3.3.1Hauptmotive
In dieser Kurzgeschichte kann man unschwer erkennen, dass es da einen tapferen Helden gibt, was in dem Werk von Anna Seghers als keine Ausnahme gilt. Es gibt Figuren in ihren Büchern, die für ihre Überzeugung kämpfen, ebenso wie es die Autorin selbst lebenslang machte.
Die in den letzten Jahren veröffentlichten Bücher bringen, jedes auf seine spezifische Weise, die Ansichten eines langen, wechselvollen, stets kämpferischen Lebens und seine Grundmotive gereift zum Ausdruck, ohne unmittelbar vom eigenen, persönlichen Leben zu handeln.22
Am Anfang stehen nebeneinander zwei Jungen, die auf den ersten Blick ganz ähnlich aussehen, mindestens was den Charakter betrifft. Sie unterstützen die gleichen Dinge, haben gleiche Meinungen, und trotzdem gingen ihre Lebenswege schließlich in ganz unterschiedliche Richtungen. Klaus stellt in der Geschichte einen furchtlosen Menschen dar, der seine Ansichten und Ideale schützt und immer bereit ist, sein Leben zu riskieren. Er könnte in diesem Fall eher als eine Nebenfigur bezeichnet werden, weil sich diese Kurzgeschichte vor allem auf den Erwin konzentriert. Erwin verkörpert zuerst auch einen tapferen Knaben, aber im Laufe der Zeit kann man bemerken, wie ihn der Mut verlässt und die Werte, die er anfangs als wichtige betrachtete, plötzlich nicht wichtiger als sein eigenes Leben sind. Obwohl es selbst Erwin war, der Klaus zeigte, als er ihn erstmals zu dem Wochenendausflug einlud, was er für seine Heimat und für eigene Zukunft tun könnte.
Als ein grundlegendes Ereignis der ganzen Erzählung gilt bestimmt die Angelegenheit in Naumburg, wo zu einer Begegnung kommen sollte. In diesem Zeitpunkt veränderte sich Erwin grundsätzlich. Zuerst quälte ihn ein Schuldgefühl, dass er Klaus im Stich ließ, aber trotzdem beschäftigte er sich weiter mit den Flugblättern. Als er aber einen Unterschlupf in Luckau fand, wo er sogar heiratete, obwohl er seine geliebte Freundin Lore hatte, beendete er damit sein revolutionäres Leben. Er begann sogar, die Freundschaft mit Klaus in Frage zu stellen. Obwohl sie anfangs beste Freunde waren und jeder für den anderen alles gemacht hätte. Auf diese Art und Weise bemühte sich Erwin, seine Feigheit zu rechtfertigen.
Bei ihrem nächsten Wiedersehen war Erwin ziemlich kalt. Er hatte inzwischen erfahren, Klaus sei verschwunden, er könnte in einem Gestapokeller stecken. Und nachts fing Erwin zu grübeln an: Vielleicht wird er gefoltert. Kann ich für ihn die Hand ins Feuer legen? Er weiß, wo Hämmerling arbeitet. Er weiß, wo ich jetzt lebe. [...] – Hätte ich selbst denn allen Fragen widerstanden?23
Er wollte diese belastende Situation überwinden, sogar sieht es so aus, als ob er hoffen würde, dass Klaus nicht mehr am Leben sei. Über die Möglichkeit, dass Klaus wirklich tot sein sollte, spricht Erwin sozusagen gleichgültig.
„Hast du etwas von Klaus gehört?“ – „Nichts.“ – „Er lebt wohl nicht mehr.“ Lore fuhr auf: „Klaus? Der lebt.“ – „Wie willst du das wissen?“ – „Ich weiß es. Ich spür es in allen Fasern. So einer wie Klaus, der lebt. So einer wie Klaus hat sich gerettet, sogar aus den Klauen der Gestapo.“ – „Ach, Lore. Als ob Felix nicht auch so einer wäre. Er ist nicht weniger wert als Klaus.“24
Erwin stellt einen Menschen dar, der zuerst ein klares Ziel für sein Leben hatte, aber im Laufe der Zeit von den politischen Ereignissen so stark beeinflusst wurde, dass er dieses Ziel nicht weiter verfolgen konnte. Anna Seghers zeigt an dieser Stelle, wie die Menschen von dem Regime, das eine große Angst unter den Leuten hervorrief, geprägt wurden. Solche Menschen, die unter einem großen Druck stehen, verhalten sich oft unbegreiflich, was man an diesem Beispiel betrachten kann.
Das Grundmotiv der Geschichte liegt vor allem darin, der ganzen Öffentlichkeit zu zeigen, dass eine Gemeinschaft existiert, die gegen das Böse und für die Freiheit kämpft. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Das Ziel ist, den Widerstand gegen das Regime und vor allem den Mut zu zeigen, dass sich ein gewöhnlicher Mensch nicht so leicht von den Nazis bezwingen lässt.
Wie schon gesagt, Erwin versagte zwar bei ihm anvertrauten Aufgabe, trotzdem hat die Autorin Verständnis für diese Figur, beziehungsweise für ihr Verhalten, und gibt ihr keine Schuld daran. Obwohl bis jetzt in ihren Werken nur die mutigen Helden vorkamen, bildet hier Erwin eben eine besondere Ausnahme. Sein Verhalten könnte als „[...] Projektion des Willens, sich aus der Niederung zu erheben“25 begriffen werden. Man kann in diesem Fall auch berücksichtigen, dass Der Treffpunkt erst viele Jahre später nach dem Zweiten Weltkrieg erschien und deshalb tritt hier ein gewisser Abstand auf, was beispielsweise gerade die Wertung der Figuren beweist.
Obwohl Der Treffpunkt als die einzige Erzählung bezeichnet wurde, die in einem wirklichen und realistischen Umfeld spielt, stellte selbst Anna Seghers das Ende der Geschichte in einem Interview in Frage. Es geht darum, ob zu der Schlussbegegnung zwischen Erwin und Klaus wirklich kam oder nicht.
„Vielleicht kommt diese letzte Begegnung [...] in der Wirklichkeit nicht zustande. Es kann auch sein, daß die Begegnung Erwins mit Klaus nur in der Hoffnung, durch die Vorstellung und Einbildungskraft stattgefunden hat. Das sollen die Leser herausfinden – so wie ich die Lösung oft dem Leser überlasse.“26
Für die weiteren Kapitel ist uns wichtig, die Freundschaft zwischen Erwin und Klaus nahe zu bringen. Wie gesagt, Erwin und Klaus lernten sich schon in ihren Jugendjahren kennen. Sie hatten ein gemeinsames Ziel, für das sie lebten. Klaus bestätigte dann noch diese Freundschaft damit, dass er trotz des Verbotes von seinem Vater weiter mit Erwin verkehrte. Viele Jahre später erinnert sich Erwin an Klaus nur als einen damaligen Freund aus der Jugendzeit. Die Intensität der Freundschaft, die sie damals so stark verband, war ihm verloren gegangen.
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