15. Korrespondenz der Herzogin Kunigunde
Dem Aufkommen des Humanismus im späten 14. und besonders im 15. Jahrhundert
folgte auch eine erhebliche Ausweitung nicht nur des deutschen Briefverkehrs.
1127
An
dieser aufblühenden Schreib- und Briefkultur des ausgehenden Mittelalters nahm auch
die bayerische Herzogin ihren Anteil, wenn auch ihre Briefe, im Vergleich zu anderen,
1126
Vgl. S
AUTER
, Sabine, S. 323. Zum Vertrag von Blaubeuren vgl. Eberhard G
ÖNNER
: Der Blaubeurer
Vertrag von 1516, in: Hansmartin Decker-Hauff/Immo Eberl (Hg.): Blaubeuren. Die Entwicklung
einer Siedlung in Südwestdeutschland. Sigmaringen 1986, S. 245-263.
1127
Vgl. Heinz-Dieter H
EIMANN
: Mittelalterliches Briefwesen und moderne Schreibmedienkultur. - Praxis
und Perspektiven der Tagungsthematik, in: Heinz-Dieter Heimann (Hg.): Kommunikationspraxis und
Korrespondenzwesen im Mittelalter und in der Renaissance. Paderborn 1998, S. 9-15, hier S. 11. Zur
Bedeutung schreibender Frauen in Humanismus und in der Reformation vgl. u.a. Ursula H
ESS
: Oratrix
humilis. Die Frau als Briefpartnerin von Humanisten am Beispiel der Caritas Pirkheimer, in: Franz
Joseph Worstbrock (Hg.): Der Brief im Zeitalter der Renaissance (Mitteilung 9 der Kommission für
Humanismusforschung). Weinheim 1983, S. 173-203 sowie Robert S
TUPPERICH
: Die Frau in der
Publizistik der Reformation, in: Archiv für Kulturgeschichte 37 (1955), S. 204-233 und Katherine
W
ALSH
: Verkaufte Töchter? Überlegungen zu Aufgabenstellung und Selbstwertgefühl von in die
Ferne verheirateten Frauen anhand ihrer Korrespondenz, in: Jahrbuch des Vorarlberger
Landesmuseums-Vereins 135 (1991), S. 129-144.
Auch Kunigundes Mutter, die portugiesische Königstochter Eleonore, führte u.a. einen
deutschsprachigen Briefwechsel mit Eleonore von Schottland, der ersten Ehefrau Erzherzog Sigmunds
von Tirol, in dem sie, neben der Erzählung von Alltagsereignissen, auch auf auf die politischen
Ereignisse am Hof ihres Gatten Friedrich III. einging. Vgl. W
ALSH
, Korrespondenz, S. 401. Zur
Korrespondenz der Erzherzogin Eleonore von Tirol vgl. K
ÖFLER
, Eleonore, S. 89-93; zur
eigenhändigen Familienkorrespondenz dieser Zeit vgl. Cordula N
OLTE
: Pey eytler finster in einem
weichem pet geschrieben. Eigenhändige Briefe in der Familienkorrespondenz der Markgrafen von
Brandenburg (1470-1530), in: Heinz-Dieter Heimann (Hg.): Adelige Welt und familiäre Beziehung.
Aspekte der „privaten“ Welt des Adels in böhmischen, polnischen und deutschen Beispielen vom 14.
bis zum 16. Jahrhundert. Potsdam 2000.
253
rhetorisch ausgearbeiteten Schreiben ihrer Zeitgenossinnen, stilistisch meist sehr einfach
gehalten sind.
1128
Dies liegt zum großen Teil sicherlich daran, daß Kunigunde in vielen
Fällen nur dann zur Feder griff, wenn sie einen konkreten Anlaß hatte, das heißt, wenn
sie entweder selbst eine Bitte äußern wollte oder auf ein Bittschreiben einer anderen
Person reagierte. Bei den längeren Schreiben Kunigundes, die sie beispielsweise in den
Erbstreitigkeiten ihrer Söhne versandte, oder mit denen sie sich gegen deren Ansprüche
verteidigen wollte, ist aber durchaus eine gute Gliederung mit geschickter Argumenta-
tion und auffälligen Stilmitteln zu erkennen.
Der weitaus größte Teil der erhaltenen Briefe Kunigundes stammt aus der Zeit nach
ihrer Heirat mit Herzog Albrecht IV.; bezüglich des Inhaltes haben diese Schreiben eine
relativ große Bandbreite. Ihre Briefe sind zum Teil autographe Schreiben oder Kon-
zepte, die in einigen Fällen durch das Kürzel KHIB witib gekennzeichnet sind,
1129
und
umfassen Bittgesuche, Empfehlungsschreiben sowie Briefe mit politischem Inhalt. Dazu
kommen private Botschaften an mehrere Mitglieder der Familie, die inhaltlich denen der
Eleonore von Schottland, der ersten Ehefrau Erzherzog Sigmunds von Tirol,
gleichen,
1130
und Schreiben, die verschiedene Angelegenheiten des Pütrich-Regelhauses
berührten. Zu den Empfängern ihrer Botschaften gehörten unter anderem ihr Bruder
Maximilian, ihre Söhne Wilhelm und Ludwig sowie in den ersten Jahren ihrer Ehe auch
Erzherzog Sigmund von Tirol und dessen zweite Gattin Katharina. In den letzten
Lebensjahren korrespondierte die Herzogin zudem mit dem Nachfolger Kaiser Maximi-
lians, dem römisch-deutschen König Karl V., und mit dem portugiesischen Herrscher
Emanuel I., mit dem sie ebenfalls verwandt war.
1131
Auch zu Margarete, der in Burgund
1128
Gerade während der Reformation griffen Frauen immer wieder zur Feder, um für ihre religiösen
Überzeugungen einzutreten. Zu ihnen gehörte unter anderem auch Argula von Grumbach, die Nichte
des 1516 ermordeten Münchner Hofmeisters Hieronymus von Stauf, die nach dem Tod ihrer Eltern als
Hoffräulein in die Dienste Herzogin Kunigundes getreten war. Vgl. Edelgard M
ETZGER
, Leonhard von
Eck (1480-1550). Wegbereiter und Begründer des frühabsolutistischen Bayern. München 1980, S. 93,
Anm. 3 sowie zu Argula von Grumbach: Robert S
TUPPERICH
: Eine Frau kämpft für die Reformation.
Das Leben der Argula von Grumbach, in: Zeitenwende. Die neue Furche 27 (1956), S. 676-681 und
zuletzt: Silke H
ALBACH
: Argula von Grumbach als Verfasserin reformatorischer Flugschriften
(Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII, Theologie, Bd. 468). Frankfurt/Main u.a. 1992. Zu
Argulas Dienst bei Herzogin Kunigunde siehe S. 84.
1129
Zudem schrieb die Herzogin in einigen Briefen ausdrücklich, daß diese mit meiner hanntgeschrift, die
ewr lieb paid wol kenen verfaßt worden seien, vgl. u.a. BayHStA, KÄA 4050, fol. 207 (undatiertes
Schreiben Kunigundes an ihre Söhne Wilhelm und Ludwig) sowie die eigenhändige Bestätigung
Kunigundes unter dem Text der neuen Klosterordnung des Pütrich-Regelhauses. Vgl. BayHStA,
Klosterurkunden München-Pütrich, 1518 VII 12/2. Vgl. oben Kap. 12.
1130
Vgl. K
ÖFLER
, Eleonore, S. 89.
1131
König Karl V. (1500-1558) war der älteste Sohn Erzherzog Philipps des Schönen, des einzigen Sohnes
Kaiser Maximilians, und der spanischen Infantin Johanna. Zum portugiesischen König Emanuel I.
bestand sogar eine doppelte Verwandschaftsbeziehung. Zum einen war Kunigunde durch ihre Mutter,
254
lebenden Tochter Maximilians, sowie den Königinnen Anna von Ungarn, die seit 1515
mit dem späteren Kaiser Ferdinand I. vermählt war, und Maria, einer Enkelin Maximi-
lians, die gemeinsam in Innsbruck erzogen wurden, hielt Kunigunde den Briefkontakt
aufrecht.
Die Zahl der erhaltenen Briefe der Herzogin mit eher privatem Umfang ist nicht sehr
groß. Immerhin weisen mehrere Schreiben an Sigmund und Katharina von Tirol darauf
hin, daß das bayerische Herzogspaar zumindest zeitweise recht enge Kontakte zu den
Nachbarn in Innsbruck unterhielt.
1132
Dabei wandte sich Kunigunde nicht nur mit Bot-
schaften, die die Übergabe eines Geschenkes begleiteten, an die Innsbrucker Ver-
wandten, sondern sie schickte gemeinsam mit ihrem Mann Albrecht auch Bitt- oder
Empfehlungsschreiben nach Tirol.
