigkeit wichtig, hinzu kommt Kontraktur-, Druckstellen- sowie Pneumonie
Prophylaxe. In dieser Phase der Erkrankung ist es ebenfalls sinnvoll, die Betreuungspersonen
zu unterstützen.
Selbsthilfegruppen, Informationsbroschüren oder die Gratis-Hotline „Parkinfon“ (Parkinson Schweiz)
können sowohl Patienten als auch Angehörige und Betreuungspersonen in allen Krankheitsstadien
unterstützen.
Therapie bei PMP
Zielgerichtet und Patientenorientiert
Therapeutisch
Evidenzbasiert
QRC 4
Laufband
Cueing‐Strategien
Tai‐Chi
Konventionelle PT
Stadienspezifisch
QRC 3
H&Y 1 ‐ 5
Medizinisch
Medikamentös
Levodopatherapie
Duodopapumpe
S.31‐32
S. 176‐177
Neurochirurgie
Tiefer Hirnstimulator
S. 33
13
7.2 Behandlungsziele und Massnahmen
Die Europäische Richtlinien bieten Empfehlungen auf 4 Evidenzniveaus:
Starke Empfehlung für
–
Schwache Empfehlung für
–
Schwache Empfehlung gegen –
Stark gegen
. Die spezifischen
Behandlungsmassnahmen, welche den Evidenzlevel ‘starke Empfehlung für’ erhalten haben, sind:
Abbildung 1: Spezifische Massnahmen pro Behandlungsschwerpunkt aus dem Poster von Samyra Keus et al, 2015
151
Die Behandlungsmassnahmen, welche mit einer ‘starken Empfehlung für’ beurteilt wurde, werden
zusammengefasst erläutert.
Wir empfehlen aber allen Physiotherapeuten, welche PMP betreuen,
die vollständige Leitlinie zu lesen!
7.2.1 Cues und Bewegungsstrategien (Bewegung aufteilen) S.95-99
Cueing und Aufmerksamkeitsstrategien
Die Ausführung von automatischen und repetitiven Bewegungen beim PMP ist gestört infolge eines
grundlegenden Problems der internen Kontrolle (Basalganglien). Um diese reduzierte oder fehlende
interne Kontrolle zu ergänzen oder zu ersetzen, werden sogenannte “Cues“ oder Strategien verwendet.
Cueing, Aufmerksamkeit und Bewegungsstrategien für komplexe Bewegungsabläufe (früher kognitive
Bewegungsstrategien) kompensieren diese Defizite in der internen (automatischen) Kontrolle.
Externe Cues sind definiert als zeitliche oder räumliche externe Reize, die mit der Initiierung und
fortgesetzten Ausführung motorischer Aktivitäten (Gehen) in Zusammenhang stehen. Es wird vermutet,
dass durch Cues die Bewegung direkt vom Cortex kontrolliert wird, mit nur geringem oder keinem
Einbezug der Basalganglien
152
.
Sie können visueller Art sein und darauf abzielen Amplitude zu generieren, oder auditiv oder taktil (auch
wenn diese kaum je zur Anwendung kommen) und auf die Generierung von Rhythmus abzielen
153
. Cues
können die Aufmerksamkeit fokussieren, insbesondere während der Ausführung komplexer Aufgaben
und somit bei der Priorisierung des Gehens helfen
153
.
Nicht alle Patienten profitieren vom Gebrauch von Cues. Bis heute gibt es keine klaren Hinweise, von
welchen Cues PMP profitieren und welchen nicht. Vorteile vom Gebrauch der Cues werden aber nach
einer Trainingseinheit sichtbar. Cues können auch bei PMP mit leichten kognitiven Defiziten auch für
Einzel- oder Doppelaufgaben, Gehgeschwindigkeit und Schrittlänge hilfreich sein
154
.
Aufmerksamkeitsstrategien sind von „Cueing“ zu unterscheiden, da sie intern selbst ausgelöst werden
und so ein interner Fokus auf die Bewegung generiert wird. Dieses Generieren wird durch exekutive
Prozesse, präfrontale und frontale Regelschleifen gesteuert und können so mehr Aufmerksamkeit
verlangen im Vergleich zu externen Cues
155
. Sehr häufig werden Aufmerksamkeitsstrategien und
externe Cues kombiniert. Beide können einmalig (bei Bewegungsinitiierung) oder konstant (um FOG
zu vermeiden) angewendet werden. Cues können auch während des Trainings angewendet werden, um
so optimale Bewegungen zu generieren.
GRADE-basierte Empfehlungen (QRC 4):
Starke Empfehlung Cueing anzuwenden und folgende Outcomes zu verbessern:
• Gehgeschwindigkeit
Transfer
•
Funktionelle
Mobilität:
‐ Bewegung
aufteilen +
‐ Cues
Gehen
• Gehtempo:
‐ konventionelle
PT
(Gleichgewicht,
Kraft,Geh‐
training)
‐ Cues
‐ Laufband
• Doppel
schrittlänge:
‐ Laufband
Gleichgewicht
• Funktionelle
Mobilität:
‐ Bewegung
aufteilen +
‐ Cues
•Stürze: Tai‐Chi
Körperliche
Leistungsfähigkeit
•
Muskelkraft:
‐ konventionelle PT
‐Tai‐Chi
motorische
Funktionen
• UPDRS III:
‐ konventionelle
PT
‐ Tai‐Chi
14
Schwache Empfehlung Cueing anzuwenden beim Gehen und folgende Outcomes zu
verbessern:
• Einzelschrittlänge
• Gleichgewichtsfähigkeit beim Gehen (DGI)
• Funktionen der Bewegung (UPDRS III; UPDRS Haltung und Gang)
• Freezing – Einfrieren des Gehens (FOG-Q)
Schwache Empfehlung Cueing anzuwenden bei Transfer und folgende Outcomes zu
verbessern:
• Funktionelle Mobilität (Zeit Sit-to-stand)
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