Publikationen
0XX
1.
Oehler, Andreas ; Häcker, Mirko: Kurseinfluss mittlerer und großer Transaktionen am deut-
schen Aktienmarkt . In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 74 (2004), Nr. 5, S. 461-486
2.
Oehler, Andreas ; George, G.-C. Chao: Institutional Herding in Bond Markets? Bamberg :
Universität Bamberg. 2000 (13). - Forschungsbericht (BAFIFO - Bank- und Finanzwirt-
schaftliche Forschung: Diskussionsbeiträge des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre,
insbesondere Finanzwirtschaft, Universität Bamberg)
3.
Oehler, Andreas: Do Mutual Funds Specializing in German Stocks Herd? In: Finanzmarkt
und Portfolio-Management 12 (1998), Nr. 4, S. 452-465
4.
Oehler, Andreas: Empirische Untersuchungen zum Verhalten institutioneller Investoren .
In: Kleeberg, J. ; Rehkugler, H. (Hrsg.) : Handbuch des Portfoliomanagement. Bad Soden :
Uhlenbruch-Verlag, 1998, S. 111-125.
Forschungsbericht der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Seite 738
Make-or-buy-Probleme in Finanzierungsentscheidungen (Intermediär vs.
Markt?)
Projektleitung:
Prof. Dr. Andreas Oehler
Beteiligte:
Dipl.-Kfm. Joachim Fox
Stichwörter:
Theorie der Finanzinter-
mediation; Finanzmarkt-
theorie
Beginn: 1.6.2000
Förderer:
Lehrstuhl für Finanzwirt-
schaft
Arbeitsteiliges Wirtschaften erfordert in der Regel einen Ausgleich
zwischen dem Finanzbedarf einzelner Wirtschaftssubjekte, der Fi-
nanzmittelnehmer, und dem Anlagebedarf anderer Wirtschafts-
subjekte, der Finanzmittelgeber.
In Anlehnung an die Definition in Bitz (2002) werden Unternehmen,
deren primärer Geschäftszweck auf diesen Ausgleich zwischen Fi-
nanzbedarf und Anlagebedarf gerichtet ist, als Finanzintermediä-
re im engeren Sinne bezeichnet. Als Anlageleistung nehmen sie
einerseits Zahlungsmittel von originären Finanzmittelgebern gegen
das Versprechen späterer Rückzahlung entgegen und stellen ande-
rerseits solche Zahlungsmittel als Finanzierungsleistung wiederum
gegen das Versprechen späterer Rückzahlung zur Verfügung. Ker-
nelement ist dabei, dass ein potentielles Anspruchs- und Verpflich-
tungsverhältnis zwischen Finanzmittelgebern und Finanzmittel-
nehmern durch zwei eigenständige Verträge mit dem Finanzinter-
mediär ersetzt wird. Hierbei werden die bekannten Transformati-
onsleistungen bezüglich des Informationsbedarfs, des Betrages
(„Losgröße"), der Fristen und/oder des Risikos erbracht (vgl. Bitz
2002, Oehler 2003).
Darüber hinaus erscheint es angesichts des Standes der Literatur
und der realen Erscheinungsformen angemessen, den Begriff des
Intermediärs weiter auszulegen und auch solche Unternehmen als
Finanzintermediäre zu bezeichnen, die Kontrakte zwischen Finanz-
mittelgebern und Finanzmittelnehmern überhaupt ermöglichen oder
einfacher und kostengünstiger herbeiführen. Solche Institutionen
werden in Anlehnung an Bitz (2002) als Finanzintermediäre im
weiteren Sinne bezeichnet. Sie erbringen Leistungen in den Berei-
chen der Vermittlung, Informationsabgabe und Risikoübernahme,
die denen der Finanzintermediäre i.e.S. vergleichbar sind.
Die genannten Leistungen der Finanzintermediäre i.e.S. und i.w.S.
werden nun nicht nur durch ein einziges Unternehmen oder einen
Intermediärtyp erbracht. Vielmehr besteht ein Finanzsystem aus ei-
ner Vielzahl interagierender und vertraglich verflochtener Finanzin-
termediäre. Typischerweise bestehen bzw. entstehen dabei nicht
nur Kontrakte zwischen Finanzintermediären und originären Finanz-
mittelnehmern und/oder originären Finanzmittelgebern, sondern
auch zwischen den Finanzintermediären selbst.