1133
Als ein Zeichen für die gute Nachbarschaft zwi-
schen Bayern und Tirol in den letzten Lebensjahren Erzherzog Sigmunds sind auch die
Glückwunschschreiben zu werten, die dieser anläßlich von Geburten oder Verlobungen
nach München überbringen ließ, nachdem die freudigen Ereignisse von München nach
Innsbruck gemeldet worden waren. Kunigunde ihrerseits sandte mindestens bei einer
Gelegenheit ein Schreiben mit den besten Wünschen für das kommende Jahr nach
Tirol.
1134
Obwohl sich die bayerische Herzogin im Laufe ihres Lebens häufig brieflich an Maxi-
milian wandte, haben sich kaum Schreiben erhalten, deren Inhalt als rein privat oder
familiär zu bezeichnen wäre. Lediglich ein Brief aus dem Jahre 1499, in dem sie ihrem
Bruder viel Spaß mit dem Pferd wünschte, das dieser von seinem Schwager Albrecht
Kaiserin Eleonore, mit dem dortigen Herrscherhaus verwandt, zum andern war König Emanuel mit
Eleonore, einer Enkelin Kaiser Maximilians und Schwester Karls V., verheiratet.
1132
Vgl. oben, Kap. 5.3.
1133
Besonders dicht ist die Überlieferung für das Jahr 1493; in diesem Jahr wandte sich das bayerische
Herzogspaar zweimal mit einer Bitte an den Innsbrucker Hof, einmal zugunsten eines gewissen Paul
Marquart, der gerade aus der kaiserlichen Acht entlassen worden war, dann zugunsten einer Tochter
Sebastian von Rohrbachs, die in den Hofstaat der Erzherzogin Katharina aufgenommen werden sollte.
Zusätzlich tauschten beide Höfe Geschenke in Form eines Wildschweines, das von Kunigunde an
Herzog Sigmund gesandt wurde, oder in Form von Getränken, die Sigmund im Gegenzug nach
München schickte, aus. Vgl. TLA Innsbruck, Max. IVa 86, fol. 106 (Empfehlungsschreiben für Paul
Marquart vom 26. Februar 1493), Sigm. IVa 208 (Bittgesuch für die Tochter des Sebastian von
Rohrbach vom 4. Juli 1493), Sigm. IVa 228,8 (Wildschwein, 23. November 1493) sowie BayHStA,
KÄA 973, fol. 67 ( weinperen und melonen der Erzherzogin Katharina für Kunigunde, Schreiben vom
28. Juli 1494), KÄA 973, fol. 70 (Getränke Erzherzog Sigmunds, Schreiben vom 26. November
1493). Vgl. auch C
ARAMELLE
, Katharina, S. 206f.
1134
Vgl. BayHStA, KÄA 974, fol. 269 (zur Geburt der ersten Tochter Sidonia, Schreiben vom 2. Mai
1488), KÄA 974, fol. 311 (zur beschlossenen Vermählung Sidonias mit einem Sohn des Pfalzgrafen
Philipp, Schreiben vom 19. August 1489) sowie TLA Innsbruck, Sigm. IVa 205 (Neujahrswünsche
und Geschenke Kunigundes, Schreiben vom 27. Dezember 1495). Vgl. auch C
ARAMELLE
, Katharina,
S. 207.
255
zum Geschenk erhalten hatte, läßt sich in diese Kategorie einordnen, obwohl die Herzo-
gin auch in diesem Schreiben politische Dinge ansprach.
1135
Durch Kunigundes Aussage, sie wünsche Maximilian viel Glück bei seinen Auseinan-
dersetzungen mit dem Feind, wird der private Ansatz des Briefes sehr schnell mit kon-
kreten politischen Ereignissen verknüpft; ihre guten Wünsche sind aber dennoch auch
als die Sorge einer Schwester um die Gesundheit des Bruders zu interpretieren.
Neben den Briefen, die Kunigunde ihrem Bruder während des Erbstreites im Jahr 1514
zukommen ließ, versuchte sie bei mindestens einer weiteren Gelegenheit in politischen
Belangen Einfluß auf ihren Bruder zu nehmen. Während des Landshuter Erbfolgekrie-
ges wandte sie sich auf Betreiben ihres Mannes an Maximilian, um diesen um die
Ansetzung eines Schiedstages zu bitten.
1136
Viel größer als die Zahl der privaten oder politischen Briefe ist dagegen die Menge der
überlieferten Bitt- oder Empfehlungsschreiben, die Kunigunde, teils allein, teils auch
gemeinsam mit ihrem Ehemann oder anderen Familienmitgliedern, an ihren Bruder
sandte.
1137
Die Bittschriften, die Kunigunde erhielt und weiterleitete, stammten nicht
alle aus der näheren Umgebung, sondern trafen auch aus dem Ausland ein, wie das
Beispiel des Dekans von Einsiedeln (Schweiz), Albrecht von Bonstetten, belegt. Dieser
wandte sich im Jahr 1491 mit einem Bittschreiben nicht nur an Herzog Albrecht,
sondern auch an dessen Ehefrau.
1138
Albrecht von Bonstetten ließ der Herzogin in
Verbindung mit seinem Bittschreiben aine[r] gamalte[n] schiben und hinder ain glass
1135
Vgl. TLA Innsbruck, Max. XIV/1499, fol. 27 (Schreiben der Herzogin Kunigunde vom 2. Mai 1499)
sowie W
IESFLECKER
, Regesten, Bd. 3,2, Nr. 13193: ...mein lieber herr und gemahel schyckt ewer
gnaden eyn pfert, zu welchem pfert ich ewern gnaden und zu allem ewer gnaden vormenem wunsch
geluck und sieg von der alle ewer gnad feynt. Und bin in hoffnung, der almechtig sol es also schicken,
das ewer gnad sulch pfert zu kayner wyderwertigkeyt brawchen durff. [...] Ich wil nit mer davon
schreyben, ich hoff aber, es sol ewer gnaden gefalen, und tu mich hymit ewer gnaden befallen
mitsampt meynem lib herrn und gemahel... Unterzeichnet ist das Schreiben der Herzogin mit Initialen,
die ihren Namen und ihren Titel angeben: khiB etc. Nach dem Tode Herzog Albrechts ergänzte die
Witwe diese eigenhändige Unterschrift um den Zusatz witib.
1136
Vgl. WMR (1505)/IV/4 (e) mit Verweis auf HHStA Wien, Max. 9a/2, fol. 10. Dem Eingreifen der
Herzogin zugunsten ihrer Familie war allerdings kein Erfolg beschieden, als der König im Juli 1505 in
Köln ein endgültiges Urteil im Landshuter Erbfolgestreit fällte. Vgl. oben, Kap. 9.
1137
Diese Schreiben versandte Kunigunde, allein oder gemeinsam mit ihrem Mann oder ihren Töchtern, in
ihrer Rolle als bayerische Herzogin, die sich beim Kaiser für die Belange von Verwandten, von
Hofbediensteten oder von einzelnen Mitgliedern der Bevölkerung einsetzte, wobei sie in aller Regel
zuvor um diese Hilfe gebeten worden war. In diese Kategorie fallen etwa die Bittschreiben für den
Markgrafen von Mantua, für den Kaplan Nicolaus Veldorffer, für den bayerischen Rat Ulrich von
Westerstetten, für den ehemaligen Regensburger Bürger Hans Trainer sowie für den Innsbrucker
Gärtner Balthasar Hornbach und den Abt von Tegernsee. Vgl oben, Kap. 9 und Kap. 10.
1138
Briefedition in: Franz Lurdwig B
AUMANN
: Zur Geschichte Albrechts von Bonstetten, in: Anzeiger für
schweizerische Geschichte, NF 7 (1895), S. 320-323. Vgl. auch H
EGI
, Geächtete Räte, S. 436, Anm. 2
und 3. Zu Albrecht von Bonstetten vgl. Hans
F
UEGLISTER
: Albrecht von Bonstetten, in: VL, Bd. 1
(1978), Sp. 176-179.
256
versetzt 12 stuck loblich und gerechtz haylthums als Geschenk überbringen; dies zeigt,
daß deren Vorliebe für Reliquien schon zu diesem frühen Zeitpunkt auch außerhalb
Bayerns bekannt war.
