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Schulmeister agierte und deklamierte mit dem rasendsten
Pathos. Daß dem Löwen, als er nach Thisbe’s Mantel
schnappte, die Kopfmaske entfiel, hatte nicht viel zu
bedeuten, denn es kam dabei eine solche Fülle zottiger Haare
des Meisters Komyßel zum Vorschein, daß sie füglich für eine
Löwenmähne gelten konnten. Zuletzt freilich passierte ihm
noch ein kleiner Spuk. Als nämlich sein Freund Quällenzer so
ausgezeichnet agierte, schlich der Löwe, diesem unbewußt,
herbei, um sein treffliches Spiel in der Nähe zu sehen, und
als nun der lange, dürre Schulmeister sich gar heroisch
erstach, fiel er der Länge nach auf den Löwen, der
erschrocken auf die Hinterbeine sprang und nun zur großen
Belustigung der Zuschauer als leibhaftiger Meister Komyßel
dastand. Der tote Pyramus aber zog den sich Sträubenden
rasch in den Hintergrund, und Thisbe durchstach ihr zartes
Herz so rührend mit ihres Liebhabers blutigem Dolch, daß ein
allgemeines Beifallklatschen, mit Lachen untermischt, sich
erhob und der Herzog, der sich an der ganzen Szene sehr
ergötzt hatte, die Schauspieler mit großem Lob und reichlich
beschenkt entließ.
Niemand hatte der Aufführung mit mehr Aufmerksamkeit
und größerem Wohlgefallen zugeschaut, als Shakespeare,
welcher der Güte Bouwinghausens eine englische Übersetzung
des Quällenzerischen Meisterstücks verdankte.
Green fragte ihn daher auch scherzend: »Siehst Du jetzt
ein, William, daß Du doch nicht der größte Tragiker unserer
Zeit bist? Merk’ nur recht auf, daß Dir keine der Schönheiten
dieses Stücks entgeht.« Burbage aber gab ihm nach
geendigter Vorstellung seine Verwunderung zu erkennen, wie
er einem solchen Machwerke so viel Aufmerksamkeit habe
schenken können. - Hierauf jedoch antwortete Shakespeare:
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»In seiner Art ist dies Machwerk vorzüglich und mir kommt
es ganz geschickt. Ich hab’ euch neulich den Plan meines
neuesten Stücks, mit dem ich gerade jetzt beschäftigt bin,
mitgeteilt, in ihm werd’ ich die ganze Szene, welche wir eben
ansahen, mit noch einem gehörigen Zusatz von Unsinn und
Abgeschmacktheit aufnehmen; wenn’s auch bekannt wird,
woher ich sie nahm, so hat’s nicht viel zu sagen; sie haben
mir ja auch früher schon vorgeworfen, daß ich mich gerne
mit fremden Federn schmücke. Welch’ prächtiger Kontrast zu
Oberon, Titania und ihren zarten Elfen werden diese
tölpischen, unbeholfenen Gesellen bilden!«
»Daran erkenn’ ich deinen Geist, William«, sprach Green,
»der auch das zu benutzen weiß, was andere als völlig
unbrauchbar wegwerfen würden, und ich freue mich schon
jetzt darauf, diese tragischste aller Tragödien auf der
Schaubühne zu erblicken, ja, ich erbiete mich, die Rolle des
Pyramus selbst zu übernehmen und denke sie trefflich
darzustellen; denn ich bin mit vieler Aufmerksamkeit dem
poetischen Spiele des Schulmeisters gefolgt.«
Shakespeare hat auch Wort gehalten. Quällenzers Tragödie
und ihre Aufführung lieferten ihm den Stoff zu dem
ergötzlichen Zwischenspiel von Squenz und Kompagnie im
»Sommemachtstraum«,
und
mein
patriotisches
Herz
ist
hocherfreut, daß ich die Ehre der ersten Erfindung davon
einem Landsmanne, dem gelehrten Benedikt Quällenzer,
Bürger und Schulmeister in Stuttgart, vindizieren kann. Auch
die gelehrte Welt wird mir für diese Entdeckung und meine
Bereicherung
der
ohnedies
schon
so
reichen
Shakespeare-Literatur dankbar sein.
