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gemacht hatte, genauer erfuhr, gab er den Verhafteten los;
doch mußte er schwören, nirgends wider ihn zu klagen oder
Rache zu suchen; auch wurde er aller fürstlichen und
landschaftlichen Dienste für unfähig erklärt. Später erst sah
der Herzog sein Unrecht ein und Bidembach erhielt eine Stelle
im Oberrat und seiner Verbindung mit Marien stand nun kein
Hindernis mehr im Wege. Aber Firks wurde ebenfalls vom
gerechten Strafgerichte ereilt. Er kam mit dem Grafen Konrad
von
Tübingen
und
mit
Matthäus
Enzlin
von
einer
Gesandtschaftsreise aus Frankreich zurück. Als ihr Wagen im
Schwarzwald bei Schömberg eine steile Steige herauffuhr,
stiegen sie aus und gingen zu Fuß voran. Der Graf von
Tübingen beschmutzte zufällig die Stiefel des Hofrats, der
darüber in solchen Grimm geriet, daß er den Grafen
herausforderte. Da beide betrunken waren, entstand sogleich
ein heftiges Gefecht, dem Enzlin, welcher bei dem Versuch,
Frieden zu stiften, verwundet worden war, entfloh. Firks
rannte dem Grafen den Degen in die Brust und machte sich
schnell davon. Indes nahte sich das Gefolge, man verband
den
Verwundeten
und
brachte
ihn
im
Wagen
nach
Schömberg, wo er aber nach sieben Tagen starb (den
25.Januar 1600). Firks ging nach Kurland; als man aber seine
Auslieferung hier begehrte, ritt er heimlich davon und
niemand weiß, was aus ihm geworden ist.
William Shakespeare in Stuttgart
Während seines Aufenthalts in London hatte Herzog
Friedrich auch das Theater daselbst besucht und großen
Gefallen daran gefunden. Da er nun die Nachricht erhielt, daß
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eine
Schauspielergesellschaft
von
da
in
Deutschland
angekommen sei, lud er sie ein, auch seinen Hof zu besuchen
und bereitwillig folgten die Engländer dieser Einladung.
Schon ziemliche Zeit, ehe sie wirklich kamen, bildeten sie
bei Hofe den Hauptgegenstand der Unterhaltung und auch in
der Stadt wurde viel von den zu erwartenden fremden Gästen
gesprochen. Wer etwas Genaueres von ihnen erfahren wollte,
durfte nur in den Hirsch gehen, wo Cäsar Morel, welcher
dieses Wirtshaus jede Woche einige Male seines Besuches
würdigte, noch immer sich von einem ansehnlichen Kreise
von Zuhörern umgeben sah. So saß er damals auch in der
Mitte der ehrbaren Bürger Stuttgarts und führte das große
Wort. »Ihr habt vollkommen recht, Meister Komyßel«, sprach
er, »zu London da verstehen sie es, Schauspiele kunstreich
aufzuführen, das ist etwas ganz anderes, als hierzulande. Ihr
meint wunder; wie schön das sei, wenn ihr auf dem Markt ein
hölzernes Gerüst aufschlagt, wo ehrsame Meister und
Handwerksgesellen oder gar Schulbuben eine Geschichte aus
der Bibel, vom keuschen Joseph, vom Vater Abraham usw.
agieren. Dort aber haben sie mehrere, besonders dazu
eingerichtete Gebäude, mit Plätzen für das Volk, wie für
vornehme Herrschaften, welche durch große Armleuchter
erhellt werden, und erst, wenn das Spiel beginnen soll, wird
ein
Vorhang
zurückgezogen,
und
man
erblickt
die
Schaubühne. Die Schauspieler aber sind darauf studiert und
erhalten ihren Sold; die solltet ihr einmal agieren sehen; ihr
würdet darauf schwören, ihr habet wirkliche Prinzen und
Prinzessinnen, Junker und Fräulein vor euch. Es ist jedoch
ein lustiges Volk, in dessen Gesellschaft es mir gar wohl
gefiel.«
»Ihr kennt sie also, Herr Morel?« fragte einer der
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Anwesenden. »Erzählt uns doch auch etwas von ihnen.«
»Das kann und will ich«, sagte der Leibdiener, »ist mir’s
doch selbst eine angenehme Erinnerung. Wir haben manche
Flasche Sekt und manche Kanne Doppelbier miteinander
geleert, und zweimal hab’ ich sie auf Befehl Sr. Durchlaucht
kostbar traktiert. Mit dem Parlieren wollt’ es freilich anfangs
nicht recht gehen; aber das hatte nichts zu sagen, der Spaß
war nur umso größer. Namentlich war unter ihnen ein gar
munterer; aufgeweckter Junge, der uns viel zu lachen gab; sie
nannten ihn nur den lustigen William, ein feines Bürschchen
von mittlerer Größe, mit einem hübschen Gesicht und
glänzenden, feurigen Augen. Ich freu’ mich wahrhaftig recht
sehr, den lustigen William wieder zu sehen.«
»Aber was spielen sie denn?« fragte ein anderer.
