3.4 Versuch der Entführung der Kaisertochter im ungarischen Krieg
Das Leben, das Kunigunde in den Monaten nach der Belehnungsfeierlichkeiten in Wien
führte, muß aufgrund fehlender Quellen im Dunkeln bleiben. Wahrscheinlich verbrachte
die Erzherzogin noch einige Zeit in der Gesellschaft ihres Vaters; im Herbst des
folgenden Jahres hielt sie sich jedenfalls noch oder wiederum in Wien auf. Dort aber
hatte sie unter dem Krieg ihres Vaters gegen den ungarischen König Matthias zu leiden
und geriet sogar in Lebensgefahr, als ungarische Truppen die Hofburg belagerten, in der
sich Kunigunde mit ihrem Hofstaat aufhielt.
119
Der langjährige Schreiber am
116
Vgl. M
AYRHOFER
, Kunigunde, S. 197 sowie H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 36f.: „So was auch ain
treffenlich schoner tannz in des alten weissen Kunig burg gehalten vnnd gab man den ersten tannz
dem edlen frawlein Chungunden die derselb fürst des alten weissen Kunigs lehenmann gar höflich
datzue aufgetzogen hett. Da liess das minniglich edl frawlein an ir kains mangels nit erscheinen vnnd
hielt sich dermassen statlichen bei demselben tannzen, dass ob irer schicklichkait vnnd hübschen
manieren all fremd herren ain sunder gross wolgevallen gehabt...
117
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 37.
118
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 38f.: Vnnd hat sölichem rennen auch das hochgeporn frawlein
Chungund sampt irm vater dem alten weissen kunig auch annderen beywesenden herren geistlichen
vnnd weltlichen mit grossen lust vnnd frewden tzu gesehen...
119
Die Kämpfe zwischen den ungarischen und den kaiserlichen Truppen hatte seit 1479 ständig
zugenommen; im Oktober 1481 erklärte Matthias Corvinus, daß seine Truppen schon weit in die
Steiermark und nach Kärnten eingedrungen seien, so daß ein Angriff auf die Stadt Wien durchaus im
27
Kammergericht, Peter Gamp, berichtete zumindest in einem Brief vom 1. Oktober 1481
an seine Straßburger Freunde Conrad Riff und Jakob Amelung, wie die Ungarn die
Stadt angegriffen und dabei um ein Haar die Frauengemächer im kaiserlichen Schloß
getroffen hätten.
120
Außerdem schrieb Gamp, daß in Wien eine tödliche Pestepidemie
aufgetreten sei, die den Kaiser so beunruhige, daß er erwäge, seine in Wien weilende
Tochter in die Steiermark zu schicken.
121
Bestätigt wird Gamps Meldung über das Auftreten der Pestepidemie und die geplante
„Evakuierung“ der kaiserlichen Prinzessin durch ein Schreiben Georg Wiesers, der im
November 1481 in einem Schreiben nach Augsburg das Gerücht erwähnte, daß Truppen
des Kaisers dessen Tochter nach Graz geleiten sollen, um diese vor dem sterben in
Wien in Sicherheit zu bringen.
122
Wie groß die Besorgnis des Kaisers um seine Tochter
war, zeigt die Zusammenstellung der Eskorte. Georg Wieser nannte sogar die Namen
und teilweise auch die Anzahl der Begleiter Kunigundes: Sittich von Zedtwitz, einen
Hauptmann der Herzöge Ernst und Albrecht von Sachsen,
123
und dessen Truppen sowie
Hauptmann Nikolaus Schirntinger, der in Diensten des Markgrafen Albrecht Achilles
von Brandenburg stand und von 200 Reitern begleitet wurde. Dazu kamen das
Nürnberger Kriegsvolk sowie Andreas von Weispriach mit seiner Rotte, insgesamt
wurde Kunigunde nach Wiesers Bericht von etwa 1300 Männern von Wien aus erst ins
benachbarte Laxenburg, dann weiter in die Grazer Burg begleitet.
124
Doch gerade in der Stadt, in der Kunigunde in Sicherheit leben sollte, drohte ihr kurz
nach ihrem Eintreffen eine viel größere Gefahr, wie Wieser in seinem nächsten Schrei-
ben (vom 30. November) andeutete. In diesem Brief bestätigte der Gesandte zunächst
Bereich des Möglichen lag. Vgl. Jörg K. H
OENSCH
: Matthias Corvinus. Diplomat, Feldherr und
Mäzen. Graz u.a. 1998, S. 183.
120
Vgl. hierzu den Brief Peter Gamps vom mentag nach sant Michelstag 1481 im StadtA Hagenau, EE
59, Nr. 10: Am samstag nehst sien die Ungerischen und Retzen her fur zwey thor gerant und haben
die ein dorschrancken drie oder vier erstochen, und alle huser an der stat gelegen verbrant. Gestern,
sontag, sint sint (sic!) si vor ein ander tor gegen dem sloss gezogen, und haben och gantz an die
porten gerant und aber mullen und die nehsten hüser by der stat gebrant, und vier schusz mit
steinbussen zu dem sloss getan. Der ein ist zu dem frawenzimber unden an ein venster gangen und
umb drie vinger wer er gantz in dz zimber gangen, ...
121
Vgl. Brief des Peter Gamp, StadtA Hagenau, EE 59, Nr. 10: Etlich personen sien hie mit der
pestelentz mit tode abgangen, versten ich, die kaiserliche Majestät. werde sin tochter von hinen gen
Stir schicken...
122
...etlich sagen, das sy mein jung frawen gen Gretz, die den sterben fliehen, hinlaiten werden.... Vgl.
StadtA Augsburg, Literaliensammlung 05.11.1481. Für die gesamte Episode der (angeblichen)
Entführung Kunigundes in Graz vgl. S
CHÄFFER
, Hundegebell, S. 9-35.
123
Sittich von Zedtwitz war der Anführer eines Truppenkontingents, das die sächsischen Herzöge Ernst
und Albrecht dem Kaiser zum Kampf gegen die Türken zur Verfügung gestellt hatten, das aber
tatsächlich im Krieg gegen Matthias Corvinus eingesetzt wurde. Vgl. H
EINIG
, Kaiser Friedrich, Bd. 1,
S. 438.
124
Vgl. Brief des Georg Wieser, in: StadtA Augsburg, Literaliensammlung 05.11.1481.
28
die Gerüchte um Kunigundes Abreise. Am Montag vor Martini sei seine junge frawen
mit irem zymer gen Gretz geleitet worden, in Wien erwarte man die Geleittruppen täg-
lich zurück.
125
Im unmittelbaren Anschluß an diese Meldung erzählte er von einem wei-
teren Gerücht, nämlich, daß die von Leibnitz, womit Wieser die ungarischen Truppen
meinte, welche die südlich von Graz gelegene Stadt Leibnitz besetzt hielten, einen
Anschlag auf die Grazer Feste geplant hätten. Dabei seien diese von zwei Verrätern
namens Hymelfeint und Greslin unterstützt worden, die sich auf dem Burggelände auf-
hielten.