Der Mai hatte indes seinen vollen Schmuck entfaltet und
Täler
und
Anhöhen
mit
seinem
weißen
und
rosigen
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Blütenschnee
übergossen;
die
Maiglöckchen
in
den
frischgrünen Wäldern läuteten hell zur Maienluff; laue
Lüftchen umspielten schmeichelnd die bunten, duftreichen
Kinder des Lenzes, und dem englischen Dichter, welcher nicht
allein in die geheimsten Falten des menschlichen Herzens
drang, sondern auch gern die Natur in ihrem stillen Gange
belauschte und ihrer Schönheit sich freute, wurde es ganz
wohl ums Herz. »Wollen wir nicht auch«, sprach er zu seinen
Freunden, »einen Maienmorgen begehen und die schöne
Gegend einmal genauer betrachten?« Diese waren hiezu gleich
bereit und der dienstfertige Morel sorgte für tüchtige Pferde
aus dem herzoglichen Marstall. S ritten sie denn an einem
hellen, kühlen Maienmorgen zum Tore hinaus und weit umher
in den vom Frühling geschmückten Gefilden. Mancher Scherz,
manche feine, treffende Bemerkung floß von Shakespeares
Lippen, und der Leibdiener wunderte sich sehr über die
begeisterte Stimmung, in welche ihn die reizende Natur
versetzte, für deren Schönheiten er in der schwülen,
beengenden Hofluft allen Sinn verloren hatte, gab sich aber
dennoch, zur nicht geringen Ergötzung seiner Begleiter, alle
Mühe, in des Dichters Ton mit einzustimmen. Da rief ihm, als
sie auf einer Höhe hielten, um der schönen Aussicht zu
genießen, Shakespeare zu:
Siehst Du das zarte Blümchen dort,
Sonst milchweiß, purpurn nun durch Amors Wunde,
Die Mädchen nennen’s Lieb’ im Müßiggang,
Hol’ mir die Blume, denn ihr Saft,
Geträufelt auf entschlafene Wimpern,
Macht Mann und Weib in jede Kreatur,
Die sie zuerst erblicken, toll vergafft
- 37 -
Dies war dem Leibdiener doch zu viel; »Ihr treibt Euern
Scherz
mit
mir,
Herr
William«,
sprach
er,
»solche
Wunderkräfte kann das Blümchen dort unmöglich haben, es
sieht ja nicht besser aus als eine Gänseblume.« - Lachend
entgeg-nete Shakespeare: »Probiert’s nur einmal, Freund
Cäsar, und Ihr werdet sehen, ob ich die Wahrheit sprach
oder nicht.« Morel jedoch schüttelte ungläubig den Kopf und
sie ritten weiter. Der Leibdiener versäumte nicht, sie auch
nach
der
alten
Stammburg
des
wirtenbergischen
Fürstengeschlechts zu führen, wo ein Frühstück eingenommen
werden sollte. Lange verweilte, versunken im Anblick der
lieblichen Gegend, Shakespeare auf dem steinernen Altan der
Burg und rief dann: »Schön seid ihr, meiner Heimat Gefilde,
ihr Gestade des rauschenden Avon, doch im Lenzesschmucke
prangt dieses Tal noch herrlicher als ihr; gleich einem
Silberband durchzieht der Fluß dessen buntgewirkten Teppich,
und die Dörfer liegen so still in seinem Grunde, oder an
seinen rebenbekränzten Abhängen, und ruhen friedlich unter
dem Schutze ihrer Gotteshäuser!« - »Die Gegend ist schön«,
fiel hier Morel dem begeisterten Dichter ins Wort; »ich hab’s
Euch schon gesagt; aber wer, wie ich, so weite Reisen mit
Seiner Durchlaucht machte und dadurch auch in der
Baukunst sich einige Kenntnisse erwarb, der wird doch
gestehen müssen, daß die Bauart, absonderlich auch jener
Kirchen, viel schöner sein könnte.« - Dieser Wasserguß kalter
Prosa störte den Dichter sehr unsanft in seiner Begeisterung,
und er rief aus: »O Cäsar! Cäsar! für diese Rede hast Du
einen zweiten Brutus und Cassius verdient!« - Seine Gefährten
lachten laut auf und das Gespräch nahm eine lustige
Wendung.