1139
Zusätzlich sandte er Kunigunde ein Gefäß mit Erde, die aus
der Einsiedeler Kapelle stammte und allgemein als heilsam erachtet wurde, um so seine
Bitten zu unterstützen. Der Schweizer Geistliche, der in enger Verbindung mit den
Grafen Jörg von Werdenberg-Sargans und Gaudenz von Matsch stand, die ihrerseits
beim Zustandekommen der Heirat Kunigundes beteiligt gewesen waren, schätzte den
Einfluß der Herzogin auf ihren Ehemann offenbar recht hoch ein:
... unnd wann ewer f.g. furbytt gen seinen f.g. mir gar wol erburen und erschiessen
(als billich ist) mag, bytten aber die selben e.f.g. ich demütigklich und ernstlichest
ich kann, die welle mich gen seinen f.g. solchen furdernissen halb gnadigklich und
der mass erschiessennlich verfurdern...
1140
Auffällig ist, daß im Schreiben an Kunigunde die eigentlichen Adressaten der von
Albrecht von Bonstetten erwünschten Fürsprache, der französische König sowie Erzher-
zog Philipp, nicht genannt werden, während ihr für die Politik zuständiger Ehemann
durch zwei weitere Briefe der Eidgenossen über den genaueren Sachverhalt informiert
wurde.
1141
Immerhin waren die Bittschreiben des Dekans an den Münchner Hof erfolg-
reich, denn schon wenige Wochen später richtete der Münchner Herzog die gewünsch-
ten Empfehlungsschreiben an den französischen König Karl VIII. sowie an Kunigundes
Neffen, den Erzherzog Philipp.
1142
Die Herzogin wandte sich mit ihren Bitt- und Empfehlungsschreiben während ihrer Ehe
allerdings nicht nur an König Maximilian, sondern auch an die Vertrauten ihres Vaters
und ihres Bruders. Das erste überlieferte Schreiben dieser Art stammt aus dem Jahr
1474 und ist an den Bürgermeister, die Richter und den Rat von Wiener Neustadt adres-
siert.
1143
Wenige Monate nach ihrer Heirat mit Herzog Albrecht schrieb sie an den kaiserlichen
Protonotar Johann Waldner, daß ihr Hofmeister Wilhelm von Mäxlrain vor einiger Zeit
am Hofgericht ihres Gemahls ein Urteil zu seinen Ungunsten empfangen und danach
eine Appellation am kaiserlichen Kammergericht eingereicht habe, worauf ihm aber
1139
Vgl. B
AUMANN
, Albrecht von Bonstetten, S. 322. Albrecht bezeichnet Kunigunde in diesem Schreiben
als aine[r] cristennliche[n], loblichiste[n] fürstin und waren liebhaberin aller göttlichen dingen.
1140
Vgl. B
AUMANN
, Albrecht von Bonstetten, S. 322.
1141
Vgl. B
AUMANN
, Albrecht von Bonstetten, S. 320f. (Schreiben der Eidgenossen an Herzog Albrecht
vom 8. Januar 1491) sowie S. 323 (Schreiben der Grafen Jörg von Werdenberg-Sargans und Gaudenz
von Matsch vom 22. März 1491).
1142
Vgl. B
AUMANN
, Albrecht von Bonstetten, S. 323.
1143
Vgl. oben, Kap. 3.2. Die knapp neunjährige Erzherzogin schrieb, daß sie über den Tod des Pfarrers zu
Fewstricz unterrichtet worden sei und bittet um Forderung für einen gewissen Herrn Leonhard.
257
noch immer keine Antwort zugegangen sei. Kunigunde richtete nun die Bitte an Johann
Waldner, sich um die Annahme der Appellation zu kümmern, bis in dieser Sache ein
Rechtstag abgehalten werde.
1144
Dieses Schreiben zeigt deutlich die Bereitschaft
Kunigundes, sich in ihrer neuen Heimat und ihrer neuen Rolle einzuleben und sich für
die Belange der Menschen einzusetzen, die ihr nach ihrer Heirat nahestanden, eine
Bereitschaft, die aber offensichtlich nicht über Gebühr ausgenutzt wurde, wie das Feh-
len weiterer Bittschreiben aus der Zeit unmittelbar nach der Heirat nahelegt.
Ein Empfehlungsschreiben Kunigundes erhielt auch der Tiroler Kanzler Maximilians,
Zyprian von Serntein, den die Herzogin um die Aufnahme eines gewissen Sigmund
Prugker in die Tiroler Kanzlei bat. Auch in diesem Fall war die Herzogin um dieses
Schreiben gebeten worden; der Bittsteller war hier der Bruder Sigmunds, Wolfgang
Prugker, der als Sekretär Herzog Albrechts am Münchner Hof lebte. Bestätigt wurde die
Richtigkeit des vermutlich in der Kanzlei Herzog Albrechts ausgestellten Schreibens
durch einen eigenhändigen Zusatz Kunigundes am Ende des Briefes, der gewissermaßen
die Funktion einer Unterschrift übernimmt: Sernteiner, diser prief ist unser bevelch und
pit.
1145
Auch nach dem Tod ihres Mannes Albrecht und dem Regierungsantritt Herzog Wil-
helms wurde Kunigunde immer noch von Teilen der Bevölkerung um ihre Fürsprache
gebeten. So wurde sie im Dezember 1508 vom Grafen Georg von Schaunburg gebeten,
einem gewissen Hanns Becham die Aufnahme in die herzogliche Kanzlei zu ermögli-
chen,
1146
eine Bitte, die sie an ihren Sohn Wilhelm weiterleitete.
1147
Die Herzogin wandte sich aber nicht nur im Namen anderer Personen an Wilhelm, son-
dern versuchte auch, diesen für ihre eigenen Interessen zu gewinnen, wie ein undatiertes
eigenhändiges Schreiben Kunigundes zeigt. Nachdem sie einige Jahre im Pütrich-
Regelhaus verbracht und schon viel zu dessen baulicher Verbesserung beigetragen hatte,
plante die Herzogin nun die Errichtung eines hungerhauses. In dieser Angelegenheit
1144
Vgl. TLA Innsbruck, Sigm. XIV/1211 (Schreiben der Herzogin Kunigunde vom 22. Juni 1487).
1145
Vgl. TLA Innsbruck, Max. XIII/256/III, fol. 23 (Schreiben der Herzogin Kunigunde vom 26. Oktober
1497) sowie W
IESFLECKER
, Regesten, Bd. 3,2, Nr. 13193.
1146
Vgl. BayHStA, KÄA 973, fol. 239 (Schreiben des Grafen vom 11. Dezember 1508). Hans Becham,
dessen Familie schon seit vielen Jahren in den Diensten der herzoglichen Familie gestanden habe, sei
vor einiger Zeit von Kaiser Maximilian selbst dem mittlerweile verstorbenen Albrecht empfohlen
worden, der ihn aber vertröstet habe.
1147
Vgl. BayHStA, KÄA 973, fol. 240: Hochgeporner furst, herczen lieber sun! Ich pin gepeten worden,
als ir an dem hin ligenten prief vernemen wert, pit ich ewr lieb, ob der Hanns Becham ewch zw
solichen dienst, wie darum er pit, geschikcht unnd teigenlich pedunkcht sein, ewr lieb wel in zw dem
penannten dienst aufnemen. Damit pefilich ich ewr lieb Got dem almechtigen.
258
wandte sie sich mit der Bitte an ihren Sohn, mit der Stadt München zu verhandeln, um
den Kauf eines geeigneten Gebäudes voranzutreiben.
1148
Um ihren Sohn zu einer Hilfe zu bewegen, begnügte sich die Herzogin in diesem Fall
nicht nur mit Bitten, sondern erinnerte an ihren Einsatz für Wilhelm und seine Geschwi-
ster, um derentwegen sie nach dem Tod ihres Mannes in München geblieben sei.
1149
Der Aufbau und die Gliederung des Briefes wirken sehr durchdacht: Eingeleitet wird
das Schreiben mit einer Bitte an ihren Sohn, dann folgt die Erinnerung an ihre früheren
Verdienste für all ihre Kinder und die Drohung, sie hätte auch an einem anderem Ort ein
Kloster neu errichten können; daran schließt sich eine ausführliche Klage über das Ver-
halten der Stadt München an. Am Ende des Schreibens drückt Kunigunde dann ihren
Wunsch aus, ihr Sohn werde ihr schon zu Hilfe kommen: ... ich vertrost mich ewr lieb
hilf vnnd kindlich trewen....
1150
Dieser autographe Brief mit seiner logisch aufgebauten
Argumentation zeigt deutlich, daß die Herzogin, trotz der „alltäglichen“ Themen ihrer
Schreiben, über eine gewisse Bildung verfügte, und damit mit anderen gebildeten
Frauen ihres Zeitalters durchaus zu vergleichen ist.
