12.3 Tägliches Leben im Kloster
Schon der anonyme Biograph Kunigundes schildert, wie einfach, im Vergleich zu ihrer
früheren Hofhaltung, das Leben war, das die Herzoginwitwe im Kloster führte. Nicht
nur ihr Zimmer, das sie nach ihrem Eintritt bezog, sei eher einer armen Klosnerin denn
einer kuniginn
794
würdig gewesen, zudem habe Kunigunde auf erper iunckhfrawen und
kamerdiennerinn verzichtet,
795
die man ihr vom Hof aus zur Verfügung stellen wollte,
und sich albegen alain von irn mitswestern warten lassen.
796
Unter diesen Schwestern
war eine gewisse Magdalena Hörmanin, die in einem Verzeichnis der Pütrich-Schwe-
stern als vnserer genedigisten Frauen vnd Fürstin Kunigunda ihr Auswartherin geführt
wurde.
797
Magdalena war auch dem Bruder der Herzogin durchaus ein Begriff, wie ein
an die erpare[n] unnser lieben andechtigen Magdalena unnser lieb swester und fürstin
fraw Kunigunden ertzhertzogin zu Osterreich etc. warterin gerichtetes Schreiben
zeigt.
798
Den Namen einer weiteren Frau, die sich um das Wohl der Herzogin kümmerte,
erfahren wir aus der Handschrift Cgm 4476, die unter anderem Faszikel enthält, die Ter-
ziarinnen aus Ingolstadt einzelnen Schwestern des Pütrich-Regelhauses widmeten. Ein
Randeintrag bezeichnet dabei eine gewisse Cecilia Funckhin ausdrücklich als unßer
furstin Cunigunta khöchin, allerdings mit der falschen Jaheszahl 1412.
799
Trotz dieser zwei Frauen, die sich offenbar ausschließlich um die Versorgung der Her-
zogin kümmerten, betont ihr anonymer Biograph ausdrücklich, daß sie weder in
793
Vgl. F
ÜETRER
, Bayerische Chronik, Wessobrunner Fortsetzung, S. 261.
794
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 118.
795
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 119.
796
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 119 und BayHStA, KL-Fasz. 423/1, fol. 7
r
: Ihr fürstlich
durchlaucht haben sich gar demüettig gehalten, khain weltliche diener oder dienerin gehabt, sonder
nur die conventsschwestern haben Ihr füstlichen durchlaucht kocht und aufgewartt. Vgl. ebenso
B
ITTRICH
, S. 41.
797
Vgl. H
UFNAGEL
, Pütrich, S. 292.
798
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 305, fol. 12. Maximilian bedankte sich für ein Schreiben Magdalenas
und sicherte ihr zu, die Sache, an die sie ihn erinnert hatte, nicht zu vergessen (Schreiben Kaiser
Maximilians vom 10. März 1514).
799
Vgl. Karin S
CHNEIDER
, Die deutschen Handschriften der bayerischen Staatsbibliothek München. Bd.
5,7: Die Mittelalterlichen Handschriften aus Cgm 4001-5247.
Wiesbaden 1996, hier S. 134-139, bes.
S. 135 sowie H
UFNAGEL
, Pütrich, S. 291.
177
gewanndt noch am essen oder sunnst anndrer des leibs notturft pesser sein wollen als
ihre Mitschwestern;
800
diese Absicht zeigte sich auch darin, daß Kunigunde sich vor
ihrem Eintritt in das Kloster von beinahe allen weltlichen Besitztümern getrennt hatte,
um so das franziskanische Gelübde der Armut erfüllen zu können.
801
Ähnliches berich-
ten sowohl die handschriftlichen Notizen, denen zufolge sich die Herzogin ein ehemali-
ges Krankenzimmer als Wohnraum habe herrichten lassen,
802
als auch die offizielle
Chronik des Klosters, in der es heißt, Kunigunde habe sich ein zwar eng und schlechtes
/ doch zum Gebett und Betrachtungen / bequemes Zimmerlein / auß eygenen Mittlen /
erbauen lassen, in welchem sie ihre Gebete und Andachten verrichtete.
803
Die Herzo-
ginwitwe paßte sich allerdings nicht nur bezüglich ihrer einfachen Räumlichkeiten an
das Leben ihrer Mitschwestern an, auch bezüglich ihrer sehr schlichten, den Regeln des
dritten Ordens entsprechenden Kleidung unterschied sie sich kaum von den anderen
Bewohnerinnen des Klosters. Eine unmittelbar nach dem Tod der Herzogin entstandene
Auflistung ihrer weltlichen Güter berichtet, daß die Schwestern deren Kleidung vor dem
Verkauf von den Schneidern Augustin Füssel und Wolfgang Rieger schätzen ließen:
Item nach abgang aus dissem ellendt unnser genedigen hertzen allerliebst frauen
vnd getrewesten muter, hochlöblicher gedächtnus, frawen Küngunden,
ertzhertzogin von Österreich, hertzogin in Bairn etc, gelassne wittfraw und
eelicher gemachel hertzog Albrecht in Pairn etc., hat Augustin Füssel und
Wolfgang Rieger, paide schneyder, und Kesserlochen, kürschner, als gewantt ir
fürstlichen gnaden schatzt an des Heiligen Creutz abentt seiner erhöchung im 20
jar, wis darnach des Füssl verkaufft hat:
Item sindt gewessen zwo atlassen schauben [Mantelrock, Anm. d. Verf.], aine mit
altem madran füter, die ander mit fuchsen underzogn, drey ainfach wullen röckl,
zwenn wullen mäntl, ain neuer und ain alten, ain saitan unnderröckl mit aichhorn
underfütert, ain swartze wulane schauben mit ainem alten fechen fütter. Das alles
hat Augustin Füsel verkauft umb summa summarum 63 gulden rheinisch, 3
schilling, 5 pfennig.
Item ir fürstliche gnaden haben kain seydan gewannt mer tragen nach irs herrn
und gemachels sälligen todt, nur wullen vnnd saiten, auch weder golt noch silber,
sunder inn allerhöchster diemütigkait gewandelt, ains kaisers tochter und
schwester.