»Was sie spielen?« erwiderte Morel, - »ganz wunderschöne
Stücke, bald lustige, bald traurige, und die schönsten, die ich
sah, hatte mein Freund William verfaßt; der versteht es
meisterhaft, die Zuschauer bald zum Lachen, bald zum
Weinen zu bringen, und seine Personen sprechen ganz
natürlich, jede nach ihrem Stand, ihrer Art und Weise. Da
kommt so ein dicker Kerl vor, ich glaube, sie nannten ihn
Fallstaff, ein wahres Weinfaß, ein gewaltiger Fresser und
Säufer, der den Eisenfresser spielt und im Grunde doch,
wenn es gilt, eine feige Memme ist. Am besten aber hat mir
das Stück gefallen, in welchem ein Prinz von Dänemark
erscheint, der mit seines ermordeten Vaters Geist spricht.
Diesen Geist spielte mein Freund William so gut, daß es
wirklich schauerlich anzuhören und anzusehen war und
einem ganz kalt über den Rücken lief. Sein eigener Bruder
hatte diesen König von Dänemark getötet, dafür aber
befördert dann ihn der Prinz auch aus dem Leben, stirbt
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jedoch ebenfalls, von einem vergifteten Degen getroffen.«
»Das ist ja eine grausame Geschichte«, sagte Meister
Komyßel, »wo zuletzt alles umkommt.«
»Das nennen sie«, fuhr Morel fort, indem er eine noch
wichtigere Miene annahm als zuvor, - »eine Tragödie; wenn
das Stück aber lustig ausgeht, heißt es eine Komödie. Um
aber so etwas zu erfahren, muß man freilich mit hohen
Herrschaften reisen und nicht mit dem Stock in der Hand
und dem Wanderbündel auf dem Rücken herumziehen. Doch
ich verweile mich zu lange; heute nacht kommen die
englischen Schauspieler und da ist noch so vieles zu rüsten
und zu besorgen. Darum guten Abend!«
Die Bürger unterhielten sich noch einige Zeit über die
Wunderdinge, welche sie eben gehört hatten; dann aber
brachen sie auch auf, um zu Hause die wichtige Neuigkeit
von
der
bevorstehenden
Ankunft
der
Fremden
zu
verkündigen.
Die Engländer kamen wirklich auch noch in derselben
Nacht, den 10. Mai 1597, zu Stuttgart an; der Leibdiener aber,
um seinen Herrn beschäftigt, konnte sie nicht sogleich
begrüßen. Er ging daher am andern Morgen früh in das
Lusthaus, wo schon eine emsige Tätigkeit herrschte, weil im
großen Saale desselben die Schaubühne für die Engländer
aufgeschlagen wurde. Die Arbeiten dabei leitete der Hofrat
Benjamin von Bouwinghausen zu Walmerode, ein sehr
gebildeter, mehrerer neuen Sprachen kundiger Mann, welchen
der Herzog vornehmlich zu Sendungen ins Ausland brauchte
und der auch als Gesandter in London gewesen war. Der
erste seiner englischen Freunde, den Morel erblickte, war der
unter dem Namen des lustigen Wilhams uns schon bekannte
Shakespeare. Ihn zärtlich umarmend, sprach der Leibdiener:
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»Es freut mich ungemein, Euch auch einmal wieder zu sehen
und zwar frisch und gesund; es muß Euch indes gut
gegangen sein. Was macht denn der wilde Eberskopf in
Eastcheap, geht es immer noch recht lustig her?«
Der Angeredete sprach lächelnd: »Willkommen, großer
Cäsar! Unüberwindlich im Kampf mit Sekt und Doppelbier!