126
Der Anschlag sei aber erfolglos geblieben, weil der oberste Hauptmann der
Burg, Ulrich von Graben,
127
die beiden entdeckt und in Ketten geschmiedet habe. Von
einer Entführung Kunigundes ist, zumindest in diesem Brief, nicht die Rede. Die Mög-
lichkeit einer solchen Entführung ist aber keineswegs von der Hand zu weisen, da die
Kaisertochter für die ungarischen Truppen und ihren König als wertvolles Pfand für
eventuelle Verhandlungen mit Kaiser Friedrich hätte eingesetzt werden können.
Die von Wieser geschilderte Geschichte findet sich in ähnlicher Darstellung sowohl in
Kunigundes Biographie
128
als auch im Fuggerschen Ehrenspiegel,
129
der von Clemens
Jäger um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Augsburg zusammengestellt und etwa 100
Jahre später von Sigmund von Birken überarbeitet wurde. Die Beschreibung des unbe-
kannten Biographen unterscheidet sich allerdings an einigen Stellen von den Berichten
Wiesers. So mußte Kunigunde, laut ihrer Biographie, die Stadt Wien nicht wegen einer
Seuche verlassen, sondern weil Kaiser Friedrich wegen des Krieges gegen die Ungarn
der Meinung war, die Stadt Graz mit ihrer gut befestigten Burg böte einen besseren
Schutz für seine Tochter.
130
Nachdem die in der Erzählung nicht näher genannten Trup-
pen mit der Prinzessin Graz erreicht hatten, sei es zu einem Anschlag der Ungarn gegen
Kunigunde gekommen. Angestiftet durch zwei Verräter, von denen der eine dem
125
Vgl. Brief des Georg Wieser, in: StadtA Augsburg, Literaliensammlung 30.11.1481.
126
Vgl. Brief des Georg Wieser, in: StadtA Augsburg, Literaliensammlung 30.11.1481.
127
Zu Ulrich von Graben vgl. H
EINIG
, Kaiser Friedrich, Bd. 1, S. 147.
128
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 40-45.
129
Vgl. F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 904.
130
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 40. Die Vorteile der Grazer Burg werden besonders
herausgehoben: ...vnnd füret man das edl frawlein mit aim sichern gelait als obgemeldt ist, gen Gretz,
weliche statt ain sunnder vesste burg hat, zum tail aus gelegenhait der natur in massen dieselb burg
auf ainem gar hohen berg gelegen ist, vnnd zum tail auch wegen den starkhen passtey mit den dieselb
burg treffennlichen wol bevesstent was... Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 42. Problematisch an
dieser Begründung ist aber, daß die Ungarn zu diesem Zeitpunkt im Herbst des Jahres 1481 viele Orte
in der Steyermark schon erobert hatten und besetzt hielten, die Gegend um Wien dagegen noch ruhig
und vom Krieg noch nicht betroffen war. Vgl. hierzu S
CHÄFFER
, Hundegebell, S. 20. Zwar berichtet
Peter Gamp vom Beschuß der Frauengemächer der Wiener Hofburg durch die Ungarn Ende
September 1481, gleichzeitig schreibt er aber auch, er könne verstehen, daß der Kaiser seine Tochter
29
himmel feindt gewesen sei, während der andere nit wert [gewesen sei] das lieb greslein
tzu treten,
131
wollten die ungarischen Truppen, die vier Meilen von der Stadt entfernt ihr
Lager aufgeschlagen hatten, angeblich in der Nacht mit 2000 Mannen die Burg stürmen,
um die Erzherzogin in ihre Gewalt zu bringen. Durch die Aufmerksamkeit des Burg-
hauptmannes Ulrich von Graben seien die Verräter aber überwältigt und eingeschmiedet
worden. Nach einer Überführung zum Kaiser, begleitet von einer sicheren Geleitschaft,
seien sie schließlich zum Tode verurteilt und geviertelt worden.
132
Auch Clemens Jäger, der Augsburger Verfasser des Ehrenspiegels, beschreibt die Epi-
sode ähnlich, teilweise wirkt seine Arbeit sogar wie eine Mischung aus beiden Quellen-
stücken. So gibt Jäger an, Kunigunde sei wegen einer in Wien grassierenden Seuche
nach Graz geleitet worden.
133
Nach ihrer Ankunft in der Stadt hätten die Ungarn sowohl
die Burg erobern als auch die Kaisertochter entführen wollen; als Lagerplatz der Ungarn
nennt er das vier Meilen von Graz entfernte Leibnitz. Ähnlich wie Kunigundes Biograph
geht Jäger von 2000 Männern aus, die in der Nacht die Grazer Burg erobern sollten.
Auch im Ehrenspiegel wird als Urteil für die beiden Verräter, hier allerdings
Himmelfreund und Greßlin
134
genannt, nach der Überführung zum Kaiser nach Wien in
Begleitung von 200 Mann schließlich der Tod durch Vierteilen genannt.
135
In den zahlreichen anderen zeitgenössischen Geschichtswerken, die Clemens Jäger als
Quelle und Vorbild für seinen Ehrenspiegel dienten, fand der Vorfall von Graz keine
Erwähnung.
136
Daher stellt sich die Frage, woher die beiden nicht unmittelbar nach dem
Geschehen entstandenen Erzählungen des Anonymus und des Clemens Jäger Kenntnis
von der angeblich geplanten Entführung Kunigundes hatten.
Clemens Jäger übte in seiner Heimatstadt zahlreiche Ämter und Berufe aus, darunter
den eines Augsburger Ratsdieners. Bedingt durch seine Stellung war es Clemens Jäger
wegen der Todesfälle aufgrund der grassierenden Pestilenz gen Stir schicke. Somit berichten gleich
zwei in Wien anwesende Augenzeugen, daß die Pest der Grund für Kunigundes Abreise war.
131
Der Biograph hält es nach eigenen Angaben für unnötig, die Namen der beiden Verräter anzugeben,
daher nennt er sie, leicht verschlüsselt, aber dennoch gut erkennbar, im Satzzusammenhang. Vgl.
H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 42f.
132
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 44f.
133
Vgl. F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 904: ... durch welche er die Prinzessinn seine Tochter / weil in
Wien die Pest sich stark regte / nach Gräz / und von dar / als die Seuche aufgehört / wieder zurücke
nach Wien / begleiten lassen...
134
Vgl. Vgl. F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 904: Vor wiederabzug der Prinzessinn / machten zween
Verrätere / der Greßlin und Himmelfreund genannt / mit den Hungarn / welche nur vier meilen davon
zu Leibnitz lagen / einen heimlichen Anschlag / ihnen bey nächtlicher weile / das veste BergSchloß
daselbst zu Gräz / durch Entdeckung eines orts / alda es am leichtesten zuersteingen war /
verräterisch einzuhändigen...
135
Vgl. F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 904.
136
Vgl. S
CHÄFFER
, Hundegebell, S. 12.
30
möglich, die Bestände des Augsburger Stadtarchives zu benutzen. Aufgrund der zahlrei-
chen Übereinstimmungen zwischen dem „Fuggerschen Ehrenspiegel“ und der Darstel-
lung in den Briefen Georg Wiesers kann davon ausgegangen werden, daß Clemens Jäger
bei seiner Arbeit im Augsburger Archiv auf dessen Briefe zurückgriff. Daß bei Jäger
auch das Ende der beiden Verräter geschildert wird, bei Wieser die Erstürmung der Gra-
zer Burg dagegen nur als (unbestätigtes) Gerücht erscheint, ließe sich durch das Fehlen
einiger Briefe Wiesers, die Clemens Jäger aber noch zur Verfügung standen, erklären,
da Wieser seiner Heimatstadt regelmäßig, meist im Abstand von etwa einem Monat,
Berichte vom Kaisershof zuschickte. In der betreffenden Zeit zwischen dem 30.