804
800
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde, S. 119. Dies bestätigt auch F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S. 964: Sie
gebrauchte sich / im Kloster / schlechter Kost und Kleidung / und lobte die Speisen / wann sie schon
etwan übel gekocht gewesen.
801
In einem Schreiben an ihren ältesten Sohn Wilhelm erklärte Kunigunde, daß sie ihm und seinen
Geschwistern den Großteil ihrer Besitztümer vererbt habe, einen Teil habe sie verschenkt und für sich
selbst nur ganz wenig zurückbehalten. Vgl. BayHStA, KL-Fasz. 427/20. Vgl. auch B
ARONE
,
Tertiarier, Sp. 557.
802
Vgl. BayHStA, KL-Fasz. 423/1, fol. 7
v
: Man hat Ihr fürstlichen durchlaucht von stundan anfangen zu
pauen das stiblein, so zuvor ain krankenzimer gewesen.
803
Vgl. B
ITTRICH
, S. 36.
804
Vgl. BayHStA, KL-Fasz. 424/9 (Aufstellung der Besitztümer der Herzogin Kunigunde), fol. 3
r
-4
v
.
178
Insgesamt hatte die Kleidung der Verstorbenen einen Wert von etwas mehr als 80 Gul-
den, die die Schwestern, zusammen mit dem Verkaufserlös anderer persönlicher Gegen-
stände Kunigundes, für die Kosten verwendeten, die anläßlich der Bestattungsfeierlich-
keiten entstanden waren.
Die einfache Kleidung der Herzogin wird auch in den handschriftlichen chronikartiken
Notizen lobend hervorgehoben;
805
noch Jahrhunderte später würdigten schließlich die
Verfasserinnen der Chronik des Pütrich-Klosters die tieffe Demuth Kunigundes, die ein
wahres Fundament aller anderen Tugenden gebildet habe und schon an ihrem Äußerem
deutlich zu erkennen gewesen sei.
806
So habe sie nur schlichte, schwarze Kleidung ohne
silbernen oder goldenen Schmuck getragen, ihren Kopf habe sie, wie die Schwestern,
mit einem weißen Weihel [Schleier] bedeckt,
807
niemand sei ihr, die sich in Aufführung
und Gebärden [...] sehr niederträchtig [einfach] zeigte, zu schlecht gewesen, sie habe
sich im Gegenteil gegen männiglich gantz liebreich und freundlich verhalten.
808
Sie habe, so berichtet die Chronik weiter, die Armut sonderbar geliebt, denn obwohl sie
die drei weesentliche[n] Ordens-Gelübd zur Keuschheit, Armut und zum Gehorsam
nicht abgelegt hatte, habe sie die geringe Summe, die ihr die herzögliche Hofkammer
zum jährlichen Unterhalt auszahlte, der würdigen Mutter zu deren Gewalt und freyen
Disposition ausgehändigt.
809
Daß Kunigunde in den Jahren ihres Klosteraufenthaltes
eine Rente vom herzöglichen Hof erhielt, die an Clara Loderin ausbezahlt wurde, bestä-
tigt der handschriftliche Vorläufer der Klosterchronik: Von fürstlicher rentcamer hat
man der wirdigen mueter alle quartal 100 gulden geben, davon hat si Ihr fürstlich
durchlaucht mit aller notturfft in essen und trinkhen versorgt.
810
Allerdings ist an dieser
Stelle nicht die Rede davon, daß Teile dieser Summe auch für den Unterhalt der anderen
Bewohnerinnen des Regelhauses verwendet wurden, was ein Beleg für die oft glorifizie-
805
Vgl. BayHStA, KL-Fasz. 423/1, fol. 7
r
: ... nichts von seiden andragen, sonder nur schwarz wollen
oder atlas, auf dem haubt weiße schlayer dragen. So si mit den schwestern zu kirchen gang, ain
bundtkragen wie die schwestern und ain schwarz wollenmandl... Nach dem Vorbild der im 13.
Jahrhundert entstandenen Büßergemeinschaften wurden ungefärbte und geringwertige Stoffe sowie der
Verzicht auf auffällige Hüte und kostbare Schleier erwartet; statt dessen sollten Schleier aus Hanf oder
Leinen getragen werden. Vgl. B
ARONE
, Tertiarier, Sp. 557.
806
Vgl. B
ITTRICH
, S. 40.
807
Vgl. G
RIMM
, Deutsches Wörterbuch, Bd. 28, Sp. 665f.
808
Vgl. B
ITTRICH
, S. 40f.
809
Vgl. B
ITTRICH
, S. 41.
810
Vgl. BayHStA, KL-Fasz. 423/1, fol. 7
r
. Der Unterhalt einer im Kloster lebenden Angehörigen war zu
dieser Zeit allerdings durchaus üblich, wie beispielsweise aus einem Schreiben Albrechts Achilles´an
eine seiner Töchter hervorgeht, in dem er angibt, für eine weitere, im Kloster lebende Tochter sorgen
zu müssen, vgl. Hartmut B
OOCKMANN
: Fürsten, Bürger, Edelleute. Lebensbilder aus dem späten
Mittelalter. München 1994, hier S. 148f.
179
rende Darstellung Kunigundes in der „offiziellen“ Klosterchronik des 18. Jahrhunderts
sein könnte.
Was die tägliche Versorgung mit Nahrung anging, habe die Herzogin keinen Unter-
schied zwischen sich und den übrigen Schwestern gemacht, sondern sich mit gar
schlechten Speisen / auß gemeiner Kuchen der Schwesteren begnügt. Auf deren Ent-
schuldigungen über manche üble Zubereitung habe sie stets mit einem Lob reagiert, daß
diese gar wohl gekocht seien und daß es unnöthhig [sei] einigen Fehler abzubitten.
811
Ihr tägliches Leben widmete Kunigunde nun ganz der Andacht und dem Gebet, auch
wenn sie in ihrer Position als Witwe eines bayerischen Herzogs mehrfach, wenn es ihr
notwendig erschien, in die Geschicke der Landespolitik eingriff oder sich für die
Zukunft ihrer Kinder einsetzte. Die Klosterchronik berichtet, daß sich die Herzogin den
größten Teil des Tages in ihrer Kammer aufhielt; in der Öffentlichkeit sei sie nur zu
sehen gewesen, wenn sie sich in die dem heiligen Christopherus geweihte klostereigene
Kapelle begeben habe oder zu Fuß die nahegelegene Franziskanerkirche aufgesucht
habe, wo sie täglich an der heiligen Messe oder anderen Gottesdiensten teilnahm. Die
Vormittage habe sie gewöhnlich gänzlich mit Beten verbracht, weltlichen Geschäften
habe sie sich zu dieser Tageszeit nur dann gewidmet, wenn die Situation dies erfordert
habe.