Euer Anblick erquickt mein Herz; denn ich glaubte schon, die
salzige Flut des Ozeans habe Euch verschlungen. Aber
gottlob! ich sehe, daß ihr ganz wohlauf seid und Euch der
Rede tönender Schwall noch immer frisch von den Lippen
strömt.«
»Ha! ha!« lachte Morel, »Ihr seid noch immer der alte
Spaßvogel; aber sieh’, da treff ich ja noch mehr alte
Bekannte; willkommen Herr Burhage, willkommen Herr Green,
willkommen all’ ihr Herren! Ich hoff, es soll euch wohl
gefallen hierzulande!«
»Der erste Empfang wenigstens war ganz vortrefflich«,
erwiderte Green, »und wenn der Humor so fortgeht, so reut
es uns nicht, hieher gekommen zu sein. Wir haben uns in
dem Garten da ein wenig umgesehen, und wahrhaftig, ich
muß gestehen, daß der Park zu Windsor nichts Schöneres
aufzuweisen hat; dieser Saal hier würde das Schloß des
mächtigsten Monarchen zieren.«
»Da habt Ihr recht, vollkommen recht«, sprach Morel, »und
was den Humor betrifft, wie Ihr’s nennt, der soll immer noch
besser werden. Ich bin gerade gekommen, um euch, ihr
Herren, zum Morgenimbiß einzuladen.«
Das war den Fremden gar nicht unangenehm. - »Voran, Du
Römerheld!« sagte Shakespeare, »wir folgen Dir und führtest
Du uns zu den finstersten Schatten des wilden Erebus!
Schaffst Du nur Wein und saft’gen Braten uns.«
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»William ist heute wohl aufgelegt«, sprach im Fortgehen
Burbage zu Green, - »wir bekommen heute gewiß noch viel
über den hochmütigen Lakaien zu lachen.«
Nach der Mittagsmahlzeit erschien Herzog Friedrich selbst,
von Bouwinghausen und einigen Hofleuten begleitet, im
Falkenhause, welches er zur Aufnahme der fremden Gäste
hatte einrichten lassen. Er war sehr freundlich und sprach
mit jedem von ihnen, am längsten mit Shakespeare. »Seit wir
England verließen, habt Ihr«, sagte er, »wie ich von
Bouwinghausen höre, wieder mehrere neue Stücke gedichtet;
hoffentlich werdet Ihr während Eurer Anwesenheit in Stuttgart
auch einige davon aufführen.« - Der Dichter versprach dies
und Friedrich fuhr fort: »Was macht Euer Freund Ben
Johnson, schreibt er auch noch für die Bühne?«
»Er
ist
wohlauf,
Durchlauchtigster
Herr«,
antwortete
Shakespeare, »und erinnert sich noch immer dankbar an die
große Gnade, welche Eure Durchlaucht ihm erzeigten.«
Nachdem der Herzog nun noch seinem Leibdiener befohlen
hatte, den Engländern nichts abgehen zu lassen, kehrte er ins
Schloß zurück.
Schon am nächsten Tage war die Schaubühne im großen
Saale des neuen Lusthauses ebenso schnell als schön
eingerichtet,
und
am
Abende
noch
wurde
die
erste
Vorstellung
hier
gegeben.
Der
ganze
Hof
war
dabei
gegenwärtig, auch hatte Friedrich die in Stuttgart anwesenden
Adeligen, die Kanzleiherren und die vornehmsten Bürger der
Stadt dazu einladen lassen. Obwohl nun die wenigsten von
ihnen verstanden, was die Schauspieler sprachen, so konnten
sie nachher doch nicht genug Worte finden, um zu erzählen,
wie alles so kostbar und prächtig gewesen sei. - Auch einige
ungebetene Gäste hatten sich durch Begünstigung der
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Hofdiener eingeschlichen; unter ihnen gab Gretchen, die
Tochter des Meisters Komyßel, welche der Leibdiener aus
Freundschaft für ihren Vater eingeschmuggelt hatte, die
aufmerksamste Zuhörerin ab.
Als sie wieder nach Hause kam, rief ihr die Mutter
entgegen; »Hast jetzt dein’ Naseweisheit b’friedigt, Mädle?
Aber was ist’s denn mit der?« fuhr sie fort, als sie das
weinende Mädchen genauer ansah, »du heulst ja wie a
Schloßhund. Die welsche Possereißer werdet der doch nix tau
han?« - »Ach! Muet-ter«, antwortete Gretchen, »mir ist nix
g’schea, aber die G’schicht mit dem schönen Freie und dem
schmucke Herre, die ist grausig -« und damit begann
Gretchen von neuem zu weinen und zu schluchzen. - »Was
ist’s denn mit dene, was hense und was ist en g’schea?«
fragte die Mutter. - »Was wird en g’schea sei«, war die
Antwort, »er hot en giftige Trank nag’schluckt, und sie hot se
a Messer in Leib g’stoßa.« - »Ist’s möglich!« rief die Mutter,
»so ebbes hot g’schea könne, wo der Herzog und so viel
vornehme Herre dabei g’wea sind, die hent’s g’litte? Ach! du
meine Güte, was ist wirklich für a Welt!«
»Das ist nur so zum Schein geschehen, werte Frau
Meisterin«, unterbrach hier eine dritte Person das Gespräch.