Die Einrichtung des angesprochenen Hungerhauses beschäftigte die Herzogin so sehr,
daß sie sich sogar an Bartholomäus Schrenck wandte, der einst der vormundschaftlichen
Regierung Herzog Wilhelms angehört hatte, um diesem in dieser Angelegenheit ihr Leid
zu klagen. Auch in diesem Brief, der zeitlich in einem engen Zusammenhang mit dem
Schreiben an Herzog Wilhelm steht, ist ihre Erbitterung über die Haltung der Stadt
München zu erkennen, die in der schon bekannten Drohung gipfelt, sie hätte München
auch verlassen können.
1151
Die Korrespondenz zwischen Kunigunde und ihren Söhnen Wilhelm und Ludwig
beschränkte sich aber nicht auf die Weitergabe von Bittschriften, sondern berührte auch
andere Angelegenheiten. Dazu gehören beispielsweise die Nachrichten, die die Herzo-
gin ihren Söhnen im Zusammenhang mit der Bezahlung der Schulden ihres verstorbenen
1148
Vgl. BayHStA, Haus- und Familiensachen-Urkunden ca. 1518: ... Ich hab ewr lieb zwm iungisten
gepeten, als ewr lieb pey mir gewesen ist, mit den vonn Munichen zwhanndelen. Darmit der kawf des
hungershaws halben ain furganng gebine, pit ich ewr lieb nach wie vor mit hochen fleiß, ewr lieb
wellen mir verhelfen, daß mir das haws wert... Zum geplanten Bau dieses Hungerhauses vgl. oben
Kap. 12.5.
1149
Vgl. BayHStA, Haus- und Familiensachen Urkunden ca. 1518: ... ewr lieb wellen pedenkchen, was ich
ewr lieb unnd der geswisterget aus mueterlicher trew guetwiligklich getann hab: Mein guet wol het
mugen nemen unnd annderst wo gar ain kloster vonn newen pawen, daß ich abber vonn ewr aller lieb
wegen aus mueterlicher trew unnderlasen hab, unnd ewr aller lieb zw eren auch gemainer stat mich
hie in das regelhaws zw den frumben swestern getann...
1150
Vgl. BayHStA, Haus- und Familiensachen Urkunden ca. 1518.
259
Mannes zukommen ließ. Nach Abschluß der ersten Rückzahlungen im Jahr 1512
übergab sie, wie einer eigenhändigen Botschaft zu entnehmen ist, die erledigten Schuld-
briefe in einer Höhe von 3.000 Gulden an ihren Sohn Wilhelm.
1152
Im Falle des Klosters
Peyharting, wo die Schuldbriefe verloren gegangen waren, übernahm sie in einem eben-
falls autographen Schreiben gewissermaßen die Haftung für die Richtigkeit der Angaben
des Probstes.
1153
Nach Abschluß aller Rückvergütungen gab die Herzogin in einem offen
brieve einen Überblick darüber, welche Summe sie in welchem Jahr für Entschä-
digungen benötigt hatte und bestätigte die Richtigkeit der Angaben mit dem autogra-
phen Zusatz ich las mirs gefallen.
1154
Ebenfalls im Zusammenhang mit ihrem Testament steht ein weiteres eigenhändiges
Schreiben der Herzogin, in dem sie einen ihrer Söhne bat, einer Änderung zu ihrem am
5. April 1508 ausgestellten Testament zuzustimmen.
1155
In diesem undatierten Schrei-
ben, das offensichtlich kurz nach dem Münchenbesuch Maximilians im Sommer 1510
entstanden ist, gab die Herzogin ihrem Sohn im Zusammenhang mit der Bitte um
Bestätigung ihres Testaments und dem damit verbundenen Streit, wo die von ihrem
Bruder gestifteten Reliquien nach dem Tod Kunigundes verbleiben sollten, einen Über-
blick über ihre Besitzverhältnisse.
1156
Auch hier fällt die geschickte Argumentation der
Herzogin im Streit mit ihrem Sohn Herzog Wilhelm auf: Die Behauptung, daß sie mit
den umstrittenen Gegenständen machen könne, was sie wolle, da sie aus dem Familien-
besitz der Habsburger stammten, belegt, daß die Herzogin ihre Herkunft nicht vergessen
hatte: ... dan das zu meiner macht wol stet, pey meinen leben zu geben, wem ich wil,
dann das vonn meinem herren unnd vatter seliger, unnd nit ewrm vatter hie ist... Die
Überlegtheit und Gründlichkeit, mit der die Herzogin in diesem Brief zu Werke ging,
wird deutlich in der genauen Aufstellung ihrer Besitztümer, die sie nach eigener Aus-
sage zum größten Teil an ihre Kinder oder andere Personen verschenkt hatte. Allerdings
geht aus diesem Schreiben auch hervor, daß Kunigunde, wie auch ihr Vater, Kaiser
Friedrich III., eine gewisse Zähigkeit zeigen konnte, wenn sie dies für angebracht hielt.
So machte sie ihrem Sohn deutlich, daß sie vor zwei Jahren zwar auf eine sofortige
1151
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 305, fol. 11 (undatierte Abschrift des Schreibens der Herzogin). Vgl.
auch Kap. 12.5.
1152
Vgl. Geh.HausA, Hausurkunden, Nr. 1072, für das folgende vgl außerdem Kap. 11.2.
1153
Vgl. BayHStA, Kurbayern-Urkunden 23961.
1154
Vgl. BayHStA, Haus- und Familiensachen Urkunden ca. 1517.
1155
Vgl. BayHStA, Kurbayern-Urkunden, Nr. 6745 (Testament der Herzogin Kunigunde) sowie oben Kap.
11.1.
1156
Vgl. oben, Kap. 12.5 sowie BayHStA KL-Fasz. 427/20 (undatierter Brief Kunigundes sowie Konzept
des Schreibens).
260
Auszahlung der ihr zustehenden Morgengabe verzichtet habe, daß sie nun aber nicht
länger warten wolle.
1157
In diesem Fall gelang es Kunigunde, ihre berechtigten Ansprüche gegenüber ihrem Sohn
und dessen Vormündern, indem sie sich an Maximilian wandte. Dieser bestätigte ihren
Wunsch, daß die Reliquien auch nach ihrem Tod im Regelhaus verbleiben sollten,
1158
und beorderte eine Gesandtschaft nach München, um seinen Neffen zur Zahlung der
Morgengabe zu bewegen.
1159
In ihrer Korrespondenz mit ihren Söhnen Wilhelm und Ludwig beschränkte sich die
Herzogin allerdings nicht nur auf die Klärung finanzieller Streitigkeiten. Gerade in den
Jahren zwischen 1514 und 1517 versuchte Kunigunde durch die Abfassung von Briefen,
die an Kaiser Maximilian, die bayerischen Landstände und ihre Söhne adressiert waren,
immer wieder Einfluß auf die bayerische Politik zu nehmen.
1160
Dieses Interesse äußert
sich auch in einem eigenhändigen Schreiben Kunigundes an ihre Söhne Wilhelm und
Ludwig, in dem sie diesen Ratschläge gab, wie die brüderlichen Erbstreitigkeiten zu
beenden seien.
1161
Andererseits gibt es auch Anzeichen dafür, daß die jungen Herzöge ihre Mutter zumin-
dest über wichtige politische Angelegenheiten unterrichteten. Ein Beispiel dafür ist ein
undatiertes Schreiben Herzog Wilhelms, in dem er ihr eine wichtige Rolle bei den
Bemühungen gab, den jüngsten Bruder Ernst fest in einer geistlichen Laufbahn zu ver-
ankern.
1162
Zunächst machte Wilhelm seine Mutter auf die ihr wohlbekannte ungünstige
1157
Vgl. BayHStA KL-Fasz. 427/20: ...herczen lieber sun, als ich vor verschiner zeit aus pilicher
erfordrung nach verganngener zeit der zwayer jar, der ich mich erpoten hab, zw warden der
betzallung meiner morgengab, ewr lieb gemant hab, des ich gehoft het, an manung ewr lieb
verschreiben, noch das peschechen solt sein, auf das fuegt sich ewr lieb zw mir. Unnd durch herr
Hannsen Pefenhaws red lies mich ewr lieb piten, noch lennger ain vertzug mit der vorgenandten
petzalung zwhaben. [...] pit ich unnd wil mich gentzlichen versechen, ewr lieb wert mir ewr
verschreiben halten, unnd mich meiner morgengab, nemblichen 10 tawsent reinisch guldein, so ir mir
das auch on verschreiben schuldig wert, zwtain...
1158
Vgl. BayHStA, Klosterurkunden München Pütrich, 1511 I 1.
1159
Vgl. oben, Kap. 12.5 sowie HHStA Wien, Max. 19a/3, fol. 15-18 und WMR 11/IX/4 (b).