812
Die besondere Verehrung Kunigundes fand offensichtlich der Kreuzweg Jesu Christi,
was sie dazu veranlaßte, regelmäßig an allen Freitagen drei Stunden lang vor einem
Kruzifix auf der Erde knieend zu beten. Gelegentlich habe sie sogar zu mehrerer Leibs-
Casteyung, ihre Gebete auf einem harten Stein knieend verrichtet und sei dabei so sehr
von dieser Beschäftigung gefangen gewesen, daß eine der zu ihrer Begleitung
bestimmten Schwestern um 11 Uhr, nachdem der Glockenschlag das Hinscheiden Jesu
Christi verkündet hatte, die brennenden Kerzen auslöschen mußte, um die Herzogin auf
das Ende der dreistündigen Andacht und das folgende Mittagsmahl aufmerksam zu
machen, das sie immer mit sehr grossem Abbruch eingenommen habe.
813
Die
811
Vgl. B
ITTRICH
, S. 41.
812
Vgl. BayHStA, KL-Fasz. 423/1, fol. 7
r
: Vormittag ohne grosse noth khain zeitliches geschefft
verruckt, nur embsig gebett und gott gedient... Ähnlich: B
ITTRICH
, S. 36f. Gut vorstellbar ist eine der
oben angesprochenen „Notfallsituationen“ beispielsweise für das Jahr 1514, als es zwischen den
Söhnen Wilhelm und Ludwig zu einer erbitterten Auseinandersetzung um die Erbfolge in Bayern kam,
bei der Kunigunde vermittelnd, aber zugunsten des jüngeren Ludwig eingriff. Vgl. unten Kap. 14.1.
813
Vgl. B
ITTRICH
, S. 37. Daß die Kenntnis um die Verehrung der Leiden Jesu Christi durch Kunigunde
weit verbreitet war, belegt auch die Erwähnung dieser Tatsache bei F
UGGER
/B
IRKEN
, Ehrenspiegel, S.
964: Sie plagte allemal / am Freytag / vor glocke 12 niemanden vor sich zulassen: um / an ihrer
betrachtung des Leidens Christi / nicht verhindert zuwerden.
180
handschriftlichen Notizen berichten ergänzend, daß Kunigunde nicht nur regelmäßig an
allen Freitagen, sondern auch zu anderen besonderen Kirchenfesten gefastet habe: ... alle
freytag das ganze jar, alle unser Frauenabent und Apostltag, di vierzig tagen und qua-
temberfasten gefastet...
814
Als weiteres Zeichen ihrer Verehrung für den Sohn Gottes, an den sie sich in allen ihren
Anligen / Creuz und Betrübnussen wandte,
815
berichten die an dieser Stelle nur ungenau
informierten Verfasserinnen der Chronik von einer Wallfahrt, die die bayerische Herzo-
gin angeordnet habe: Einstmals habe sie ihre Aufwarterin und sechs weitere Schwestern
in einem gewissen, nicht näher genannten Anliegen zu einem Wunderthätigen heiligen
Creuz-Bild (glaublich nach Forstenried oder Pollingen) zu wahlfahrten abgeordnet.
Dort sollten die Wallfahrerinnen auf dem Altar eine Messe de Passione Domini lesen
und dabei fünf Wachskerzen verbrennen lassen. Nach der Opferung von Brot und Wein
sollten die Schwestern im Auftrag Kunigundes 15 Vater Unser, die gleiche Anzahl Ave
Maria sowie dreimal das Glaubensbekenntnis beten und anschließend fünf Armen ein
Almosen zukommen lassen.
816
Die Klosterchronik berichtet allerdings nicht, wann und
zu welchem Anlaß diese von Kunigunde gewünschte Wallfahrt angetreten wurde, so
daß das Anliegen, das die bayerische Herzogin durch diese Pilgerfahrt verfolgte, im
Dunkeln bleiben muß.
In Einzelheiten ergänzt wird diese Schilderung durch einen Zettel, auf dem die eigen-
händigen Anweisungen Kunigundes für ihre Aufwarterin Magdalena Hörmanin und die
sechs Schwestern, die sie begleiten sollten, zu lesen sind:
Item ain meß vonn unnsers herrn marter unnd dartzw gesprochen den pasion, den
man spricht an den karfreitag auf deß heiligen kreutz allter; darfür zwlau 42
schilling. Item darzw geopfert fur 5 schilling prat, ain maß wein. Item zw der meß
geprent fur 5 schilling waxlicht.
Unnd ir, mein swester Madalena, nemet 6 ewr swestern zw ewch, daß ir selb
sibent seit, und pet pey der obgeschryben meß ewr iegliche 15 Vaternoster, 15 Ave
Maria, 3 gelauben, ain rosenkrantz; unnd fur ewr mue kawft ewch unnd den 6
swestern vonn dem hie pey liegent guld ain esen, fych.
Item gebent 5 armen mensch jeglichen ain kreitzer.
817
Eine Bestätigung für die große, in der Chronik immer wieder betonte, Verehrung Kuni-
gundes für das Leiden Jesu Christi könnte auch das Datum sein, das Kunigunde für ihre
„Flucht“ in das Münchner Pütrich-Kloster wählte. Den Quellen zufolge begab sie sich
814
Vgl. BayHStA, KL-Fasz. 423/1, fol. 7
r
, sowie B
ITTRICH
, S. 41.
815
Vgl. B
ITTRICH
, S. 37.
816
Vgl. B
ITTRICH
, S. 37f.
817
Vgl. BayHStA, Fürstensachen 305, fol. 9.