Es war der hochgelehrte Benedikt Quällenzer, wohlbestallter
Schulmeister zu Stuttgart, zugleich ein großer Poet und
Meister in der Kunst, Reime zu schmieden, threnodias,
epicedia, hymenaeos, epitha-lamia und andere artificiöse und
sinnreiche
Carmina,
wie
er
selbst
zu
sagen
pflegte.
»Dergleichen kommt auf den theatris oft vor, absonderlich in
den tragoediis, wo es bisweilen hergeht, daß man gleichsam
mit jenem Alten ausru-fen könnte: Ubi est Alexander
magnus? Mortuus est. Ubi est Helena? Mortuus est. Omnia
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mortuus est. Die histriones aber, welche dergleichen agieren,
stehen nach vollendeter tragoedia wieder gesund und frisch
ai£. Aus dem, was Eure Tochter hier gesprochen von einem
doppelten suitidio, kann ich schon merken, daß ein wichtiger
Casus tragicus aufgeführt wurde, wie deren in historia et
mythologia gar viele Vorkommen.«
»Herr Schulmeister«, unterbrach ihn die Meisterin, »i han’s
üch jo schon oft g’sait, daß e von Eurem Kauderwelsch nex
verstand. Sei merke, daß se koin Stück aus der Bibel
aufg’spielt hent; wissa aber möcht’ e, was es denn so
eigentlich g’wä ist.« - »Ja! gucket Muetter«, sprach Gretchen,
welche sich indes wieder ein wenig gefaßt hatte, »von dem
Gewälsch hau e net a Brösele verstände, z’erste aber do hent
se einander gar totschlage wolle; aber a Prinz ist komme und
hat’s en g’wehrt; no send se wieder gut g’wä, hent g’malte
G’sichter vorbunde, tanzt und musiziert; au ist a paarmol a
Kapuziner komma, des schöne Freie aber und den schmucke
junge Herre hot mer net z’samma lassa wölla und doch hent
se anander grausig lieb g’het. Druf ist se g’storba und se
hent se uf m Kirchhof in a G’wölb g’legt; aber was g’schieht,
er kommt und au a anderer junger Herr, die fanget Händel
mitanander an und er versticht en; no zieht er en Gläsle mit
Gift raus und verschluckt’s. Wie er no so maustot do leit,
wacht auf oimal sei Schatz wieder uf, fängt an z’jammem und
versticht se.« -Hierauf aber erwiderte die Mutter ganz
unwirsch: »Des sind rechte Narreteia, wie könnet no
Christamenscha so ebbes treiba und anseha; Mädle, Du derfst
mer nemma he!«
»Ihr habt wohl gesprochen, Frau Meisterin«, begann hierauf
Benedikt Quällenzer wieder; »der Autor solcher Tragödie muß
den Aristotelem nicht studiert haben, sonst würde er nicht
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also comica mit tragicis vermischen, das versteh’ ich besser,
und weil, wie es scheint, Seine Durchlaucht die Tragödie
lieben, so will ich alsbald eine echte tragoediam verfassen,
deren Gegenstand auch der Tod zweier Amanten sein soll; die
werd’
ich
denn
Seiner
Durchlaucht
alleruntertänigst
überreichen und mir die hohe Gnade ausbitten sie mit einigen
guten Freunden vor derselben agieren zu dürfen. Ja, das will
ich!« rief der Poet, hocherfreut über seinen klugen Einfall,
und war verschwunden, ehe noch die Meisterin Worte finden
konnte, ihn von seinem närrischen Vorhaben abzubringen.
Das Trauerspiel »Romeo und Julie« - denn daß dieses
aufgeführt worden war, haben meine schönen Leserinnen aus
Gretchens meisterhafter Darstellung schon gemerkt - hatte
großen Beifall beim Herzog und allen Kennern erlangt, und
am nächsten Tage war Shakespeare um eine schwere goldene
Kette, die ihm Friedrich verehrte, und um eine feurige
Umarmung seines Freundes Cäsar reicher. Letztere mochte
ihm minder behagen als erstere; denn als er sich aus des
Leibdieners ihn umklammernden Armen wieder ffeige-macht
hatte, rief er: »Zum Teufel, Ihr seid tüchtig armiert, Held
Cäsar, Ihr könntet gleich dem Herkules einen Antäus
ersticken.« Seine Gefährten lachten, und Morel, obwohl er die
Anspielung nicht recht verstand, lachte mit ihnen; dann
setzten sie sich zum Mahle nieder, bei dem wir sie lassen
wollen, um nach unserem begeisterten Poeten zu sehen.