Entsprechend lassen sich analog zu Bitz (2002) Finanzintermediäre
auch nach den Adressaten und der Art ihrer (Transformations-) Lei-
stungen klassifizieren. Abbildung 2 (http://www.uni-bamberg.de/
sowi/finanz/forschung/skizzen/skizze_finanzintermediation.pdf)
zeigt eine solche Einteilung der wesentlichen realen Erscheinungs-
formen.
Der linke untere Quadrant der Abbildung 2 (http://www.uni-bam-
berg.de/sowi/finanz/forschung/skizzen/skizze_finanzintermediatio
n.pdf) zeigt die wesentlichen Typen von Finanzintermediären i.e.S.,
die gleichzeitig überwiegend originäre Finanzmittelnehmer und Fi-
nanzmittelgeber (Anleger) bedienen.
Der linke obere Quadrant der Abbildung 2 (http://www.uni-bam-
berg.de/sowi/finanz/forschung/skizzen/skizze_finanzintermediatio
Forschungsbericht der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Seite 739
n.pdf) hingegen berücksichtigt solche Intermediäre i.e.S. (z.B. Spe-
zialfonds) und i.w.S. (z.B. Wertpapiermakler), die sich primär nicht
an originäre Finanzmittelnehmer richten. Gleichzeitig wendet sich
deren Leistungsangebot jedoch sowohl an originäre als auch an in-
termediäre Finanzmittelgeber (Anleger), so dass dieser Qua-
drant etwas nach rechts in die Mitte verschoben erscheint. Eine
Ausnahme stellen lediglich die Kapitalanlagegesellschaften dar, die
in zwei Grundtypen am Markt auftreten (Publikumsfonds und Spezi-
alfonds).
Anleger und insbesondere originäre Finanzmittelgeber
schließen also neben direkten Verträgen mit Finanzmittel-
nehmern vor allem Verträge mit Finanzintermediären ab
(linke beide Quadranten).
Der rechte obere Quadrant führt Finanzintermediäre i.e.S. (z.B.
Zentralbank, Rückversicherer) und i.w.S. (z.B. Evidenzzentrale,
Rückversicherungsmakler) auf, die gleichzeitig Beziehungen zu
überwiegend intermediären Finanzmittelnehmern und Finanzmittel-
gebern pflegen. Der rechte untere Quadrant dagegen enthält dieje-
nigen Finanzintermediäre i.e.S. (z.B. Leasing- oder Factoringge-
sellschaft) und i.w.S. (z.B. Kreditvermittler), die sich typischerweise
hinsichtlich der Finanzmittelverwendung nur an originäre Finanzmit-
telnehmer wenden.
Wertpapierbörsen als wesentliche Glieder der Wertschöpfungs-
kette im Wertpapierhandel (siehe unten) werden in der neueren Fi-
nanzierungs- und Finanzmarkttheorie nicht mehr als ein anonymer
Ort des Austausches von Angebot und Nachfrage risikobehafteter
Zahlungsströme verstanden, die von „unsichtbarer Hand" (Léon
Walras, Adam Smith) geordnet werden. Vielmehr wird eine Wertpa-
pierbörse als eigenständige Institution, als ein Dienstleistungsun-
ternehmen, gekennzeichnet, deren Funktion in der Intermediation
zwischen Vertragspartnern besteht.
Eine Börse ist also eine Unternehmensform, die als Leistung
eine Handelsplattform für fungible Wertpapiere mit einer or-
ganisatorisch-technischen und einer rechtlichen Infrastruk-
tur für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage zur
Verfügung stellt. Ähnlich zu anderen bekannten Finanzinterme-
diären übernimmt eine Börse also grundsätzlich Aufgaben wie die
Informationsbedarfs- (Kursinformationen, Marktsegmentierung,
potentielle Handelspartner), die Risiko- (Zulassung, Aufsicht, Porte-
feuillebildung), die Fristen- und die Betragstransformation (unter-
schiedliche Ordergrößen). Mit diesen Leistungen steht sie teilweise
in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen Finanzintermediären
wie Maklern, Brokern, Händlern von Banken etc., die z.B. Inhouse-
Systeme nutzen.