181
nach einem Gedenkgottesdienst für ihren verstorbenen Ehemann am Montag nach dem
Passions-Sonntag in das Regelhaus. Die Klosterchronik des 18. Jahrhunderts erweitert
diese Angabe um die nicht ganz korrekte Erklärung, daß es sich hierbei um den 2. April
gehandelt habe.
818
Leider findet sich in den Quellen kein Anhaltspunkt für die Beant-
wortung der Frage, ob Kunigunde dieses Datum bewußt auswählte oder ob sie sich
zufälligerweise am Tag nach dem Sonntag Passionis in das Münchner Regelhaus begab,
wobei der frommen bayerischen Herzogin sicherlich zuzutrauen ist, daß sie diesen Tag
bewußt auswählte.
Zudem zeigte Kunigunde eine besondere Vorliebe für zwei weitere Heilige der Kirche:
Maria, die Mutter Gottes, spielte ihren Gebeten selbstverständlich eine zentrale Rolle,
wobei bei Kunigunde, die hier vielleicht von ihrer Rolle als Landesmutter geprägt wor-
den war, der Aspekt der Barmherzigkeit im Mittelpunkt stand.
819
Sehr weit verbreitet war im späten Mittelalter auch die Verehrung der Märtyrerin und
Heiligen Ursula und ihrer angeblich 11.000 Begleiterinnen, deren Kult besonders am
Rhein, in Frankreich und den Niederlanden blühte, und zu dem sich die Herzogin wäh-
rend ihrer Klosterzeit besonders hingezogen fühlte.
820
Einige der Gefährtinnen Ursulas,
818
Vgl. BayHStA, KL-Fasz. 423/1, fol. 6
r
(nur die Angabe des Sonntag Passionis) und B
ITTRICH
, S. 31.
Der Sonntag Passionis (= Sonntag Judica) fiel im Jahr 1508 allerdings auf den 9. April. (Vgl.
G
ROTEFEND
, S. 208). Diese Diskrepanz ließe sich durch einen Umrechnungsfehler erklären, da in der
älteren handschriftlichen Fassung ebenfalls der Sonntag Passionis als Beitrittsdatum Kunigundes
genannt wurde. Daß die falsche Datumsangabe bewußt geschehen ist, um das Einttittsdatum 2. April
mit dem Passionssonntag zu verbinden und so die Verehrung der Herzogin für das Leiden Jesu Christi
nochmals zu betonen, kann wohl ausgeschlossen werden, da die Chronik dazu (bei der Schilderung der
Kreuzes-Verehrung Kunigundes) keinen Versuch unternimmt, sondern das Datum nur beiläufig in der
chronologischen Erzählung genannt wird.
819
Vgl. B
ITTRICH
, S. 38: ...diese liebte sie gantz inniglich / als ein Mutter der Barmhertzigkeit... Zur
Marienverehrung allgemein vgl. Klaus S
CHREINER
: Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin.
München/Wien 1994.
820
Der Legende des 10. und 11. Jahrunderts nach war Ursula, die Tochter eines britischen Königs, mit
dem heidnischen Königssohn Aetherius verlobt. Da sie aber Jungfräulichkeit gelobt hatte, gelang es ihr
nach einer Engelserscheinung, die Heirat um drei Jahre hinausschieben; Artherius sollte in dieser Zeit
zum Christentum konvertieren. Nach Ablauf dieser Zeitspanne machte sich Ursula in Begleitung von
11.000 Gefährtinnen mit Schiffen auf den Weg zu ihrem Bräutigam, wobei sie durch einen Sturm
gezwungen wurden, den Rhein aufwärts zu segeln. Nach einer Wallfahrt nach Rom erlitt sie in Köln,
das damals der Legende nach von hunnischen Truppen belagert wurde, mit der ganzen Schar ihrer
Begleiterinnen den Martertod; die Stadt Köln aber soll durch ihr Leiden befreit worden sein. Von Köln
und der aus dem 4./5. stammenden Ursulakirche breitete sich der Ruhm und die Verehrung der
Heiligen Ursula, die erst im 9. Jahrhundert als Anführerin der angeblich 11.000 Jungfauen genannt
wird, nach Spanien, Italien, Dänemark und Polen aus. Von den Jungfrauen, die als Begleiterinnen
Ursulas genannt werden, - die Zahl 11.000 enstand vermutlich durch einen Lesefehler - befand sich
u.a. auch eine, die den Namen Kunigunde trug. Vgl. Erich W
IMMER
: Ursula, in: LdM, Bd. 8. München
1997, Sp. 1332f. sowie Veronika H
OPMANN
: Ursula, in: LThK, Bd. 10. 2. Völlig neu bearb. Aufl.
Freiburg i.Br. 1965, Sp. 574f. Historischer Kern der Ursulasage ist vermutlich das Martyrium heiliger
Jungfrauen in Köln zur Zeit des römischen Kaisers Diokletian, wobei die Zahl der Jungfrauen
unterschiedlich angegeben wurde. Vgl. Otto W
IMMER
: Handbuch der Namen und Heiligen. 2. verb.
Aufl. Innsbruck 1959, S. 474f.
182
heilige Jungfrauen aus unbekannter Zeit, die später mit dem Ursula-Kult in Verbindung
gebracht wurden, sind namentlich bekannt. Zu ihnen zählte unter anderem auch eine
gewisse Kunigunde, deren Gebeine gemeinsam mit denen der Mechtund und Wibranda
in Eichsel bei Rheinfelden am 16. Juni 1504 vom Kardinallegaten Raimund Peraudi
erhoben worden waren.
821
Möglicherweise begründete sich hierdurch die Ursula-Vereh-
rung der Herzogin, die durch diese Erhebung der Namensvetterin erst auf die Heilige
Ursula und ihren Kult aufmerksam geworden sein könnte.
Gemeinsam mit den übrigen Schwestern des Regelhauses ließ sich Kunigunde durch
einen Eintrag in deren Verbrüderungsbuch in die Menzinger Bruderschaft der Heiligen
Ursula aufnehmen.
822
Die Chronik des Pütrich-Regelhauses zählt noch Jahrhunderte
später auf, wie hoch die „Heilige Fracht“ war, zu der sich Kunigunde und ihre Mit-
schwestern verpflichtet hatten, um die Aufnahme in das Menzinger Ursulaschifflein zu
erhalten. So drückten die Herzogin und die übrigen Bewohnerinnen des Regelhauses
ihre Verehrung für die Heilige Ursula durch eine übergrosse Mänge des Heil. Gebetts /
allerhand Andachten und Tugends-Übungen / in dasiges Schifflein der heiligen Ursulae
aus.
