44
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
Abbildung 4.1:
6- bis 7-Jährige - Veränderungen der Kariesmorbiditat 2006 bis 2011 in
Prozentpunkten nach Migrationshintergrund
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Abbildung 4.1 demonstriert die Entwicklung der Kariesmorbidität, indem sie die
zwischen den Jahren 2006 und 2011 eingetretenen Veränderungen der wichtigsten
Parameter als Differenz in Prozentpunkten ausweist. Am höchsten fällt die Zunahme an
völlig gesunden Milchgebissen
bei einheimischen Kindern (ohne Mig) aus. Sie beträgt
gegenüber der Erhebung des Jahres 2006 zehn Prozentpunkte. In der Gruppe der
einheimischen Kinder (ohne Mig) ist auch die Zunahme an
kariesfreien
Probandinnen
und Probanden ganz geringfügig stärker ausgeprägt als in der Migrantengruppe (Mig),
bei gleichzeitiger Reduktion des Anteils an Buben und Mädchen, deren Milchzähne
einer zahnärztlichen Behandlung bedürfen (der Behandlungsbedarf ist um
8 Prozentpunkte gefallen). Dennoch erreichte auch die Gruppe der Kinder mit Migrati-
onshintergrund in den letzten fünf Jahren in allen Parametern zur Kariesmorbidität
geringfügige Verbesserung (vgl. Abbildung 4.1).
9
10
6
7
7
6
-7
-8
-6
-10 -8 -6 -4 -2
0
2
4
6
8
10 12
Alle
Ohne Mig
Mig
Behandlungsbedarf
Kariesfrei
Völlig gesundes Gebiss
Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011
45
Tabelle 4.3:
6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität 1996 bis 2011, nach Bildung der Eltern, alle Kinder
in Prozent
Diagnose
2006
2011
Matura
Ohne Matura
Matura
Ohne Matura
Völlig gesundes Gebiss
(d
1-3
mft = 0)
37
26
48
26
Kariesfrei (d
3
mft = 0)
56
39
60
37
Behandlungsbedarf (d
3
t =
0)
30
46
24
49
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Tabelle 4.3 stellt die Entwicklung der Kariesmorbidität in Abhängigkeit vom Bildungs-
status der Eltern dar. Aktuell zeigt lediglich ein gutes Drittel (37 %) der Erstklässler/-
innen aus bildungsschwachen Familien (ohne Matura) ein kariesfreies Milchgebiss.
Demgegenüber ist mehr als die Hälfte (60 %) der Kinder von Eltern mit Matura, karies-
frei. Bei knapp einem Viertel (24 %) der Kinder von Eltern mit Matura ist akut zahnärzt-
liche Behandlung gefordert. In der Gruppe der Kinder von Eltern ohne Matura leidet
indessen beinahe jedes zweite Kind (49 %) an mindestens einer nicht behandelten
Kavität im Milchgebiss. Völlig gesunde Gebisse haben Kinder aus Familien mit niedri-
gerem Bildungsstatus (ohne Matura) vergleichsweise selten. Diese Diagnose stagniert
in der Gruppe der Kinder von Eltern ohne Matura seit dem Erhebungsjahr 2006 auf
dem Niveau von 26 Prozent. Bei jenen Sechsjährigen aus bildungsfernerer Schicht
(ohne Matura) zeigt sich sogar ein Trend der Verschlechterung (vgl. Abbildung 4.2).
Der Anteil kariesfreier Milchgebisse fällt zwischen 2006 und 2011 um 2 Prozentpunkte
ab und der Anteil behandlungsbedürftiger Kinder nimmt um 3 Prozentpunkte zu. Als
stärkste Verbesserung fällt in Abbildung 4.2 die Zunahme (11 Prozentpunkte) des
Anteils völlig gesunder Milchgebisse in der Gruppe der Kinder von Eltern mit Matura
auf.
46
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
Abbildung 4.2:
6- bis 7-Jährige – Veränderungen der Kariesmorbidität 2006 bis 2011 in
Prozentpunkten nach Bildung der Eltern
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
4.2
Kariesprävalenz
Während sich bei den Sechsjährigen zwischen den Jahren 1996 und 2001 kariöser
Flächenbefall (d
3
mfs-Index) noch halbiert, verbessert sich in den Folgejahren im
Österreich-Durchschnitt der d
3
mfs-Index kaum (vgl. Abbildung 4.3). In den letzten
fünf Jahren (zwischen 2006 und 2011) erreichten nur die Gruppe der Kinder ohne
Migrationshintergrund (Kariesreduktion = 43 %) und jene Kinder von Eltern mit Matura
eine Kariesreduktion (23 %). In der Untersuchungsgruppe der Migrantenkinder beträgt
die entsprechende Reduktion nur 14 Prozent und bei jenen Kindern von Eltern ohne
Matura ist der Kariesbefall der Milchzähne um lediglich 5 Prozent zurückgegangen
(vgl. Abbildung 4.3). Tendenziell ist der Trend der Kariesrückentwicklung pro Kind
zwar über alle Subgruppen hinweg erkennbar, der Grad der Verbesserung erweist sich
aber als schichtabhängig.