An dieser Stelle löst sich die Dichotomie zwischen „Markt" und „In-
termediär" bzw. markt- und intermediärbasierten Finanzsystemen
auf. Das in Abbildung 3 (http://www.uni-bamberg.de/sowi/finanz/
forschung/skizzen/skizze_finanzintermediation.pdf) in Fortentwick-
lung der Abbildung 2 (http://www.uni-bamberg.de/sowi/finanz/for-
schung/skizzen/skizze_finanzintermediation.pdf) typisierte Ge-
flecht zeigt, dass der „Markt" auch keine andere Funktion erfüllt, als
Kontrakte zu vermitteln und (auch kostenmäßig) zu erleichtern (Re-
Forschungsbericht der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Seite 740
gelfall) oder in diese (seltener) selbst einzutreten (z.B. die Termin-
börse Eurex bei Derivaten).
Mit einer verwandten Terminologie könnte man auch etwas verkürzt
formulieren, dass „Intermediäre" „over the counter" arbeiten, wäh-
rend Börsen als „Markt" in der Regel hoch organisiert produzieren.
Aus der Perspektive der gehandelten Produkte weist ein Finanz-
markt in der Ausprägung der Wertpapierbörse damit im Unterschied
zu anderen Finanzintermediären das Charakteristikum auf, dass
aufgrund der Standardisierung der Handelsobjekte lediglich der
Preis als Freiheitsgrad in der Verhandlung über die Vertragskompo-
nenten verbleibt.
Es besteht allerdings eine weitere Besonderheit für Wertpapierbör-
sen darin, dass sie im eigenen Geschäftsbereich teilweise konkurrie-
rend und teilweise komplementär zu anderen Finanzintermediären
tätig sind, wobei jene Finanzintermediäre ggf. auch zu den Shareh-
oldern und/oder zu den Kunden der Börse zählen. „Markt" stellt so-
mit ein Geflecht verschiedener im Wertpapierhandel tätiger
Finanzintermediäre, darunter die Wertpapierbörsen, dar, die
nach festgelegten Regeln interagieren (vgl. Oehler 2000b).
In diesem Kontext soll an dieser Stelle noch dem potentiellen
Missverständnis vorgebeugt werden, dass Emissionsfinanzierungen
(Aktien wie Anleihen) an der Börse stattfinden. Die Funktion einer
Wertpapierbörse besteht - wie dargelegt - darin, den Handel in be-
reits emittierten Finanztiteln und ggf. Finanzkontrakten möglichst
schnell, kostengünstig und ohne Reibungsverluste, also mit hoher
operativer Effizienz, zu gewährleisten. Die reine Emission der Titel
und Kontrakte erfolgt aber auf dem auch als Primärmarkt bezeich-
neten Kontraktmarkt oder Emissionsmarkt, auf dem sich Emit-
tenten von Aktien, Anleihen oder Derivaten als Verkäufer
(Finanzmittelnehmer) und Anleger (Finanzmittelnehmer) meist un-
ter Beteiligung von Finanzintermediären wie Banken oder Brokern
gegenüberstehen und neue Finanzierungsverträge abschlie-
ßen. Hiervon unterschiedet sich der auch als Sekundärmarkt be-
zeichnete Zirkulationsmarkt, der „nur" den Handel in den
Kontrakten bzw. Titeln umfasst. Es erscheint unmittelbar einleuch-
tend, dass der gesamte Wertpapierhandel, also der Primärmarkt
und der Sekundärmarkt zu berücksichtigen ist.
Um einen Überblick über die Prozesse des gesamten Wertpapier-
handels zu gewinnen, wird mit der nachfolgenden Abbildung 4 (ht-
tp://www.uni-bamberg.de/sowi/finanz/forschung/skizzen/skizze_fi
nanzintermediation.pdf) das aus der wettbewerblichen Analyse gut
bekannte Instrument der Wertkette genutzt (vgl. Oehler 2003). Das
Dienstleistungsunternehmen Börse ist dabei Bestandteil der Wert-
schöpfungskette des gesamten Wertpapierhandels.
