Quellenlage
Wesentliche Bestände ergeben sich aufgrund der räumlichen Entscheidung: Hierunter fallen in erster Linie die Stadtarchive von Schwerin, Ludwigslust und Neustrelitz sowie das Landeshauptarchiv Schwerin. Erste Recherchen zeigten auch im Landeskirchlichen Archiv Außenstelle Schwerin eine geeignete Quellenbasis. Die Konzeption von Forschungsdesign und Fragestellung sowie die grundlegende methodische Herangehensweise fordern die Erfassung und Analyse von Quellen verschiedener Gattungen, gilt es doch sowohl strukturgeschichtliche Aspekte zu erfassen (Wie war die Versorgung von Randgruppen organisiert?) als auch Argumentationslinien im Zuge des Umgangs mit Randgruppen nachzuvollziehen. Quellen der ersten Gattung lassen sich vor allem der Verwaltungsüberlieferung armenfürsorgerischer Einrichtungen sowie obrigkeitlich angeordneten Ordnungsversuchen entnehmen. Um eine ungefähre Einschätzung aus historischer Dimension zu treffen, ob die Drohkulisse der „Überschwemmung der Städte“ durch fremde Bettler und Zigeuner mit ihren Gewaltdrohungen der Realität entsprach, können die Insassenlisten des Zucht- und Werkhauses Dömitz quantitativ und qualitativ ausgewertet werden. Quellen hingegen, die Auskunft über die Argumentationen der Obrigkeit geben und eine Verdichtung auf Leitbegriffe zulassen, finden sich in Briefen sowie Verordnungen und lassen sich aus Anweisungen zur steten Verbreitung letzterer ableiten. Hinsichtlich der herrschaftlichen Repräsentation von Milde und Güte auf der Projektionsfläche des Armenmilieus sind insbesondere diejenigen Quellen wesentlich, die über Armenspeisungen oder zusätzliche Versorgungen mit Kleidung und Feuerholz berichten. Wer wurde versorgt, wer nicht? Neben archivalischen Quellen kommen des Weiteren Fürstenspiegel sowie gedruckte Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts in Betracht, die Zeugnis von dem zeitgenössischen Verständnis der herrschaftlichen Pflichten sowie den Repräsentationsräumen des Herzogs geben. In der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern finden sich neben vielen gedruckten normativen Texten des Weiteren zeitgenössische Zeitungen, in denen mit hoher Dichte Darstellungen von Stadt und Regierung über Randgruppenprobleme sowie auch herzogliche Armenspeisungen abgedruckt wurden. Hieraus lassen sich im Besonderen Erkenntnisse über Häufigkeit, Ablauf und Ausgestaltung der herrschaftsrepräsentativen Tätigkeit im Rahmen der Randgruppenpolitik gewinnen. Ebenso kann die Frage Beantwortung finden, wie diese Handlungen nach außen transportiert worden sind.
Da ein wesentlicher Aspekt der Randgruppenpolitik des 18. Jahrhunderts in der Ausweisung fremder Bettler in Nachbarterritorien bestand (Heimatprinzip), werden ebenso das Brandenburgische Landeshauptarchiv sowie das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und das Landesarchiv Schleswig-Holstein hinsichtlich der Grenz- und Armensachen untersucht werden.
Julia Brenneisen, Kiel
Dissertationsprojekt
Die Stadt als Raum des Fürsten?
Aneignungsprozesse des städtischen Raumes im Mainzer Erzstift der Frühen Neuzeit
1. Forschungsvorhaben und -ziele
Mainz hat einen außerordentlichen Vorrat an großen, starken, majestätischen Gebäuden; nur schade, dass sie alle kaum Platz haben, darauf zu stehen. Die Stadt würde, wenn ihre Straßen wesentlich breiter und etwas gerader wären, in ihrem Inneren eine der schönsten Städte Europas sein, wie sie es vom Äußeren her ist25.