Migrationshintergrund oder niedriger Bildungsgrad der
Eltern verringert die Rückentwicklungchancen der Kariesaktivität im Milchgebiss
bedeutend
.
9
11
0
7
4
-2
-7
-6
3
-8
-6
-4
-2
0
2
4
6
8
10
12
Alle
Matura
Ohne Matura
Behandlungsbedarf
Kariesfrei
Völlig gesundes Gebiss
Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011
47
Abbildung 4.3:
6- bis 7-Jährige – d
3
mfs-Indexwerte 1996 bis 2011, alle Kinder, nach
Migrationshintergrund und Bildung der Eltern
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
4.3
SiC-Index
Abbildung 4.4 veranschaulicht die Entwicklung der SiC-Indexwerte in Abhängigkeit von
soziodemografischen Variablen (Mig, ohne Mig, Mat, ohne Matura). Auffallend ist, dass
die SiC-Indexwerte bei Migrationshintergrund und niedrigem Bildungsgrad der Eltern
(ohne Matura) in den letzten fünf Jahren noch anstiegen, während sie beim Durch-
schnitt der Sechsjährigen (alle Kinder), in der Gruppe der einheimischen Kinder und
jener mit hohem Bildungsniveau der Eltern (mit Matura) sanken. Das bedeutet, dass die
Kariesaktivität beim Risikodrittel mit Migrationshintergrund und niedrigerem familiären
Bildungsstatus (ohne Matura) in den letzten fünf Jahren zugenommen hat.
Häufig leiden diese Kinder schon im Kleinkindesalter an kariösen Zähnen. Frühe
Milchzahnkaries (Early Childhood Caries = ECC) entsteht meist, wenn Kleinkinder beim
Einschlafen an Flaschen mit süßen Getränken nuckeln oder ständig etwas naschen.
Diese für die Zahngesundheit ungünstigen Bedingungen müssen unbedingt durch
frühe Beratung (schon während der Schwangerschaft) beeinflusst werden. Eltern sollen
lange bevor Zahnprobleme auftreten über den Erhalt der Babyzähne bescheid wissen.
Die Bemühungen der Länder müssen auf vollständige Vermeidung von Kinderzahnka-
ries hinzielen.
12,2
5,4
6,9
5,1
5,4
3,1
10,3
8,9
4
3,1
8,6
8,2
0
2
4
6
8
10
12
14
1996
2001
2006
2011
Ohne Matura
Matura
Mig
Ohne Mig
Alle
48
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
Abbildung 4.4:
6- bis 7-Jährige – SiC-Indexwerte 1996 bis 2011, alle Kinder, nach
Migrationshintergrund und Bildung der Eltern
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
4.4
Sanierungsgrad
Der Sanierungsgrad (Anteil unbehandelter Milchzähne am d
3
mft-Index; vgl. Punkt
3.1.4) stagniert seit Einführung der Zahnstatuserhebungen im Jahr 1996 bei den
Sechsjährigen – mit Ausnahme geringer Schwankungen – auf viel zu niedrigem Niveau
(40 %). Das bedeutet, dass in Österreich bei Sechsjährigen mehr als die Hälfte der
kariösen Milchzähne (60 %) nach wie vor nicht gefüllt ist. Von mangelnder Sanierung
besonders betroffen sind wiederum jene Kinder mit niedrigerem Bildungsgrad der
Eltern (zwei Drittel der kariösen Milchzähne sind nicht saniert) sowie jene mit Migrati-
onshintergrund (beinahe drei Viertel sind nicht behandelt). Hoher Bildungsstatus der
Eltern und kein Migrationshintergrund hingegen wirken sich positiv auf die Behand-
lungsbereitschaft für kariöse Milchzähne aus. Die höchsten Sanierungsgrade errechnen
sich in der Gruppe der einheimischen Kinder (ohne Mig) und jener mit hohem Bil-
dungsstatus der Eltern (vgl. Abbildung 4.5). Aber auch bei diesen Kindern ist noch
immer ca. die Hälfte der kariösen Milchzähne nicht zahnärztlich behandelt.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob zahnärztliche Leistungen in Österreich
von Sechsjährigen nur unzureichend in Anspruch genommen werden oder ob in
Zahnarztpraxen unzureichende Milchzahnsanierung betrieben wird. Die Frage nach
5,6
5,6
6,5
5,3
6,4
3,6
6,6
7,4
5,6
3,6
6,8
7,4
0
2
4
6
8
1996
2001
2006
2011
Ohne Mat
Matura
Mig
Ohne Mig
Alle
Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011
49
dem Grund der mangelnden Sanierung von Milchzähnen soll Gegenstand weiterer
Untersuchungen sein. Mit den vorliegenden Daten ist eine dahingehende Erklärung
nicht möglich. Jedenfalls ist Milchzahnkaries vermeidbar und es müsste gar nicht erst
„gebohrt“ bzw. behandelt werden, wenn Eltern den Ratschlägen zur richtigen Mundhy-
giene, zu frühzeitigen zahnärztlichen Kontrollbesuchen und zur gesunden Ernährung
ihrer Kinder nachkommen würden (Winter 2008).