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Die Prosa hatte sich aber heute recht eigentlich gegen die
Poesie verschworen. Als Shakespeare wieder in Stuttgart
ankam, war die erste Person, welche er erblickte, Benedikt
Quällenzer, welcher erfahren hatte, daß der Dichter lateinisch
spreche, und sich nun nicht abhalten ließ, seinem Mitbruder
in Apollo, wie er ihn nannte, einen Besuch abzustatten. »Ach!«
seufzte Shakespeare, als er ihn sah, »jetzt ist’s vollends aus
mit der Poesie, da kommt gar der Pyramus der Tragödie,
ein Schulmonarch, ein Knabenbändiger,
dem an Großhaftigkeit kein Staubsohn gleicht!«
Er hatte sich aber schnell gefaßt und nun war es ein
ergötzliches Schauspiel, den Dichter und den Poeten einander
gegenüber zu sehen und zu hören, wie letzterer den ersteren
in hochtrabender Weise begrüßte, mit sich und seinen Werken
bekannt machte und ihm mehrere seiner lateinischen
Gedichte, gar sauber und zierlich geschrieben, überreichte.
Denn seit Herzog Friedrich dem Dichter die goldene Kette
umgehängt hatte, räumte Quällenzer diesem doch bescheiden
den Vorrang ein. Shakespeare spielte seine Rolle meisterhaft
und
wußte
den
Schalk
unter
allerlei
bombastischen
Redensarten zu verbergen, so daß der Schulmonarch mit der
Aufnahme, welcher er bei ihm gefunden hatte, sehr zufrieden
war.
Noch
lange
nachher
erzählte
er
mit
großer
Selbstzufriedenheit, wie freundlich sich sein contracter in
Apolline, der englische Dichter, gegen ihn bewiesen habe, und
bedauerte nur, daß er aus Unkenntnis der englischen Sprache
dessen vortreffliche tragoedias et comoedias nicht lesen
könne. Gretchen Kornyßel aber gab noch oft die rührende
Geschichte von dem Freie und dem Junker im Kreise ihrer
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Gespielinnen preis, und die heißen Zähren, welche sie dabei
jedesmal vergoß, bewirkten, daß auch die Tränenschleusen
ihrer Freundinnen sich mit öffneten. Am meisten jedoch
brüstete sich im Hirsch Cäsar Morel mit der Freundschaft des
englischen Dichters, von dessen großen Vorzügen er auch die
ehrsamen Bürger Stuttgarts vollkommen zu überzeugen wußte.
Er wurde nicht müde, von ihm und seinen Genossen zu
erzählen, welche in den letzten Tagen des Mai, wohl zufrieden
mit ihrer Aufnahme und reichlich vom Herzog beschenkt,
Stuttgart wieder verlassen hatten.
So wirktest Du auch während Deines kurzen Aufenthalts in
Wirtenbergs Hauptstadt Großes, herrlicher »Schwan vom
Avon«, und es freut mich sehr, daß ich der erste war,
welcher seinen Landsleuten verkündigen durfte, wie einst
auch
Stuttgart
das
Glück
hatte,
den
unsterblichen
Shakespeare in seinen Mauern zu sehen.