November 1481 und dem 22. April 1482 ist nur ein Fragment vom 9. Dezember erhalten
geblieben, in dem nichts über den angesprochenen Vorfall berichtet wird.
137
Daß sich
die Episode in der Grazer Burg laut Jägers Schilderung nicht im Jahr 1481, sondern, wie
aus dem Zusammenhang zu erschließen ist, schon im Jahr 1480 ereignet haben soll,
muß nicht unbedingt gegen eine Verwendung der Briefe Wiesers sprechen, da Jägers
Werk nicht durchgängig datiert ist. Bei vielen Ereignissen läßt sich der Zeitpunkt nur
durch den Vergleich mit anderen Ereignissen und Quellen bestimmen, so daß es sich bei
der falschen Jahresangabe durchaus auch um ein Versehen handeln könnte.
138
Zu klären ist noch die Frage, woher Jäger die zusätzlichen Einzelheiten, die nicht in den
Briefen Wiesers zu finden sind, bekannt waren. Geht man davon aus, daß Jäger die
anonyme Biographie Kunigundes nicht kannte, sind einige Übereinstimmungen mit der
Biographie dennoch erstaunlich. Daß die ungarischen Truppen die Bergfestung bei
Nacht überfallen und erobern wollten, war angesichts der Lage des Grazer Burgberges
vermutlich die einzige erfolgversprechende Möglichkeit. Die Präzision der Ortsangaben
und der Zahl der Angreifer, in beiden Fällen ist von 2000 Mann die Rede, lassen aber
auch an die Existenz einer weiteren Quelle denken, die beiden Autoren, Jäger und dem
Biographen, zur Verfügung stand, auch wenn die Episode in anderen zeitgenössischen
Quellen keine Erwähnung fand.
Wiesers Briefe haben also mit Clemens Jäger als Quelle für seine Arbeit am
„Fuggerschen Ehrenspiegel“ gedient. Abwegig dagegen ist, daß sie auch dem anonymen
Biographen Kunigundes zur Verfügung standen. Denn obwohl Kaiser Maximilian sei-
nen Historiographen Zugang zu verschiedenen Archiven verschafft hatte, wäre das
Auffinden der Wieser-Briefe, trotz des Wirkens enger Vertrauter des Kaisers in Augs-
137
Vgl. auch S
CHÄFFER
, Hundegebell, S. 13.
31
burg, ein sehr großer Zufall gewesen.
139
Außerdem sind, wie schon oben festgestellt,
doch einige grundlegende Unterschiede in beiden Erzählungen festzustellen; als Beispiel
soll nur die Abreise Kunigundes aus Wien nochmals angeführt werden, die entweder
mit dem Auftreten einer Pestepedemie oder einem Krieg mit den Ungarn begründet
wurde.
Aufgegriffen wurde die Episode um die versuchte Entführung der Kaisertochter Kuni-
gunde natürlich auch in den verschiedenen Werken über die Geschichte der Stadt Graz.
So berichtete im 19. Jahrhundert Wilhelm von Kalchberg,
140
teils in Anlehnung an
Kunigundes Biographie
141
, teils aber auch in Anlehnung an die Schilderung im Fugger-
schen Ehrenspiegel
142
die schon bekannte Geschichte. Neu bei Kalchberg und in keiner
Quelle zu finden ist, daß der Schloßhauptmann Ulrich von Graben bei einem nächtli-
chen Kontrollgang durch das Gebell von Hunden auf den Verrat aufmerksam gemacht
wurde und so die Prinzessin retten konnte. Im Grazer Schloß sei daher, so die Sage,
noch heute ein steinerner Hund beim Uhrturm zu sehen.
143
In keiner der bekannten
Quellen und Darstellungen wird über dieses Detail berichtet, das man eher in der
romanhaften Beschreibung in Kunigundes Biographie erwartet hätte. Der
österreichische Historiker Johann Mayrhofer, der sich 20 Jahre vor Kalchberg mit dem
Leben Kunigundes beschäftigt hatte, berichtet zwar ebenfalls von der versuchten Ent-
führung der Prinzessin in Graz, wobei er weitgehend der Darstellung des anonymen
Biographen folgt,
144
von einer Rettung durch die Hunde der Burg ist aber nicht die
Rede. Wahrscheinlich fügte Kalchberg diese Anekdote ein, um eine überzeugende
Erklärung für die Hundestandbilder auf dem Grazer Burgberg zu geben.
145
138
Vgl. auch S
CHÄFFER
, Hundegebell, S. 15 und Anm. 24.
139
Vgl. S
CHÄFFER
, Hundegebell, S. 19f.
140
Wilhelm Freiherr von K
ALCHBERG
: Der Grazer Schloßberg und seine Umgebung. Originalgetreuer
Nachdr. der Ausgabe Graz 1856. Graz 1995.
141
K
ALCHBERG
, Grazer Schloßberg, S. 10, nennt als Grund für die Abreise Kunigundes nach Graz die
harte Bedrängung ihres Vaters durch die Könige von Böhmen und Ungarn.
142
Wie Fugger/Birken gibt er als Namen eines der beiden Verräter Himmelfreund statt - wie sonst
überliefert - Himmelfeind an. Vgl. K
ALCHBERG
, Grazer Schloßberg, S. 11.
143
K
ALCHBERG
, Grazer Schloßberg, S. 11 und S
CHÄFFER
, Hundegebell, S. 10 und S. 34f.
144
Von Fugger/Birken übernahm Mayrhofer beispielsweise die falsche Jahresangabe 1480, die genaue
Angabe des Lagers der Ungarn oder die Angabe, daß 200 Soldaten die Verräter, deren Namen nicht
genannt werden, nach Wien zum Kaiser bringen. Wie Heyrenbach erklärt er die Abreise Kunigundes
wegen der inneren und äußeren Unruhen durch den Krieg mit den Ungarn, um eine Unstimmigkeit mit
Fugger/Birken zu vermeiden, deutet er dessen „Pest“ in diese Richtung um. Vgl.
M
AYRHOFER
,
Kunigunde, S. 198.
145
Vgl. S
CHÄFFER
, Hundegebell, S. 34f. Außerdem ist die Chronologie bei Kalchbergs Chronik nicht
immer korrekt dargestellt. So hat Kunigunde weder, wie von Kalchberg berichtet, sofort nach ihrer
Rückkehr aus Graz mit 16 Jahren geheiratet (K
ALCHBERG
, Grazer Schloßberg, S. 11) noch wurde sie
am 16. März 1463 in Graz (K
ALCHBERG
, Grazer Schloßberg, S. 12) geboren, sondern zwei Jahre
später in Wiener Neustadt.