Abbildung 4.5:
6- bis 7-Jährige – Sanierungsgrad 1996 bis 2011, alle Kinder, nach
Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
In Anbetracht des unverändert hohen Behandlungsbedarfes im Milchgebiss einerseits
und der großen Bedeutung der Milchzähne als Platzhalter für die weitere Gebissent-
wicklung andererseits, besteht hoher Handlungsbedarf. Kariöse Milchzähne müssen
unbedingt behandelt werden.
4.5
Mundhygiene und Visible-Plaque-Index
Zentrales Element für gute Mundgesundheit ist regelmäßige tägliche Zahnreinigung
mit fluoridierter Zahnpasta. Der Oberste Sanitätsrat empfiehlt, sich die Zähne mindes-
tens zweimal täglich richtig zu putzen. Bei Kindern sollen mindestens bis zum sechs-
ten Lebensjahr die Eltern die Verantwortung für die Mundhygiene übernehmen (Emp-
36
42
31
40
36
50
24
27
35
48
29
31
0
20
40
60
1996
2001
2006
2011
Ohne Matura
Matura
Mig
Ohne Mig
Alle
50
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
fehlungen des Obersten Sanitätsrates, Kommission für Zahnmedizin und Prophylaxe,
http: www.bmgf.gv.at, 2003).
Abbildung 4.6:
6- bis 7-Jährige – mindestens zweimal tägliches Zähneputzen, alle Kinder, nach
Migrationshintergrund und Bildung der Eltern, in Prozent
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Aus Abbildung 4.6 geht hervor, dass Zähneputzen bei der überwiegenden Mehrheit der
Sechsjährigen in allen sozialen Schichten fixer Bestandteil täglicher Routinehandlungen
ist. Allerdings sinkt innerhalb der letzten fünf Jahre der Anteil jener Mädchen und
Buben, die sich, wie von Expertinnen und Experten gefordert, täglich zweimal die
Zähne reinigen in beinahe allen Subgruppen ganz geringfügig. Am stärksten fällt
dieser „Rückschritt“ in der Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund aus (vgl.
Abbildung 4.6). Dort ist der Anteil jener Kinder, die angeben sich mindestens zweimal
täglich die Zähne zu reinigen, zwischen den Jahren 2006 und 2011 um neun Prozent-
punkte gefallen. Eine weitere ungünstige Entwicklungstendenz im Zahnputzverhalten
der Kinder veranschaulicht Abbildung 4.7. Demgemäß steigt zwischen den Jahren 2006
und 2011 der Anteil jener Sechsjährigen, die sich nicht täglich die Zähne reinigen
(seltener als 1 x täglich) in allen sozialen Untergruppen ganz leicht an. Kinder mit
Migrationshintergrund sowie jene aus bildungsfernerem Elternhaus (ohne Matura) sind
dabei am häufigsten von unzureichender Zahnreinigung betroffen (vgl. Abbildung 4.6
und Abbildung 4.7).
76
72
81
79
66
57
80
77
64
64
50
55
60
65
70
75
80
85
90
2006
2011
Alle
Ohne Mig
Mig
Matura
Ohne Matura
Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011
51
Abbildung 4.7:
6- bis 7-Jährige – seltener als einmal tägliches Zähneputzen, alle Kinder, nach
Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Die Empfehlung der Zahnmediziner und Zahnmedizinerinnen, dass Eltern das Zähne-
putzen ihrer Kinder mindestens bis zum sechsten Lebensjahr überwachen sollen
(Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates, Kommission für Zahnmedizin und Prophy-
laxe, http: www.bmgf.gv.at, 2003), wird von den Sechsjährigen zunehmend häufiger
angenommen (vgl. Abbildung 4.8). In der Gruppe der einheimischen Kinder bzw. jener
Kinder aus Familien mit hohem Bildungsgrad werden die Kinderzähne schon zu mehr
als 50 Prozent von den Eltern nachgeputzt. Mangelndes diesbezügliches Engagement
bzw. „Know how“ bestehen noch in Familien mit Migrationshintergrund (vgl. Abbildung
4.8). In der Migrantengruppe wird das Zähneputzen gegenwärtig nur bei einem guten
Viertel der Kinder von den Eltern kontrolliert und in der Gruppe der Kinder von Eltern
ohne Matura beträgt dieser Anteil ein gutes Drittel mit ansteigender Tendenz.
4
8
2
4
7
16
2
5
5
14
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
2006
2011
Alle
Ohne Mig
Mig
Matura
Ohne Matura
52
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
Abbildung 4.8:
6- bis 7-Jährige – Kind putzt selbst Zähne, Erwachsener putzt nach, alle Kinder, nach
Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Den Mundhygienezustand der Sechsjährigen überprüften die Untersucher/innen
mittels VPI (Visible Plaque Index). Die Plaque-Auswertungen zeigen, dass gegenwärtig
österreichweit rund die Hälfte (51 %) der Sechsjährigen vorzügliche Mundhygiene
betreibt (kein Zahn weist Plaque-Beläge auf, der VPI = 0 % vgl. Abbildung 4.9). In der
Migrantengruppe ist es ein gutes Drittel (37 %) und in der Gruppe der Kinder mit
niedrigem Bildungsgrad der Eltern weist ein gutes Viertel (26 %) den VPI von null auf.