823
Außerdem habe man sich im Regelhaus auch um das Seelenheil der verstorbenen
Brüder und Schwestern der Ursula-Brüderschaft bemüht, in dem man ihnen eine
gewisse Anzahl Gebete widmete; fünf Schwestern des Konvents hätten den halben Theil
ihrer Verdienst denen verstorbenen Brüderen und Schwesteren diser Bruderschafft
geschenckt und zugeeygnet.
824
12.4 Der Bücherbesitz Herzogin Kunigundes
Die bayerische Herzogin wird in mehreren Darstellungen mit einem Buch in der Hand
dargestellt. Sowohl der Künstler, der die Bronzestatuen am Innsbrucker Grabmal Kaiser
Maximilians entwarf, als auch der Schöpfer der Fenster der Karthause Prüll bei Regens-
821
Vgl. Jakob T
ORSY
(Hg.): Lexikon der deutschen Heiligen, Seligen, Ehrwürdigen und Gottseligen.
Köln 1959, Sp. 334.
822
Bruderschaften dieser Art, Ursulaschifflein genannt, waren im 13.-15. Jh. an vielen Orten, u.a. in Köln,
Straßburg und sogar Krakau entstanden. Ihre zahlreichen Mitglieder, zu denen auch Bischöfe, Äbte
und Könige zählten, hofften, durch die „Heilige Fracht“ des Schiffleins, d.h. durch die bei der
Aufnahme in die Bruderschaft versprochenen Gebete oder guten Werke, eine sichere Fahrt in die
Ewigkeit zu erlangen. Vgl. H
OPMANN
, Ursula, Sp. 575.
823
Vgl. B
ITTRICH
, S. 38f. Im folgenden wird nun im Einzelnen aufgezählt, zu wievielen Gebeten sich die
Münchner Schwestern verpflichtet hatten, welchen Heiligen die Gebete galten, auch wenn die
genannten Zahlen übertrieben sein mögen, um die außergewöhnliche Frömmigkeit der Herzogin zu
betonen. Dennoch gibt dieses Verzeichnis Auskunft darüber, welche Gebete, Psalmen und Hymnen
von der Herzogin und den übrigen Schwestern bevorzugt wurden. Genannt werden neben den üblichen
Gebeten wie dem Ave Maria oder dem Vater Unser u.a. die Psalmen De profundis und Beati
Immaculati.
183
burg wählten dieses Motiv, um sie zu charakterisieren.
825
Möglicherweise sollte so die
immer wieder gerühmte Frömmigkeit Kunigundes ausgedrückt werden; das Buch in
ihrer Hand könnte somit als Gebetbuch bezeichnet werden. An dieser Stelle soll nun das
Interesse der Herzogin für zeitgenössische und andere Literatur näher untersucht wer-
den.
Herzogin Kunigunde war sicherlich keine ausgemachte Literatursammlerin und Förderin
des Buchdrucks, wie etwa Mechthild von der Pfalz oder andere Fürstinnen ihrer Zeit.
826
Dennoch war ihr die zeitgenössische Literatur ihrer Zeit nicht unbekannt, wie die
Namenswahl für ihre Töchter Sidonie und Sybille belegt. Mit den Romanen, die diese
Namen im Titel tragen, könnte sie schon am Hof des Erzherzogs Sigmunds von Tirol in
den Jahren vor ihrer Heirat mit Herzog Albrecht in Kontakt gekommen sein. Immerhin
wurde „Pontus und Sidonia“ nicht nur im Umkreis der ersten Frau Sigmunds, der
Schottin Eleonore, ins Deutsche übersetzt, sondern auch im Jahr 1483 kurz vor Kuni-
gundes Eintreffen in Tirol zum erstenmal gedruckt.
827
Es ist also gut möglich, daß sie
diesen Roman während ihres Aufenthaltes in Innsbruck gelesen hat. Möglicherweise
schlug sich ihre Begeisterung für diesen modernen Roman in der Namenswahl für die
erste Tochter nieder, denn der Name Sidonie war bis zu diesem Zeitpunkt weder bei den
Habsburgern noch bei den Wittelsbachern vorgekommen.
Für eine Literaturförderung - zumindest in kleinerem Rahmen - durch die Herzogin
spricht auch die Tatsache, daß während der Jahre, die sie im Pütrich-Regelhaus ver-
brachte, die Schreibtätigkeit der Schwestern des Hauses merklich zunahm. Karin
Schneider führt diese kurze Blüte am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts
nicht nur auf die Neuordnung und den Anschluß des Hauses an die Observanz des
Münchner Franziskanerklosters zurück, sondern auch und gerade auf die Anregung, die
die Schwestern durch Kunigundes Anwesenheit und ihre mitgeführte Bibliothek erhiel-
ten. Ihre Tätigkeit beschränkte sich zu dieser Zeit vor allem auf das Kopieren zeitgenös-
sischer franziskanischer Literatur sowie anderer Texte geistlichen Inhalts, die sie wohl
ursprünglich zur eigenen Verwendung angefertigten.
828
Man kann also schon an dieser
Stelle festhalten, daß Kunigunde sich zwar nicht durch die Förderung einzelner Künstler
824
Vgl. B
ITTRICH
, S. 40.
825
Vgl. unten, Kap. 16.3.
826
Zu Mechthild von der Pfalz und ihrem Mäzenatentum vgl. K
RUSKA
, Mechthild sowie M
AURER
,
Eberhard und Mechthild.
827
Vgl. B
ASTERT
, Münchner Hof, S. 96; K
ÖFLER
, Eleonore, S. 93-98; H
AHN
, Von frantzosischer zungen.
Vgl. außerdem oben, Kap. 10.2.
828
Vgl. S
CHNEIDER
, Deutsche Handschriften, Bd. 5,7, S. 8f.