1160
Vgl. oben, Kap. 14.1.
1161
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 207 (undatiertes Konzept): ...ist mein rat, freuntlich pit unnd spruch,
daß ewr paide lieb wellent den pruederlichen vertrag nachkomen unnd hie vonn der stat Munichen
erbhuldigung ewr paider lieb entpfachen, nachmals vonn den dreyen hawbtsteten Lanndtzhut,
Ingelstat, Straubing persönlich... Zusätzlich erteilte Kunigunde Ratschläge, wie mit den Räten,
anderen Amtsträgern und Dienern zu verfahren sei: ...daß dann all rät, ambtleit unnd diener, ewr
paider lieb hofgesint trew, gehorsam unnd zu was gestalt ewr jedlicher sein aigen diener in pflicht
formals genommen hat, also dergestalt die forgenanten rät, ambtleit, dienstleit ewr paider lieb pflicht
tain sol; dergeleichen die 4 räntmaister unnd zw Lanntzhuet, Purkchausen, Strawbing annder rät, ewr
paider lieb geleich verpflicht solen werden...
1162
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 204f. Zu den Bemühungen der bayerischen Herzöge, für ihrem Bruder
Ernst das Bistum Salzburg zu erlangen, vgl. allgemein Johann S
ALLABERGER
: Kardinal Matthäus Lang
261
finanzielle Lage im Herzogtum aufmerksam, die eine Aufteilung des Landes auf alle
drei Söhne verbieten würde, da man sonst völlig verarmen würde.
1163
Nach dieser
kurzen Einleitung kam Wilhelm schon auf einen Kernpunkt seines Schreibens zu
sprechen:
... khumen wir hiemit zu ewr lieb alls unnser getrewen lieben frawen und muetter
mit höchstem bitten, in die sachen muetterlichen zesehen und bey unnserm brue-
der hertzog Ernsten zuverhellffen, das sich derselbig begab geistlich
zuwerden...
1164
Nur durch den Entschluß Herzog Ernsts, eine geistliche Laufbahn einzuschlagen, hätte
das Fürstentum überhaupt eine Chance, die hohen Schulden zu vermindern. Falls sich
Ernst aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht auf eine geistliche Laufbahn festlegen
wolle, solle Kunigunde ihren Sohn auf die Vorteile aufmerksam zu machen, die die
Gewinnung eines der Bistümer Passau, Augsburg oder Eichstätt für das Haus Bayern
mit sich bringen würde.
1165
Falls Ernst eines der Bistümer für sich erlangen könne, dann
aber doch keine geistliche Laufbahn einschlagen wolle, solle er dieses einem zuverlässi-
gen Mann zukommen lassen. Für den Fall, daß Kunigunde in ihren Gesprächen mit
Ernst erfolglos bleiben sollte, malte Wilhelm seiner Mutter die Zukunft Bayerns in den
dunkelsten Farben aus, da die Söhne Ruprechts von der Pfalz ansonsten möglicherweise
die Bischofsstühle von Eichstätt und Augsburg besetzen würden.
1166
Am Ende seines
Schreibens betonte Wilhelm nochmals, wie wichtig ihre Rolle in dieser Angelegenheit
sei und wie hoch er ihr Verhandlungsgeschick schätze.
1167
Im gemeinsamen Bemühen
der bayerischen Herzogsfamilie, eine Pfründe für Herzog Ernst zu erlangen, wandte sich
von Wellenburg (1468-1540). Staatsmann und Kirchenfürst im Zeitalter von Renaissance,
Reformation und Bauernkriegen. Salzburg/München 1997, passim.
1163
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 204
r
: Genedige lieb fraw und mueter, ewr lieb wais die grossen
schulden, darein weilend unnser lieber herr und vatter, löblicher gedechtnuss, des bairischen kriegs
halben komen, und noch vitzher unbezalt sein, [...] wie dann ewr lieb selbs mercken und sehen, sollte
dann das fürstennthumb Bairn ytzundt unnser drei fürsten haben, unnd wir sön unnd kinder
uberkomen, so wurden wir als arm fursten werden, das wir nit fürstlichen stanndt hallten möchten...
1164
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 204
r
.
1165
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 204
r und v
: ... daß er die pistumb, so itz zuerlanngen und zuuberkommen
were, als nemlich Passaw, Augsburg und Aichstet, anneme, daraus unns und unnserm lannd grosser
nutz entstuennde, dann so die drew pistumb zu unnserm haus Bairn gebracht würden, so wäre unnser
lanndt ganntz beslossen...
1166
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 204
.v
und 205
r
. Im Anschluß nennt Wilhelm die Gründe, die nach
seiner und der Meinung der betreffenden Bistümer für einen Bischof aus dem Haus Bayern sprechen
würden.
1167
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 205
v
: Wir wären auch erputtig, wo ewr lieb alls unser liebe fraw und
muetter solichs riette, damit unser brueder hertzog Ernst desstatlicher zu obengeschriben meynung
zuberden war, unns gegen ime zuverschreiben, [...] Wir wellen auch ewr lieb solich verschreibung
und vertrag, als unser lieben frawen und muettern aufzerichten, zuversigln und zemachen gebeten und
bevolchen haben. Es stet auch in diesem vall all unnser trost und hoffnung zu ewr lieb, dann wir
262
Kunigunde wohl schon im Jahr 1512 an ihren Bruder, um diesem das Erzbistum Salz-
burg als äußert geeignet vorzuschlagen.
1168
Während ihres Aufenthalts im Pütrich-Regelhaus korrespondierte die Herzogin aller-
dings nicht nur mit ihren engsten Verwandten, sondern auch mit der Tochter und der
Enkelin Maximilians. So schickte beispielsweise Kunigundes Nichte Margarete, die
Regentin von Burgund und Erzieherin Karls V., im Januar 1516 eyn bilde der heiligen
jungkfraw Marie nach München, wobei sie in einem Begleitschreiben die Hoffnung
ausdrückte, Kunigunde werde solches empfahen [...] mit gleichem gemüdt als ich das
sende.
1169
Aus dem Jahr 1519 haben sich zwei Schreiben der Königinnen Maria und Anna erhal-
ten: Ein kurz nach dem Tod Maximilians entstandenes Credenzschreiben,
1170
das an
Kunigunde und ihre Söhne Wilhelm und Ludwig gerichtet war sowie ein Schreiben an
den gesamten Konvent der Pütrich-Schwestern. In diesem von den Königinnen eigen-
händig unterzeichneten Brief bedankten sich Anna und Maria für das Schreiben und die
zwaien gemalten Wirfeln, die die Schwestern ihnen durch den Kanzler Serntein hatten
überbringen lassen. Auch über die Fürbitten der Schwestern für ihren verstorbenen
Verwandten Maximilian, von denen Serntein berichtet hatte, zeigten sich die Fürstinnen
sehr erfreut:
...und dabey vil guts, lob und eer von euch und eurer andachtigs wesen und leben
anzaigt hat, in gnaden emphangen und verstannden, darinn auch ewr getrewes
und vleyssigs fürpitten gegen den Almechtigen für weylendt römische kaiserliche
Majestät, hochlöblicher gedächtnus, unnsers gnedigisten und allerliebsten herrn
und vatters seel, zu sondrem gevallen vernomen.
1171
Schließlich ließen die Fürstinnen ihrer Verwandten, der hochgeporn frawen
Kunigunden, unnser lieben muemen und mueter ihren freuntlichen willen und alles liebs
und guts ausrichten.
1172
Mit den beiden jungen Frauen, die nicht weit entfernt von München in Innsbruck lebten,
stand die bayerische Herzogin offensichtlich des öfteren in Verbindung. So war für den
Sommer des Jahres 1517 sogar eine Visite beider in München geplant, wie aus einem
halltens onzweifl darfür, das unnser bruder hertzog Ernnst ewr lieb nichts abslagen vnnd das ewr lieb
inen mer bereden wurde, dann sonnst nymanndts.
1168
Vgl. Bay. HStA, KÄA 4050, fol. 106f. (undatiertes Konzept). Vgl. außerdem S
ALLABERGER
, Matthäus
Lang, S. 106.
1169
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 305, fol. 6 (Schreiben der Erzherzogin Margarethe vom 22. Januar
1516).
1170
Vgl. BayHStA, Kurbayern-Urkunden, Nr. 12137.
1171
Vgl. BayHStA, Klosterurkunden München-Pütrich, 1519 VII 29.
1172
Vgl. BayHStA, Klosterurkunden München-Pütrich, 1519 VII 29.