Am häufigsten zeigen Kinder von Eltern mit Matura vorzügliche Mundhygiene (58 %
weisen einen VPI = 0 auf). Es fällt auf, dass in der Gruppe der Kinder von Eltern ohne
Matura der Anteil jener Sechsjährigen mit vorzüglicher Mundhygiene innerhalb der
letzten fünf Jahre um dreizehn Prozentpunkte gefallen ist, während die übrigen
Untersuchungsgruppen diesbezüglich geringfügige Verbesserungen erreichten. Die
vorliegenden Daten zum Mundhygienezustand korrelieren stark mit den Ergebnissen
zur Karieserfahrung (vgl. Tabelle 4.1, Tabelle 4.2, Tabelle 4.3). Vorzüglicher Mundhy-
giene (VPI = 0 %) ist mit niedriger Kariesaktivität verbunden.
39
49
45
59
24
28
47
53
34
41
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
2006
2011
Alle
Ohne Mig
Mig
Matura
Ohne Matura
Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011
53
Abbildung 4.9:
6- bis 7-Jährige – VPI = null 1996 bis 2011, alle Kinder, nach Migrationshintergrund
und Bildung der Eltern in Prozent
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Von sehr schlechter Mundhygiene (VPI > 50 %) und daraus resultierendem erhöhten
Kariesrisiko betroffen sind österreichweit 12 Prozent der Sechsjährigen. In der Gruppe
der Migrantenkinder und jener Kinder von Eltern ohne Matura weist ca. ein Viertel sehr
schlechte Mundhygiene auf, während in der Gruppe der Kinder von Eltern mit Matura
nur mehr ganz wenige (8 %) sehr schlechte Zahnhygiene betreiben. Der Anteil der
„Zahnputzmuffel“ (VPI > 50 %) reduzierte sich in den Subgruppen „ohne Migrationshin-
tergrund und Eltern mit Matura“ geringfügig. Parallel dazu stieg bei Migrationshin-
tergrund und niedrigerem Bildungsgrad der Eltern (ohne Matura) der Anteil der Kinder
mit sehr schlechten Mundhygienestatus geringfügig an (vgl. Abbildung 4.10). Das
heißt, dass in sorgfältiger und ausreichender Mundhygiene bei den Sechsjährigen noch
ein wesentliches Verbesserungspotential liegt.
43
51
47
56
35
37
51
58
39
26
20
25
30
35
40
45
50
55
60
2006
2011
Alle
Ohne Mig
Mig
Matura
Ohne Matura
54
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
Abbildung 4.10:
6- bis 7-Jährige – VPI > 50 Prozent, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und
Bildung der Eltern in Prozent
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Die VPI-Ergebnisse korrelieren mit den Angaben der Kinder zu ihrem Zahnputzverhal-
ten. Unzureichende Zahnhygiene und erhöhte Plaquewerte betreffen am häufigsten
Migrantenkinder und jene Buben und Mädchen aus bildungsferneren Familien. Laut
Experten und Expertinnen hängen bis zum zehnten Lebensjahr der Kinder das Zahn-
putzverhalten sowie der VPI vom Engagement der Eltern ab. Gute Mundhygiene ist
„Grund-Voraussetzung“ für kariesfreie Zähne.
15
12
12
7
21
24
8
7
19
21
0
5
10
15
20
25
30
2006
2011
Alle
Ohne Mig
Mig
Matura
Ohne Matura
Kapitel 5 / Sechsjährige im europäischen Vergleich
55
5
Sechsjährige im europäischen Vergleich
Für den europäischen Vergleich wurden die WHO-Datenbank (Global Oral Data Bank,
http:www.mah.se/CAPP/Methods-and-Indices/for-Caries-prevalence), das Council of
European Chief Dental Officers (CECDO); die European Association of Dental Public
Health (EADPH) sowie verschiedene medizinische Datenbanken (Keywords: caries
experience, caries trends, primary dentition, six year olds, oral health surveillance,
Europe) und diverse Fachzeitschriften nach Daten bei vergleichsrepräsentativen
Stichproben durchsucht. Die folgenden Abschnitte beschreiben die Ergebnisse dieser
Recherche.