184
auszeichnete, aber dennoch immerhin dem von ihr in vieler Weise geförderten auch im
literarischen Bereich zu einem gewissen Aufschwung verhalf. Da sich mit dem Bücher-
besitz der Herzogin schon Otto Hartig und zuletzt Ferdinand Gelder relativ ausführlich
auseinandergesetzt haben,
829
soll hier nur eine kurze Zusammenfassung und Ergänzung
erfolgen.
Über die Kindheit und Jugend Kunigundes ist leider zu wenig bekannt, um einen
genauen Aufschluß über die Bücher, die sie gelesen oder besessen haben könnte, erhal-
ten zu können. Sicherlich aber lernte sie, wie andere junge Mädchen ihrer Gesellschafts-
schicht, anhand eines Gebetbuches lesen und schreiben.
830
In der Österreichischen
Nationalbibliothek in Wien hat sich ein Büchlein erhalten, das sich einst im Besitz der
Erzherzogin Maria Christina befand.
831
Ein handschriftlicher Vermerk der Erzherzogin
Maria Christina aus dem späten 16. Jahrhundert weist auf die Vorbesitzerin des Gebet-
buches hin:
Diß buech gehorist mir Maria Christiana, ertzhertzogin zu Österreich etc. ist
meines [...] seligen fraw muetter gewessen: Hertzogin Kunigundt in Bairn,
beborne ertzhertzogin zu Osterreich. Anno 1590...
832
Möglicherweise ließ Kunigunde das Büchlein, das unter anderem die Leidensgeschichte
Jesu zum Inhalt hat, nach ihrer Heirat mit Herzog Albrecht in Innsbruck am Hof Erzher-
zog Sigmunds zurück. Hätte sie es mit nach Bayern genommen, wäre es sicherlich wie
alle anderen Habseligkeiten der Herzogin in den Besitz ihrer Kinder oder des Pütrich-
Regelhauses übergegangen.
Möglicherweise besaß die Herzogin schon während ihrer Ehe mit Albrecht von Bayern-
München auch schon ein nach 1465 entstandenes deutsches Brevier (Cgm 67 und 68),
833
das unter anderem eine Miniatur der Familie Kunigundes enthält: Kaiser Friedrich III.
mit seinen Söhnen Christoph, Maximilian und Johannes sowie Kaiserin Eleonore von
Portugal mit ihren Töchtern Helena und Kunigunde.
834
Falls dieses Büchlein wirklich zu
829
Vgl. Otto H
ARTIG
: Die Gründung der Münchner Hofbibliothek durch Albrecht V. und Johann Jakob
Fugger (Abhandlungen der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-
philologische und historische Classe, Bd. 28, 3. Abhandlung) München 1917, hier S. 151ff. sowie
G
ELDER
, Bücherbesitz.
830
Vgl. oben, Kap. 3.2.
831
Vgl. Österreichische Nationalbibliothek Wien, Codex Vindobonensis Palatinus 2743.
832
Vgl. Österreichische Nationalbibliothek Wien, Codex Vindobonensis Palatinus 2743, fol. 146
v
.
833
Vgl. Erich P
ETZET
, Die deutschen Pergamenthandschriften Nr. 1-200 der Staatsbibliothek in München.
Bd. 5, 1. München 1920, S. 110ff.
834
Vgl. G
ELDER
, Bücherbesitz, S. 118 und S. 119 (Abbildung der Miniatur). Bei der Benennung der
Kinder ist Gelder allerdings ein Irrtum unterlaufen, Kaiser Friedrich und Kaiserin Eleonore hatten
keinen Sohn namens Friedrich, dagegen ist am Bildrand der Name Christoferus zu lesen. Es muß sich
hierbei um den ältesten Sohn des Paares, den 1456 verstorbenen Christoph, handeln.
185
den Besitztümern der bayerischen Herzogin gehört haben sollte, könnte es Teil des
Erbes ihrer früh verstorbenen Mutter Eleonore gewesen sein.
835
Allerdings läßt Otto
Hartig die Möglichkeit offen, daß das Brevier erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts von
Erzherzogin Anna, der Gemahlin Herzog Albrechts V., nach München mitgenommen
worden sein könnte.
836
Während der Wiener Codex und das Brevier außer dem Eintrag der Erzherzogin Maria
Christina keine Hinweise auf die bayerische Herzogin geben, sind die Bücher, die Kuni-
gunde und Albrecht während ihrer Ehe erwarben oder als Widmungsexemplare
geschenkt bekamen, mit dem Allianzwappen des Herzogspaares versehen. Wie viele
Handschriften und Drucke dem Paar genau gehörten, ist heute nicht mehr zu ermitteln,
da die Herzogin nach dem Tod ihres Ehemannes zumindest einen Teil der Bücher mit in
ihren Witwensitz nahm. Nach ihrem Tod wurden diese dann offenbar in den Bestand der
Klosterbibliothek aufgenommen,
837
die besonders stark unter der Säkularisation zu lei-
den hatte. Ein Bücherkatalog des Klosters, der in diesem Falle vielleicht Hilfestellung
leisten könnte, ist nicht auffindbar, es gilt jedoch als sicher, daß Teile der Bibliothek des
Pütrich-Klosters in diesen Jahren in den Besitz der Münchner Hofbibliothek gelangten.
Zudem wurden mit großer Sicherheit Teile des ehemaligen Pütrich-Bestandes im März
1943 während eines Brandes der Bayerischen Staatsbibliothek vernichtet.
838
Zu den Büchern, die mit dem Allianzwappen des Herzogspaares gekennzeichnet sind,
gehört eine Prachthandschrift von Ulrich Füetrers „Buch der Abenteuer der Ritter von
der Tafelrunde“, die gegen Ende des 15. Jahrhunderts für den Herzog angefertigt wurde
und eventuell sogar noch von Füetrer selbst mit Anmerkungen versehen wurde.
839
Das
herzogliche Allianzwappen befindet sich auch in einem Exemplar des „Missale Augu-
stanum“, das bereits 1489 in Dillingen gedruckt wurde, und in der sogenannten „Bibel
von Maihingen“. Diese Bibel befand sich ursprünglich im Besitz des Hans von Stauff zu
835
Vgl. G
ELDER
, Bücherbesitz, S 118. Ein Geschenk der 1467 verstorbenen Mutter, wie Gelder vermutet,
kann aufgrund der Jugend der 1465 geborenen Kunigunde wohl ausgeschlossen werden. Falls sich das
Brevier tatsächlich im Besitz der Eleonore von Portugal befand, wäre es auf jeden Teil der fahrenden
Habe der Mutter, die Kunigunde von ihrem Vater als Mitgift erhalten sollte.