263
Schreiben des Wilhelm von Rappoltstein, des Hofmeisters Maximilians, an den Kaiser
hervorgeht. Er habe, berichtete Rappoltstein, dem Regiment und der Raitkammer zu
Innsbruck die Absicht Maximilians mitgeteilt, die kayserin und kunigin, gemeint sind
Anna und Maria, nach München reisen zu lassen, wo er sie mit Tanz, Jagd und anderen
Vergnügungen unterhalten lassen wolle. Die Kosten für diese Reise sollten das Regi-
ment und die Raitkammer tragen, der Kaiser selbst beabsichtigte, ebenfalls einen Abste-
cher nach München zu unternehmen, bevor er sich auf den Bundestag in Augsburg
begebe.
1173
Ob dieser Besuch schließlich tatsächlich stattfand, ist nicht zu ermitteln; der
Plan aber zeigt, daß Maximilian immer wieder darum bemüht war, mit seiner Schwester
zusammenzutreffen und dieser auch den persönlichen Kontakt zu weiteren Verwandten
zu ermöglichen.
Zumindest in ihren letzten Lebensjahren bestand auch ein enger Kontakt zwischen der
bayerischen Herzogin und dem portugiesischen König Emanuel I. (1469-1521), der seit
1518 mit Eleonore, einer Enkelin Kaiser Maximilians, verheiratet war. Allein für das
Jahr 1519 lassen sich mindestens vier Schreiben nachweisen, die entweder mit dem
Namen der Herzogin versehen sind oder im Namen aller Schwestern des Pütrich-Regel-
hauses entstanden; zwei von ihnen wurden in lateinischer Sprache abgefaßt.
Ein Schreiben, in dem der portugiesische König seiner consanguinea Kunigunde sein
Beileid zum Tod Kaiser Maximilians ausdrückte, bildete wohl den Auftakt dieses inten-
siven Briefwechsels.
1174
Emanuel äußerte darin, daß er sich zwar einen erfreulicheren
Anlaß zum Schreiben gewünscht hätte, bemerkt zugleich aber tröstend, daß dies nun
einmal der Lauf aller menschlichen Angelegenheiten sei.
1175
Er habe erst kürzlich vom
Tod des geschätzten Maximilians erfahren; daher schicke er einen Gesandten zu ihr,
dessen Besuch freilich schon länger vorher geplant worden sei. Sein Vertrauter Rhode-
ricus, der in des Königs Geschäften nach Flandern reisen müsse, solle vorher einen
Besuch in München machen, wo ihn die Herzogin um ihrer Verwandtschaft willen gnä-
dig empfangen solle:
1173
Vgl. Wien HHStA, Max. 37 (1517 Juli-August), fol. 72-75, hier fol. 72: Unnd hab darauff gemeltem
regiment unnd raitcamer verer zuerkennen geben, das ewer kaiserliche Majestät wil und maynung
sey, meine gnedigisten frawen kayserin und kunigin gen Munichen lassen zufuren, [...] daselbs woll
ewer kaiserliche Majestaät den selben meinen gnedigsten frawen mit tannzen, gejaiden umd on ander
weg freud und ergetzlichait etc. vastnacht halten lassen. Vgl. auch WMR 17/VII/16 (c).
1174
Vgl. BayHStA, Klosterurkunden München-Pütrich 1519 VI 30 (Schreiben König Emanuels I. vom 30.
Juni 1519). Eine Abschrift findet sich im BayHStA, KÄA 4050, fol. 240.
1175
Vgl. BayHStA, Klosterurkunden München-Pütrich 1519 VI 30: Maluissimus gratiorem nobis fuisse
oblatam scribendi occassionem, sed cum ea sit rerum humanarum condicio, ut nulla mortalibus
felicitas, nec iucunditas diuturna esse possit et tristia letis semper admisceantur...
264
...Quare vestram excellentiam admodum rogamus, ut pro summis suis virtutibus,
pro nostri sanguinis iure huic benivolas aures atque integram fidem non secus ac
nobis ipsis prestare velit...
1176
Mit der Versicherung, aufgrund ihres verwandtschaftlichen Verhältnisses könne sie sei-
ner Hilfe und Unterstützung gewiß sein, schloß Emanuel sein Schreiben an die Herzo-
gin: ...reliquum est, ut in omnibus [...] usui fore existimaverit, nostra necessitudine,
studio et opera libere utatur...
1177
Kunigunde, die in diesem Jahr nicht nur ihren Bruder, sondern auch wenige Monate
später ihre Tochter Sybille verloren hatte, bedankte sich in ihrem deutschsprachigen
Antwortschreiben zunächst bei ihrem Verwandten für dessen Mitgefühl:
...ewr königlichen Majestät sag ich hochfleisigen tankch des gunstlichen
frentlichen trost, in meiner petruebnus umb abgang des allerdurchleuchtigisten
grosmechtigisten kaiser, meines allergenädigisten liebsten herren unnd
prueder...
1178
Das undatierte Konzept ist mit ziemlicher Sicherheit eine Antwort auf das Schreiben
König Emanuels, da sie sich nicht nur für die Anteilnahme Emanuels wegen des Able-
bens ihres Bruders bedankte, sondern gleichzeitig auch den Tod ihrer seit 1511 in der
Pfalz verheirateten Tochter Sybille beklagte: ...so ich aber erken den willen des
allmechtigen Gott, mich umb mein verschuldnus zw strafen, unnd mir das annder lait,
meiner tochter der pfalzgäfin halben zwgeschikt...
1179
Neben dieser traurigen Mitteilung
enthält der Brief noch einen weiteren Hinweis auf die Korrespondenz zwischen Lissa-
bon und München, denn die Herzogin spricht ein Schreiben Emanuels vom 6. Mai 1516
an und nennt zugleich die Gründe, warum sie nicht eher habe antworten können:
...Ewr königlich Majestät haben mir pey dem [...] riter Kaspar Winzerer
geschriben, des datums am 6. tag may in dem jare der gepurt des herren 1516. Wo
ich erkent, daß etlich person zw ewr königlichen Majestät ziechen würden, daß ich
die selbigen zw ewr königlichen Majestät ann mein prief nit komen, laß ewr
Maiestat mein gesund unnd all ander dinge verkunen. Gunstiger lieber herr, ewr
königliche Majestät gelawben mir furware, daß ich fider der zeit vonn niembt
erfaren hab, der zw ewr königlichen Majestät hab wellen ziechen. Darumb ich
ewr königlichen Majestät nit ee hab schreiben kunen, meins gesund halben auch
annder mein wesen, wie das ewr königliche Majestät diener gesechen unnd gehort
hat...
1180
1176
Vgl. BayHStA, Klosterurkunden München-Pütrich 1519 VI 30.
1177
Vgl. BayHStA, Klosterurkunden München-Pütrich 1519 VI 30.
1178
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 305, fol. 10 (eigenhändiges undatiertes Konzept der Herzogin).
1179
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 305, fol. 10. Die Pfalzgräfin Sybille verstarb am 18. April 1519. Vgl.
S
TAHLEDER
, Chronik, S. 537.
1180
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 305, fol. 10.
265
Die Schwestern des Regelhauses wandten sich vermutlich auf Betreiben Kunigundes
nach dem Tod Kaiser Maximilians an den portugiesischen König,
1181
um diesen um die
Nachfolge des verstorbenen Kaisers als allergenädigister vnd liebster her vater in Xpo
zu bitten.
1182
Aus den ausführlichen Erklärungen über die Gründe, warum sich die
Schwestern gerade an König Emanuel wandten, kann man folgern, daß dieses Schreiben
die erste Kontaktaufnahme der Schwestern mit dem portugiesischen Königshaus war,
zumal sie den König ausdrücklich darauf hinwiesen, daß die Herzogin ihren Wohnsitz
bei den Schwestern im Kloster hatte. Hätte schon vorher ein regelmäßiger Kontakt zwi-
schen den Schwestern und Portugal bestanden, hätte man diese Tatsache Emanuel I.
nicht mehr in dieser Deutlichkeit vor Augen führen müssen.
1183
Um die wieder entdeckten verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen der bayerischen
Herzogsfamilie und dem portugiesischen Königshaus zu fördern, erwog Kunigunde im
Jahr 1519 sogar eine Heirat zwischen beiden Häusern, wie aus zwei inhaltsgleichen
Schreiben an Emanuel und dessen junge Ehefrau Eleonore hervorgeht.
1184
Nach einer
Einleitung, in der Kunigunde ihre Verwandtschaft mit König Emanuel durch ihre Mutter
Eleonore darlegte, kam sie auf den eigentlichen Anlaß ihres Schreibens zu sprechen,
eine Erneuerung der verwandtschaftlichen Bindungen, wobei sie besonders die Fähig-
keiten und das Aussehen ihres ältesten Sohnes herausstrich.