Da die WHO die Zwölfjährigen als Indikator-Altersgruppe zur Darstellung des Mundge-
sundheitszustandes der Bevölkerung eines Landes präferiert, finden sich gegenwärtig
in der Global Oral Data Bank für die Altersgruppe der Sechsjährigen kaum vergleichba-
re aktuelle Länder-Daten. Die wenigen, verfügbaren Ergebnisse zur Kariesverbreitung
im Milchgebiss lassen einen Vergleich mit den vorliegenden österreichischen Daten nur
höchst eingeschränkt zu, da vermutlich unterschiedliche Definitionen der Karies
benützt werden. In der WHO-Datenbank ist nicht angegeben, nach welcher Methode
Karies dokumentiert ist (WHO-System oder ICDAS II) bzw. auf welchem Kariesnivau
(Mikrokavitätenstadium oder Kavitätenstadium) der d
3
mft-Index basiert. Ebenso wenig
ist in der WHO-Global Oral Data Bank angegeben, ob die Milchschneidezähne in der
Berechnung der Kariesindikatoren berücksichtigt wurden. Außerdem liegen in der
WHO-Datenbank Ergebnisse vor, die das genaue Alter der Probandinnen und Proban-
den nicht ausweisen. Einige Länder erheben Sechsjährige in Volksschulen, während
manche Länder für den Kariesstatus im Milchgebiss fünfjährige Kindergartenkinder
heranziehen. Daraus resultieren Prävalenzwerte, die nicht direkt miteinander ver-
gleichbar sind. Die Prävalenzwerte der österreichischen Stichprobe (6- bis 7-Jährige)
z. B. fallen aufgrund des höheren Alters der Kinder vergleichsweise hoch aus. Schließ-
lich ist in der Global Oral Databank der WHO auch nicht angegeben, ob die Untersu-
chungen repräsentativ für das ganze Land sind oder ob es sich lediglich um regionale
Ergebnisse handelt. Gegenwärtig arbeitet aber ein Expertenteam der WHO an der
Standardisierung bzw. Aktualisierung der Global Oral Data Bank.
Die Recherche zu „Kariestrends im Milchgebiss in Europa“ liefert dennoch einige Daten,
die eine ungefähre Einschätzung der europäischen Lage zulassen. Tabelle 5.1 präsen-
tiert identifizierte Indikator-Werte zur Karieserfahrung im Milchgebiss (Prozent-Anteile
der Kinder mit Karieserfahrung und d
3
mft-Indexwerte) einiger europäischer Länder.
Basis für die Vergleichbarkeit der Prävalenzwerte sind in den identifizierten Studien das
Alter der erhobenen Kinder wie auch die Dokumentation und die Berechnung der
einzelnen Komponenten des d
3
mft-Index entsprechend der Definition des ICDAS-II-
Systems. Das bedeutet, dass als sichtbare Dentinkaries die ICDAS-Diagnosen 4, 5 und
6 (vgl. Tabelle 2.4) in die Berechnung des d
3
mft-Indexwertes einflossen. In den Studien
56
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
wurden alle vorhandenen Milchzähne (auch die Milchschneidezähne) nach ICDAS
bewertet.
Tabelle 5.1 zeigt, dass vor allem wohlhabende, westeuropäische Industriestaaten dem
bis zum Jahr 2000 vorgegebenen WHO-Ziel, wonach die Hälfte der Sechsjährigen
kariesfrei sein sollte, entsprechen. In den wirtschaftlich schlechter gestellten osteuro-
päischen Ländern hingegen besteht vergleichsweise erhöhte Karieserfahrung im
Milchgebiss. Der globale Trend des „Caries Decline“ – wie er bei den Zwölfjährigen für
das bleibende Gebiss nun schon seit Jahren beobachtet wird, ist im Milchgebiss nicht
ausgeprägt. Wenn die Entwicklung bezüglich Milchzahnkarieserfahrung weiterhin
ähnlich stagniert wie in den jüngst vergangenen Jahren, werden die meisten europäi-
schen Länder den Anspruch der WHO (80 % kariesfrei bis 2020) nicht erfüllen. Insofern
bleibt Milchzahnkaries in Europa weiterhin ein virulentes Public-Health-Problem. Da
Zahngesundheit im Milchgebiss bedeutend für die weitere Gebissentwicklung und die
spätere Mundgesundheit einer Person ist, muss schon aus rein volkswirtschaftlichen
Überlegungen vermehrtes „Know how“ bereitgestellt werden, um frühe Karies weitest-
gehend zu verhindern und die Kosten für Mundgesundheit begrenzt zu halten.
Kapitel 5 / Sechsjährige im europäischen Vergleich
57
Tabelle 5.1:
6- bis 7-Jährige – Kariestrends in Europa
Land
Jahr
Karieserfahrung,
Anteil Kinder
d
3
mft-
Index
Anmerkungen
Quelle
Belgien, Flandern
2006
31
2,7
5-Jährige
Declerk 2006
Deutschland
2004
n.v.
2,2
6- bis 7-Jährige
Pieper, DAJ-Studie
2006
Deutschland
2009
54
1,9
6- bis 7-Jährige
Pieper, DAJ-Studie
2009
England, Wales
2005
40
1,6
5-Jährige
Pitts, BASD-Surve
2005
Island
2005
42
n.v.
6-Jährige
Agustsdottir 2010
Italien, Veneto
2005
34
1,5
5-Jährige
Ferro 2007
Norwegen, Tromso
2007
26
0,9
5-Jährige
Marstrander 2006
Österreich
2001
51
2,1
6- bis 7-Jährige
GÖG/ÖBIG 2002
Österreich
2006
55
2,7
6- bis 7-Jährige
GÖG/ÖBIG 2007
Österreich
2011
48
2,1
6- bis 7-Jährige
GÖG/ÖBIG 2012
Polen, Mazowsze
2006
n.v.
6,2
5-Jährige
Jodokowska 2006
Rumänien, Bukarest
2010
72
8
6- bis 8-Jährige
Dumitrache 2009
Schottland
2005
55
2,8
5-Jährige
Pitts, BASD-Surve
2005
Schottland
2010
36
1,5
n.v.