Das Ordensfest
Die Prophezeiung Morels, daß der glänzende Hofstaat, die
Prachtliebe und die vielen Feste Friedrichs den Bewohnern
Stuttgarts nicht nur Unterhaltung, sondern auch Gewinn
verschaffen würden, war richtig eingetroffen, aber ebenso
auch die Befürchtung patriotisch gesinnter Männer; wegen des
Eindringens fremder Sitten und Torheiten. Seine französische
Leibwache hatte der Herzog zwar, weil ihre allzu ausgelassene
Aufführung großen Unwillen erregte, gleich im November 1593
wieder fortgeschickt; aber an seinem Hofe traf man noch
immer genug Freunde, Franzosen, Engländer und Italiener.
Jede Jahreszeit brachte andere Feste und Vergnügungen,
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Ringelrennen und Fußturniere, Schießen mit Armbrust und
mit Feuergewehren, Fechtspiele, Tänze und Konzerte. Die Zahl
aller zum Hof gehörigen Personen betrug gegen 400; neben
den höheren Hofbeamten fand man da eine wohlbesetzte
Hofmusik, welche der kunstfertige Johann Konrad Raab als
Kapellmeister dirigierte, eine 40 Mann starke Trabantenschar,
lauter stattliche, hochgewachsene Männer, unter den Befehlen
des Hauptmanns Rudolf Reinhard; ein starkes Jagdpersonal,
viele Köche und andere Diener, Kämmerer, Lakaien, Jungen,
Knechte, Hofmeister und Boten, auch einen ansehnlichen
Marstall mit Pferden, Maultieren und Eseln, selbst zwei
Kamelen, welche der nach Kunst- und Naturseltenheiten
begierige Herzog mit schweren Kosten herbeigeschafft hatte,
die aber bald dem ungewohnten Klima erlagen. Auch einen
Zwerg, Stenglin, hielt der Herzog, ein kleines niedliches
Männlein, das bei ihm in großer Gunst stand und wegen
dessen einmal der Stallmeister Haugwitz scharf bestraft
wurde, weil er »trunkenerweise die Wehr gegen es zuckte«.
Die Hofdiener aber waren ein ausgelassenes, übermütiges
Volk, welches allerlei Unfug trieb, sang, schrie und lärmte,
nirgends lieber aber sich verweilte, als in Weinschenken oder
beim Essen in der Tumitz. Der Hofmarschall selbst klagte, daß
sie sich »wie die Säue« aufführten und daß selbst das niedere
Gesinde zur Mahlzeit »Weißbrot, Braten und Fische« begehre.
Solche Leute konnten auf Stuttgarts männliche Jugend keinen
guten Einfluß ausüben, und wirklich ging es oft gar
ausgelassen
her.
Dies
war
besonders
während
der
Fastnachtszeit der Fall, wo sich die Leute »schier toll und
rasend«
stellten,
mit
Masken
und
in
»Butzenkleidern«
vermummt umherliefen, mit Kuhschellen, Fuhrmannspeitschen
und schrecklichem Gebrüll den ärgsten Lärmen verführten
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und Tag und Nacht allerlei Mutwillen ausübten. Der Herzog
aber war hierin sehr nachsichtig; wenn Beschwerden über die
Fastnachtstollheiten bei ihm geführt wurden, achtete er nicht
darauf, sondern meinte, man könne niemand eine gebührliche
Fastnacht wehren.
Bei den höheren Ständen fanden auch die fremden Sitten
und die Romane des Auslandes, welche die Welschen zuerst
in
das
Land brachten,
vielen
Eingang.