836
Vgl. H
ARTIG
, Hofbibliothek, S. 152f.
837
Vgl. Karin S
CHNEIDER
: Deutsche mittelalterliche Handschriften aus bayerischen Klosterbibliotheken,
in: BFB 9 (1981), Heft 1/2, S. 44-56, hier S. 47f. In einem Inventar der Besitztümer der Herzogin, das
nach ihrem Tod entstand, ist leider keine Rede von ihren Büchern, obwohl sonst alle Wertgegenstände
genauestens aufgelistet sind. Das Fehlen der Bücher ist vielleicht ein Hinweis darauf, daß diese schon
zu Lebzeiten der Herzogin als Gemeinschaftseigentum angesehen wurden. Vgl. BayHStA, KL-Fasz.
424/9 (Aufstellung der Besitztümer der Herzogin Kunigunde).
838
Vgl. G
ELDER
, Bücherbesitz, S. 120f.
186
Ehrenfels und seiner Gattin Margarete, einer geborenen Schenk von Geyern. Im Jahr
1492 hatte Herzog Albrecht die Burg Ehrenfels im Löwlerkrieg erobern können, die
Bibel gelangte damals vermutlich als Beutegut nach München. Dort ließ Albrecht das
Familienwappen der Vorbesitzer mit seinem eigenen und dem Wappen seiner Frau
übermalen.
840
Ein Geschenk des Herausgebers an Kunigunde war das im Jahr 1512 ent-
standene „Schef der Rew“ von Johannes Geiler von Kaisersberg: Der bayerische Theo-
loge Dr. Johann Eck versah seine Ausgabe des „Schefs der Rew“ noch im selben Jahr
mit einem Widmungsbrief an die Herzogin.
841
Obwohl dieses Buch erst nach dem Tod Herzog Albrechts entstanden ist, wurde es,
genau wie das 1515 gedruckte „Leiden Jesu Christi vnnsers erlösers“ noch mit dem
gemeinsamen Wappen des Herzogspaares versehen.
842
Herzogin kann diese Bücher erst
während ihres Aufenthaltes im Pütrich-Regelhaus erworben haben; offenbar im Geden-
ken an ihren Ehemann ließ sie die Werke auch nach seinem Tod noch mit dem herzogli-
chen Allianzwappen versehen. Diese Haltung entspräche ganz dem Verhalten, das die
Herzogin auch sonst während ihrer Witwenzeit an den Tag legte, wenn es um die Pflege
des Ansehens ihres verstorbenen Gatten ging.
843
Die mit dem Allianzwappen gekennzeichneten Werke sind noch relativ einfach als
Besitztümer der Herzogin und ihres Gemahls zu erkennen; andere Bücher, die während
ihres Aufenthaltes im Regelhaus in ihren Besitz kamen, sind schwerer zu identifizieren,
da die Bücher wie alle anderen Wertgegenstände der Herzogin nach ihrem Tod in den
Besitz des Regelhauses übergingen und die Bibliothek des Pütrich-Klosters heute nicht
mehr besteht.
Mache Bücher wurden durch spätere Einträge aus dem 18. Jahrhundert als Eigentum
Kunigundes gekennzeichnet.
844
Eines davon ist das schon erwähnte Werk des Wolfgang
839
Vgl. G
ELDER
, Bücherbesitz, S. 117. Dieses Exemplar von Füetrers „Buch der Abenteuer“ wird heute
in der Bayerischen Staatsbibliothek unter der Signatur Cgm 1 aufbewahrt. Vgl. auch P
ETZET
,
Pergament-Handschriften, S. 1-6.
840
Heute befindet sie die Bibel in nach einer Zwischenstation in Maihingen wieder auf der Harburg,
wohin sie der Fürst von Öttingen-Wallerstein bringen ließ, nachdem er sie im Jahr 1813 für seine
Bibliothek erworben hatte. Vgl. G
ELDER
, Bücherbesitz, S. 124f.
841
Vgl. Léon D
ACHEUX
(Hg.): Die ältesten Schriften Geilers von Kaysersberg. XX1 Artikel - Briefe -
Todtenbüchlein - Beichtspiegel - Seelenheil - Sendtbrief - Bilger. Freiburg i.Br. 1882, hier S. CXVII
sowie P
ETZET
, Pergamenthandschriften, S. 75ff. (Cgm 46). Vgl. außerdem Joseph S
CHLECHT
: Aus der
Korrespondenz Dr. Johann Ecks, in: Briefmappe. Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 21/22
(1912), S. 142-151 mit einem Druck der Widmung auf S. 149f.
842
Vgl. G
ELDER
, Bücherbesitz, S. 117f.
843
Vgl. oben, Kap. 11.
844
Vgl. G
ELDER
, Bücherbesitz, S. 122. Daß diese Einträge erst aus dem 18. Jahrhundert stammen, muß
keine Unsicherheit bedeuten, da sie teilweise auch das herzogliche Allianzwappen tragen; zudem
187
von Mäns „Leiden Jesu Christi vnnsers Erlösers“, das durch den Besitzvermerk und mit
Hilfe des Allianzwappens eindeutig als Besitz der Herzogin zu identifizieren ist. Besitz-
vermerke trugen auch das 1512 geschriebene „Schef der Rew“ sowie eine 1516 von dem
Priester Johannes Pinitianus angefertigte Übersetzung von „De reparatione lapsi“ des
Johannes Chrysotomus, zu deutsch „Des säligen Joannis Chrisostomi ain tractat von
widerbringung des geuallen sunders“. Ebenso wie das Exemplar von Geiler von Kai-
sersbergs „Schef der Rew“ enthält auch dieses Werk eine kurze Widmung an die bayeri-
sche Herzogin und ist somit eindeutig ihrem Besitz zuzuordnen.