National Dental
Ispection-Programe
(NDIP) 2010
Slowakei, Kosice
2006
71
5,5
5-Jährige
Veslinyova 2006
Tschechien, Prag
2006
58
n.v.
5-Jährige
Broukal 2006
n. v. = Daten nicht verfügbar
Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Die Ergebnisse der epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe
der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnheilkunde (Pieper 2009) lassen sich
am besten mit den GÖG-Daten (Länderzahnstatuserhebung 2011/12 in Österreich bei
Sechsjährigen) vergleichen, da in den Erhebungen methodisch weitgehend überein-
stimmend vorgegangen wurde.
Auffällig ist, dass sich in Österreich wie auch in Deutschland die in verschiedenen
Bundesländern ermittelten oralepidemiologischen Werte erheblich unterscheiden,
wobei die Schwankungen in Österreich noch etwas stärker ausgeprägt sind
(vgl. Tabelle 5.2 und Tabelle 5.3). Z. B. liegt die Spannweite der mittleren d
3
mft-Werte
in Deutschland zwischen 1,3 (in Saarland) und 2,6 (in Thürigen). In Österreich weist
58
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
das Burgenland mit 3,1 d
3
mft die höchste Kariesaktivität im Milchgebiss aus, während
die Tiroler Kinder bereits sehr geringe Karieserfahrung aufweisen. Das niedrige Tiroler
Kariesprävalenzniveau von 0,7 d
3
mft wird auch von keinem der deutschen Bundeslän-
der unterboten oder erreicht. Die aktuellen Werte von deutschlandweit 54 Prozent und
österreichweit 52 Prozent kariesfreien Sechsjährigen liegen noch fernab vom WHO-
Zielwert für das Jahr 2020 (Kariesfreiheit bei 80 % der 6– bis 7-Jährigen). Lediglich
Tirol steht als Vorbild mit 70 Prozent kariesfreien Milchgebissen dem WHO-Postulat
2020 bereits relativ nahe. Zu erwähnen ist auch, dass die gegenüber den d
3
mft-Indizes
ermittelten erhöhten SiC-Werte auf Polarisierung der Karies hinweisen. Diesbezüglich
zeigt sich in Deutschland eine ähnlich problematische Situation wie in Österreich: Eine
relativ kleine Gruppe an Kindern leidet am Großteil der Karieslast. Alarmierend sind
auch die niedrigen Sanierungsgrade (beinahe die Hälfte der kariösen Milchzähne hat
keine intakte Füllung), Zahnschmerzen und Einschränkungen der Lebensqualität
begleiten einen erheblichen Teil der österreichischen und deutschen Erstklässler/innen
(siehe Sanierungsgrad Tabelle 5.2 und Tabelle 5.3).
Der Einfluss sozialer Bedingungen auf die Gesundheit zeigt sich auch in regionalen
Unterschieden bei der Mundgesundheit. So ist zumindest ein Teil der Varianz der für
die verschiedenen Bundesländer berechneten Kariesindizes-Werte mit unterschiedli-
cher soziodemografischer Struktur erklärbar.
Tabelle 5.2:
6- bis 7-Jährige – Kariestrends in Österreich
Bundesland
Anteil Kinder
kariesfrei
d
3
mft
SiC-
Index
Sanierungsgrad in %
Quelle
Burgenland
36
3,1
7,5
33
GÖG/ÖBIG:
LZS 2011/12
Kärnten
61
1,4
3,7
60
GÖG/ÖBIG:
LZS 2011/12
Niederösterreich
46
2,8
7,2
24
GÖG/ÖBIG:
LZS 2011/12
Oberösterreich
56
1,5
3,4
54
GÖG/ÖBIG:
LZS 2011/12
Salzburg
37
3,0
6,8
54
GÖG/ÖBIG:
LZS 2011/12
Steiermark
64
1,3
3,6
47
GÖG/ÖBIG:
LZS 2011/12
Tirol
74
0,7
2,2
73
GÖG/ÖBIG:
LZS 2011/12
Österreich gesamt
1
52
2,1
5,3
40
GÖG/ÖBIG:
LZS 2011 /12
1
ohne Wien und Vorarlberg
LZS = Länderzahnstatuserhebung
Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Kapitel 5 / Sechsjährige im europäischen Vergleich
59
Tabelle 5.3:
6- bis 7-Jährige – Kariestrends in Deutschland
Bundesland
Anteil
Kinder
kariesfrei
d
3
mft
SiC-
Index
Sanierungsgrad in %
Quelle
Bayern
50
2,4
n. v.
40
DAJ 2010
Berlin
46
2,4
6,1
43
DAJ 2010
Brandenburg
48
2,2
5,9
43
DAJ 2010
Bremen
46
2,4
6,1
38
DAJ 2010
Hamburg
55
1,7
3,7
48
DAJ 2010
Hessen
53
1,6
4,9
47
DAJ 2010
Mecklenburg-
Vorpommern
44
2,3
5,8
50
DAJ 2010
Niedersachsen
57
1,8
5,0
47
DAJ 2010
Nordrhein
57
1,6
4,5
41
DAJ 2010
Rheinland-Pfalz
56
1,8
5,0
40
DAJ 2010
Saarland
62
1,3
3,8
30
DAJ 2010
Sachsen
52
1,9
n. v.