Ein erstes wesentliches Kettenglied besteht in der Informationsin-
termediation (Pre- und Post-Trade-Information), die sich oft nur auf
den Titelmarkt bezieht, aber auch den Primärmarkt mit einbinden
kann (Venture Management, Private-Equity- und Going-Public-Ser-
vice, Angel-Networking). Die Wertkette erweitert sich um die Zu-
gangsintermediation, also die Steuerung des Orderstroms (Order-
Routing), die insbesondere die zeitliche und die räumliche bzw. vir-
tuelle Konsolidierung ermöglicht. Die Preisintermediation ist die ei-
Forschungsbericht der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Seite 741
gentliche Kernleistung des Wertpapierhandels, die oft auch als
Synonym für eine Wertpapierbörse interpretiert wird. Im Zentrum
stehen das Pricing und Matching, wobei die individuelle Mikrostruk-
tur eines Marktes (Preisermittlung order- oder quote-driven, Auf-
sicht etc.) dessen wettbewerbliche Attraktivität und die Ausprägung
von Anlegerrisiken und Anlegerschutz wesentlich mitbestimmt.
Letztes Glied der Wertkette ist die Abwicklungsintermediation mit
Clearing und Settlement.
Publikationen
0XX
1.
Oehler, Andreas: Zur Makrostruktur von Finanzmärkten - Börsen als Finanzintermediäre im
Wettbewerb . Bamberg : Universität Bamberg. 2003 (22). - Forschungsbericht (BAFIFO -
Bank- und Finanzwirtschaftliche Forschung: Diskussionsbeiträge des Lehrstuhls für Be-
triebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft, Universität Bamberg)
2.
Oehler, Andreas: Deutsche Börse: Katalysator oder zentraler Akteur? In: Zeitschrift für das
gesamte Kreditwesen 54 (2001), S. 56
3.
Oehler, Andreas: Das europäische Finanz- und Börsenwesen - Strukturveränderungen und
Entwicklungstendenzen . Berlin : Ring-Verlag, 2000 (Wirtschaftsforum Berlin)
4.
Oehler, Andreas: Wertpapierbörsen im Wettbewerb - eine ökonomische Analyse . In: Die
Sparkasse 117 (2000), S. 351-357
5.
Oehler, Andreas: Bankensysteme (Universal-, Trenn-) . In: Bühner, R. (Hrsg.) : Manage-
mentlexikon. München : Oldenbourg, 2001, S. 71-72.
Qualität von Bankberatern: Eine Analyse unter Einsatz der Methode der teilneh-
menden Beobachtung und des Silent Shopping
Projektleitung:
Prof. Dr. Andreas Oehler
Beginn: 1.1.2004
Retail Banking - Status quo und Entwicklungsperspektiven
Projektleitung:
Prof. Dr. Andreas Oehler
Beginn: 1.1.1990
Förderer:
Lehrstuhl für Finanzwirt-
schaft
Universität Bamberg
Das Banking der Zukunft und hier insbesondere das Retail Banking
im Spannungsfeld von Kundenwünschen und Rentabilitätsanforde-
rungen betrifft im Kern ein professionalisiertes und rationalisiertes
Kerngeschäft der Banken und Sparkassen sowie weiterer Finanz-
dienstleister in der erfolgreichen Erfüllung der vier volkswirtschaft-
lichen Basisleistungen des finanziellen Sektors (Finanzinter-
mediation): der Informationsbedarfs-, der Betrags-, der Fristen-
und der Risikotransformation.