845
Die deutsche Übersetzung von Senecas „De consolatione ad Martiam“ aus dem Bestand
des Pütrich-Kloster befand sich ursprünglich auch im Besitz der Herzogin; schließlich
war es das Widmungsexemplar, das ihr der Übersetzer Dietrich von Plieningen nach
dem Tod Kaiser Maximilians als Trostschrift zukommen ließ.
846
Plieningen, der Kuni-
gunde spätestens seit den Auseinandersetzungen um die Nachfolge Herzog Albrechts im
Jahr 1514 näher kannte, war offensichtlich der Ansicht, daß die Lektüre der Seneca-
Schrift die Trauer der Herzogin über den Tod ihres Bruders mildern würde: Wiewol
gnedigiste fraw ich wayß, des betriebten und schändlichen tods halben loblichister
gedächtnus kayser Maximilians euer gnaden ainiger herrn und bruder säligen [
...]
so
wöllend eur genad den Senecam selber röden hörn.
847
Im Besitz Kunigundes befanden sich jedoch nicht nur deutsche Werke und Überset-
zungen aus dem Lateinischen; auch die niederländische „Geschiedenis van het heilige
Kruis“ gehörte wohl der bayerischen Herzogin. Um ihr den Text verständlich zu
machen, wurde auf jede Seite unter den niederländischen Text eine deutsche Überset-
zung geschrieben. Daß Kunigunde den Band wirklich auch gelesen hat, belegt ein
eigenhändiger Eintrag der Herzogin, der fehlende Seiten der Handschrift bemängelt: von
dem Heyligen krewtz mangelt j quartern. Neben den „Geschichten vom Heiligen Kreuz“
besaß Kunigunde ein weiteres Buch in niederländischer Sprache, die Übersetzung des
wurde das Andenken an die Herzogin im Kloster bis zu seiner Auflösung stets hochgehalten, wie auch
die zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstandene Chronik des Klosters belegt.
845
Vgl. G
ELDER
, Bücherbesitz, S. 122 sowie S
CHNEIDER
, Deutsche Handschriften, Bd. 5,6, S. 167f. Zur
Widmung vgl Cgm 1146, fol. 1
r
.
846
Zu Plieningens Übersetzung (Cgm 977) vgl. auch S
CHNEIDER
, Deutsche Handschriften, Bd. 5,6, S:
41f. und Annette G
ERLACH
: Das Übersetzungswerk Dietrichs von Pleningen. Zur Rezeption der
Antike im deutschen Humanismus (Germanistische Arbeiten zur Sprache und Kulturgeschichte, Bd.
25). Frankfurt/Main 1993. Zu Plieningen allgemein vgl. Franziska A
DELMANN
: Dietrich von
Plieningen. Humanist und Staatsmann (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, Bd. 68).
München 1981 und Christine B
ÜHRLEN
-G
RABINGER
: Die Herren von Plieningen. Studien zu ihrer
Familien-, Besitz- und Sozialgeschichte mit Regesten (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt
Stuttgart, Bd. 36). Stuttgart 1986.
188
„Speculum humanae salvationis“. Beide Bücher dürften Geschenke ihres in Burgund
verheirateten Bruders gewesen sein.
Neben den genannten Werken gab es noch weitere Bücher in der Klosterbibliothek, die
Kunigunde dem Regelhaus vermacht hatte: Eine Ausgabe des 1491 in Nürnberg
gedruckten „Schatzbehalter“ mit großen Holzschnitten, ein ebenfalls 1491 in Augsburg
gedrucktes „Buch der Kunst, geistlich zu werden“, ein deutsches Perikopenbuch, das
1493 in Augsburg gedruckt wurde, sowie das Buch „Vom Ende der Welt“ von Vincen-
tius Ferrerius. Dazu kam die „Legende von St. Heinrich und St. Kunigunde“, die Kuni-
gunde sicherlich besonders interessiert haben dürfte, verdankte sie ihren Namen doch
gerade dieser Heiligen. Ebenfalls einen eigenhändigen Eintrag der Herzogin enthält der
„Spiegel menschlicher Behaltnis“, der bereits 1489 in Augsburg gedruckt wurde.
848
Neben diesen Büchern, die heute zum größten Teil in der bayerischen Staatsbibliothek
in München aufbewahrt werden, läßt sich eine weitere Handschrift, eine deutschspra-
chige Bibel, als ehemaliges Eigentum des bayerischen Herzogspaars nachweisen. Auch
dieses Buch befand sich ursprünglich im Besitz des Hans Stauff zu Ehrenfels und
gelangte im Löwlerkrieg des Jahres 1492 in die herzogliche Bibliothek. Kunigunde
nahm die mit Bibel wohl 1508 mit ins Pütrich-Regelhaus; heute befindet sie sich in der
Universitätsbibliothek Augsburg.
849
Abschließend läßt sich sagen, daß Kunigunde sicherlich nicht zu den großen spätmittel-
alterlichen Mäzeninnen zu zählen ist; dennoch ist erkennbar, daß sie ein gewisses Inter-
esse für Handschriften und frühe Drucke aufbrachte. Daß ihr von verschiedenen Per-
sönlichkeiten, wie etwa von Dietrich von Plieningen oder von Geiler von Kaisersberg,
Widmungsexemplare übergeben wurden, ist sicherlich zum Teil mit ihrer Stellung als
Herzogin von Bayern und Schwester des Kaisers Maximilian zu begründen. Die
Anmerkungen, die Kunigunde in einigen Büchern, z.B. in der „Geschichte vom Heiligen
Kreuz“ mit eigener Hand machte, zeigen aber auch, daß sie ihre Bücher nicht nur zu
Dekorationszwecken benutzte, sondern diese tatsächlich las und benutzte. Ihr Interesse
lag hauptsächlich bei religiösen Schriften, was auch die vermehrte Schreibtätigkeit im
Münchner Pütrich-Regelhaus mitbegründete.
847
Vgl. Cgm 977, fol. 1f.
848
Vgl. G
ELDER
, Bücherbesitz, S. 124.
849
Vgl. Karin S
CHNEIDER
: Deutsche Mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg:
Die Signaturengruppen Cod. I.3 und Cod. III.1 (Die Handschriften der Universitätsbibliothek
Augsburg, Reihe 2: Die deutschen Handschriften, Bd. 1). Wiesbaden 1988, S. 35f.
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