1185
Nachdem sie sich solchermaßen über die Vorzüge Wilhelms begeistert hatte, bat die
Herzogin den portugiesischen König um die Hand einer seiner Töchter. Die Reise nach
Portugal, heißt es weiter, sei schon lange vorbereitet gewesen, die Gesandten seien
schon mit Instruktionen versorgt worden, als die indeprecabilis Attropos den Faden des
1181
Vgl. K
UNSTMANN
, Schreiben, S. 419: Darzu vnns vrsacht die durchleuchtig Hochgeporn furstin fraw
kungunde entsprungen auss dem Edeln geplutt von portigall vnnser allergenädigiste Fraw...
Problematisch ist die Datierung des Schreibens auf den achten tag vnnsers allerheiligisten vaters
franciscy mvc vnnd jnn xviiii jar. Der 8. Tag des Jahres kann nicht gemeint sein, da Kaiser Maximilian
erst am 12. Januar verstarb und der Tod des Kaisers in diesem Schreiben ausdrücklich angesprochen
wird: ... dann so wir vnnsern allergnädigisten liebsten Herrn vnd getrewen vater in got, hochlöblicher
gedächtnüss Röm. kay. Mtt. etc. verloren... B
IHL
, De tertio ordine, S. 447, Anm. 8, datiert das
Schreiben auf den 4. Oktober des Jahres 1519.
Das Schreiben ist außerdem abgedruckt bei: Karl von R
EINHARDSTÖTTNER
: Ein Schreiben der
Schwestern des Püttrichklosters (1519) an den König Dom Manuel von Portugal, in: Jahrbuch für
Münchner Geschichte II (1888), S. 499f.
1182
Vgl. K
UNSTMANN
, Schreiben, S. 419 sowie B
IHL
, De tertio ordine, S. 447, Anm. 8.
1183
Vgl. K
UNSTMANN
, Schreiben, S. 419.
1184
Vgl. K
UNSTMANN
, Schreiben, S. 420f. (Schreiben der Herzogin Kunigunde vom 5. Dezember 1519)
K
UNSTMANN
, Schreiben, S. 420 versteht die Datierung des lateinischen Schreibens nona Decembris
dagegen als den 9. Dezember.
1185
Vgl. K
UNSTMANN
, Schreiben, S. 420: ... primogenitus Guilhelmus, qui utriusque Bavariae ut senior
imperat, in quo vix quisquam aliquid desideret, ita est facie venustus, membrorum compagine
decentissmus, statura corporis procerus, cetera, ne in suspicionem ut mater incidam, praetereo
apertissimaeque famae relinquo...
266
Lebens ihres Bruders abgeschnitten und damit einen früheren Kontakt mit Portugal ver-
hindert habe.
1186
Dennoch sei es aber ihr dringlichster Wunsch, nach dem Beispiel ihrer
Vorfahren und ihres vielgeliebten Bruders Maximilian, die alten Bande zu erneuern,
wobei sie nur das von Maximilian begonnene Vorhaben weiterverfolgen wolle.
1187
Wir sind nicht darüber unterrichtet, ob und wie gut die Herzogin die lateinische Sprache
beherrschte; es ist aber davon auszugehen, daß Kunigunde, wie andere adlige Frauen
und Mädchen ihrer Zeit, über gewisse Grundkenntnisse in dieser Sprache verfügte, die
allerdings in den meisten Fällen nur zum Lesen und Beten liturgischer Texte ausreich-
ten.
1188
Daher liegt der Gedanke nahe, daß die oben erwähnten Schreiben an den portu-
giesischen König und dessen Ehefrau ihren Weg durch die herzogliche Kanzlei genom-
men haben. Möglicherweise setzte also die Herzogin im Einverständnis mit ihren Söh-
nen Wilhelm und Ludwig die erwähnten Schreiben nach Portugal auf, die dann von
einem der herzoglichen Räte oder einem anderen Angehörigen der Kanzlei übersetzt
und ausgefertigt worden sein dürften.
1189
Im Gegensatz zu diesen Briefen sind die Botschaften, die Kunigunde mit König Karl V.,
dem Enkel und Nachfolger Maximilians auf dem römisch-deutschen Königsthron und
seit 1514 König von Spanien, wechselte, in deutscher Sprache verfaßt. Da der in Bur-
gund erzogene Karl mit der französischen Sprache weitaus vertrauter war, mußten die
deutschsprachigen Briefe in Spanien ins Französische übersetzt werden.
1190
Bereits im
Mai 1519, noch vor der Wahl Karls zum römisch-deutschen König, wandte sich Kuni-
gunde an ihren Großneffen, weil sie befürchtete, Karl könnte wegen falscher Informa-
tionen in der Salzburger Angelegenheit einen Groll gegen sie und ihre Söhne hegen.
1191
Ihr Schreiben wurde den bayerischen Gesandten Dr. Simon Reischach und Christoph
1186
Vgl. K
UNSTMANN
, Schreiben, S. 421. Gemeint ist möglicherweise der Tod Kaiser Maximilians, der
für seine bayerischen Nichten und Neffen zahlreiche Heiratskandidaten ins Gespräch brachte. Vgl.
R
IEZLER
, Baiern, Bd. 4, S. 34ff.
1187
Vgl. K
UNSTMANN
, Schreiben, S. 421: Cum vero exemplo majorum meorum, maxime memorati
Maximiliani romanorum imperatoris fratris mei amantissime pristinam mutuamque inter nos
familiamque nostram sanguinis et amicitiae copulam innovare, recuperare, parique modo
reinstaurare cupisissimo vehementique affectu desideraverim [...] et dulcissimi fratris Maximiliani
sequar inceptum...
1188
Vgl. B
ACKES
, Literarisches Leben, S. 90.
1189
Für die Vermutung, daß die Kanzlei der bayerischen Herzöge in diesen Briefwechsel involviert war,
spricht auch die oben erwähnte Abschrift des Schreibens König Emanuels im BayHStA, KÄA 4050,
fol. 240.
1190
Vgl außerdem S
ALLABERGER
, Matthäus Lang, S.204.
1191
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 209f. (Konzept) sowie fol. 222f. (Schreiben der Herzogin Kunigunde
vom 25. Mai 1519).
267
von Reichenburg anvertraut, die wegen der Streitigkeiten um den Salzburger Bischofs-
stuhl zu König Karl nach Barcelona geschickt wurden.
1192
In ihrem Schreiben zeigt sich die Herzogin sehr besorgt über das Gerücht, der Kardinal
von Gurk, Matthäus Lang, könnte ihre Söhne Wilhelm und Ludwig bei König Karl in
ein schlechtes Licht gerückt haben:
Mich unnd dy hochgebornen fürsten, meine herzenliebe söne herzog Wilhelmen
und herzog Ludwigen etc. hat gelaublich angelanngt unnd tragen wares wissen,
das der cardinal von Gürckh pald nach absterben des allerdurchleuchtigisten,
großmechtigisten khaisers, meines allergnädigisten liebsten herren und bruders,
hochlöblicher gedechtnus, dy bemelten meine lieb söne gegen ewr khunigliche
Majestät grässlich versaget.
1193
Da ihre Söhne ganz und gar unschuldig seien, beschwor sie den König, seinen bayeri-
schen Verwandten gegenüber nicht ungnädig zu sein,
1194
da das Gerücht, ihre Söhne
wollten Lang aus der Koadjutorei des Bistums Salzburg verdrängen, völlig haltlos sei:
... und meine lieben söne undertruckhn mochte, vielleicht auss fursten, als er sich
dann offenlich hören last, meine söne seien willens, ine von der codaiutorey des
erzbistums Salzburgk zu drängen und dem driten meiner lieben son hertzog
Ernsten darzue verhelffen...
1195
Obwohl ihre Söhne Wilhelm und Ludwig es ihrem jüngeren Bruder Ernst schuldig
seien, ihn mit einem geistlichen Amt zu versorgen, hätten sie doch derlei Dinge, die
ihnen nun zum Vorwurf gemacht würden, nit bemuet noch practiziert.
1196
Sie hoffe
daher, König Karl werde auss naturlicher und angeborner zuneigung des gepluts
bemelten meinem son, herzog Ernsten, vor dann dem cardinal bestendig vnd hillfig
gunst gewähren.
1197
Aufgrund all dieser geschilderten Argumente bat die Herzogin ihren
Großneffen schließlich nochmals, daß dieser dem bemelten cardinal seines anzeigens
khainen glauben geben solle.
1198
Dieses Schreiben zeigt deutlich das Verantwortungsbewußtsein Kunigundes, die auch
nach dem Rückzug in das Pütrich-Regelhaus immer wieder darum bemüht war, die
Rechte ihrer Kinder zu verteidigen. So erscheint es fast selbstverständlich, daß die Her-
zogin auch nach dem Tod ihres Bruders nicht zögerte, den Ruf ihrer Söhne gegenüber
1192
Vgl. S
ALLABERGER
, Matthäus Lang, S. 203f.