32
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß aufgrund der spärlichen Quellenlage die Kind-
heit und die frühe Jugend der Habsburgerin nur sehr schwer zu rekonstruieren sind, was
auch mit der Tatsache zu begründen ist, daß Kunigunde „nur“ eine jüngere Tochter Kai-
ser Friedrichs war. Man kann jedoch davon ausgehen, daß die Erziehung Kunigundes
entsprechend den Normen der Zeit und ihres Standes verlief. Die frühe Einbindung der
Erzherzogin in repräsentative Aufgaben am väterlichen Hof ist einerseits durch den frü-
hen Tod der Kaiserin Eleonore zu erklären, deren Aufgaben und Pflichten die Tochter
mit zunehmenden Alter teilweise übernehmen mußte; zum anderen waren diese oben
beschriebenen Auftritte sicherlich auch Teil ihrer Erziehung, die Kunigunde auf ihre
spätere Rolle als Ehefrau eines standesgemäßen Gatten vorbereiten sollte.
4. Erzherzogin Kunigunde als Objekt habsburgischer Familienpolitik -
erste Heiratsprojekte
Da Kunigunde die einzige Tochter Friedrichs III. war, die das Erwachsenenalter
erreichte, mußte ihre Verheiratung äußerst sorgfältig geplant werden. Schließlich besaß
der Kaiser außer Kunigunde mit Maximilian und dessen Sohn Philipp nur wenige
potentielle Erben, so daß sich der künftige Schwiegersohn Friedrichs durchaus einen
Teil des Habsburgererbes oder, im günstigsten Fall, die Wahl zum römisch-deutschen
König erhoffen konnte. Der Kaiser seinerseits mußte darauf achten, daß ein möglicher
Schwiegersohn seine Stellung im Reich und die Maximilians nicht untergrub; zudem
strebte er an, einen möglichen Schwiegersohn als zusätzlichen Verbündeten, zum Bei-
spiel im ständigen Kampf gegen die Ungarn, zu gewinnen.
Obwohl sich diese Aussichten erst im Laufe der Zeit ergaben, ist es nicht verwunderlich,
daß sich schon sehr früh die ersten Bewerber um die Hand der Kaiserstochter ein-
stellten. Im ersten Lebensjahr Kunigundes gab es enge Kontakte zur Markgrafschaft
Baden, wo Friedrichs Schwester lebte, und zur Grafschaft Württemberg, wo man eine
Heirat zwischen dem Grafen Eberhart dem Jüngeren und der jungen Prinzessin
anstrebte. Als Vermittler trat bereits im September des Jahres 1465 der Markgraf
Albrecht Achilles von Brandenburg auf, der in zwei Schreiben eine möglichen Ver-
mählung zwischen dem jüngeren Eberhart und der Tochter des Kaisers ansprach.
146
Die-
146
Zu den Briefen des Albrecht Achilles vgl. Urkunden und Akten des K. Württ. Haus- und Staatsarchivs.
Erste Abteilung: Württembergische Regesten von 1301 bis 1500. Hrsg. v. d. K. Haus- und Staatsarchiv
Stuttgart. I. Altwürttemberg, 1. Teil. Stuttgart 1916, hier Nr. 284, sowie allgemein Adolf B
ACHMANN
:
Deutsche Reichsgeschichte im Zeitalter Friedrich III. und Max I. Mit besonderer Berücksichtigung der
33
ser Plan scheint allerdings, vermutlich bedingt durch das äußerst jugendliche Alter der
Kandidaten und eine geänderte politische Situation, bald aufgegeben worden zu sein.
Als nächster Bewerber um die Hand der Prinzessin trat nun der verwitwete ungarische
König Matthias Corvinus auf, dessen erste Gemahlin Katharina, eine Tochter des böh-
mischen Regenten Georgs von Podiebrad, bereits im Februar 1464 nach nur dreijähriger
Ehe verstorben war.
147
Nach einer Niederlage gegen seinen ehemaligen Schwiegervater
Georg versuchte König Matthias, die Unterstützung Kaiser Friedrichs zu erreichen;
daher schickte er im Oktober 1469 eine Gesandtschaft unter Leitung des ungarischen
Kanzlers Johann Vitéz zu Friedrich III.
148
Ziel der Gesandtschaft war es, ein persönli-
ches Treffen beider Monarchen zu verabreden. Da sich der Kaiser aber weigerte, auf die
ungarischen Forderungen einzugehen
149
, waren die Vorverhandlungen für die geplante
Zusammenkunft noch nicht abgeschlossen, als kurz vor dem Weihnachtsfest des Jahres
1469 eine zweite Gesandtschaft aus Ungarn in Wiener Neustadt eintraf. Sie sollte im
Namen des ungarischen Königs um die Hand der kleinen Kunigunde werben, gleichzei-
tig aber auch deren Vater auffordern, die 1463 im Vertrag von Wiener Neustadt von den
Ungarn abgetretenen Gebiete in Westungarn zurückzugeben.
150
König Matthias selbst
kam am 11. Februar des folgenden Jahres in Begleitung der vornehmsten Magnaten
Ungarns zu den Verhandlungen nach Wien. Den Kaiser versuchte er mit Hinweisen auf
das 1463 in Wiener Neustadt vereinbarte freundschaftliche sogenannte „Vater-Sohn-
Verhältnis“ zu überzeugen,
151
ihm die Hand Kunigundes zu gewähren, nachdem er
schon vom polnischen König wegen seiner niederen Herkunft als Heiratskandidat
österreichischen Staatengeschichte. Bd. 1. Neudr. der Ausgabe Leipzig 1884. Hildesheim 1970, hier S.
601.
147
Vgl. Karl N
EHRING
: Matthias Corvinus, Kaiser Friedrich III. und das Reich: Zum hunyadisch-
habsburgischen Gegensatz im Donauraum (Südosteuropäische Arbeiten 72). 2. erg. Aufl. München
1989, hier S. 24.
148
Zu Johann Vitéz (um 1408-1472) vgl. Peter K
ULCSAR
: Vitéz, Johann, in: LdM, Bd. 8. München 1997,
Sp. 1773.
149
Die ungarischen Gesandten forderten 400.000 Gulden, die Kaiser Friedrich als Hilfe im Kampf gegen
Böhmen zwar versprochen, aber nicht gezahlt hatte. Unterstützt wurden die Ansprüche vom
päpstlichen Gesandten Roveralla, obwohl Matthias seine vertraglich festgelegten Versprechen
gegenüber Kaiser Friedrich ebenfalls gebrochen hatte. Zudem forderte die ungarische Gesandtschaft
den Verzicht Friedrichs, sich „König von Ungarn“ zu nennen, da es nach ihrer Argumentation nur
einen ungarischen König geben könne, nämlich den, der im Besitz der heiligen Krone sei (seit dem
Vertrag von Wiener Neustadt 1463 war dies Matthias Corvinus). Vgl. N
EHRING
, Corvinus, S. 43 sowie
H
OENSCH
, Corvinus, S. 112 sowie Ferdinand O
PPL
/Richard P
ERGER
: Kaiser Friedrich III. und die
Wiener 1483-1485. Briefe und Ereignisse während der Belagerung Wiens durch König Matthias
Corvinus von Ungarn (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 24). Wien 1993, S.
13.
150
Vgl. N
EHRING
, Corvinus, S. 44.