Benedikt Quällenzer hatte bald einen Stoff gefunden, von
dem er überzeugt war, derselbe werde ein würdiges
Gegenstück zu Shakespeares Trauerspiel liefern und sich nun
flugs auf den Pegasus gesetzt, welcher, die Sporen des Reiters
fühlend, pfeilschnell mit ihm davoneilte. So war denn das
Meisterstück bald fertig; er hatte, wie in dem trefflichen
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Prologus zu der trauer- und schauervollen Tragödie weiter
auseinandergesetzt wurde, die schreckliche Geschichte des
Pyramus und der Thisbe zum Gegenstand.
Wie beide sich zu Rini’s Grab bestellt, allein
Die treue Thisbe, die des Nachts zuerst gekommen,
Ein gräßlich wildes Tier, mit Namen Löwe groß,
Tat’ schmähen, ja vielmehr erschrecken, daß sie bloß
Den Mantel fallen ließ und d’rauf die Flucht
genommen,
D’rauf dieser schnöde Löw' in seinen Rachen nahm
Und biß mit Blut besteckt den Mantel lobesam,
Sofort kommt Pyramus, ein Jüngling weiß und rot,
Und find’t den Mantel da, von seiner Thisbe tot.
Worauf er mit dem Deg’n, dem blutigbösen Degen
Die blut’ge heiße Brust sich tapferlich durchstach.
Und Thisbe, die indes im Maulbeerschatten g’legen,
Zog seinen Dolch hervor und sich das Herz zerbrach.
Wohlgefällig überlas Quällenzer sein Werk, schrieb es dann
sehr zierlich ab und überbrachte es dem ihm ebenfalls
bekannten Leibdiener mit einem Zueignungsbericht an den
Herzog, dessen Anfang wenigstens ich dem geneigten Leser
nicht vorenthalten will.
Es lautete also:
Durchlauchtigst Oberhaupt und Vater dieser Landen,
Fürst Friederich, o Sonn’, die bis daher gestanden
In vollem Licht ob uns, und Davids Zeiten gleich,
Ja über die regiert, an allem Segen reich,
Durch
manche
trübe
Wölk’
und
finster
Luft
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gedrungen,
Die endlich selbst den Neid durch Gottes Hilf
bezwungen,
Und so bisher dem Land in vollem Glanze strahlt,
Wie man die schöne Sonn’ in ihrer Zierde malt,
Glückseliger! (dies Wort wir zu dem Namen setzen
Mit vollem Recht) laßt uns, laßt uns an Euch ergötzen,
Uns, Eure Diener, laßt im Schmuck der grauen Haar’,
Im Jugendschmuck und Glanz Euch schauen noch viel
Jahr.
Der Herzog nahm Quällenzers Meisterstück gnädig auf und
gestattete ihm, es vor dem Hof und seinen englischen Gästen
aufzuführen. Mit großem Eifer begann der Schulmeister nun
die dazu nötigen Vorbereitungen; die wenigen, zur Agierung
seiner Tragödie nötigen histriones, um mich seiner eignen
Ausdrücke zu bedienen, hatte er bald gefunden; denn die
Rolle des Pyramus übernahm er selbst, die Thisbe mußte sein
Schulgehilfe Balthasar Rennmayer darstellen, da er noch gar
jung und bartlos war, und Meister Komyßel, der eine
gewaltige Baßstimme hatte, ließ sich leicht überreden, als
Löwe aufzutreten. Seine Frau wollte anfangs zwar nicht
leiden, daß er solche Narrenpossen treibe; als ihr aber der
Schulmeister vorstellte, wie der Meister dadurch dem Herzog
und dem Hofe bekannt werde und einen bessern Verdienst
erlangen würde, überdies noch eine gute Belohnung zu
erwarten habe, ließ auch sie es sich gefallen. - Bei der
Aufführung ging, wie wenigstens Quällenzer versicherte, alles
vortrefflich; der Löwe brüllte so gewaltig, daß die zarten
Hoffräulein die Ohren zuhielten, Thisbe fistulirte, daß man die
feinste
Mädchenstimme
zu
hören
glaubte,
und
der
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