Das Retail Banking bezieht sich auf Kunden, die als natürliche
Personen in hoher Zahl ähnliche Bedarfe artikulieren und daraus
eine entsprechende Finanzdienstleistungsnachfrage über eine grö-
ßere Variationsbreite an Zugangswegen entwickeln. Das Produkt-
bzw. Dienstleistungsangebot weist demgemäß einen hohen
Standardisierungsgrad auf, ohne dass dies für die Kunden direkt
erkennbar sein muss. Demgegenüber bezieht sich das meist als Pri-
vate Banking (i.e.S.) gekennzeichnete Geschäftsfeld grundsätzlich
auf individualistische, exklusive Nachfrage-Angebots-Relationen,
die den Wholesale-Charakter des Firmenkundengeschäftes oder
des institutionellen Bankgeschäfts aufweisen.
Das Retail Banking als dem volumen- und ertragsmäßig maßgebli-
Forschungsbericht der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Seite 742
chen Teil der meisten deutschen Kreditinstitute und anderer Finanz-
dienstleister steht aufgrund einiger sich abzeichnender oder schon
begonnener Entwicklungen, sogenannter Mega-Trends, vor einer
neuen Ära. Hierzu zählen sowohl gesamtwirtschaftliche und -gesell-
schaftliche Prozesse (z.B. Ageing und Sozialsysteme) als auch deut-
lich verändertes Nachfrageverhalten (z.B. Risikobewusstsein,
Informationszugang, Selbstbewusstsein) sowie technologisch for-
cierte Entwicklungen auf der Angebotsseite (Multikanal-Strategien,
Sourcing).
Hieraus ließe sich zunächst ableiten, Banken und Sparkassen wären
mehr denn je als kompetente Partner ihrer Kunden gefragt, um ih-
nen bei der Lösung der nicht wenig komplexen Probleme zu helfen
und um ihnen Perspektiven über kurzfristige Einzelgeschäfte hinaus
aufzuzeigen. Neuere empirische Ergebnisse deuten jedoch grund-
sätzlich auf eine abnehmende Kundenzufriedenheit und Kundenbin-
dung, eine steigende Wechselbereitschaft, zunehmende
Mehrfachverbindungen und steigende Preissensitivität hin. Trotz
oder gerade wegen der Verbreitung anonymisierter Leistungspro-
zesse (Online, SB) wünschen Kunden eine stärkere Beziehungsori-
entierung und Personalisierung. Dies bedeutet eine Art Renaissance
des Tante-Emma-Prinzips, also einer differenzierten Kundenanspra-
che, die den spezifischen aktuellen und absehbaren zukünftigen Be-
dürfnissen entspricht. Kundenorientierte Finanzdienstleister kennen
die Bedürfnisse ihrer Kunden, sie können sie auch auf Massenmärk-
ten differenziert ansprechen und ihnen durch modular aufgebaute
Produkt- und Leistungspakete Dienstleistungen anbieten, die als
maßgeschneidert wahrgenommen werden (Mass Customization).
Die Erfolgsfaktoren des Retail Banking liegen daher in einer konse-
quenten Kundenorientierung bei gleichzeitiger Distributionseffizienz
(„nicht jeder Kunde auf jedem Weg jede Leistung zum selben Preis")
und Prozesseffizienz („nicht alles und nicht alles selbst"). Eine syste-
matische Kundenorientierung nutzt moderne Konzepte wie das Cu-
stomer Realtionship Management für den Erhalt und Ausbau
von Kundenbeziehungen (innere Akquisition) und die Stärkung der
Kundenbindung. Eine solche Sichtweise führt intern wie extern zu
einer Ausrichtung auf den Kundenwert, also auf die Nutzenstiftung
für den Kunden und den Anbieter.
Kunden werden als Partner gesehen, deren Lebenssituation und -
planung im Vordergrund steht und reines Denken in Produktlebens-
zyklen- und -eigenschaften in den Hintergrund treten lässt. Eine sol-
che Individualisierung bedeutet dann aber auch, dass nicht alle
Kunden das Gleiche bekommen, weder hinsichtlich Produktpro-
gramm und Pricing, noch bezüglich Zugangsmöglichkeiten. Dies
führt - anders als einige Negativ-Beispiele aus den letzten Jahren -
dann nicht zu einer Diskriminierung von Kunden, sondern zur
Wahrnehmung individueller Lösungen, wenn Kunden in den
Dienstleistungsprozess bzw. in die Wertschöpfungskette einbezogen
werden: eine modulare Produkt- und Leistungsstruktur erlaubt
eine ausreichende Angebotsdifferenzierung und zugleich eine ge-
steuerte Selbstselektion durch Kunden ( Plattformstrategie).