151
Zum Vertrag von Wiener Wiener Neustadt vgl. kurz bei O
PPL
/P
ERGER
, Friedrich III. und die Wiener,
S. 11f.
34
abgelehnt worden war.
152
Corvinus wollte durch sein Einheiraten in die alte Dynastie
der Habsburger vermutlich sowohl sein eigenes Ansehen als auch die Machtbasis seiner
Herrschaft in Ungarn verbessern, die noch immer durch den Widerstand verschiedener
Magnaten des Reiches bedroht war. Zudem konnte er als eine Art Mitgift der
Kaisertochter die Rückgabe der westungarischen Gebiete sowie die Aufgabe der habs-
burgischen Ansprüche auf Ungarn erwarten.
153
Möglicherweise strebte er die Ver-
bindung mit der Prinzessin auch deshalb an, um so die Aussicht auf die deutsche
Königskrone, und damit auch die Chance auf eine Nachfolge Friedrichs als römisch-
deutscher Kaiser zu erhalten.
154
Der Kaiser, der ebenfalls vermutete, daß sich Corvinus
die Königswürde sichern wollte, konnte und wollte die Königsherrschaft, die er als
„höchstes Juwel“
155
bezeichnete, nicht ohne Zustimmung der Kurfürsten vergeben, und
lehnte das Ansinnen des Corvinen mit dem Verweis auf notwendige Verhandlungen mit
den Fürsten ab. Um König Matthias nicht gänzlich zu verprellen, versuchte Friedrich,
diesen mit Versprechungen und Verweisen auf die Zukunft bei Laune zu halten. Kuni-
gunde, damals gerade fünf Jahre alt, sei noch ein Kind und auch in zehn Jahren noch
nicht im Stande, sich mit einem Mann zu vermählen.
156
Dieses Argument allein war
allerdings nicht so schlagend, da es schließlich schon vor dem Antrag des Corvinen
Pläne zur Verheiratung der kaiserlichen Prinzessin gegeben hatte. Hinzu kommt sicher-
lich auch die Tatsache, daß der Kaiser auch andere Möglichkeiten zur Verheiratung sei-
ner einzigen Tochter prüfte, um den Einfluß des Hauses Habsburg zu stärken. Friedrich
III. wollte zudem nicht ausdrücklich auf seine Ansprüche auf die ungarische Krone und
den nominellen Titel eines Königs von Ungarn verzichten;
157
diese Krone schien für die
Habsburger nähergerückt zu sein, da Matthias aus seiner ersten Ehe keine legitimen
Nachkommen hatte.
152
Vgl. N
EHRING
, Corvinus, S. 44.
153
Vgl. N
EHRING
, Corvinus, S. 44f.
154
N
EHRING
, Corvinus, S. 45, lehnt die These, Matthias Corvinus habe Absichten auf das deutsche
Königtum gehabt, ab. Für diesen Plan dagegen B
ACHMANN
, Reichsgeschichte, Bd. 2, S. 289 mit
Quellenangaben. Noch aber war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation rechtlich ein
Wahlreich; eine Heirat mit der Tochter des regierenden Kaisers hätte die Chancen des Corvinen aber
sicherlich verbessern können.
155
B
ACHMANN
, Reichsgeschichte, Bd. 2, S. 290.
156
B
ACHMANN
, Reichsgeschichte, Bd.2, S. 290. Ähnlich schildert diese Geschichte auch Hoensch, der
darauf hinweist, daß die Habsburgerin auch im Falle einer Verlobung, entgegen dem Brauch der Zeit,
der eine Erziehung am Hof des Bräutigams vorsah, noch zehn Jahre in der Obhut ihres Vaters bleiben
sollte. Vgl. H
OENSCH
, Corvinus, S. 113.
157
Den Titel eines Königs von Ungarn führte Kaiser Friedrich seit dem Jahr 1459, bestätigt wurde er im
Vertrag von Wiener Neustadt im Jahre 1463, vgl.
N
EHRING
, Corvinus, S. 19. Schon im Vorfeld des
Wiener Treffens war es zu der Übereinkunft gekommen, daß Kunigunde im Falle einer Heirat in die
35
Auch im Fuggerschen Ehrenspiegel wird die Absicht des Ungarn, Kunigunde zur Frau
zu nehmen, erwähnt, allerdings erst im Zusammenhang mit den Geschehnissen des Jah-
res 1477. Hie wird anderem die Ablehnung des Kaisers wegen der niederen Abstam-
mung des Corvinen als ein Argument für den Krieg zwischen dem Kaiser und Matthias
Corvinus genannt, allerdings erst an letzter Stelle, gewissermaßen als Affront, der das
Faß zum Überlaufen brachte.
158
Chronologisch und inhaltlich gehört diese Episode aber
wohl eher in die frühen 1470er Jahre, da das Argument der nicht bezahlten Unter-
stützung gegen Georg von Podiebrad schon bei den Wiener Verhandlungen von 1470
auf der Tagesordnung stand. Außerdem hatte sich Matthias Corvinus im Dezember 1476
mit Beatrix von Aragon (1457-1508) vermählt,
159
so daß mit der angesprochenen Wer-
bung um Kunigunde wohl eher die oben angesprochene aus dem Jahr 1470 gemeint sein
dürfte. Zudem hätte sich der Ungar sicherlich nicht zweimal eine Absage von Seiten des
Kaisers aufgrund seiner niederen Geburt gefallen lassen. Der von Fugger genannte Ter-
min stimmt insoweit, daß der Ungar während des Krieges im Jahr 1477 von Kaiser
Friedrich u.a. eine Entschädigung in Höhe von 32.000 Gulden für das nicht eingehaltene
Eheversprechen mit Friedrichs Tochter Kunigunde einforderte.
160
Keinen Hinweis auf den genauen Zeitpunkt der ungarischen Werbung bietet, wie üblich,
die Biographie Kunigundes; da aber berichtet wird, Kunigunde sei fast iung vnnd zu irn
iarn noch nit kummen,
161
dürfte auch hier Bezug zum Antrag der Jahre 1469/70 genom-
men worden sein. Die guten Eigenschaften, die Kunigunde von ihrem Biographen zuge-
schrieben wurden und die angeblich die Grundlage für das Werben des Ungarn bildeten,
die holdsäligkait, eerperkait, vnnd minnigclich gestalt,
162
mag Kunigunde zwar gehabt
haben, sie dürften aber zu diesem frühen Zeitpunkt ihres Lebens noch nicht so ausge-
prägt gewesen und daher eher als topisch aufzufassen sein. Friedrichs Ablehnung
begründet sich aber auch in dieser Quelle auf die nicht ebenbürtige Abkunft des Ungarn,
„habsburgisch-hunyadische Erbverbrüderung“ aufgenommen werden sollte, d.h. Erbansprüche auf
Ungarn erhalten sollte. Vgl. H
OENSCH
, Corvinus, S. 113.
158
Vgl. F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 875. Zuerst werden politisch gewichtige Gründe für den Krieg
vorgetragen: Friedrich habe Ladislaus Postumus den Thron vorenthalten, der Kaiser habe die
versprochene finanzielle Hilfe im Kampf gegen König Georg von Böhmen nicht gezahlt, zudem sei
nach dessen Tod die böhmische Krone an Ladislaus von Polen und nicht an Matthias gefallen. Zuletzt
wird die Ablehnung des Corvinen als Schwiegersohn genannt: Mit geringern Verdruß empfienge der
König vom Kayser / als der / sein nidres Herkommen verachtend / ihm seine Tochter zur Gemahlinn
versaget.