1193
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 209
r
.
1194
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 209
r
: ... als solten meine söne des willens und gemüts sein, ihrs
fürzunemen und zu üben, das ewr khunigliche Majestät und derselbigen erblanden zu nachteil und
unser liebden zu nutz und vorteil reichen. Vermuetlich darumb geschehen, das ewr khunigliche
Majestät ain ungnad und unfreuntschaft [...] tragen solten...
1195
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 209
v
.
1196
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 209
v
.
1197
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 209
v
.
1198
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 210
r
.
268
dem jungen König Karl zu verteidigen; sie scheute sich nicht, ihrem Großneffen, den sie
nicht persönlich kannte, den Streit um den Erzbischofsstuhl von Salzburg aus ihrer Sicht
zu schildern, um ihre Söhne so vor der möglichen königlichen Ungnade zu bewahren.
König Karl hingegen versuchte, seine Großtante und die Münchner Verwandten durch
ein Schreiben, das der bayerischen Gesandtschaft überreicht wurde, zu beruhigen.
1199
Nach einer Einleitung, in der der Inhalt des Schreibens Kunigundes kurz wiederholt
wurde, bat er die Herzogin
frundtlich zuvernemen, daß warlich der gedacht cardinal euer lieb sune bey uns
dergestalt nit verunglimpft, noch ichts fürpracht hat, das uns bewegen möcht,
beruert euer lieb söne in argen zu verdenckhen.
1200
Zudem betonte Karl, er hätte solchen Vorwürfen, wenn sie von Kardinal Lang oder
anderen vorgebracht worden wären, ohnehin keinen Glauben geschenkt, unter anderem,
weil die bayerischen Fürsten von allen deutschen Fürsten am engsten mit ihm verwandt
seien, und weil diese dem verstorbenen Kaiser gegenüber stets gehorsam gewesen
seien.
1201
Karl versuchte auch im weiteren Verlauf seines Schreibens, die Herzogin zu
beruhigen, in dem er ausdrücklich versicherte, daß er nicht schlecht über seine bayeri-
schen Vettern denke:
... sy welle nit vermainen oder ir einpilden lassen, das ir lieb söne gegen unns
verunglimpfft oder versagt sein, sonder das wir uns zu inen als des heiligen reichs
erlich vnd redlich fürsten und unsern lieben vettern alles guete versechen.
1202
Außerdem bat er seine Großtante, dafür zu sorgen, daß von Seiten der bayerischen Für-
sten alles für eine friedliche und gute Nachbarschaft mit Kardinal Lang und den Ange-
hörigen des Salzburger Bistums getan werde, da er beide Parteien schätze:
Aber dieweil wir den gedachten euren sönen aus angeborner neygung des
gepluets, und dem bemelten cardinal seiner verdienst halben mit sonderer gnad
und guethait genaygt sein, bitten wir ewr lieb, sy welle bey ieren sünen bestelln
und darob sein, damit alle spen, zwitracht und irrung, so zwischen innen und
demselben cardinal sich hilten, hiedann gesetzt werden.
1203
Beschlossen wird das in Barcelona ausgestellte Schreiben König Karls an die Herzogin
mit einer eigenhändigen Unterschrift, in der er im Rahmen der üblichen Umgangsfor-
1199
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 241f. (Originalschreiben König Karls vom 29. August 1519) und fol.
242f. (Abschrift).
1200
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 241
r
.
1201
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 241
r und v
: ... nachdem die beruert ewr süne fur all ander deutsch
fürsten unsers negsten gebluets sein, haben sich auch alweg gegen obemelt kayser Maximilian
gehorsam gehalten. Daher sei es für ihn vast schwer, uns etwas anderst von ihnen, dan alles guets
ainzupilden.
1202
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 241
v
.
1203
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 241
v
.
269
men seinen Respekt vor seiner Großtante zum Ausdruck brachte: Eur gutter soen
Carolus.
1204
Trotz dieser freundlichen und tröstenden Worte König Karls an Kunigunde war der
bayerischen Gesandtschaft in Spanien und damit auch dem Einsatz der alten Herzogin
zugunsten ihrer Söhne kein Erfolg beschieden, denn nur wenige Tage vor deren Ankunft
in Barcelona hatte Karl den Kardinal Matthäus Lang und andere Räte des verstorbenen
Kaisers in ihrer führenden Position im Reich bestätigt, wobei Kardinal Lang zum Ersten
Mann der Obersten Regierung in Augsburg und außerdem zum Ersten Mann der
Statthalter, Regenten und Räte für die nieder- und oberösterreichischen Erblande beru-
fen wurde. Obwohl die bayerischen Gesandten zweimal von Karl V. persönlich empfan-
gen wurden, hatten sie bald erkannt, daß weitere Verhandlungen in der Salzburger
Angelegenheit erfolglos bleiben würden, so daß durch den Brief König Karls an Kuni-
gunde diese Streitigkeiten endgültig zum Abschluß gebracht worden waren.
1205
Obwohl also das Eingreifen Kunigundes zugunsten ihrer Söhne in diesem Fall ergeb-
nislos blieb, fällt auf, daß die Herzogin gerade in ihren letzten Lebensjahren eine sehr
rege Korrespondenz mit ihren Verwandten in Portugal und Spanien unterhielt, die in
den Jahren zuvor nicht nachzuweisen ist. Hatte sich die Herzogin zu Lebzeiten Maximi-
lians mit verschiedenen Problemen und Bitten privater oder politischer Art stets an ihren
älteren Bruder gewandt, so versuchte sie nun, ihre weiter entfernten und einflußreichen
Verwandten zu einer Unterstützung ihrer Familie zu bewegen. Die Bitte ihrer Mit-
schwestern an König Emanuel von Portugal, die Nachfolge des verstorbenen Maximi-
lians als „geistiger Vater“ des Pütrich-Regelhauses anzutreten, ist ebenso Ausdruck für
dieses Unterfangen wie das Ansuchen Kunigundes an das portugiesische Königspaar,
eine seiner Töchter mit Herzog Wilhelm zu verheiraten. Hier bemühte sich Kunigunde,
ganz im Sinne ihres Bruders zu handeln, der immer wieder verschiedene Heiratsprojekte
vorgeschlagen und möglicherweise die Verbindung eines seiner Neffen mit den Ver-
wandten im Südwesten Europas noch selbst erwogen hatte, da er offensichtlich durch
den Reichtum verlockt wurde, den sich Portugal durch den Afrikahandel verdiente.
Daß sich Kunigunde im Falle des Streits um den Salzburger Erzbischofsstuhl persönlich
an den künftigen Kaiser wandte, ist zumindest teilweise auf die verwandtschaftlichen
Beziehungen zurückzuführen. Vielleicht hoffte die Herzogin sogar, daß sich Karl, der
mit den Verhältnissen im Reich noch nicht sehr vertraut war, von ihr dazu bewegen las-
1204
Vgl. BayHStA, KÄA 4050, fol. 242
r
.
270
sen könnte, Partei für ihre Söhne zu ergreifen, eine Hoffnung, die sich allerdings nicht
erfüllte, da Karl V. den alten Ratgebern seines Großvaters auch weiterhin die Treue
hielt.
Abschließend läßt sich feststellen, daß die erhaltene Korrespondenz der Herzogin
Schreiben sowohl privaten wie auch politischen Inhalts beeinhaltete, wobei sie sich erst
mit zunehmendem Lebensalter in die „große Politik“ einzumischen versuchte. Daß ihre
Gesuche, gerade an die Herrscher von Portugal und Spanien, auch Beachtung fanden,
belegen die Antworten, die diese umgehend an die Herzogin sandten. Zu den eher pri-
vaten Botschaften gehören vor allem Teile der Korrespondenz mit dem Tiroler Erzher-
zogspaar Sigmund und Katharina, die einem familiär-freundschaftlichem Ton gehalten
sind. In den formlosen Briefen dagegen, die von Kunigunde eigenhändig verfaßt wur-
den, wurden in der Regel eher politische Fragen behandelt, ebenso wie in den Schrei-
ben, mit denen sie sich im Jahr 1514 an die bayerischen Landständen wandte. Damit
reihte sich Kunigunde in die Zahl der Frauen ein, zu denen auch beispielswiese Caritas
Pirkheimer oder Argula von Grumbach gehörten, die mit dem Aufkommen des Huma-
nismus und der Renaissance auch öffentlich ihre Meinung kundtaten.
Dostları ilə paylaş: |