53
DAJ 2010
Sachsen-Anhalt
43
2,3
5,8
47
DAJ 2010
Schleßwig-Holstein
62
1,6
4,2
50
DAJ 2010
Thüringen
43
2,6
6,5
46
DAJ 2010
Westfalen-Lippe
53
1,9
5,2
40
DAJ 2010
Deutschland gesamt
54
1,9
n.v.
53.
DAJ 2010
Quelle und Berechnung: DAJ 2010, Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012
Der durchschnittliche Kariesrückgang in Deutschland zwischen den Jahren 1994 und
2009 beträgt 37 Prozent. Der Trend des Kariesrückgangs der 1990er Jahre setzt sich in
den 2000er Jahren zwar weiter fort, der entsprechende Prozess verlangsamt sich
jedoch stark (vgl. Pieper 2009). In Österreich erreichten die Sechsjährigen zwischen
1996 und 2001 noch eine Halbierung des kariösen Gebissbefalls (d
3
mft-Werte). In den
Folgejahren aber stagnierte diese erfreuliche Entwicklung vgl. Abschnitt 4.2). Insge-
samt ist die Situation in Deutschland und Österreich günstiger als in einigen anderen
europäischen Ländern, aus denen sporadisch über einen Wiederansteig der Milchzahn-
karies berichtet wird (Haugejorden 2002; Stecksen-Blicks 2004). Trotz der insgesamt
positiven Entwicklung gibt es in Österreich sowie auch in Deutschland immer noch viel
zu viel Milchzahnkaries, die teilweise extrem früh auftritt. Eine wesentliche Ursache für
die langsame Kariesrückentwicklung an Milchzähnen ist sicher darin zu sehen, dass
Eltern in schwierigen sozialen Lagen Präventionsangebote und zahnärztliche Dienste
viel zu selten wahrnehmen (Pieper 2009). Jedenfalls sind verstärkte Anstrengungen zur
60
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
weiteren Bekämpfung der Milchzahnkaries notwendig. Als wichtige akute Maßnahme
muss für vermehrte Behandlung von Milchzähnen gesorgt werden.
Kapitel 6 / Resümee
61
6
Resümee
Insgesamt ist die Entwicklung der Mundgesundheit bei 6- bis 7-Jährigen im Beobach-
tungszeitraum 1996 bis 2011 durchaus positiv zu bewerten. Die Milchzahnkaries
(d
3
mft-Indexwert) hat sich insgesamt um 50 Prozent reduziert. Erfreulich präsentiert
sich vor allem die starke Zunahme des Anteils an Kindern mit „völlig gesunden Milch-
gebissen“ (d
1+2+3
mft = 0). Dieser stieg innerhalb von 15 Jahren um 32 Prozentpunkte
an, sodass gegenwärtig ein gutes Drittel (39 %) der Sechsjährigen vollkommen gesunde
Milchzähne ohne jegliche kariöse Spuren hat. Die Entwicklung zeigt, dass orale Basis-
prophylaxe (wie sie in den Bundesländern seit Jahren betrieben wird) bei einem be-
trächtlichen Teil der Sechsjährigen wirkt.
Trotz dieses positiven Resultats ist Milchzahnkaries unter Sechsjährigen noch immer
viel zu häufig verbreitet. Der Anteil an Kindern mit Karieserfahrung (d
3
mft > 0; min-
destens ein Milchzahn weist Karies auf) reduzierte sich innerhalb der letzten fünfzehn
Jahre lediglich um fünf Prozentpunkte, sodass gegenwärtig noch beinahe jedes zweite
Kind (es sind 48 %) von Milchzahnkaries betroffen ist. Auch die in den unterschiedli-
chen Untersuchungsjahren ermittelten d
3
mft-Indexwerte (durchschnittlicher Kariesbe-
fall pro Kind bzw. Gebiss) deuten auf eine eher stagnierende Entwicklung in den
letzten fünf Jahren hin. Hat sich der d
3
mft-Wert zwischen 1996 und 2001 noch von 4,2
auf 2,1 halbiert, gelang in den Jahren danach bei den Sechsjährigen keine bedeutende
Reduktion des Kariesbefalls mehr. Die Sechsjährigen zeigen gegenwärtig durchschnitt-
lich rund zwei von Karies geschädigte Milchzähne (d
3
mft = 2,1).
Jeder und jede dritte Erstklässler/in weist akuten zahnärtzlichen Behandlungsbedarf
auf (33 % haben mindestens einen kavitierten Milchzahn). Ein Problem, das leicht zu
vermeiden ist, würden Eltern mit ihren Kindern frühzeitig (ab Durchbruch der ersten
Milchzähne) regelmäßig den Zahnarzt konsultieren. Dringend nötig ist auch, Zahnärzte
und Zahnärztinnen für die oft sehr zeitaufwendigen und schwierigen Kinderzahnbe-
handlungen zu motivieren und nicht zuletzt zu befähigen.