159
Vgl. H
OENSCH
, Corvinus, S. 150f.
160
Vgl. H
OENSCH
, Corvinus, S. 157.
161
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 20.
162
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 20.
36
zudem wollte der Kaiser keinen solch vnfriedlichen Aydam erheyrathen.
163
Nicht
genannt werden aber die politischen Gründe, die hinter den ungarischen Plänen standen,
da politische Ereignisse in Kunigundes Biographie immer nur in sehr vereinfachter
Form am Rande erwähnt wurden, wenn sie in direktem Zusammenhang mit dem Leben
Kunigundes standen. Dazu paßt auch, daß der Krieg zwischen Kaiser Friedrich III. und
König Matthias, der sich im Anschluß an die Verhandlungen von Wien entwickelte, in
Kunigundes Biographie nur als Folge der Ablehnung des Kaisers und dem daraus resul-
tierenden Rachegedanken des Ungarn begründet wird, andere, gewichtigere Gründe
werden dagegen verschwiegen.
164
Ebenfalls um das Jahr 1470 soll sich auch Herzog Georg der Reiche von Bayern-Lands-
hut um die Hand Kunigundes bemüht haben. Dieser Plan fügt sich nahtlos in die außen-
politische Konzeption der bayerischen Wittelsbacher ein, die im 15. Jahrhundert mehr-
mals durch bedeutende Heiraten von sich Reden machten. Da Herzog Ludwig der
Reiche auch Verhandlungen bezüglich einer Heirat seines Sohnes Georgs mit einer
Tochter der Könige von Böhmen und Polen führte, scheint auch das Bestreben des
Landshuters nicht abwegig, sich mit dem Kaiserhaus ehelich zu verbinden.
165
Bei den Trierer Verhandlungen zwischen Kaiser Friedrich und Herzog Karl dem
Kühnen von Burgund im Oktober 1473 stand zwar das Heiratsprojekt zwischen Maxi-
milian und Maria im Mittelpunkt der Gespräche, trotzdem wurde bei jenem Treffen
erstmals eine französische Heirat der Kaisertochter ins Auge gefaßt. Um einen soge-
nannten ewigen Frieden zwischen König Ludwig von Frankreich und dem burgundi-
schen Herzog sowie ein Bündnis beider Staaten mit dem Haus Habsburg zu bekräftigen,
sollte sich Maximilian mit Maria von Burgund vermählen, während Friedrich eine Ehe
seiner Tochter mit dem 1470 geborenen französischen Dauphin Karl, dem späteren
König Karl VIII., ins Auge faßte.
166
Als es nach dem Scheitern der Trierer
Verhandlungen zum Krieg zwischen dem römisch-deutschen Kaiser und dem Herzog
von Burgund kam, suchte Friedrich III. erst recht die Annäherung an Frankreich, dessen
König ebenfalls mit dem Burgunder verfeindet war. Wiederum plante man eine Heirat
zwischen Kunigunde und dem Sohn König Ludwigs XI.
167
Am letzten Tag des Jahres
1474 kam es in Mainz zu einem Bündnis zwischen Frankreich und dem Deutschen
163
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 21.
164
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 21f.
165
Vgl. S
TAUBER
, Herzog Georg, S. 62.
166
Vgl. B
ACHMANN
, Reichsgeschichte, Bd. 2, S. 430.
167
Vgl. C
HMEL
, Aktenstücke und Briefe, Bd. 1, S. 271ff.
37
Reich, in dem man die Aufstellung einer Streitmacht gegen Burgund festsetzte und
außerdem das geplante Ehebündnis zwischen dem Dauphin Karl und Erzherzogin Kuni-
gunde bekräftigte.
168
Diese eventuelle Heirat Kunigundes mit dem französischen
Dauphin wurde immerhin noch 1478 bei den Friedensverhandlungen zwischen König
Ludwig XI. von Frankreich und Maximilian angesprochen.
169
Im folgenden Jahr ist
schließlich letztmalig die Rede von dieser Verbindung, danach stand eine Verbindung
Kunigundes mit einem französischen Prinzen offenbar nicht mehr zur Debatte.
170
Schon vor dem endgültigen Scheitern des französischen Heiratsprojektes hatte man aber
einen weiteren Kandidaten für die Hand Kunigundes gefunden. Im Rahmen der Frie-
densverhandlungen zwischen Kaiser Friedrich und König Matthias von Ungarn, die im
November und Dezember 1477 zu Gemund stattfanden, schlug der ungarische König
vor, nach der Vertreibung der Sforza aus Mailand diese Herrschaft an seinen Schwager
Friedrich von Neapel aus dem Hause Aragon-Neapel zu übergeben, der gleichzeitig mit
der Tochter des Kaisers vermählt oder zumindest verlobt werden sollte.
171
Auch diese
geplante Verbindung scheiterte; als sich einige Jahre später die politische Lage erneut
gewandelt hatte, ließ der Ungar Kaiser Friedrich wissen, daß er nicht mehr an einer Ein-
setzung seines Schwagers in Mailand und an einer Heirat desselben mit Kunigunde
interessiert sei.
172
Als Friedrich III. wenige Jahre später erneut Krieg gegen den ungarischen König
Matthias führte, hatte sich die politische Lage schließlich dermaßen verändert, daß der
Kaiser im Jahre 1481 erstmals Heiratsverhandlungen mit König Kasimir IV. von Polen
(1427-1492) aufnahm. Dessen ältester Sohn Wladislaw (1456-1516) hatte nach dem
Tode Georg von Podiebrads die böhmische Königskrone für die Jagellonen erringen
können und sollte nun der Bräutigam Kunigundes werden, obwohl dieser zu diesem
Zeitpunkt bereits verheiratet war. Friedrich wolle sich, so Albrechts Achilles, aber in
168
Vgl. B
ACHMANN
, Reichsgeschichte, Bd. 2, S. 497 und Instruktion des Kaisers Friedrich für Graf
Schaffried von Leinigen und Dr. Martin Heyden bei C
HMEL
, Aktenstücke und Briefe, Bd.1, S. 300-
303; Verträge mit Frankreich bei C
HMEL
, Aktenstücke und Briefe, Bd. 1, S. 271-279, S. 295. Vgl.
außerdem Eduard Maria von L
ICHNOWSKY
: Geschichte des Hauses Habsburg, 7. Theil: Kaiser
Friedrich III. und sein Sohn Maximilian 1457 - 1477. Wien 1843, Regest Nr. 1221.
169
Vgl. C
HMEL
, Aktenstücke und Briefe, Bd. 3, S. 157ff.
170
Vertrag vom 17. März 1478 bei: C
HMEL
, Aktenstücke und Briefe, Bd. 3, S. 162.
171
Vgl. HHStA Wien, AUR 1477, XI. 30 (Vertrag von Korneuburg, 30. November 1477) sowie C
HMEL
,
Aktenstücke und Briefe, Bd. 2, S. 117-119; C
HMEL
, Regesta, Nr. 7169; M
AYRHOFER
, Kunigunde, S.