In dieser Bewertung eines Reisenden aus dem Jahr 1789 wird deutlich, dass die kurfürstliche Residenzstadt Mainz zwar zahlreiche herrschaftliche Gebäude aufzuweisen hatte, die Möglichkeiten, tiefgreifend in die Stadttopographie einzugreifen aber begrenzt waren. Städtischer Raum war ein knappes Gut in der von starken Festungsanlagen seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts umringten Stadt und damit ein Gegenstand von großem Konfliktpotenzial. Hier setzt das von Professor Matthias Müller am Institut für Kunstgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz betreute Dissertationsprojekt an und untersucht die architektonische Besetzung von städtischem Raum als Spiegel politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen am Beispiel der kurfürstlichen Residenzstadt Mainz in der Frühen Neuzeit. Die Dissertation entsteht im Rahmen der wissenschaftlichen Mitarbeitertätigkeit des Verfassers an dem Akademieprojekt „Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
Als grundlegende Zielstellung der Arbeit sollen zunächst die Möglichkeiten und Motive der verschiedenen sozialen Gruppen in der Stadt (Fürstbischof, weltlicher und geistlicher Adel, Bürgertum) an stadtbildverändernden Maßnahmen aufgedeckt werden. In einem nächsten Schritt folgt eine Untersuchung der realisierten Baumaßnahmen durch den Kurfürsten und den Adel sowie ihrer Wirkung auf den Betrachter im Stadtraum. Die Analyse wird an drei zentralen Orten in der Stadt durchgeführt: dem Regierungsviertel mit dem kurfürstlichen Schloss, dem Schillerplatz als größte innerstädtische Platzanlage und dem zentral geplanten und regelmäßig angelegten Bleichenviertel. Anhand einer historisch-stadttopographischen Längsschnittanalyse dieser drei Orte sollen die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der aktiven Stadtgestaltung durch den Kurfürsten und den Adel herausgestellt werden.
Der Untersuchungszeitraum der Arbeit erklärt sich durch historische Zäsuren in der Stadtgeschichte und setzt nach dem Dreißigjährigen Krieg ein, der durch große Zerstörungen und einen starken Bevölkerungsrückgang den Ausgangspunkt für eine umfangreiche Bautätigkeit in der Stadt bildete. Der zeitliche Rahmen endet mit der Flucht des Kurfürsten vor den französischen Revolutionstruppen 1792. Die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg soll jedoch mit berücksichtigt werden, da entscheidende Eingriffe in die Stadtstruktur schon Ende des 15. Jahrhunderts erfolgt und damals bereits wichtige städtebauliche Schwerpunkte gesetzt worden waren.
Wie der Titel der Arbeit andeutet, gilt ein besonderes Interesse der Arbeit dem spezifischen Verhältnis des Mainzer Kurfürsten zu seiner Residenzstadt. Dabei wird zu klären sein, inwieweit die Stadt tatsächlich als Raum des fürstlichen Stadtherrn betrachtet werden kann oder ob bzw. inwieweit seine politische und gestalterische Macht durch Rechte und Privilegien des Adels sowie der alteingesessenen, im Rat vertretenen Bürgerfamilien eingeschränkt wurde. Der sich in diesem sozial- und rechtsgeschichtlichen Kontext entfaltende Aneignungsprozess der Stadt durch den erzbischöflichen Kurfürsten und den mit ihm verbundenen Adel stellt ein besonderes Untersuchungsfeld der Arbeit dar.
Im Anschluss an die Untersuchung von Mainz sollen in einem Exkurs repräsentative Bauvorhaben des Kurfürsten in Erfurt und Aschaffenburg vorgestellt werden. Dieser Exkurs soll der Klärung der Frage dienen, ob die aufgezeigte Bautätigkeit in Mainz den ganz speziellen stadtpolitischen Bedingungen entsprang und daher eine spezifische Mainzer Situation widerspiegelt oder ob sich aus dem Bauverhalten in Mainz ein Muster für entsprechende Raumaneignungprozesse auch in anderen Zentralorten des Erzstiftes rekonstruieren lässt und damit eine gezielte Baupolitik des Mainzer Erzstiftes nachgewiesen werden kann.
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