Der unverändert niedrige Sanierungsgrad im Milchgebiss gibt Anlass zu akutem
Handeln (60 % der als kariös befundeten Zähne sind nicht saniert). Zunächst müssen
jene Barrieren genau erforscht werden, die das hohe Defizit in der zahnärztlichen
Behandlung von Milchzähnen bewirken.
Zahngesundheit und soziodemografische Einflussfaktoren
Die GÖG/ÖBIG-Daten bestätigen ganz deutlich die in internationalen Fachstudien
beschriebene Polarisierung bei Zahnerkrankungen. In den Altersgruppen der 6- und
12-Jährigen steht einer relativ großen Gruppe ohne Karieserfahrung eine kleine Gruppe
62
© GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen
von „Kariesproduzenten“ gegenüber (Pieper 2009). Besonders hohes Kariesrisiko
besteht für Mädchen und Buben aus Familien mit niedrigem soziökonomischem Status
(niedriges Schulbildungsniveau der Eltern) sowie für jene mit Migrationshintergrund.
Die Kariesprävalenz (d
3
mft-Index) erhöht sich gegenüber dem Durchschnitt der
Sechsjährigen bei Kindern von Eltern, ohne Matura um 52 Prozent bzw. 67 Prozent,
wenn es einen Migrationshintergrund gibt. In der Gruppe der Kinder von Eltern ohne
Matura sind durchschnittlich zwei Drittel der von Karies betroffenen Milchzähne nicht
behandelt. Kinder aus sozial schlechter gestelltem Elternhaus sind ebenso wie jene aus
Migrantenfamilien eindeutig als Kariesrisikogruppe charakterisiert.
Eine wesentliche Ursache für den langsamen „Caries Decline“ bei Milchzähnen liegt
sicherlich darin, dass Eltern in schwierigen sozialen Lagen sehr häufig Angebote der
Zahngesundheitsvorsorge nicht wahrnehmen. Aus gesundheitsökonomischer Sicht
führt aber mangelnde Prävention/Therapie von Kariesfolgen zu hohen volkswirtschaft-
lichen Kosten. Abhilfe kann nur spezielle Betreuung von Risikogruppen - unter Berück-
sichtigung soziokultureller Einflussfaktoren - im jeweiligen Setting schaffen. Das
moderne Gesundheitssystem muss das Gesundheitsniveau breiter Bevölkerungsschich-
ten anheben und auch für ein entsprechendes die (zahn)gesunde Lebensweise fördern-
des soziales und gesellschaftliches Umfeld sorgen.
Europäischer Vergleich
Das Problem zu geringer Rückentwicklung von Milchzahnkaries in den letzten Jahren
ist nicht allein auf Österreich beschränkt. Im Gegensatz zum globalen „Caries Decline“
in der bleibenden Dentition (12-Jährige) entwickelt sich die Zahngesundheit bei
Sechsjährigen (Milchgebisse) europaweit heterogen. Während in Deutschland und in
Österreich die Karieswerte langsam zurückgehen, steigen sie in Ländern wie Norwegen
und England wieder. Damit ist die Situation in Österreich und Deutschland vergleichs-
weise positiv, obwohl Milchzahnkarieserfahrung immer noch auf viel zu hohem Niveau
verbreitet ist und der Sanierungsgrad gering bleibt. Demgegenüber haben Schweden
und Dänemark eine sehr niedrige Prävalenz bei gleichzeitig gutem Sanierungsgrad
erreicht und folgen weiter diesem Trend (Splieth 2009).
Milchzahnkaries ist in den meisten europäischen Ländern noch ein Problem. Vordring-
liche Aufgabe ist die weitere Erforschung jener Risikofaktoren, die soziodemografisch
wirksam werden. Aus diesen Ergebnissen sollen Empfehlungen für das weitere Vorge-
hen abgeleitet werden. Kariesprophylaxe hat jedenfalls aus gesundheitspolitischer und
volkswirtschaftlicher Sicht hohe Priorität.
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Document Outline - EB-Sechsjährigean neu.pdf
- Kurzfassung
- Inhalt
- Abbildungen und Tabellen
- 1 Einleitung
- 2 Studiendesign und Methodik
- 2.1 Problemstellung
- 2.2 Stichprobe
- 2.3 Untersuchungsdesign
- 2.3.1 Kariesbefundung
- 2.3.2 Beurteilung der Mundhygiene
- 2.3.3 Kieferorthopädische (KFO-)Untersuchung
- 2.4 Untersuchungsablauf
- 3 Ergebnisse
- 3.1 Karies
- 3.1.1 Kariesmorbidität
- 3.1.2 Kariesprävalenz
- 3.1.3 Polarisierung
- 3.1.4 Sanierungsgrad
- 3.1.5 Spezifische Ergebnisse
- 3.1.6 Plaque-Ergebnisse
- 3.1.7 Ergebnisse der KFO-Untersuchung
- 3.1.8 Ergebnisse zum Mundgesundheitsverhalten
- 4 Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011
- 4.1 Kariesmorbidität
- 4.2 Kariesprävalenz
- 4.3 SiC-Index
- 4.4 Sanierungsgrad
- 4.5 Mundhygiene und Visible-Plaque-Index
- 5 Sechsjährige im europäischen Vergleich
- 6 Resümee
- Literatur
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