198, B
ACHMANN
, Reichsgeschichte, Bd. 2, S. 603. H
OENSCH
, Corvinus, S. 158 spricht lediglich von
einer Verlobung innerhalb der nächsten drei Jahre, was aufgrund des immer noch sehr jugendlichen
Alters Kunigunde sehr wahrscheinlich klingt.
172
Vgl. H
OENSCH
, Corvinus, S. 172f.
38
Rom um eine Auflösung dieser Ehe bemühen
173
Diese Verbindung hätte die Ansprüche
der Habsburger auf Böhmen bekräftigt, die Friedrich III. seit dem Tode des Ladislaus
Postumus stellte; ein Übergang Böhmens in den Machtbereich der Habsburger durch
Erbschaft wäre dann nicht mehr ausgeschlossen gewesen. Der Kaiser beharrte wegen
der Probleme mit der römischen Kirche allerdings nicht auf König Wladislaw als
Bräutigam für seine Tochter, er brachte in seinen Verhandlungen mit dem Jagellonen
Kasimir auch eine eventuelle Verbindung Kunigundes mit dem nächstgeborenen Sohn
ins Gespräch.
174
Die Verhandlungen mit Polen wurden in den folgenden Jahren mit eini-
gen Unterbrechungen immer wieder fortgeführt. Noch im Frühjahr 1486 wurden
Gespräche mit dem polnischen König über eine mögliche Heirat Kunigundes mit dem
ältesten Sohn Kasimirs geführt. Wladislaw von Böhmen hatte nun den Vorzug vor sei-
nem jüngeren Bruder erhalten, wobei die Hoffnung, durch diese Verbindung schließlich
Böhmen erringen zu können, eine große Rolle spielte.
175
Als Kaiser Friedrich aber von
den Eheabsichten Herzog Albrechts IV. von Bayern-München unterrichtet wurde, der
die Erzherzogin bei seinen Besuchen am Tiroler Hof Erzherzog Sigmunds getroffen
hatte, ließ er sich dazu verleiten, die Verhandlungen mit Polen, die anscheinend schon
sehr weit gediehen war, plötzlich abzubrechen. Dies hatte zur Folge, daß sich die Polen
unter ihrem König Kasimir den Feinden Kaiser Friedrichs anschlossen.
176
Nicht nur Friedrich III., auch andere Verwandte Kunigundes brachten verschiedene
mögliche Ehekandidaten ins Gespräch.
177
Als sich Erzherzog Sigmund von Tirol nach
dem Tod seiner ersten Frau Eleonore von Schottland (†1480) im Jahr 1483 mit Katha-
rina von Sachsen verheiratete, lud er den Kaiser und seine Tochter zu den Feierlichkei-
ten nach Innsbruck.
178
Gleichzeitig schlug er eine weitere Verbindung der Familie
Habsburg mit Sachsen vor: Kunigunde sollte mit einem (nicht genannten) Sohn eines
sächsischen Herzogs vermählt werden.
179
Ob der Kaiser diesen Vorschlag seines Tiroler
173
Vgl. P
RIEBATSCH
, Politische Correspondenz, Bd. 3, S. 91 (Schreiben des Kurfürsten Albrecht Achilles
vom 5. September 1481). Zu den ersten Verhandlungen vgl. auch H
OENSCH
, Corvinus, S. 182.
174
Vgl. P
RIEBATSCH
, Politische Correspondenz, Bd. 3, S. 117.
175
Vgl. P
RIEBATSCH
, Politische Correspondenz, Bd. 3, S. 336.
176
Vgl. R
IEZLER
, Vermählung, S. 279f., sowie Heinrich U
LMANN
: Kaiser Maximilian I. Auf urkundlicher
Grundlage dargestellt. Bd.1. Unver. Neudr. der Ausgabe Stuttgart 1884. Wien 1967, hier S. 53.
177
Daß Verwandte sich als Heiratsvermittler betätigten, was im späten Mittelalter nicht ungewöhnlich,
vgl. S
PIESS
, Familie, S. 88-104.
178
Zu den beiden Frauen Erzherzog Sigmunds von Tirol vgl. Margarete K
ÖFLER
/Silvia C
ARAMELLE
: Die
beiden Frauen des Erzherzogs Sigmund von Österreich-Tirol. Innsbruck 1982. Zur Einladung für
Friedrich und seine Tochter vgl. Margarete O
RTWEIN
: Der Innsbrucker Hof zur Zeit Erzherzogs
Sigmunds des Münzreichen. Ein Beitrag zur Geschichte der materiellen Kultur. Diss. Masch.
Innsbruck 1936, hier S. 137 mit Verweis auf TLA Innsbruck Cod. 2469.
179
Vgl. TLA Innsbruck, Kopialbücher Ältere Reihe F/5 (1483), fol. 237.
39
Verwandten überhaupt in Erwägung zog, ist nicht bekannt, eine Reaktion Friedrichs
oder gar Verhandlungen mit dem sächsischen Herzog sind jedenfalls nicht überliefert.
Auch Maximilian beteiligte sich an der Suche nach einem Bräutigam für seine jüngere
Schwester und brachte einen weiteren Kanditaten ins Gespräch. Er schlug in einem
Schreiben an seinen Vertrauten Sigmund Prüschenk den Herzog Karl von Savoyen
(1468-1490) als geeigneten Heiratskandidatenvor.
180
Möglicherweise wurde dieser Plan
nicht allein von Maximilian, sondern in Zusammenarbeit mit dem Kaiser erdacht, um
nach der Thronbesteigung der Tudors in England eine Art „westliches Staatensystem“
181
als Gegenpol gegen die neue Herrscherfamilie aufzubauen.
All diese Pläne und Kandidaten für eine Heirat mit Erzherzogin Kunigunde sind gut
bezeugt und glaubwürdig, der häufige Wechsel der in Frage kommenden Kandidaten
kann durch Veränderungen der politischen Lage und die daraus resultierende Suche
nach Allianzen begründet werden. Wenig Vertrauen verdient dagegen die Behauptung
zweier zeitgenössischer Historiker, des anonymen Biographen und Cuspinians, die
berichten, Kaiser Friedrich habe seine junge Tochter mit dem türkischen Sultan
Mehmet, dem Eroberer Konstantinopels, verheiraten wollen, um diesen zum
christlichen Glauben zu bekehren.
182
Während Kunigundes Biograph den Plan des
Kaisers zunächst so schilderte, als sei er durchaus realistisch gewesen, lehnten die
meisten Zeitgenossen eine solche Verbindung völlig ab. Dies mußte sogar der Verfasser
der Kunigunde-Biographie eingestehen, denn er berichtete, daß es nach Bekanntwerden
der kaiserlichen Pläne des murrens vnnd pösen redens kain mass gegeben habe.
183
Um
sich dieser Kritik gegenüber zu rechtfertigen, habe Kaiser Friedrich alte Exempla
180
Vgl. einen Brief Maximilians aus dem Jahr 1485 in K
RAUS
, Briefwechsel, S. 49 sowie H
EYRENBACH
,
Kunigunde, S. 125f. Maximilian gab die Idee einer Verbindung seines Hauses mit Savoyen nicht auf,
später sollte seine Tochter Margarete in dritter Ehe mit Herzog Philibert II. (1480-1504) vermählt
werden. Zur Maximilians Vorschlag vgl. auch H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 50. Zu Sigmund
Prüschenk vgl. H
EINIG
, Kaiser Friedrich, Bd. 1, S. 206.