Schauer
und
Erstaunen, Freude und Schmerz bewegten abwechselnd
besonders die zarten Frauenherzen, wenn sie von den kühnen
Taten und schrecklichen Abenteuern des Amadis von Gallien,
dieser Perle aller fahrenden Ritter, von dem mannhaften
Esplandian, dem galanten Lancelot vom See lasen, und wie
pochte vollends ihre Brust von bisher unbekannten Gefühlen,
wenn die Dichter die Liebe des Paris und der Vienna, des
Tirant und der Cölestine, des Punthus und der Sidonia mit so
vielem Feuer schilderten! Da war, wie der Hofprediger Lukus
Osiander öffentlich rügte, kein Maß noch Aufhören der
Hoffart, sondern was aus Frankreich, Niederland, Welschland
und von andern hoffärtigen Völkern nach Deutschland kam,
das mußte man alsbald auch haben und nachtun, es mochte
kosten, was es wollte, obgleich solche Hoffart den Weibern
und
Jungfrauen,
den
Männern
und
Hausvätern
übel
haushalten half und viel dazu diente, daß man verarmen, sich
in Schulden einlassen und endlich an den Bettelstab gelangen
mußte. »Es geht«, sagt der strenge Sittenmeister, »bei den
Weibspersonen eine große und leider schier allgemeine Sünd’
im Schwang, das ist nämlich die Hoffart in Kleidung und
Schmuck des Leibes, darin sie ganz und gar kein Maß halten
können oder wollen, und es sind derer viel mehr, die den
Leib äußerlich schmücken und mit köstlichen Kleidern zieren,
- 42 -
denn derer, die nach dem inwendigen Schmuck, nämlich nach
wahrer
Gottesfurcht,
Demut,
Gehorsam
und
andern
christlichen
Tugenden
mehr
trachten.
Dieser
geistliche
Schmuck ist bei vielen in keinem Ansehen, sondern was
prächtig, köstlich, stolz und hoffärtig ist, das gefällt ihnen,
dem trachten sie nach.« Er verbreitete sich dann auch weit
über das einzelne der Kleidung, spricht von den kleinen aus
Welschland gekommenen »Samthütlein«, welche nicht den
vierten Teil des Hauptes bedeckten, vom Aufziehen der Haare
über Drähte, so daß sie einem »Säuhag« nicht unähnlich
sehen, vom Anstreichen und Färben der Gesichter, von den
aus fremden Landen hergebrachten großen, langen, breiten
und dicken »Krößen« (Krausen) um den Hals aus köstlicher,
zarter, teurer Leinwand, die man mit Versäumnis anderer,
besserer Geschäfte stärke und mit heißen Eisen aufziehe, von
den Reifen unten an den Kleidern, den unmäßig hohen
Schuhen und Pantoffeln. Aber auch das männliche Geschlecht
erhielt
seinen
guten
Anteil
an
der
Osian-der’schen
Strafpredigt. »Die Mannspersonen jetziger Zeit«, heißt es,
»stellen sich in Kleidung und Zier ihres Leibes dermaßen, als
hätten sie geschworen, daß sie es dem weibÜchen Geschlecht
mit Hoffart und Üppigkeit weit zuvortun wollten. Sonderlich
zieren sie sich gemeiniglich also, daß sie an ihrem Leib
dadurch
häßlich
entstellt
werden;
und
dies
soll
nichtsdestoweniger hübsch und zierlich sein. Um die Hüte
tragen sie samtene Weibergürtel mit vergoldeten oder
silbernen Spangen; sie gewöhnen immer die Haare über sich,
daß sie müssen gestrobelt sein, als wenn eine Sau zornig ist,
daß ihr die Borsten über sich stehen. Hinten und zur Seite
aber müssen sie gar lang und zottig sein; das hat dann ein
Ansehen, als wenn junge Katzen eine Zeitlang daran gesogen
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hätten oder als wenn morgens ein polnischer Bauer aus dem
Stroh
hervorbricht,
oder
als
wenn
der
Teufel
einen
hintenwärts durch den Zaun gezogen hätte. Gar herrlich
nehmen sich auch die langen und breiten Krößen aus; denn