Gleichzeitig ist der Kundenservice und die Qualität der Kommuni-
kation als Selektionshilfe wie als Begleitung der mittelfristigen Aus-
wahlprozesse für die Kunden zentral für den Markterfolg. Ein über
Forschungsbericht der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Seite 743
die sachlichen Komponenten hinausgehender Mehrwert kann nur
dann generiert werden, wenn die emotional-motivationale Be-
findlichkeit der Kunden z.B. hinsichtlich der equemlichkeit/Con-
venience, der Sicherheit/des Vertrauens oder der kognitiven
Entlastung zu einem positiven Erlebnis führt. Hierfür wird ein bloßes
Reagieren auf Kundenbelange nicht ausreichen, sondern eine aktive
Kundenansprache auf der Basis der vorhandenen Kundendatenbasis
notwendig werden. Ein häufiger und kontinuierlicher Kunden-
kontakt im Sinne einer erlebten Partnerbeziehung kann dabei über
verschiedene, vor allem aber immer vom Kunden als nah emp-
fundene Wege stattfinden.
Aus Sicht des Finanzdienstleisters richtet sich die Art und Intensität
der (aktiven) Bearbeitung eines Kunden nach ihrer Auswirkung auf
den Ertragswert der Kundenbeziehung, aber eben nicht nur der ver-
gangenen und aktuellen, sondern insbesondere auch der zukünfti-
gen (Customer Life Time Value (CLTV) als Wert über die gesamte
(Dauer der) Geschäftsbeziehung).
Die mangelnde Kosteneffizienz vieler Filialen und die differenzierte
Nutzung alternativer Zugangswege einerseits und die gewünschte
Personalisierung und die Gelegenheit zur inneren Akquisition ande-
rerseits erfordert eine Schärfung der Aufgaben des Filialver-
triebs im Rahmen des Multi-Channel-Managements als eine
zentrale Aufgabe. Eine Neuausrichtung der Filialstruktur unter
einem veränderten Filialverständnis betrifft die ursächlichen
Aufgaben (z.B. Trennung von Standardgeschäft und Beratungs-/
Betreuungsgeschäft) und die Ausstattung der Filialen (z.B. Termi-
nalzonen abgetrennt von offenen Beratungszonen) sowie den
Standort (Shop-in-theshop- oder Instore-Filialen; Kiosk-Lösung
mit bankfremden Anbietern (Post, Reisebüro, Gemeindeverwaltung,
Krankenkasse, etc.); virtuelle Filiale für Online-Kunden, ggf. auch
in Verbindung mit unmittelbarem Beratungskontakt online (Head-
Set, Web-Cam)).
Zur Verbesserung der Prozesseffizienz ist eine klare Trennung des
unmittelbaren Kundenkontaktes (Front Office) von allen nachfol-
genden und zwischengelagerten Transaktions- und Marktfolge-
tätigkeiten (Back Office) anzustreben. Gleichzeitig sind
Teilprozesse wie z.B. Kreditadministration oder Zahlungsverkehrs-
abwicklung zu standardisieren bzw. deren Module zu vereinheitli-
chen (Industrialisierungsprozess). Im Zuge einer Überprüfung
sämtlicher, von der Kundenschnittstelle in das Back Office reichen-
der Prozesse ist benchmarkgestützt jeweils eine Make-or-Buy-Ent-
scheidung unter Berücksichtigung der eigenen Kernkompetenzen zu
treffen. Dabei steht insbesondere die Tiefe der eigenen Wert-
schöpfungskette auf dem Prüfstand und zwar grundsätzlich in bei-
den Richtungen: Auslagerung (Outsourcing) oder Integration
(Insourcing) unter Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingun-
gen.
e, welche Rolle sie zukünftig einnehmen wollen und welchen Part
der Wertschöpfungskette im Retail Banking sie ausfüllen können
und wollen. Das Retail Banking wird sich zukünftig eher als ein
Dostları ilə paylaş: |