181
Vgl. W
IESFLECKER
, Maximilian, Bd. 1, S. 180. Anscheinend sollte der verwitwete Maximilian im
Gegenzug die Schwester des lothringischen Herzogs zur Frau nehmen.
182
Erstmals nennt der anonyme Biograph Kunigundes diese Möglichkeit, vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde,
S. 29f.: Also nam der alt weiss Kunig für sich ain haimlichen anschlag, wie er auch denselben
vnglaubigen mechtigen Kunig zum cristennlichen glauben brinngen mocht. [...] Vnnd damit also der
haimlich anschlag desto pass fürgang haben möcht, wolt er demselben Kunig sein ainige tochter
frawlein Chungunden tzu aim gemachel geben haben. [...] Mit dem, so schickhet der alt weiss Kunig
ain haimliche pottschafft, die demselben vnglaubigen kunig sein maynung antzaigen solt, vnnd
nämlichen, so er mit allem seinem volkh den cristennlichen glauben wolt annemen vnnd sich tauffen
lassen, trueg der alt weiss Kunig am wenigsten kein bedenken, ime sein liebe ainige tochter tzum
gemachl tzu geben. Aufgegriffen wurde diese Darstellung schließlich von Cuspinian.
Zu Mehmed dem Eroberer vgl. Franz B
ABINGER
: Mehmed der Eroberer und seine Zeit. Weltenstürmer
einer Zeitenwende. München 1953, der in seiner ausführlichen Biographie allerdings keinen Hinweis
auf eine mögliche Verbindung zwischen Kunigunde und Mehmed gibt.
183
H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 31.
40
angeführt, in denen ungläubige Männer von ihren Frauen zum christlichen Glauben
bekehrt worden seien. Nach dieser Belehrung durch ihren Vater sei die fromme
Kunigunde daher auch ohne weiteres bereit gewesen, in die geplante Heirat
einzuwilligen.
184
Daß es sich bei dem in Kunigundes Biographie nicht namentlich genannten Sultan um
Mehmed II. handelt, ist allerdings sehr unwahrscheinlich, da dieser im Alter von 49
Jahren am 3. Mai 1481 verstarb.
185
Abgesehen davon, daß aufgrund der Daten eher
Mehmeds ältester Sohn Bejazed als möglicher Bräutigam in Frage käme, wie schon der
Augsburger Historiker Clemens Jäger um die Mitte des 16. Jahrhunderts feststellte,
wäre eine solche Verbindung für einen christlichen Kaiser sehr unwahrscheinlich.
186
Denn es ist trotz dieser Überlieferung und der ständigen Bedrängnis Kaiser Friedrichs
durch seine auswärtigen Feinde nicht einzusehen, warum der Kaiser seine einzige
Tochter in ein solches Abenteuer mit ungewissem Ausgang hätte schicken sollen,
obwohl der anonyme Biograph und Cuspinian von ausführlichen Verhandlungen zwi-
schen beiden Höfen sprechen. Viel eher scheint Kunigundes Biograph diese Geschichte
so ausführlich erzählt zu haben, um, ausgehend von den genannten „exempla“, auch die
Heldin seiner Erzählung positiv darstellen und sie mit ihrer Opferbereitschaft in die
Nähe einer Heiligen rücken zu können.
Daß dieses Gerücht um die angebliche Vermählung Kunigundes nicht nur auf den
Kaiserhof beschränkt blieb, sondern auch in Teilen des Reiches bekannt war, zeigt ein
Auszug aus einem Gedicht über die Einnahme der Stadt Regensburg, das etwa um das
Jahr 1489 entstanden sein dürfte.
187
Darin heißt es:
wann er hat ir vil ain hohern man
ain kunig in fremden landen vermaint,
dardurch gemert wär worden di cristenhait...
188
184
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 31f. Zu Kunigundes Haltung S. 32: Also zweifelt mir auch nit, das
frumm anndechtig frawlein Chungund solt auch iren willen in den seltzamen heyrat leichtlichen geben
haben, wann albegen die gannz begier irs hertzens gänzlichen tzu den willen irs vaters gestannden ist;
vnnd tzum allermaisten aus der bewegung dass aus ainem sölichen heyrat der gannzen welt vnnd aller
cristenhait mercklicher trost nutz vnnd frummen erwachsen wurdt.
185
Vgl. B
ABINGER
, Mehmed, S. 444.
186
F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 963. Der Ehrenspiegel verneint die Möglichkeit einer Heirat
Kunigundes mit Mehmed, allerdings hauptsächlich aufgrund des Altersunterschiedes. Er korrigiert
Cuspinian und verweist auf eine mögliche Verbindung mit Mehmeds Sohn Bejazid.
187
Vgl. Rochus von Liliencron: Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert,
Bd 2. Leipzig 1866, hier S. 185. Vgl. hierzu auch: Frieder S
CHANZE
: „Regensburg, Bayern und das
Reich“, in: VL, Bd. 7 (1989), Sp. 1090ff.
188
Vgl. L
ILIENCRON
, Volkslieder, Bd. 2, S. 186, Verse 62-64.
41
Daß der Verfasser des Spruchs dieses Gerücht gerne aufnahm und weitergab, ist ver-
ständlich; für ihn dürfte allerdings weniger die mögliche Heirat Kunigundes im Mittel-
punkt seines Interesses gestanden haben, sondern vielmehr die Möglichkeit der Bekeh-
rung von Ungläubigen, wofür auch die Tatsache spricht, daß der anonyme Autor weder
den Namen noch die genaue Herkunft des angeblichen Bräutigams nennt.
Abgesehen von diesen unglaubwürdigen Berichten ist die relativ große Zahl poten-
tiellerVerbindungen, die im Laufe der Jahre von Kaiser Friedrich erwogen wurden,
dagegen sehr ernst zu nehmen; die Menge der Bewerber erklärt sich zum einen durch
deren Hoffnung, mit der Hand der Kaisertochter zugleich auch politische Vorteile und
eine Standeserhöhung zu erlangen, wie dies am Beispiel des ungarischen Königs
Matthias Corvinus zu beobachten ist. Zum anderen war eine eventuelle eheliche Ver-
bindung Kunigundes aber auch ein wichtiger Faktor im politischen Kalkül ihrer Familie;
dies ist unter anderem am Beispiel der Verhandlungen mit dem polnischen König
Kasimir zu belegen, der durch eine Heirat als Bundesgenosse im Kampf gegen die
Ungarn gewonnen werden sollte. Die Bedeutung Kunigundes für die Politik ihres Vaters
beweisen auch die Gerüchte um die angebliche Verbindung mit Mechmet II.
Daß Kunigunde dennoch verhältnismäßig lange unverlobt blieb, ist sicherlich zum Teil
der zögerlichen Haltung Friedrichs III. und der wechselhaften politischen Lage zu ver-
danken. Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß andere Familienmitglieder, Maxi-
milian und Erzherzog Sigmund von Tirol, versuchten, bezüglich einer Verheiratung der
jungen Frau die Initiative zu ergreifen versuchten.
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