aus ihnen ragt ein langer, dürrer Hals hervor; um diesen
aber schlingt man jetzt, statt der goldenen und silbernen
Ketten, wie früher, einen seidenen Strick, dessen Zipfel auf
dem Rücken geknüpft werden; die weiten und langen Ärmel
sehen
den
Kommissäcken
der
Landsknechte
und
Wurstsammler gleich und sind gut, um auf dem Tische
Pfeffer, Brei und Gemüse damit zu kredenzen. Der herrlichste
Schmuck aber sind die häßlichen, langen, ausgefüllten
>Gänsbäuche<, welche vom Hals herab bis weit unter den
Gürtel reichen, und die kleinen Mäntelchen, welche der
deutschen Ehrbarkeit ganz widerstreiten. Auch schlürft man
nicht allein im Winter, sondern auch mitten im Sommer in
Pantoffeln daher, und junge Kerle schleifen dieselben an den
Füßen nach und klopfen damit wie alte sechzig- und
siebenzigjährige Weiber. Dazu ist es nicht mehr allein um die
Form der Kleider zu tun, sondern auch um den Stoff; man
begnügt sich nicht mehr mit Samt und Seide allein, sondern
man muß auch silberne und goldene Borten haben.«
Eine besondere Ehre setzte Herzog Friedrich auch darein,
fremde Orden zu haben. Den französischen St. Michaelsorden
hatte er schon 1596 erlangt, und viele Mühe gab er sich, den
Orden
des
blauen
Hosenbandes
zu
bekommen.
Seine
Erwerbung war ein Hauptzweck der Reise nach England, und
die Königin Elisabeth versprach ihm denselben auch damals;
obwohl der Herzog aber einigemal eigene Gesandtschaften
deswegen an sie schickte, erlangte er ihn doch erst nach
ihrem Tode durch ihren Nachfolger, den König Jakob I. Als
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die sichere Kunde hievon nach Stuttgart kam, wurden zum
würdigen Empfang der Gesandtschaft, welche den ersehnten
Orden bringen sollte, große Zurüstungen gemacht. Die
fürstliche Familie versammelte sich, Lehensleute, Provi-sioner,
geistliche und weltliche Behörden wurden einberufen.
Der Hofrat von Bouwinghausen war Oberzeremonienmeister
und hatte die oberste Leitung bei all diesen Anstalten; ihm
war der Kämmerling Francois du Bois beigegeben, und eine
Menge geschäftiger Hände setzten sich unter ihrer Leitung in
eifrige Bewegung.
In den Hauptlokalen des Festes wurden der Rittersaal im
Schlosse und die Stiftskirche bestimmt. Im Chor der letzteren
erhoben
sich
vier
prächtig
geschmückte,
mit
Purpur
ausgeschlagene Thronsessel. Auf dem ersten und höchsten
derselben erblickte man das englische Wappen mit einer
Inschrift, welche anzeigte, daß dieser Thron bestimmt sei: au
tres haut, tres puissant et tres excellent prince James, par la
grace de Dieu roi d’Angletene etc., rechts und links davon
standen die Thronsessel für den englischen Gesandten und
Ordensherold, gegenüber der für den Herzog selbst bestimmte
Thron mit dem wirtenbergischen Wappen. Die eichenen
Kirchenstühle der ehemaligen Stiftsherren, mit rotem Tuche
ausgeschlagen, dienten zur Aufnahme des Gefolges; mit
gleichem Tuch war der Boden bedeckt, der Hauptaltar und
die Kanzel der Kirche wurden mit rotseidenen Decken
versehen. Für die Herzogin und ihre Töchter, für die
Hofdamen und Hoffräulein war ein Teil der Emporkirche
hergerichtet und mit Glasfenstern versehen. Im Rittersaal,
welchen kostbare Tapeten schmückten, stand mitten die für
den König bestimmte Tafel, unter einem mit dessen Wappen
versehenen Thronhimmel ein kostbarer Armstuhl, rechts
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